Marines

 
  • Deutscher Titel: Marines
  • Original-Titel: Marines
  •  
  • Regie: Mark Roper
  • Land: USA
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Brant Cotton (Lt. Everett), Frank Sallo (Hamburger), Lawrence Monoson (Larby), Andrew Bowen (Guillen), Thomas R. Martin (Westlund), George Roberson (Anslow), Hristo Shopov (Antonov), Mark Ivanir (Kirilenko), Lou Hirsch (Flanders), Atanas Sebrev (Andersen), Valentin Ganev (Sasha)


Vorwort

Der Versuch einer amerikanischen Marines-Einheit, in Bosnien den gefürchteten Kriegsverbrecher, Terroristen und all-around-bad-guy Antonov einzukäschen, endet in einem Fiasko. Der Bösmann ist bestens vorbereitet und kann mit zwei gefangenen Marines entkommen – ein Schlag ins Gesicht für den Kommandoffizier Anslow. Aber das Schicksal meint es gut mit Anslow, er und sein Team bekommen eine zweite Chance. Antonov hat sich in Tschetschenien verkrochen und das gefällt den Russen gar nicht – deswegen wird eine gemeinsame Aktion geplant. Die Amis dürfen Antonov behalten, die Russen interessieren sich mehr für das vom Schurken mit diversen kriminellen Machenschaften ehrlich zusammengesparte Gold. Kaum sind die Amis in Tschetschenien abgesprungen und haben sich mit der russischen Einheit um Major Kirilenko bekannt gemacht, gerät die Truppe auch schon in einen feinen Hinterhalt, in dessen Rahmen die meisten russischen Kämpen ins Gras beißen – und ein weiterer Marine wird von Antonovs Mannen verschleppt. Ob des neuerlichen Desasters möchte Außenministeriums-Politclown Flanders, der die Aktion eingefädelt hat, gerne zum Rückzug blasen, aber Anslow und sein ausführender Scherge vor Ort, Lt. Everett, linken den Politkasper, täuschen Kommunikationszusammenbruch vor und beschließen, die Operation auf eigene Faust weiterzubetreiben (kein Marine lässt einen Kameraden zurück, gelle?). Zwischen Amerikanern und den restlichen Russen entfaltet sich eine zurückhaltende Kameradschaft, die dadurch strapaziert wird, dass Kirilenko nahe seines Heimatdorfs unbedingt ein paar Antonov-Bösburschen daran hindern muss, eine junge Frau zu vergewaltigen und dadurch das enge Zeitfenster, bis die Amis einen Luftschlag gegen Antonov durchführen, nicht üppiger wird. Nach weiteren Scharmützeln stehen Everett und seine Mannen erstens vor dem Schurken-HQ und zweitens einer ergötzlichen Übermacht böser Feinde gegenüber. Und dann liefert Kirilenko die Yankees auch noch dem Terroristen aus. Kann man dem gar keinen Menschen mehr vertrauen?


Inhalt

Und wieder ein Nu-Image-Film. Keine Panik, ich bin jetzt mit dem hier auf Halde liegenden Backprogramm beinahe durch (okay, die „Shadowchaser“-Box steht noch rum) und das erfreuliche an Nu-Image-Action ist nun mal, dass sie relativ leicht zu reviewen ist (wenn man nicht gerade einen Stinkkäse wie Lethal Ninja) erwischt hat. „Marines“ ist ein weiterer Vertreter des 2003/04er-Schwungs an thematisch verwandten, aber inhaltlich nicht verknüpften Militär-Actionfilmen mit vage tagespolitisch-aktuellen Aufhängern wie Air Marshal, Special Forces und Submarines. Für das Drehbuch (ähm) zeichnet Ross Helford verantwortlich, der sich in der Folge zum Spezialisten für ungefragte Low-Budget-Sequels („Wild Things 2 und 3“, „Sniper 3“, „Weiblich, ledig, jung sucht… 2“) entwickelte (und zwischendurch noch Zeit fand, den deutsch-amerikanisch-russischen Zeichentrickfilm „Der Nussknacker und der Mäusekönig“ zu schreiben. Interessanter Ouevre-Ausreißer), auf dem Regiestuhl nimmt Mark Roper Platz, der südafrikanische Action-Director, dessen Resultate zwischen Ed-Wood-verdächtig (Warhead) und patentem B-Radau (Operation Delta Force 4: Deep Fault) schwanken.

