Little Big Soldier

 
  • Deutscher Titel: Little Big Soldier
  • Original-Titel: Da bing xiao jiang
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  • Regie: Sheng Ding
  • Land: VR China/Hongkong
  • Jahr: 2010
  • Darsteller:

    Jackie Chan (Big Soldier), Leehom Wang (Little Soldier), Rongguang Yu (Deputy General Yu), Ken Lo (Guard Yong), Sung-jon Yoo (Prince Wen), Peng Lin (Singer), Xiao Dong Mei (Lou Fan Yan), Song Jin (Lou Fan Wei)


Vorwort

China, kurze Zeit vor der Reichseinigung – die sieben ursprünglichen Königreiche hauen sich zwecks allgemeinen Zeitvertreibs, nee, halt, im Streben nach der Herrschaft über Gesamtchina, in schöner Regelmäßigkeit und in den unterschiedlichsten Ausprägungen auf’s Haupt. Zur Zeit haben’s die Reiche Liang und Wei aufeinander abgesehen, und deswegen kommt’s zu einer großen Schlacht, in der ein Expeditionskorps der Weis per Hinterhalt von der Liang-Armee aufgemischt wird. Die Weis sind aber auch nicht ohne, und deswegen sind am Ende des Tages gerade mal zwei Sportskameraden übrig – „Big Soldier“, ein einfacher Soldat aus Liang, dessen Geheim-Überlebensrezept ist, sich totzustellen (dafür hat er sogar einen Trick-Pfeil an seiner Uniform befestigt), und „Little Soldier“, letzterer General und dazu auch noch Kronprinz des Reichs Wei. Big macht sich schnell die mentale Rechnung auf, dass es ausgesprochen günstig für ihn wäre, den General als Gefangenen nach Liang zu schaffen, das würde ihm weiteren Militärdienst ersparen und noch ein paar Hektar Land einbringen. Begreiflicherweise hält der General von diesem Vorhaben verhältnismäßig wenig und erweist sich als ausgesprochen renitenter Gefangener. Zudem ist der Weg nach Liang recht weit und nicht ungefährlich – marodierende Banditen sind noch das kleinste Hindernis, schwerer wiegt schon die Tatsache, dass des Generals Bruder Wen, der im Falle des Ablebens des älteren Geschwisters zwanglos die Kron-Prinzenrolle übernehmen würde, ausgesprochen interessiert daran ist, dass der General weder nach Liang noch nach Wei kommt, zumindest nicht in einem Stück. Und als wäre die Lage nicht schon kompliziert genug, geraten die ungleichen Wanderer auch noch in die Fänge eines wilden Stammes, der sie als Sklaven zum Bau eines Grabmals einsetzen will…


Inhalt

Jackie Chan beim FFF, da bin ich aber dabei (das ist reine Schutzbehauptung, seinen letztjährigen Festivalbeitrag, „Shinjuku Incident“, hab ich nicht gesehen – da bin ich komisch, ich mag Jackie in dramatischen Rollen nicht so gerne sehen)… zudem hatten mir die Freunde von Teleport City], die ich nicht oft genug empfehlen kann, auch glaubhaft versichert, dass „Little Big Soldier“ richtig was taugt.

Nun, das sollte der Streifen auch, schließlich ist es eine Herzensangelegenheit unseres Lieblingshand- und -fußkantenschwingers – Jackie hat’s selbst geschrieben und laborierte satte 20 Jahre an dem Projekt, bis es endlich realisiert werden konnte; die lange Vorgeschichte führte dann auch dazu, dass Jackie vom ursprünglich angedachten Part des „Little Soldiers“ auf die „Big Soldier“-Position wechselte und lange darüber grübelte, wer sein Co-Star sein sollte (seine Frau schlug seinen Sohn Jaycee Chan vor, aber das lehnte der Herr Vater rundweg ab) – ich denke, dass sich dadurch durchaus auch der Ton des Films grundsätzlich geändert hat; „funny antics“, die nunmal Jackies Leib- und Magensteckenpferd sind, passen eigentlich nicht zur „Litte Soldier“-Rolle, so, wie sie jetzt ausgestaltet ist.

