Marco Polo und die Kreuzritter

 
  • Deutscher Titel: Marco Polo und die Kreuzritter
  • Original-Titel: The Incredible Adventures of Marco Polo
  • Alternative Titel: The Incredible Adventures of Marco Polo on His Journeys to the Ends of the Earth |
  • Regie: George Erschbamer
  • Land: Ukraine/USA
  • Jahr: 1998
  • Darsteller:

    Don Diamont (Marco Polo), Oliver Reed (Captain Cornelius Donovan), Jack Palance (Beelzebub), John Hallam (Ali Ben Hassad), Cas Anvar (Youssef), Jeff Saumier (Nicolo), Gareth Hunt (Grand Master), Gavin Abbott (Leader), Lara Bobroff (Princess Marita), Lyudmilla Brusentova (Sylvia), Graham Stark (Old King)


Vorwort

Im Jahr 1304 sitzt Marco Polo im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Genua und Venedig in einem genuesischen Knast. Weil die Gefangenen dort nicht viel besseres zu tun haben, erzählen sie sich ihre Lebensgeschichten und da kann Marco natürlich einiges bieten…

1271 wird der junge Kaufmann Marco Polo von seinem Onkel nach Accra geschickt. Marco will die Reise allerdings als Aufaktetappe für eine Expedition nach China nutzen, wo sein Vater verloren gegangen ist. Mit einer Kamelkarawane zieht Marco los und muss rasch feststellen, dass sein jüngerer Bruder Nicola sich heimlich der Truppe angeschlossen hat. Zähneknirschend nimmt Marco den Bruder mit, der aber wenigstens von einem schwarzen Sklaven einen Crashkurs in Sachen Kampftechnik erhält. In Accra erweist sich ihr Geschäftspartner Ali Ben Hassad als linke Bazille, der nicht wirklich daran denkt, seine Schulden bei der Polo-Familie zu bezahlen. Mit Hilfe von Alis Sklaven Yussuf setzen sich Marco und Nicola ab und beschließen, das von Yussuf für die Polos geklaute Geld als Grundlage für die China-Expedition einzusetzen. Eine Gruppe Kreuzritter eskortiert das Trio bis zur Grenze Armeniens. Armenien selbst wird von einem Despoten namens Beelzebub regiert, der die Reisenden gefangen nimmt. Marco besteht in Beelzebubs „Käfig des Todes“, aber der Tyrann will Marco, Nicola und Yussuf trotzdem nicht ziehen lassen. Marco verliebt sich Beelzebubs Gefangene Prinzessin Marita, die Tochter des ermordeten rechtmäßigen Königs. Mit einer Heirat Maritas könnte Beelzebub seinen Thronanspruch legitimieren. Ein aufrechter Kavalier wie Marco Polo hat da aber natürlich so einige Enwendungen…


Inhalt

Zu den Produzenten mit langem Atem gehörte sicherlich Harry Alan Towers – eine schillernde Persönlichkeit mit fraglos gerne mal zweifelhaftem Geschäftsgebaren und immer dabei, wenn irgendwo ein schnelles Pfund Sterlin zu verdienen oder irgendeine Steuervergünstigung auszunutzen war. Towers-Produktionen waren selten filmhistorische Meilensteine, schon allein, weil Harrys primärer Fokus nie die Qualität des Dargebotenen war, sondern so viel wie möglich vom Budget in die eigene Tasche zu wirtschaften, aber er hatte immer ein Händchen dafür, Stars zu verpflichten, die eigentlich in Filmen dieser Handelsklasse nichts (mehr) verloren hatten, aber gerne durch exotische Locations (=schöne Urlaubsziele) und übersichtlich aufwendige Rollen (=Zeit, da auch Urlaub zu machen) überredet werden konnten, in einem von Harrys Kommerzreißern mitzuwirken.

Wie wohl Harrys „Goldene Periode“ die späten 60er und frühen 70er umfasst, war er bis 2004 ausgesprochen umtriebig (immer auf der Suche nach Produktionspartnern, die das eigentliche Geld beisteuern durften, hatte er folgerichtig content-hungrige Privatsender als beschubsenswerte Kooperationspartner ausgekuckt). Unser heutiges corpus delicti stammt aus dem Jahr 1998 und wurde in der Ukraine, genauer gesagt, auf der Krim gedreht. Vom look’n’feel her auf einem Level mit Towers‘ späten TV-Filmen, fand „Marco Polo“ aber wohl keinen Abnehmer in den Fernsehlanden und wurde als DTV-Premiere verklappt (zumindest ist das mein Kenntnisstand). Der Film wirkt ein wenig so, als sei er ein getarnter Pilotfilm für eine mögliche Serie oder zumindest auf weitere Filmfortsetzungen angelegt, denn, wie sich aus obiger Inhaltsangabe ersehen lässt, macht der Streifen um die eigentlich uns bekannten Abenteuer des venezianischen Kaufmanns und Entdeckers einen ziemlich weiten Bogen, um mehr oder minder „belanglose“ erfundene Geschichten zu erzählen, die den Namen „Marco Polo“ weder brauchen noch wirklich verdienen.