Die Geschichte, die sich Helford ausgedacht hat, ist dabei äußerst simpel – ein klassischer „Quest“, praktisch das älteste Stilmittel in der Geschichte der fiktionalen Erzählung; eine Gruppe von Helden muss innerhalb einer bestimmten Zeitspanne an einen bestimmten Ort gelangen, um dort eine Handlung vorzunehmen. D.h., um mal ganz frech zu sein, „Marines“ funktioniert von der Storystruktur her exakt wie „Der Herr der Ringe“ (was nur wieder deutlich macht, dass „Fantasy“ weniger ein Genre denn ein Setting ist, in dem sich absolut universelle Geschichten abspielen können). Die Tatsache, dass Everett und seine Leute keinen Ring in einen Vulkan werfen müssen, sondern einen gesuchten Kriegsverbrecher und Terroristen dingfest machen müssen, spielt für die allgemeingültigen Plotmechanismen keine besondere Rolle; es ist ein Motiv, das verwendet wird, seit Menschen andere Menschen mit ausgedachten Geschichten unterhalten, und das bis in alle Ewigkeiten weiterverwendet wird, weil es schlicht und ergreifend ein einfaches, sofort verständliches Konstrukt ist, in dessen Verlauf man unterschiedlichste Abenteuer einbauen kann und trotzdem um einen fortlaufenden, spannenden Narrative gar nicht drumrum kommt.

Ich will jetzt natürlich nicht Helford mit Tolkien vergleichen, aber es ist, denke ich, doch lohnenswert, einmal darzustellen, dass ein unambitioniert gefilmter Kriegs-/Actionhobel nach ähnlichen, wenn nicht exakt gleichen Mechanismen funktioniert; im Grunde schlichtes, aber effektives Storytelling. Freilich wäre es schön gewesen, hätte Mr. Helford daran gedacht, auch ein paar Charaktere ins Rennen zu schicken und nicht nur austauschbare Uniform- und Helmträger, die unter diesem Einheitslook kaum unterscheidbare Eigenschaften mitbringen – die Figuren werden mit ein-zwei hingeworfenen Brocken „informed attributes“ definiert (Larby ist der „alles-nach-Vorschrift-macher“, Guillen der zurückgezogene Einzelgänger, Hamburger der „hot shot“, Everett der weise Anführer etc.), die nicht wirklich dabei helfen, ihnen eine echte Identität zu geben (Klartext: es ist dem Zuschauer dann auch relativ wurscht, wer wann warum und wie ins Gras beißt, weil die Charaktere eben nur austauschbare Schablonen sind). Ironischerweise fährt Halford mit seinen beiden wichtigen russischen Charakteren (Kirilenko und seinem Adlatus Sasha) besser, sie sind nicht nur optisch unterscheidbarer, sondern haben auch stärkere Motivation (zwar simpler Art, aber zumindest meßbar). Dazu passt auch, dass in einem der besseren Momente des Scripts (der von der deutschen Synchro, die sich nicht mir Ruhm bekleckert, fürchterlich entschärft und -stellt wird), es mit Everett der „leading man“ ist, der zugeben muss, keine Ahnung zu haben, warum er eigentlich Soldat ist, während Kirilenko, der, wie er ausführt, „für 58 Dollar im Monat“ seinem Job nachgeht, an etwas *glaubt*, Ideale hat und demzufolge auch derjenige ist, der, als die Truppe über die oben angesprochene Vergewaltigung stolpert, das „moralisch richtige“ macht (nämlich eingreifen), auch wenn es den Erfolg der übergeordneten Mission gefährdet (allerdings macht das auch – SPOILER – den „Twist“, dass Kirilenko die Amis an Antonov verrät, durchschaubar; im Gegensatz zu den tumben Yankees ahnt der Zuschauer sofort, dass es Kirilenkos Plan war, die Marines so am einfachsten in Antonovs Hauptquartier einzuschleusen). Die Liebe geht dann (immer noch SPOILER) zwar nicht so weit, dass der „gute Russe“ auch überleben darf, aber man gönnt ihm einen pathoserfüllten Heldentod, wie es normalerweise nur dem Hero’s Best Friend angemessen erscheint.

