Lizard in a Woman’s Skin

 
  • Deutscher Titel: -
  • Original-Titel: Una lucertola con la pelle di donna
  •  
  • Regie: Lucio Fulci
  • Land: Italien
  • Jahr: 1971
  • Darsteller:

    Florinda Bolkan (Carol Hammond), Jean Sorel (Frank Hammond), Stanley Baker (Inspector Corvin), Anita Strindberg (Julia Durer), Alberto De Mendoza (Sgt. Brandon), Silvia Monti (Deborah), Penny Brown (Jenny), Mike Kennedy (Hubert), Ely Galleani (Joan Hammond), Leo Genn (Edmond Brighton), George Rigaud (Dr. Kerr)


Vorwort

Eine Frau in einem Pelzmantel, der mit Glasaugen besetzt ist. Ein Zugwaggon, in dem sich kein Abteil öffnen läßt. Panik. Dann bahnt sie sich einen Weg durch eine Orgie in den Gängen eines Hauses. Das Gefühl ins Nichts zu fallen, und schließlich endet es auf einem Bett mit roten Samtbezügen zu einem Liebesspiel mit einer anderen, blonden Frau. Ein Traum, der Carol Hammond des nächtens immer wieder auf Trab hält. Die blonde Frau im Traum ist ihre Nachbarin Julia, die einem frivolen Lebensstil frönt. Sie ist deswegen bei Psychiater Dr. Kerr in Behandlung, der bei der unglücklich Verheirateten eine latente sexuelle Frustration diagnostiziert. Doch die Träume werden schlimmer, Verfolgungswahn, und dann gipfelt es nicht in Liebkosungen sondern in Paranoia und schlussendlich Mord. Ein scheinbar befreiender Akt, der die Alpträume abrupt beendet. Doch dann wird Julia tatsächlich ermordet, und zwar auf die gleiche Weise, wie Carol es in ihrem Traum tat. Und es wird ein Fingerabdruck am Tatort gefunden, der als ihrer identifiziert wird. Hat sie ihre Träume in die Tat umgesetzt und wirklich ihre Nachbarin ermordet? Oder ist sie Opfer einer Intrige, vielleicht ihres treulosen Ehemanns Frank, der in der Anwaltskanzlei ihres Vaters Edmond Brighton arbeitet und eine Affäre mit ihrer besten Freundin Deborah unterhält? Und was hat das ominöse Hippie-Pärchen Jenny und Hubert, das im Traum den Mord beobachtet hat, aber sich als ebenfalls sehr real erweist, mit der ganzen Sache zu tun?