Gut, die episodenhafte Struktur ist zu verschmerzen, dass es keinen übergreifenden Plot gibt, liegt mehr oder minder in der Natur der Sache, aber zwangsläufig hat dann eben auch keine dieser Episoden soviel Substanz, um wirklich spannend oder abenteuerlich zu weden. Der „Höhepunkt“ der Reise nach Accra ist die Befreiung des von Söldnern „gestohlenen“ schwarzen Sklaven, den Marco und Nicola dann von seinem eigentlichen Eigentümer freikaufen – wer glaubt, die beiden hätten dadurch einen loyalen Gefährten gefunden, täuscht sich, weil der Befreite lieber bei seinem früheren Besitzer bleibt. Etwas besser wird’s dann in Accra mit dem fiesen Ali Ben Hassad. Die Kreuzritter-Episode dient eigentlich nur zur oberflächlichen historischen Einordnung und etwas halbherzigem „Krieg, schon schlimm“-Gedöns. Sind wir dann in Armenien angekommen, schert sich der Film keinen Zentimeter mehr weit um so etwas ähnliches wie „historische Glaubwürdigkeit“. Beelzebub (schon mal ein sehr realistischer Name) ist Your-Generic-Fantasy-Movie-Tyrant, und wenn der auch noch von Jack Palance gemimt wird, der mehr als einmal einen Generic-Fantasy-Movie-Tyrant gespielt hat (man denke nur an den „Geächteten von Gor“), fühlt man sich ein bisschen wie in einem späten Cannon-Film (passt ja auch, weil Towers einiges an Stoffen, die Cannon beackerte, in dieser Phase für’s TV adaptierte. Quatermain z.B.) ohne deren Willen zur Insanity.

Die „Käfig des Todes“-Sequenz ist einigermaßen stimmig, da haben Towers‘ ukrainische Crewleute auch ein schönes Prop aufgestellt (wie überhaupt der Film durch die ukrainische Location nicht unbedingt realistisch wie im Nahen Osten gedreht aussieht, aber durchaus etwas teurer, aufwendiger wirkt als die meisten zeitgenössischen Towers-Produktionen), aber danach ergibt sich der Film einer simplen „save the princess“-Plotte, die noch nicht mal ein richtiges Happy End erlaubt, weil Marcos Abenteuer ja eigentlich erst beginnen und er auf der Reise nach China kein Weibsvolk brauchen kann.

Wie gesagt, der Aufwand ist für den Rahmen einer späten Towers-Produktion beachtlich, sowohl was Statisten als auch Sets und Ausstattung angeht, die Actionszenen sind wenig aufregend und trotz immensen Bodycounts betont unblutig, um familienfreundlich (ergo prime-time-TV-freundlich) zu bleiben.

Die Darsteller sind erträglich – Don Diamont hat einen coolen Namen und ist attraktiv genug, um als leading man-Material auf TV-Niveau durchzugehen, Charisma ist aber nicht so seins (sein Glück fand Diamont später in den Daily Soaps „Schatten der Leidenschaft“ und „Reich und schön“, wo er mehrere tausend Folgen auf dem Buckel hat). Für Lara Bobroff (Prinzessin Marita) war „Marco Polo“ Anfang, Höhepunkt und Ende ihrer Filmkarriere – lag wohl nicht am Talent, klar, ihr Schauspiel ist „nothing special“, aber für solide TV-Auftritte hätte es sicher gereicht, wenn sie ernstlich gewollt hätte. Cas Anwar, als Yussuf für den Zuschauer Chef-Sympathieträger im Cast, schloss eine durchaus erfolgreiche TV-Karriere an und war zuletzt in den erfolgreichen Netflix-Serien „The Strain“ und „The Expanse“ zu sehen. Jeff Saumier (Nicola) hatte noch eine kleine Rolle in dem B-Thriller „The Pact“ und verschwand dann ebenfalls spurlos im Nirvana gestrauchelter Jungschauspieler.

Die großen Stars sind natürlich die, die „Gastrollen“ spielen. Oliver Reed verschleißt sich als Karawanenführer nicht wirklich, John Hallam („Lifeforce“, „Dragonslayer“, „Santa Claus: The Movie“) legt eine amüsante Vorstellung als Ali Ben Hassad hin und Jack Palance spielt eine Rolle wie Beelzebub auf routiniertem Autopilot. Den Anführer der Kreuzritter spielt Gareth Hunt, vielleicht am bekanntestn als Steeds neuer Partner Mike Gambit in der wenig geliebten Neuauflage der „Avengers“.

Alles in allem ist „Marco Polo“ nicht offensiv schlecht, aber auch sehr sehr durchschnittlich und in getreuer Towers-Tradition gewillt, ja nicht zu viel bang for the buck zu bieten. Die im Vergleich zu anderen Towers-Produktionen dieser Ära etwas aufwendigere Machart gibt ein paar Pluspunkte, die aber insgesamt zu fußlahme Inszenierung von George Eschbamer („Bounty Hunter“) verhindert, das wirkliche Freude aufkommt.

2/5
(c) 2017 Dr. Acula


mm
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