- Deutscher Titel: Like a Dragon
- Original-Titel: Ryû ga gotoku: gekijô-ban
- Alternative Titel: Yakuza |
- Regie: Takashi Miike
- Land: Japan
- Jahr: 2007
- Darsteller:
Kazuki Kitamura (Kazuma Kiryu), Goro Kishitani (Goro Majima), Sho Aikawa (Noguchi), Kenichi Endo (Imanishi), Yoo Gong (Park), Haruhiko Katô (Kazuki), Kuruodo Maki (Akira Nishikayama), Yutaka Matsushige (Makoko Date), Saeko (Yui), Sansei Shiomi (Shintaro Kazama), Natsuo Tomita (Haruka)
Vorwort
Tokio stöhnt unter einer extremen Hitzewelle, was den ein oder anderen ausflippen lässt. So veranstalten zwei unfähige Bankräuber den wohl unprofessionellsten Coup der Kriminalgeschichte, halten aber wenigstens ein Dutzend Geiseln fest und damit die Polizei in Atem, zwei Teenager beschließen (d.h. das Girl beschließt und der Boy muss halt mitziehen), eine Verbrechenswelle vom Zaun zu brechen, ein Waffen-Schwarzhändler mit masochistischem Tick bekommt etliche Kundschaft (und Prügel), der Boss eines Yakuza-Clans ist spurlos verschwunden, ein koreanischer Profikiller soll einen japanischen Politiker umlegen, Majima, dem Oberhaupt eines anderen Yakuza-Clans gehen 10 Milliarden Yen (die eigentlich auf der s.o. überfallenen Bank liegen sollten) ab, die er weniger der Kohle als vielmehr des Prinzips wegen gerne wieder hätte und der gerade frisch aus dem Knast entlassene Kazuma Kiryu versucht, die Mutter der vielleicht zehnjährigen Haruka aufzutreiben – eine Suche, auf der er speziell Majima, der aufgrund vergangener Rivalität eh nicht gut auf Kiryu zu sprechen ist, immer wieder über den Weg läuft. Am Ende hängt irgendwie alles mit allem zusammen…
Inhalt
Ich erzähle nichts neues – wo Takashi Miike, Japans Rüpel- und Randalefilmer par excellance, zuschlägt, ist’s Essig mit dem englischen Rasen. Aber seit Miike auf den Trichter gekommen ist, dass man sich für einen Spielfilm auch mal länger als ’ne Woche Zeit lassen kann und man nicht unbedingt zehn Filme pro Jahr drehen muss, sondern es auch mal mit drei oder vier sein Bewenden sein lassen kann, kommt hin und wieder (nicht immer, denn auch dem Miike der jüngeren Vergangenheit gehen ab und zu mal noch alle Pferde durch, siehe „Izo“) ein ansehnliches Werk ‚bei rum („One Missed Call“ z.B., einer der wenigen Post-„Ring“-J-Horrorfilme den es sich anzusehen lohnt), und das soll des Filmkonsumenten Schaden nicht sein.
Für sein neuestes Opus Magnum begibt sich Miike in die Fußstapfen von Uwe Boll – er adaptiert ein Videospiel, nämlich ein außerhalb Japans schlicht „Yakuza“ betiteltes Playstation-Game von Sega. „Yakuza“-Spiel und Miike, der einen Großteil seiner Karriere auf Yakuza-Thrillern und -Actionfilmen aufgebaut hat, da wächst zusammen, was zusammen gehört, da ist der Mann in seinem Element, da kennt er sich aus, da ist er auch der durchaus richtige, um die Storyline eines Videospiels, das, wenn man mich richtig informiert hat, 15 Stunden dauert, wenn man’s durchspielt, auf knapp zwei Stunden Laufzeit zusammenzustauchen (und das ganze noch beinahe wie Echtzeit aussehen zu lassen).
„Like A Dragon“ ist, wie man aus der obigen Inhaltsangabe entnehmen kann, quasi der totale Gegenentwurf zu gerade besprochenen Hush. Statt reduzierter Story und einem Minimum an Charakteren haben wir hier mindestens ein halbes Dutzend mehr oder weniger miteinander verwobenen Haupt-Plotlinien, eine schier unüberschaubare Anzahl von wichtigen Charakteren und damit schlichtweg eine Geschichte, die der Zuschauer ohne Vorkenntnis des Videogames überhaupt nicht durchschauen kann und es deshalb gar nicht erst versuchen sollte – quasi die Trash-Version eines Robert-Altman-Ensemblestücks.
Nun könnte man auf die Idee kommen, Regisseure vom Schlage eines Miike wären gerne mal damit überfordert, EINEN kohärenten Plot zu erzählen, geschweige denn gleich eine solche Story-Orgie, aber das schöne an einem Film wie „Like A Dragon“ ist schlussendlich – es ist völlig egal. Da die Story von Haus aus unübersichtlich ist, braucht Miike sich das gar nicht erst bemühen, sondern kann einfach die verschiedenen Episoden, die sich mehr oder weniger ergeben, abfilmen und nur für die gelegentliche Verzahnung der verschiedenen Elemente sorgen; und da Miike hier keine existentialisch-philosophischen Statements abgeben will und muss (wie bei „Izo“ z.B.), wird „Like A Dragon“ zu einem ziemlichen fun ride, der schlicht alles beinhaltet: harte (aber nicht notwendigerweise splattrige) Action, over-the-top-antics, fußnägelaufrollenden Holzhammerhumor, Melodrama, eine Spur gesellschaftskritischen Subtexts, alles eben irgendwie eingefiedelt, zusammengepantscht und ohne übertriebene Rücksicht auf sinnvolle Dramaturgie aneinandergetackert. Dem schöngeistigen Arthouse-Fuzzi wird das ein Graus sein, aber wenn man im Austausch für die Eintrittskarte an der Kinokasse sein Gehirn abgibt, kann man sich darüber und damit prächtig amüsieren.
