Maciste gegen die Hexenjäger

 
  • Deutscher Titel: Maciste gegen die Hexenjäger
  • Original-Titel: Maciste all'inferno
  • Alternative Titel: Maciste, der Rächer der Verdammten | The Witch's Curse |
  • Regie: Riccardo Freda
  • Land: Italien
  • Jahr: 1962
  • Darsteller:

    Kirk Morris (Maciste), Helene Chanel (Fania), Vira Silenti (Martha Gaunt), Angelo Zanolli (Charley Law), Andrea Bosic (Richter Parris), Antonella della Porta (Doris), John Karlsen (Bürgermeister), Pietro Ceccarelli (Goliath), Remo de Angelis (Prometheus), Charles Fawcett (Doktor)


Vorwort

1522, Loch Lake (sic), eine kleine Gemeinde in Schottland. Wie’s zu der Zeit üblich ist, wird allerlei Unbill auf das Wirken einer Hexe geschoben und Richter Parris hat auch die passende Kandidatin, Martha Gaunt, und schafft sie umgehend auf den Scheiterhaufen. Win-win-Situation für ihn, denn Martha hat dereinst seine libidösen Avancen zurückgewiesen und we can’t have that, can we? Während Martha brutzelt, verflucht sie, wie auch das gute Sitte ist, die Gemeinde, ihre Bewohner und ihre Nachkommen bis ins x-tausendste Glied.

Hundert Jahre später herrscht in Loch Lake das blanke Chaos, weil bevorzugt das attraktive Weibsvolk vom Teufel besessen scheint und sich dringlich zu entleiben wünscht, bevorzugt per Aufknüpfen am „Hexenbaum“. Die Dorfbewohner behelfen sich damit, die augenscheinlich Irren in einem Gewölbe einzusperren, wo sie keinen gesteigerten Schabernack anrichten können, aber dass die Situation irgendwie unbefriedigend ist, ist allen klar. Unglückseligerweise platzt in dieses Pulverfass Martha Gaunt, Nachfahrin der damals gegrillten Hexe, jetzt frisch mit dem jungen Edelmann Charley verheiratet, der für seine Flamme (hehe) auch das alte Familienschloss gekauft hat.

Der abergläubische Dorfbewohner von Welt muss daher nur 2 + 2 zusammenzählen, sowas ähnliches wie 4 rausbekommen und den Schluss ziehen, dass es angebracht ist, die neue Martha prophylaktisch zu verbrennen. Dem Fackel- und Mistgabel-Mob hat Charley trotz patent geschwungenen Degens nicht viel entgegenzusetzen und auch ein Doktor, der dem Aberglauben nicht so zugetan ist wie sein Bürgermeister, kann nicht verhindern, dass Martha unbürokratisch gelyncht werde soll.

Doch da! Wer reitet so spät durch Nacht und Wind und ist dabei nur mit einem Lendenschurz bekleidet? Maciste, Beschützer der Witwen, Waisen und sonstwie Bedrängten, dessen überragende Muskelkraft für den Moment Martha vor dem Schicksal, eine Bratwurst zu werden, bewahrt.

Was Maciste nicht verhindern kann ist die Einberufung eines ordentlichen Hexenprozesses und obschon Doktor, Charley, Maciste und nicht zuletzt Martha selbst von ihrer Unschuld überzeugt sind, fällt es schwer, sich auf ihre Seite zu schlagen, wenn beim Schwur auf die Bibel selbige in Flammen aufgeht. Was selbstverständlich Teufelswerk bzw. das Werk von Martha, der Älteren, ist. Da hat der Bürgermeister gar keine andere Wahl, als Martha, die Jüngere, zum Tod per Flambée zu verurteilen.

Der Doktor ist überzeugt davon, dass der ganze Aberglauben-Spuk ein Ende fände, fände sich jemand, der den Hexenbaum ausrupft. Maciste springt da gerne ein und entdeckt unter dem Baum das sprichwörtliche Tor zur Hölle. Doof, wie unser Muskelmann nunmal ist, marschiert er direkt rein, um die alte Martha zu finden und irgendwie dazu zu bewegen, ihren Fluch über das Dorf aufzuheben.

In der Hölle hockt Martha I tatsächlich, an ihrer Seite als Kumpan der alte Richter Parris – man ist nun ein Herz und eine Seele und hetzt allerlei Ungeheuer auf Maciste. Zunächst muss er mit einem Löwen rangeln und dann eine flammende Tür öffnen, wobei er sich die Pfoten verbrennt. Ein hübsches Zauberwesen namens Fania heilt allerdings die verkohlten Flossen und gewinnt des Muskelprotzes Herz. Was wir ahnen (und wenig später auch wissen) – Fania ist natürlich niemand anderes als Hexe Martha beim Versuch, den aufrechten Helden zu korrumpieren.

