- Deutscher Titel: The Lost Samaritan
- Regie: Thomas Jahn
- Land: Deutschland
- Jahr: 2008
- Darsteller:
Ian Somerhalder (William Archer), Ruta Gedmintas (Elle Haas), Oliver Debuschewitz (Manny Rodriguez), David Scheller (Trevor Devlin), Anna Fin (Maddie Archer), Dulcie Smart (Kat Vasquez)
Vorwort
Buchhalter William Archer hat echt nicht die beste Nacht seines Lebens. Erst drückt ihm sein Boss Überstunden auf, dann ertappt er sein holdes Eheweib Maddie im Bett mit niemand anderem als genau diesem Chef, und als er dann frustriert durch die Nacht fährt, zerrt er noch schnell einen verunglückten Bruchpiloten aus seinem Autowrack. Der nölt halbbewusstlos irgendwelche rätselhaften Zahlenkombinationen, ehe William ihn im Krankenhaus abliefern kann. Dort interessiert sich jemand verdächtig für den barmherzigen Samariter, dass sogar der treudoofe Willi Verdacht schöpft und stiften geht.
Zu Recht, denn der Fragesteller ist eine Hälfte eines unsympathischen Killerduos, das in dieser Nacht nicht nur den Verunfallten auf der Abschussliste hat. Als potentieller Zeuge ist Willy natürlich reichlich unpopulär und so eliminieren unsere Killersfreund‘, nachdem sie Archers Adresse ermittelt haben, prophylaktisch das Pärchen, das dort Matratzenakrobatik betreibt. Merke: manchmal rentiert es sich sogar für Killer erst zu fragen und dann zu schießen.
Jedenfalls ist Manny und Trevor, den lustigen Mördersbuam, rasch klar, dass der richtige William noch lebendig rumläuft. Der allerdings ist gerade dabei, mit der Diner-Serviererin Elle, die gerade ihren Boyfriend in den Wind geschossen hat, ein neues Leben zu beginnen. Beim Versuch, noch ein paar persönliche Dinge aus der Hütte zu bergen, entdecken Will und sein neues Gspusi a) die schöne Bescherung und b) dass Manny auf Will wartet, um den Job zu Ende zu bringen. Am Ende der Auseinandersetzung hat allerdings Manny ins Gras gebissen, Will und Elle sind auf der Flucht.
Mit gewisser Berechtigung, denn als Mannys Partner Trevor auftaucht, entpuppt sich der (und konsequenterweise auch der Verblichene) als FBI-Agent, dessen Geschichte, dass man Will wegen Unterschlagungsverdacht beschattet habe und der wohl nun auf einer murder spree sei, nicht völlig unplausibel klingt. Doch Special Agent Kat Vasquez kommt der Kollege spanisch vor…
Inhalt
Oh, how the mighty have fallen… Gut, okay, ja, Thomas Jahn ist jetzt nicht gerade der Gott unter den Regisseuren, sondern vielmehr neben Dominik Graf ein weiterer lebender Beweis für die These, dass ein deutscher Regisseur, der es wagt, Genrefilme zu machen, nach einem Flop seine Kino-Karriere umgehend an den Nagel zu hängen hat und anstelle rituell seppuko zu begehen, seine Seele dem Fernsehen verkaufen muss.
Mit seinem Debütfilm „Knockin‘ on Heaven’s Door“ landete er nicht nur einen kommerziellen Volltreffer (3,5 Mio. Kinobesucher in Deutschland!), sondern fabrizierte so ziemlich den einzigen Til-Schweiger-Film, den auch Leute, die Til Schweiger normalerweise ob seiner, eh, eher eigenwilligen Schauspielkunst (von seiner Drehbuch- und Regiekunst wollen wir gar nicht erst reden) nicht ganz so knorke finden, freiwillig ansehen und dabei keinen Gehirnkrebs kriegen können.
Unglückseligerweise folgte als nächtes Projekt „Kai Rabe und die Vatikankiller“ und obwohl ich den nicht so schlecht fand („uneven“ klar, „schlecht“ nö), war’s ein katastrophaler Flop. Seinem dritten Kinofilm „Auf Herz und Nieren“ erging es trotz Stuntcasting mit Xavier Naidoo, Axel „Träger von Fackelmann-Mützen“ Schulz, Volker Lechtenbrink, Huub Stapel und Burt freakin‘ Reynolds (!) auch nicht besser, und so muss dich der einstmals als größtes deutsches Regietalent seit, pffz, anno dunnemals gefeierte Jahn als schnöder Auftragsarbeiter für „Balko“, „Der Dicke, „Der Kriminalist“ oder den MDR-„Tatort“ verdingen.