Motivation für den Star und Drehbuchautor war, dass er unbedingt eine Actionkomödie vor großem historischen Hintergrund machen wollte, etwas, das in seiner Vita seines Erachtens noch fehlte, und da ist es irgendwie verständlich, dass ein solches Projekt erst überhaupt erfolgversprechend realisiert werden konnte, sobald Jackie die Ressourcen und Locations zur Verfügung standen, die durch die VR China geboten werden. So gesehen mögen auch seine umstrittenen KP-freundlichen Äußerungen zu erklären sein, wie auch im konkreten Fall ein sehr angetackert wirkender kurzer Epilog, der einmal mehr, wie’s eben offizielle chinesische Lesart ist, die Reichseinigung durch den ersten Kaiser Qi als ultimativen friedensstiftenden Akt in einer Welt zerstrittener Kleinstaaten lobt und preist, obwohl Qis Reich mit dem Background der Geschichte recht wenig zu tun hat (nur ins Finale spielt’s rein, aber das „wer“ ist da deutlich unwichtiger als das „was“) und mit der Essenz der Story (neben den humoristischen und aktionsgeladenen Elementen ist „Little Big Soldier“ selbstverständlich so etwas wie ein historisches „buddy-/road movie“, in dem zwei gegensätzliche Charaktere sich gegenseitig verstehen lernen und aus einer durch die äußeren Umstände aufoktroyierten Erzfeindschaft so etwas wie Freundschaft wächst) rein gar nichts.

Aber, auch das muss man sagen, es stört nicht weiter, weil die eigentliche Story längst abgeschlossen ist, wenn die ideologische Gardinenpredigt kommt und man sich als Jackie-Fan schon längst auf die üblichen Outtakes im Abspann vorfreut, und, da „Little Big Soldier“ zum Finale hin einen gewichtigen Schwung ins Melodrama unternimmt (für beide Hauptfiguren), kommt’s nicht mal zu einem so herben Bruch im Ton der Geschichte, wie man befürchten könnte, wenn ein eigentlich leichtgewichtiges Actionabenteuer mit humorigem Einschlag auf einmal eine ernst gemeinte politische Botschaft transportieren will. Vergessen wir also einfach mal die Ideologie, denn bis dahin liefert uns Jackie ein wirklich spaßiges Filmchen – sicherlich nicht auf einem Level mit dem Kram, den er um 1985 gemacht hat, der Zahn der Zeit nagt halt auch an einem Kung-fu-Gott – für zwanzigminütige Kampfszenen a la „Drunken Master II“ reicht die Puste halt dann doch nicht mehr. Wie schon angedeutet ist das Herz des Plots nicht sonderlich originell, das haben wir sicher schon dutzende Male gesehen, aber wenn die Charaktere gut geschrieben sind, funktioniert auch die Feinde-zu-Freunden-Routine noch (zumal „Little Big Soldier“ vergleichsweise „realistisch“ bleibt. Am Ende ihrer jeweiligen character arcs sind Little und Big Soldier nicht die besten Kumpel, sondern haben, ein wenig widerwillig sogar, Respekt füreinander entwickelt, der es ihnen erlaubt, aus dem Teufelskreis auszubrechen – nur, dass es ihnen nichts nützt). Jackie, der erstmals so etwas wie eine „Altersrolle“ spielt – ich greife mal der Schauspielerkritik vor -, macht sich hervorragend als alternder, müde gewordener Fußsoldat, für den es weniger patriotische Pflicht ist, seinen Gefangenen abzuliefern, als schlichtes Eigeninteresse, um endlich aus dem Militärdienst rauszukommen und ein ziviles Leben anzufangen (und endlich Zeit zu finden, dafür Sorge zu tragen, dass der Familienname weiter geführt werden kann; seine diversen Brüder sind bereits alle im Kampf gefallen), dabei trotz aller Widrigkeiten seine Lebenslust noch nicht verloren hat (und deswegen auch für größtenteils für die witzigen Sachen zuständig ist), Leehom Wang (ausnahmsweise mal einer der von der HK-Filmindustrie in den 00er Jahren gepushten Popstars, der tatsächlich auch schauspielerisches Talent mitbringt, auch wenn seine bisherigen Filme, vielleicht mit Ausnahme von „China Strike Force“, international keinen großen Eindruck gemacht haben) ist nicht minder beeindruckend als der Kronprinz, der mal lernen muss, was es heißt, keine Macht, keine Untergebenen, keine *Freunde* zu haben (weswegen er nicht zuletzt auch gerade durch den sich entwickelnden gegenseitigen Respekt zu dem Schluss kommt, dass es besser ist, sich den Liangs auszuliefern als die Auseinandersetzung mit seinen innenpolitischen Rivalen zu suchen), und der den klassischen „straight man“ zum gelegentlich rumblödelnden (aber wesentlich tiefgründiger als die üblichen Jackie-macht-sein-lustiges-Zeuch-Charaktere angelegten) „Big Soldier“ exzellent gibt.

Interessant ist der beinahe vollständige Verzicht auf Frauenrollen – normalerweise legt Jackie ja speziell bei seinen eigenen Produktionen immer Wert darauf, von einer ausreichenden Anzahl pin-up-tauglicher Fotomodelle o.ä. umwuselt zu werden, hier ist die einzige Frauenrolle – für die bis dato darstellerisch unbeleckte, aber ebenfalls durchaus überzeugende Peng Lin – eine klare Nebenrolle (sie hat, wenn ich mich recht erinnere, drei oder vier Szenen), und ist weder love interest für eine der Hauptfiguren noch pures eye candy, sondern ebenfalls eine gebrochene, vom ewigen Krieg zerstörte Person, die sich in die Irrationalität (konkret einen „Wunschbaum“) geflüchtet hat, um dem *realen* Wahnsinn zu entgehen.