Inhalt

Fragen über Fragen, wie man der kurzen Inhaltsangabe entnehmen kann, die bei der Ansicht dieses Giallo Fantastico von Lucio Fulci aufgeworfen werden. Und gleich am Anfang macht einem Fulci klar, was einen hier erwartet, nämlich ein psychedelisch geschwängertes Murder-Mystery. Auf der einen Seite gibt es die Ermittler, Inspector Corvin und Sargent Brandon, die sich durch Befragungen und Tatort-Begehungen an den Täter herantasten, auf der anderen Seite folgt der Film Carol, taucht ab in deren Alpträume, und auch ihrem Vater und ihrem Ehemann, die das ein ums andere mal im Dialog stehen. Auf Carols Alpträume verwendete unser aller Schmoddergott besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Hier offenbart er auch früh seine Vorliebe für groß ins Bild gerückte blutige Details, der Mord an Julia im Traum erinnert nicht von ungefähr an den späteren „The New York Ripper“, auch wenn es hier noch etwas zahmer zugeht. Die Effekte sind auch ein wenig outdated, aber in einer Traum-Sequenz gibt es vier aufgeschnittene Hunde, deren pumpende Herzen an einem Tropf hängen. Das kommt heute noch eklig. In einer früheren Szene gibt es einen riesigen Vogel zu sehen, der Carol verfolgt. Das Vieh ist genauso gut (oder schlecht) gelungen, wie der Geier in „The Sect“ oder das Vogelmonster in Wes Cravens „My Soul To Take“. Aber gerade am Anfang des Films verfehlen diese Traum-Visionen ihre Wirkung kaum, genau wie Carol wird der Zuschauer verunsichert und ist erst einmal desorientiert. Daraus ergibt sich eine solide Grundspannung, die Fulci auch weiter aufrechtzuerhalten vermag. Der investigative Teil der Story ist leider nicht besonders ergiebig, da den anderen Charakteren weit weniger Platz eingeräumt wird, sie sind eher zweckmäßig gehalten: Der untreue Ehemann, die vorlaute Tocher, der liebende, aber herrische Vater, der hartnäckige Bulle und dann noch das linkische, leicht durchgedrehte Hippie-Pärchen. Und wenn letztere beginnen, die Handlung voranzutreiben, kommt auch etwas mehr Schwung in die Bude. Das Ende folgt dann recht abrupt und von der Auflösung werden sich einige vor den Kopf gestoßen fühlen, doch das ist hier zweitrangig. Wie so oft bei Fulci ist der Weg das Ziel, und das dann auch gerne mal holprig und wenig feingeistig. Die Geschichte zu dem Film ersann er mit seinem häufigen Kompagnon Roberto Gianviti, der schon seit den 50ern mit dem Maestro zusammenarbeitete und in allen Sparten des Italo-Kintopps heimisch war.

Lucio Fulci ist im deutschsprachigen heutzutage fast ausschließlich für seine Splatterfilme der 80er Jahre bekannt, ein paar Leute kennen auch seine 70er-Werke, u.a. „Jack London’s Wolfsblut“, oder die Krimi-Komödie „Die Abenteuer des Kardinal Braun“ mit Heinz Rühmann. In den 50er- und 60er-Jahren war er vor allem für seine Klamauk-Filme mit dem Komiker-Duo Franchi & Ingrassia bekannt. Er kurbelte, ganz Italiener, auch einige Western runter, seinen ersten, „Django – Sein Gesangbuch war der Colt“, 1966, dem Jahr des ersten und einzig wahren „Django“. Man mag es kaum glauben, bis dahin kamen seine Filme ohne Mord und Totschlag aus. Sein erster Giallo „Nackt über Leichen“ datiert von 1969, „Lizard in a Woman’s Skin“ folgte 1971, ein Jahr später „Don’t torture a duckling – Quäle nie ein Kind zum Spaß“, 1977 „Die sieben schwarzen Noten“. 1982 verquickte er dann den comicesk übertriebenen Hardcore-Splatter mit Krimi-, bzw. Giallo-Elementen im berüchtigten „Der New York Ripper“. In die deutschen Kinos schafften es seinerzeit nur ersterer und letzterer. Das gequälte Kind und die Noten erfuhren vorletztes Jahr die Ehre einer deutschen, auch synchronisierten Veröffentlichung, nur dem besprochenen „Lizard in a Woman’s Skin“ wurde dies noch nicht zuteil. Er gehört auch allgemein zu den eher vergessenen und unterschätzten Werken Fulcis, doch nach und nach erscheinen verschiedene DVD-Auflagen, vor ein paar Jahren wurde er dann auch HD-gemastert und StudioCanal veröffentlichte in Frankreich eine Blu-ray-/DVD-Combo. Die mir vorliegende UK-Scheibe von Optimum Releasing aus dem Jahre 2010 ist ungeschnitten und basiert auf einen remasterten Transfer von StudioCanal. Die Bildqualität ist, bis auf drei Szenen, die aus der italienischen Fassung wieder zugefügt wurden, da sie im internationalen Cut fehlten und eine deutlich schlechtere Qualität besitzen, wirklich gut. Vielleicht schafft er es ja auch in näherer Zukunft nach Deutschland, wäre doch ideales Futter für X-Rated oder ’84.