Maciste besiegt einen Riesen, leidet aber nunmehr unter Gedächtnisschwund. Fanias Zauber vernebelt nämlich das an Brägen, was vorhanden ist, und damit auch den Grund seines Hierseins in der Unterwelt. Auf die Sprünge hilft ihm der ordnungsgemäß an einen Felsen geschmiedete und von Adlern auseinandergepickte Prometheus, der ihn in Richtung eines Teichs der Erinnerung schickt. Die Bilder vergangener Heldentaten setzen die Zahnräder Macistes Hirns in Bewegung und er schreitet zur Konfrontation mit der Hexe. Wird auch Zeit, denn mittlerweile sind ein paar Tage vergangen und die Bewohner von Loch Lake sind in Stimmung für einen zünftigen Grillabend mit Hexe gut durch als Hauptgericht…


Inhalt

Das Peplum-Genre, auch als Sandalenfilm bekannt, Spezialgebiet der italienischen Kommerzfilmindustrie von 1958 (Steve Reeves erstem Stint als „Herkules“) bis Mitte der 60er (als dann der Italo-Western übernahm), hatte durchaus seine kuriosen Ausprägungen – irgendwann gingen den Filmemachern nämlich die Plotten aus, die man einigermaßen legitim in der Zeit der Halbgötter und sonstigen mystischen Muskelprotze hellenischer Tradition spielen lassen konnte – aber das hält den Italo-Produzenten nicht auf. Die 1961 lancierte „Maciste“-Serie (Maciste selbst stammt aus italienischer Pulp-Literatur und feierte schon in Stummfilmtagen sein Leinwanddebüt) scherte sich einen feuchten Kehricht um historische oder mythologische Glaubwürdigkeit – in seinem ersten Einsatz kämpfte der neue Held gegen ägyptische Pharonen, im zweiten Film gegen die Mongolen und im dritten (und letzten der „offiziellen“ Maciste-Reihe) verschlug es den Lendenschurzträger ins Schottland des 17. Jahrhunderts. If you don’t care, then don’t care at all…

Ironischerweise sollte „Maciste, der Rächer der Verdammten“ (per DVD-Neuveröffentlichung in „Maciste gegen die Hexenjäger“ umbenannt) seiner Zeit praktisch ein bisschen voraus sein, denn die Welle der Hexenfilme wurde ja erst ein paar Jahre später losgetreten. Aber sicherlich war den Produzenten weniger daran gelegen, eine neue Vogue loszutreten als Mario Bavas 1961 entstandenem „Vampire gegen Herakles“ einen Nachzieher auf den Pelz zu brennen. Dass der Streifen nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch mehr als unauffällig in Richtung des Bava-Schinkens schielt, verwundert nicht, saß am Steuer doch Riccardo Freda, mehr oder minder Bavas Lehrmeister, der sich nun in der ungewohnten Rolle wiederfand, seinem einstigen Schüler nachzueifern.

Für die ersten zwanzig Minuten ist „Maciste“ ein straighter Hexenfilm – die Verbrennung der Hexe, der Fluch und seine Auswirkungen, die Ankunft ihrer Nachfahrin im Dorf und der wütende Mob, bis Maciste uns mit seiner Anwesenheit beehrt, die ersten Eisenstangen verbiegt und mit größeren Möbelstücken um sich wirft. Eigentlich fast schade, dass unser Held auftaucht, denn die Story war bis dahin nicht uninteressant – die „Selbstmordplage“ und die Lösung der Dörfler für das Problem, die suizidwilligen Mädels einzusperren, sind eigentlich ein spannenderes Feld als diverse pseudospektakuläre Heldentaten eines minirocktragenden Muskelprotzes – aber wir sind halt nicht in einem Horrorfilm, sondern einem Peplum, und müssen uns daher an die dortigen Konventionen halten.

Leider ist die Reise in die Unterwelt alles andere als spannend inszeniert – teilweise wunderschön fotografiert (zumal Freda auch in einer echten, riesigen Tropfsteinhöhle in Italien drehen konnte), aber wenig beeindruckend. Man bzw. wenigstens ich kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es interessanter und spannender wäre, dürften wir sehen, wie der Doktor mit dem Bürgermeister über eine Aufhebung des Urteils verhandelt, wie der überaus loyale Charley zu dem Schluss kommt, mit seiner Angebeteten gemeinsam zu sterben und wie Martha selbst mit ihrem Schicksal zurechtkommt. Aber statt dessen sehen wir überwiegend fußlahme Abenteuer Macistes… Der Kampf mit dem Löwen besteht daraus, dass Maciste in Totalen mit einer sehr verspielten Löwin rangelt, in Nahaufnahmen aber mit einem schäbigen Löwen-Kopf-Prop (eines männlichen Löwen mit Mähne zudem) rauft – und der „getötete“ Löwe nach seinem Ableben auch noch fröhlich in die Kamera blinzelt. Ähnliches gilt für Macistes todesverachtenden Kampf gegen zwei Pythons, die dem Helden genau *gar nichts* tun und in die Maciste sich schon selbst einwickeln muss als wär’s Eddie Woods legendärer Oktopus aus „Bride of the Monster“, damit überhaupt so etwas wie „Gefahrengefühl“ aufkommt. Der Fight mit dem Riesen Goliath (den nur die Credits so nennen) bringt immerhin ein paar nette perspektivische Shots zum Vorschein, bei Prometheus gibt’s dann wieder extrem miese Adler-Props, bevor der Film durch eine gut zehnminütige (!) Flashback-Sequenz auf die vorhergehenden Maciste-Filme zum krachenden Stillstand kommt (und überdies dem Zuschauer vermittelt, dass die dort von Maciste vollbrachten Heldentaten exponential spektakulärer waren als das, was wir bislang in diesem Film gesehen haben – und nebenher etabliert es in der grenzenlosen Naivität italienischer Filmemacher, dass Maciste unsterblich ist, wird doch klar ausgesprochen, dass der Maciste, der im alten Ägypten rumturnte, der gleiche ist, der jetzt in 17th-century-Scotland aktiv ist).