Selbst den Schurken (Prinz Wen und seinem loyalen „Berater“, der, so gewinnt man den Eindruck, nicht nur aus purer Prinzenfreundlichkeit agiert) gönnt Jackie einen befriedigenden character arc – und trotzdem findet er Zeit genug, um „Little Big Soldier“ auch mit genügend witzigen Slapstick-Routinen, lustigen Wortgefechten und Situationskomik zu spicken; es ist nicht zu groß gedacht, wenn man konstatiert, dass ihm die Verbindung von tragischen, melodramatischen Elementen mit leichtgewichtiger Comedy nie besser gelang als hier. Mit dem Newcomer Sheng Ding (bislang nur mit „Underdog Knight“ aufgefallen, und das auch nicht wirklich) steht ihm auch ein Regisseur zur Verfügung, der sich dem Hauptdarsteller, Produzenten und Drehbuchschreiber klar unterordnet; wie Stephen King sagen würde, er versteht, dass es „Jackie Chan’s Little Big Soldier“ und nicht „Sheng Ding’s Little Big Soldier“ werden sollte.

Ding inszeniert den Film flüssig und ohne Mätzchen, in forschem Tempo, ohne sich dabei nur von Kampfszene zu Kampfszene zu hangeln (es gibt genügend für alle Jackie-Fans, auch wenn sie kürzer und vergleichsweise unspektakulär sind, aber dafür auch gerne mal an die „guten alten Zeiten“ von „Meister aller Klassen“, „Der Superfighter“ & Co. erinnern); dadurch, dass mit dem seltsamen Barbarenstamm eine dritte „Macht“ eingeführt wird, mit der sich sowohl die Helden als auch die Schurken kabbeln können bzw. müssen, entgeht der Streifen der Formelhaftigkeit eines bloßen chase movie. WIe ich schon sagte, stehen Jackie durch die „Anbiederung“ an die VR China neue Möglichkeiten zur Verfügung, was die Locations angeht, und die werden weidlich genutzt – beeindruckende Landschaften (von Wüste bis zur Tropfsteinhöhle), routiniert eingefangen, und für ein paar aufwendige Massenszenen ist auch noch Zeit und Geld da. Es ist tatsächlich mal ein Film mit wesentlicher HK-Beteiligung, der *SCOPE* hat (etwas, an dem die aktuelle Generation HK-Filmemacher gerne mal scheitert, selbst wenn sie genügend Asche zu verbraten hat; eine Erfahrung, die auch Jackie mit dem gewiss nicht billigen, aber dafür ziemlich üblen „Das Medaillon“ machen musste).

In Sachen Gewalt ist „Little Big Soldier“ recht zurückhaltend – im Gegensatz zum Mythos werden hier nicht permanent Leichenberge aufgestapelt, auch wenn der Bodycount nicht unbeträchtlich ist.

Neben den leads gibt’s auch in den Nebenrollen mindestens zufriedenstellendes Schauspiel – Rongguang Yu („Iron Monkey“, „Musa the Warrior“, „New Police Story“, „Der Mythos“, „The Karate Kid“) gibt einen angemessen fiesen Prinzenberater ab, Neuling Sung-jun Yoo (den würde ich dem Namen nach mal spontan für einen Koreaner halten) schlägt sich als Prinz Wen ebenfalls wacker. Mit dabei ist selbstredend auch Jackies Lieblingsstuntman/-Nebendarsteller Ken Lo („First Strike“, „Drunken Master II“, „Supercop“).

Fazit: Jaaaa, er lebt noch, er lebt noch, er lebt noch, bzw. er kann’s noch, der Jackie. „Der Mythos“ hatte es zaghaft angedeutet, Schmarrn wie „Rob-B-Hood“, „Das Medaillon“ oder uninspirierter Hollywoodkram wie „The Tuxedo“ wird nicht das letzte Wort sein, dass der Kung-fu-Großmeister zu sprechen hat – und nach einem total ernsthaften Film wie „Shinjuku Incident“ beweist er nun, dass er auch Komik noch kann UND zwischenzeitlich auch reif genug ist, den Slapstick mit emotional anrührendem Charakterdrama zu verbinden (was der „Mythos“ auch versucht, aber nur ansatzweise geschafft hatte). „Little Big Soldier“ ist zweifellos einer der besten Jackie-Filme der letzten 10 Jahre – und macht sogar leise Hoffnung auf das gerüchtehalber anstehende zweite „Armour of God“-Sequel (hey, besser in Form als Harrison Ford ist Jackie allemal…).

4/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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