2008 fand Jahn wieder mit seinem Ex-Produzenten Michael Souvignier (der schon „Kai Rabe“ mitfinanziert hatte) zusammen, der es ihm ermöglichte, drei Low-Budget-Actionfilme mit teilweise internationalem Cast zu drehen – „80 Minutes“ (mit Gabriel Mann und Natalia Avelon), „The Boxer“ (mit Kelly Adams und Stacy Keach) und eben „The Lost Samaritan“ mit „Lost“- und „Vampire Diaries“-Nase Ian Somerhalder (wobei sein Vampir-Engagement erst nach diesem Film begann) und dem litauischen Starlet Ruta Gedmintas („Die Borgias“). Wenn „80 Minutes“ und „The Boxer“ nach dem Samariterdingens geraten sind (und wenn ich mir die Online-Kritiken so ansehe… sind sie das) darf ich sagen: wäre besser gewesen, wenn Jahn sich auf den Deal nicht eingelassen hätte.
„The Lost Samaritan“ ist nämlich, so leid’s mir als jemandem, der sich ja händeringend gute Genrefilme made in Germany wünscht, ein Scheißfilm erster Güte, der in keiner einzigen Diszpilin auch nur unterdurchschnittliches Niveau aus der Entfernung sieht.
Das Drehbuch von Chris Artiga-Oliver, von Jahn überarbeitet, krankt schon daran, dass seine Grundprämisse idiotisch ist. Welcher normale Mensch würde, wenn er ein Unfallopfer birgt, nicht Polizei oder Krankenwagen alarmieren, sondern das Opfer (höchstwahrscheinlich oberfachkundig) selbst in Krankenhaus fahren? Und dann, wenn er auf dem Krankenhausparkplatz mehr oder weniger offen bedroht wird, nicht *dann* spätestens die Cops einschalten? Aber das Script wurde ja auch von einem Pavian verfaßt, der im Gegensatz zu jedem Fünftklässler, der mal ein Jerry-Cotton-Heft gesehen hat (von „gelesen“ wollen wir gar nicht reden), nicht weiß, dass das FBI der amerikanische *Inlands*-Geheimdienst ist und seine Angehörigen daher nicht, wie Kat Vasquez über Devlin verkündet, „überall da sind, wo’s dreckig ist – El Salvador, Mexico City…“ (das wäre bekanntlich die Auslandsagency CIA, und die wiederum hat *in* den USA nichts zu melden. Aber in der Welt dieses Films wird das FBI ja auch offensichtlich standardmäßig zu jedem Tatort gerufen).
Die Dialoge sind schauderhaft, die Plotentwicklung, sobald man (nach ungefähr fünf Minuten) realisiert hat, dass die Geschichte mit Sicherheit die a) uninteressanteste und b) offensichtlichste Abzweigung nehmen wird, bis zur letzten halben Minute vorherzusehen. Klischeeerfüllung bis zur Selbstverleugnung ist das Programm (ersatzweise bis zur unfreiwilligen Selbstparodie – dass das Schlussbild des küssenden Heldenpärchens vor einem gerade anlaufenden Springbrunnen maximal in einem Lesile-Nielsen-Film durchginge, müsste einem Profi wie Jahn eigentlich auffallen).
Und, naja, dass wir eigentlich nie eine Begründung für den ganzen Mist bekommen, ist schon frech (die dahingemurmelten Zahlenkombinationen sind die Dienstnummern der bösen FBI-Agenten. Die kommen aber, bis zur Enthüllung ihrer Agenteneigenschaft, als stinknormale Auftragskiller daher. Was sie wollen, ob und ggf. in wessen Auftrag sie arbeiten und wer zum Henker der Typ, den Will aus dem Autowrack zieht, eigentlich ist… Thomas Jahn verrät es uns nicht).
Mit dem Script will ich mich darum gar nicht weiter aufhalten. Es ist furchtbar, langweilig, unspannend, träge, und genau so inszeniert Jahn die Chose dann auch. Langeweilig, unspannend und träge, mit einer Tendenz, Flashbacks zu Szenen, die wir fünf Minuten zuvor „live“ gesehen haben, immer und immer wieder abzuspulen (ich glaube, mehr als 60 Minuten Netto-Filmmaterial hat der Streifen nicht zu bieten. Der Rest ist Wiederholung). Die Actionszenen sind so undynamisch wie die Charakterszenen belanglos und die Spannungsszenen… unspannend.