Der Showdown (SPOILER voran) verdient dann immerhin 10 Gummipunkte für Frechheit, alldieweil Fania/Martha mirnix-dirnix einsieht, dass Maciste zu GUT für sie ist und sich durch einen Kuss erlösen lässt, durch den sie zu Staub zerfällt. I’m not quite sure ob das das ist, was das Publikum sehen wollte…

Freda mag in visueller Hinsicht der Lehrer Bavas gewesen sein, aber Bavas Gespür für Pacing, Timing, hat der Altmeister nicht. „Maciste gegen die Hexenjäger“ fühlt sich deutlich länger an als die knapp 88 Minuten, die er läuft, und das sicher auch, weil auf die Dauer die optische Abwechslung fehlt. Die Tropfsteinhöhle ist auf den ersten und zweiten Blick ein cooles Backdrop, aber man sieht sich daran auch recht schnell satt, insbesondere, wenn halt nichts wirklich großartig Sehenswertes drin passiert. Die Special Effects sind selbst für Italo-Verhältnisse ziemlich grottig, was allerdings gefällt, ist der Score, der mir auch so vorkommt, als wäre er später ab und an recycled worden.

An der Darstellerfront haben wir zunächst mal Kirk Morris, einen der wenigen einheimisch-italienischen Bodybuilder, der vor seiner Entdeckung für den Film als Gondoliere in Venedig arbeitete (!). Morris hat eine gewisse jungenhafte Ausstrahlung, die den meisten seiner Mucki-Kollegen abgeht, aber nicht wirklich das Charisma eines Steve Reeves. Morris versuchte sein Glück nach Abklingen der Peplum-Wellle im Westernfach und verkaufte seine Visage, nachdem auch das nicht wirklich funktionierte, an die Herausgeber von „fotoromanzis“, was genau das ist, wonach es sich anhört. Später zog er offenbar in die USA und betätigte sich in der Werbung.

Helene Chanel, hier Fania, spielte sich als Italo-Starlet durch etliche Sandalenfilme, Eurospy-Thriller und Western (exemplarisch seien aufgefüht „Kampf um Atlantis“, „Django – Kreuze im blutigen Sand“ und „Robin Hood in der Stadt des Todes“), ohne allerdings wirklich bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Immerhin hielt sie sich bis Mitte der 70er im Geschäft. Die hiesige Rolle bietet ihr kaum Möglichkeit, sich auszuzeichnen (oder wenigstens -ziehen, hüstel).

Vira Silenti (Martha) war zum Drehzeitpunkt schon eine Veteranin, begann ihre Karriere doch schon 1942 mit zwölf Jahren als Kinderdarstellerin, was sie auch in einige Filme des italienischen Starkomikers Totò führte. Kurioserweise hatte sie auch Stints in zwei nicht zu dieser Serie gehörenden „Maciste“-Filmen: „Maciste, der Rächer der Pharaonen“ (trotz des Titels nicht DER Film, auf den dieser unser heutiger Film in seiner Flashback-Sequenz Bezug nimmt, sondern eine unabhängig 1960 entstandene Produktion mit Gordon Mitchell in der Maciste-Rolle) und „Maciste, der Sohn des Herkules“ (von 1961 mit Mark Forest in der Titelrolle). Ich wünschte, dieser Film gäbe ihr mehr zu tun.

Für Angelo Zanolli (Charley) war es bereits die letzte Filmrolle – auch er war schon in „Maciste, der Rächer der Pharaonen“ dabei und ist auch in der Komödie „Schlechte Zeiten für Vampire“ zu sehen. Andrea Bosic (Richter Parris) tauchte auch in „Argoman – Der phantastische Supermann“, „Gefahr: Diabolik“ , Fulcis „Manhattan Baby“ und „Das Haus des Verfluchten“ von Sergio Martino auf. Als Bürgermeister gibt sich „Perry Rhodan“-„Crest“ John Karlsen (auch in „Das Schloss der blauen Vögel“ dabei) die Ehre.

Trotz des kuriosen Genre-Mixes ist „Maciste gegen die Hexenjäger“ letztlich ein eher langweiliger Sandalenfilm, der aus seiner Prämisse zu wenig an Atmosphäre, zu wenig an Spannung, zu wenig an Action, zu wenig an Horror herausholt. Hexen- und Sandalenfilm ergeben also keinen wohlschmeckenden Eintopf – man greife also lieber zu Bavas wenigstens auch mythologisch stimmigeren „Vampire gegen Herakles“. Hat man mehr davon.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 4


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