Dezidierte Drehbuchkritik verbietet sich freilich bei einem solchen filmemacherischen Ansatz von Haus aus (man kann natürlich der Überzeugung anhängen, first-time-Drehbuchautor Seiji Togawa hätte zumindest versuchen können, die Plotte[n] nachvollziehbar zu gestalten, aber die wüste Aneinanderreihung diverser Vignetten passt natürlich hervorragend zum anything-goes-Stil Miikes).
Ein Film, der in einer (Film-)Nacht fünf oder sechs verschiedene Plotlines abhandelt, kann natürlich gar nicht langweilig werden. Fraglos gibt es Geschichten, die interessanter sind als andere (obwohl z.B. die Bankraub-Story einige gute Lacher hergibt, hat sie mit dem Rest des Films noch weniger zu tun als so manch andere Geschichte, dafür hab ich nu wieder die Auflösung des Teenie-Pärchen-Plots gewiss nicht kapiert), aber Miike kann das Tempo hoch halten, eine ruhigere Dialogsequenz in einem Plot mit einer Actionszene aus dem nächsten Plot abwechseln. Außerdem ist festzustellen, dass Miike, wenn er Sorgfalt walten lässt, ein wenig Zeit & Geld zur Verfügung hat und auch willens ist, diese günstige Fügung auszunutzen, mittlerweile ein fähiger Regisseur ist; das ist nicht mehr Garagen-Style wie bei seinen Frühwerken, das ist optisch extrem slick (für manch einen mag Miike natürlich seinen Reiz verlieren, wenn er inzwischen kapabler Handwerker ist), mit einem guten Gespür für eindrucksvolle Shots (Kameramann Hideo Yamamoto, der neben zahlreichen Miike-Werken auch für Kitano tätig war, Ringu 2 fotografierte und in den USA beim „The Grudge“-Remake die Kamera schwang, leistet seinen Anteil). Am „Besten“ ist Miike logischerweise immer dann, wenn’s so richtig over-the-top geht, wenn cartoon-artige Effekte und Tricks zum Einsatz kommen (hier z.B. immer dann, wenn Majima, der Gangster-Boss mit dem Baseball-Fetisch, seine Gegner mit scharf geschlagenen Bällen traktiert, die schon mal in der Stirn des gefällten Gegners fröhlich weiterrotieren) – doch Miike ist mittlerweile mehr als nur ein Mann für Live-Action-Violence-Cartoons und „Like A Dragon“ erweist sich optisch und handwerklich als bisher reifster von mir gesehener Film aus seiner Werkstatt.
Plakative Splatter-Effekte hat Miike nicht mehr nötig, die Gewalt ist, auch wenn sie die Grenzen des „Realistischen“ verlässt (und der Body Count ist zweifellos… beeindruckend), „abgemildert“ – da müssen keine Körperteile fliegen, da reicht Kunstbluteinsatz auch. Auch „Like A Dragon“ ist ein Festivalbeitrag, der bei einem liberalen Tag des FSK-Gremiums mit blauem Aufkleber aus der Prüfung kommen könnte.
Die Schauspieler agieren angemessen – Kazuki Kitamura („Kill Bill Vol. 1“, „Full Metal Yakuza“, Godzilla: Final Wars, Azumi, Azumi 2: Death or Love) gibt einen durchaus sympathischen „Helden“ (er ist so ziemlich das, was einer klassischen Heldenfigur in diesem Film am nächsten kommt), Goro Kishitani („Returner“, „One Missed Call“) als Majima führt mit sichtlicher Begeisterung die gute alte overacting-Sau Gassi, dass es nur so eine Freude ist, Saeko vertritt die Schule der offensichtlich geklonten knuddel- und liebhabbaren J-Babes, usw. – auf alle wichtigen Darsteller einzeln einzugehen, würde sogar den Rahmen eines Langreviews sprengen. Machen wir’s kurz – negativ fällt keiner auf, alle machen einen guten Job im Rahmen der sich ihnen bietenden Möglichkeiten.
Heute mal nicht so langer Rede kurzer Sinn – „Like A Dragon“ ist einer dieser Filme, denen mit herkömmlicher Filmkritik nicht beizukommen ist. Es passiert zu viel, in zu vielen verschiedenen Handlungssträngen, als dass man ernstlich eine Dramaturgie, Storyaufbau, Spannungsentwicklung erwarten könnte. Weil man – mangels Kenntnis der Spiele-Vorlage – wohl schlicht und ergreifend relativ ratlos vor der Leinwand (oder dem Fernseher) sitzen wird, kann man sich darauf beschränken, den Film als eine Art Action-Collage zu genießen. Einen hohen Unterhaltungswert kann man dem Streifen unmöglich absprechen – ich versteige mich zu der Behauptung, dass ich noch mit keinem Miike mehr Spaß hatte. Es ist kein guter „Film“ im Wortsinne, aber zwei Stunden flockig-rasantes Entertainment ohne echten Sinn (solltest Du, lieber Leser, das Spiel gezockt haben, kannst Du freilich zu einem anderen Ergebnis kommen).
3/5
(c) 2008 Dr. Acula