Alles wirkt wie ein krampfhaft auf Spielfilmformat und „PROFI-Arbeit“ getrimmter Amateurkurzfilm – wozu auch passt, dass der Film in Amerika spielen soll und, haha, irgendwo in Deutschland gedreht wurde, ohne diesen Umstand sonderlich zu tarnen, d.h. unser knallharten FBI-Killer fahren an deutschen Bushaltestellen, deutschen Straßenschildern und deutschen Briefkästen (mit Posthorn) vorbei, und das in Kaleschen mit… nein, nicht mit deutschen Kennzeichen, sondern mit irgendwelchen Fantasienummernschildern wie „ACH 7311 H“, die, wenn ich mich nicht sehr irre, in keinem Staat auf Gottes Erdboden Verwendung finden. Allerbestenfalls stellt Jahn bzw. sein ausführender Kamerascherge Henning Jessel („SOKO Leipzig“) den Hintergrund unscharf, wenn dort ’ne fette Leuchtreklame vom „Dänischen Bettenlager“ o.ä.. aufscheint.
Die Flashbacks nehmen nicht nur das eh schon kaum vorhandene Tempo komplett heraus, sondern werden gern auch in unpassenden Situationen (d.h. quasi als Flashbacks von Personen, die bei den gezeigten Ereignissen nicht anwesend gewesen sein können!) eingebaut. Das wirkt alles völlig unrund, entweder wie der unbeholfene Versuch eines totalen Anfängers oder, und das dürfte der Sache näher kommen, das uninteressierte Schulterzucken eines „has-beens“, dem sowieso völlig egal ist, was am Ende ‚bei rauskommt (dazu passt auch ein völlig überkandidelter EPIC ACTION MOVIE~~!!-Score, der selten etwas mit dem on-screen Gezeigten zu tun hat).
Ich glaube ja, Dienstmarke und -ausweis sind ein YPS-Gimmick.
Die Schauspieler passen sich an. Ian Somerhalder bestreitet den gesamten Film mit einem Gesichtsausdruck unliebsamer Überraschung (ab und zu mit einem Abstecher ins Gebiet des Dämlichen), als ob er erst on set realisiert hätte, auf was für einen Mumpitz er sich da eingelassen hat (kein Wunder, dass er in „Lost City Raiders“, seinem nächsten Projekt, richtig motiviert wirkte. Das war dagegen ja auch ein echter Film).
Ruta Gedmintas deutet keineswegs an, irgendeine meßbare schauspielerische Begabung zu haben und Dulcie Smart („Apokalypse Eis“, „Irren ist männlich“, „Cloud Atlas“), die zumindest ein wenig Screenpräsenz mitbringt, verzweifelt an einem Charakter, der mit „hirnamputiert“ noch wohlwollend beschrieben wäre.
Ein wenig Frohsinn verbreiten allenfalls (weniger) Oliver Debuschewitz (sonst nix in der Vita) und (mehr) David Scheller („Kanak Attack“, „Extreme Ops“, „Wo ist Fred?“, „Zeiten ändern dich“) als pseudocooles Killerduo – miserabel geschrieben, aber zumindest halbwegs lebhaft gespielt.
Is‘ jetzt nich‘ euer Ernst, oder?
Bildqualität: Die BluRay von Los Banditos ist einigermaßen passabel – 1.78:1-Widescreen mit ein paar Wacklern und Unsauberheiten, aber insgesamt erträgilch.
Tonqualität: Deutscher Synchronton (gedreht wurde zur besseren internationalen Vermarktung auf Englisch) und englische Originalfassung. Technisch brauchbar.
Extras: Making-of (nicht angekuckt, mangels Interesse) und Trailershow.
Fazit: Es tut mir ja sehr leid – ich weiß nicht, wie oft ich an dieser Stelle schon geschrieben habe, dass ich ja gern die Fahne des deutschen Action-/Thriller-/Horror-/SF-Kinos hochhalten würde, wenn’s denn etwas gäbe, was nur ansatzweise zu leisestem Lob Anlass bieten würde. Aber es ist halt leider fast alles totale Kacke und die wenigen, die’s könnten (wie Ully Fleischer z.B., dessen BloodBound ja auch leider völlig untergegangen ist… hat den irgendjemand, der Publisher z.B., auch nur spaßeshalber ein bisschen promoted??), werden ignoriert. Und das hier… IST Kacke. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Beschissen geschrieben, völlig gelangweilt inszeniert und weitgehend mies gespielt. Thomas Jahn ist zweifellos vor die Hunde gegangen – ich hab keine Ahnung, ob sein Fernsehkram was taugt, aber als Regisseur auch nur tolerabler DTV-B-Ware legt er hier einen Offenbarungseid ab. Von Proleten aus dem Ittenbach-Umfeld (Strip Mind fällt ein) bin ich nicht mehr gewohnt, aber der Herr, der wusste mal, wie’s geht. „The Lost Samaritan“ ist jedenfalls ein Film, der auch zum Grabbeltischpreis überbezahlt ist.
1/5
(c) 2013 Dr. Acula