Was dem Script über weite Strecken auch recht gut gelingt, ist die Atmosphäre der „uneasy cooperation“ zwischen Russen und Amerikanern (ohne, dass man dabei in cartoon-Stereotypen verfällt wie z.B. „Der stählerne Adler II“), wobei es auch hier überraschenderweise die Russen sind, die vorurteilsfreier an die Zusammenarbeit herangehen. Minuspunkte gibt’s allerdings für die völlig undifferenzierte Schurkengestalt des Antonov (dessen Karriere vom Sowjetsoldat über Kriegsverbrecher zum mutmaßlichen islamistischen Terroristen unreflektiert bleibt) und das zwar immer wieder gern genommene, aber selten inkonsequent genutzte Stilmittel des „bösen“ bzw. „feigen Politikers“ in Form von Flanders, der nach Ansicht des Scripts (ohne, dass es hierfür echte Indizien gäbe) am ganzen Schlamassel, in den die tapferen Helden geraten, schuld ist (aber mit dem ebenfalls völlig überflüssigen Charakter des Anslow ein paar Minuten screentime füllt).

Im Hinblick auf die Regie zeigt sich Mark Roper erfreulicherweise mal wieder von seiner Dr.-Jekyll-Seite und liefert einen guten Job ab – obschon mit geringem Budget (und daher praktisch komplett auf freier bulgarischer Wildbahn) gedreht (für den großen militärischen Scope sorgt einmal mehr Nu Images umfangreiche stock-footage-Bibliothek, wobei der Film so konstruiert ist, dass diese praktisch nur für establishing shots und handlungstechnisch irrelevante Einblendungen von anfliegenden Jets o.ä. gebraucht wird, mit der eigentlichen Story also nicht interagieren muss und somit auch nicht negativ auffällt), sorgt Roper für ausreichende action set pieces, wobei lt. Making-of das Bestreben dahin ging, die Kriegs-Action „realistisch“ zu halten. Da nie selbst im Krieg gewesen, kann ich das letztlich nicht beurteilen, aber in der Tat scheint sich mir „Marines“ weniger an „Rambo“ (bzw. „Operation Delta Force“) zu orientieren (unbesiegbare Ein-bzw.-wenige-Mann-Armeen), sondern stärker in der Tradition der (jetzt sage ich es doch) „realistischeren“ Vietnam-Filme, in dem das Einsatzteam von einem Hinterhalt in den nächsten stolpert. Hier wird dann auch nicht mit zwei MGs gleichzeitig gewedelt, die shoot-outs wirken vergleichsweise glaubhaft, und obschon die größten production values ein (1) Panzer und ein (1) gepanzerter Truppentransporter sein dürften, sind die Actioneinlagen rasant, stellenweise (speziell die Eröffnungssequenz des Sturms auf Antonovs bosnisches Versteck) intensiv (auch dank Schnitt und Kameraführung, die zwar schnell, aber nicht von der nervigen Hyperaktivität der Michael-Bay-Schule sind) und vom Spezialeffekt-/Pyrotechnik-Aufwand für eine Produktion dieser Größenordnung absolut vertretbar. Langeweile kommt jedenfalls trotz der blassen Charaktere und der altbekannten und nur wenig aufgepeppten Story nicht auf.

„Marines“ ist in der deutschen Fassung um ca. 4 Minuten gekürzt, wobei einige der gekürzten Ruppigkeiten im Making-of zu bewundern sind. Trotz der Schnitte sind auch in der gekürzten Fassung noch einige recht rüde FX zu bewundern (Highlight sicherlich die abgetrennten Haxen siehe Screenshot); angesichts der Tatsache, dass die geschnittenen Szenen nicht *so* viel härter anmuten, kann man wohl annehmen, dass der FSK einige knackige Kopfschüsse (z.B. durch ein Sniper-Zielfernrohr) für ein vermutlich angestrebtes KJ-Rating grundsätzlich zu viel des Guten waren, und bei Entfernung dieser „Anstößigkeiten“ gleich der blaue FSK-16-Sticker drin war. Insgesamt eher rätselhaft.

Der Score von Stephen Edwards („Bloodsport 2“, Cold Harvest, „Hellraiser: Hellseeker“, „Feast“) ist überraschend effektiv und kommt ohne überzuckerndes Pathos aus.