In der Hauptrolle als Carol zu sehen ist Florinda Bolkan, die für Fulci schon die Hexe in „Don’t torture a duckling“ gab, wo sie recht heftig zu Tode geprügelt wurde. Eine ähnliche Rolle wie hier spielte sie 1975 auch im traumwandlerischen „Spuren auf dem Mond“, der dann allerdings mehr Kunst als Reißer ist. Und sie ließ sich als „Flavia, die Nonne von Monza“ wegen ihrer Liebe zu einem Araber züchtigen. Die Rolle als leidende, dem Nervenzusammenbruch nahe Frau steht ihr gut, man nimmt ihr von Verunsicherung bis schierer Panik alles sofort ab.
Ihren Mann Frank spielt Jean Sorel, der eigentlich nur besorgt dreinblicken und gut aussehen muss, und das beherrscht er auch im Schlaf. Er war auf die Rolle des berechnenden Schönlings oder des hintergangenen Ehemanns abonniert, spielte dies in mehreren Gialli, so in „Der schöne Körper der Deborah“ von Romolo Guerrieri, im bereits erwähnten „Nackt über Leichen“ und Lenzis „Paranoia“. Und in „Love Inferno“ und „Malastrana“ rekapituliert er als Sterbender, wie es zu seinem Tod kam. Er spielte auch den Ehemann von der Deneuve in „Belle de Jour“.
Viel zu schnell aus dem Film scheidet Anita Strindberg als Mordopfer Julia. Sie hat in einigen Gialli wie „Your Vice is a locked Room & only I have the Key“, „Inferno unter heißer Sonne“ oder „Der Schwanz des Skorpions“ einen guten Eindruck hinterlassen. Dem italienischen Genre-Kino der 70er-Jahre mangelte es wahrlich nicht an hübschen Frauen.
Stanley Baker als Inspector Corvin ist mit seiner kantigen Visage als Nebendarsteller immer eine Bank („Sodom und Gomorrha“, „Die Kanonen von Navarone“). Alberto De Mendoza („Der Killer von Wien“, „Der Schwanz des Skorpions“, „Horror Express“) gibt als dessen Partner meist nur den Stichwortgeber. Die Amerikanerin Penny Brown und der Deutsche Mike Kennedy (eigentlich Michael Volker Kögel) sind als abgedreht-hinterhältiges Hippie-Pärchen echt eine Schau, drehten beide nur wenige Filme (er nur zwei). Die hübsche Ely Galleani („Baba Yaga“) als vorlaute Tochter Joan, Silvia Monti („Ein Schwarzer Tag für den Widder“) als Franks Geliebte Deborah, Leo Glenn („Moby Dick“) als Vater Edmond sowie der Argentinier George Rigaud („Die Farben der Nacht“, „Das Geheimnis der blutigen Lilie“) als Dr. Kerr runden den guten Cast ab.
Die blutigen Effekte stammen von keinem geringeren als Carlo Rambaldi, der später die Visionen von H.R. Giger für „Alien“ zum Leben erweckte und schuf für Steven Spielberg den putzigen „E.T. – Der Außerirdische“, und den Score komponierte Altmeister Ennio Morricone, dessen Kompositionen auch hier wieder über jeden Zweifel erhaben sind und die alptraumhafte Atmosphäre größtenteils gut unterstützen.

Durch seine blutigen Einschübe und der eher exploitativen Ausrichtung ist Lucio Fulcis Handschrift bei „Lizard in a Woman’s Skin“ schon klar erkennbar. Es handelt sich hierbei zwar nicht um einen verschollenen Klassiker des Giallo, aber einem doch bemerkswerten Beitrag mit außergewöhnlich ausgeprägten psychedelischen Elementen. Der Film ist eigentlich durchweg spannend, bietet allerlei nackte Haut und ein paar garstig fiese Szenen, nur das Ende führt die ganze Geschichte ad absurdum, doch als Giallo-Fan ist man da ja einiges gewohnt.


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 7


mm
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