Die Schauspielerei ist dann schon weniger zu loben – Brant Cotton („Wag the Dog“) fehlt das notwendige Charisma eines leading man, auch wenn es der Ansatz von Script und Film ist, keine überlebensgroßen Helden, sondern vergleichsweise „realistische“ Figuren zu schildern, und eine selbstzweifelnde Dialogsequenz macht mangels darstellerischer Befähigung dann eben auch noch keinen ambivalenten, dreidimensionalen Charakter. Frank Sallo, Lawrence Monoson („Starship Troopers 2“, „Freitag der 13.: Das letzte Kapitel“), Andrew Bowen („Kiss of the Vampire“, „MADtv“) und Thomas R. Martin („Shrieker“) können sich als austauschbares, gesichtsloses Füllmaterial nicht auszeichnen; George Roberson („The Lucky 7“) hat zwar einen beängstigenden entschlossenen Blick drauf, laboriert aber an dem völlig unnötigen Charakter, Lou Hirsch (größter claim to fame: er ist die Original-Stimme von „Baby Herman“ aus „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“) geht’s mit seinem „schmieriger Politiker“-Charakter nicht besser, Hristo Shopov („Raptor Island“, „The Passion of the Christ“, dort Pilatus) hat für den formalen Antagonisten viel zu wenig screentime, durchaus überzeugen kann allerdings Mark Ivanir („Der stählerne Adler II“, „The Good Shepherd“, „Terminator: The Sarah Connor Chronicles“) als Kirilenko.

Bildqualität: Starmedia legt den Streifen in der gewohnten direct-to-DVD-Qualität vor – der anamorphe 1.78:1-Transfer ist ohne Fehl und Tadel, solide Schärfe- und Kontrastwerte, akzeptable Kompression, keine Defekte, Masteringfehler oder Verschmutzungen. Absolut in Ordnung.

Tonqualität: Wieder einmal gibt’s satte fünf Tonspuren – englischen O-Ton in Dolby 2.0 und Dolby 5.1, deutschen Ton in Dolby 2.0, 5.1 und dts. Von der deutschen Sprachfassung ist (wenn ich nach den Untertiteln) gehe, aufgrund einiger Entschärfungen abzuraten, der englische O-Ton ist gut verständlich, rauschfrei und angenehm abgemischt.

Extras: Neben dem üblichen, selbstbeweihräuchernden und dennoch nicht uninformativen kurzen Making-of (in dem, wie gesagt, einige der gekürzten Szenen in voller Glorie zu bewundern sind), gibt’s noch Filmografien, den Trailer und eine Trailershow.

Fazit: „Marines“ ist einer dieser Filme, die zeigen, worin Nu Image im Idealfall immer noch am besten ist – anspruchslose, aber sauber gewerkelte Militäraction; das verdient alles keine Originalitätspreise, schert sich um Innovation und Novitätenwert einen feuchten Schmutz, macht, das, was es will, aber völlig zufriedenstellend. Wer einen Nu-Image-Actionfilm ausleiht oder kauft, erwartet nicht „Full Metal Jacket“ oder „Platoon“, sondern 90 Minuten Remmidemmi. „Marines“ liefert – nicht im gigantomanischen Scope eines typischen Mitt-80er-Cannon-Fetzers, aber wesentlich befriedigender als pure stock-footage-Epen Marke Wynorski/Phoenician Entertainment. „Marines“ verfügt über flottes Tempo, gut inszenierte Action-Szenen in ausreichender Anzahl und spart sich größere Blödheiten im Drehbuch. Ein paar ausgearbeitete Charaktere und ein Schwung etwas charismatischerer Schauspieler wäre schön gewesen, aber das eine bringt in dem Bereich Film, in dem wir uns hier bewegen, keine zusätzlichen Verkaufszahlen, das andere kostet zuviel Geld. Insofern ist „Marines“ schon nahe am Optimum, was ein vielleicht 1-2 Millionen Dollar schwerer Action-B-Film leisten will und kann. Wer an dieser Art Film seinen Spaß hat (und ich habe ihn), macht mit „Marines“ wenig verkehrt, auch wenn eine uncut-Veröffentlichung natürlich sehr zu begrüßen wäre.

3/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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