The Last Winter

 
  • Deutscher Titel: The Last Winter
  • Original-Titel: The Last Winter
  •  
  • Regie: Larry Fessenden
  • Land: USA
  • Jahr: 2006
  • Darsteller:

    Ron Perlman (Ed Pollack), James LeGros (James Hoffman), Connie Britton (Abby), Kevin Corrigan (Motor), Jamie Harrold (Elliot Jenkins), Pato Hoffmann (Lee Means), Zach Gilford (Maxwell), Joanne Shenandoah (Dawn), Larry Fessenden (Charles Foster)


Vorwort

Als Ed Pollack, verantwortlich für den Transport von Bohrequipment in die lukrativen Ölfelder Alaskas, nach fünfwöchiger Abwesenheit in das ihm unterstellte Tundra-Camp zurückkehrt, hat sich einiges geändert. Seine Lebensabschnittsgefährtin hat den beruflichen Trip geschwind genutzt, um mit dem neu eingetroffenen Ökologen Jim Hoffman, der dem auftraggebenden Konzern die Unbedenklichkeit des Firmentuns in Umweltfragen attestieren soll, eine (un-)heimliche Affäre zu starten und auch der Rest des Teams strotz nicht gerade vor Arbeitseifer. Pollack will den müden Haufen wieder in Schwung bringen, doch das gestaltet sich schwierig – ein stetiger Temperaturanstieg hat das Unterfangen, „Eisstraßen“ anzulegen, über die die Bohrausrüstung vor Ort geschaffen werden soll, lahm gelegt. Und frostiges Wetter dürfte, so meint Hoffman, auf sich warten lassen, da es von Tag zu Tag immer wärmer wird und ein Ende des Permafrosts abzusehen sei. Pollack will von alldem nichts wissen, aber mysteriöse Vorkommnisse bringen seinen Zeitplan weiter aus den Fugen. Stations-Nesthäkchen Maxwell geht eines schönen Tages verloren und taucht halb erfroren und geistig offensichtlich derangiert wieder auf; so derangiert, dass er wenig später nackt, aber mit einer Kamera bewaffnet, in die Tundra marschiert und das mit dem Erfrieren ganz erledigt. Pollack möchte die Umstände des Todesfalls unter den Teppich kehren, zumal die Firma eh schon für Ersatz für den ob seiner Verweigerungshaltung wegbeförderten Hoffman einzufliegen gedenkt. Doch der Flieger baut eine fatale Bruchlandung, die die Station beinahe völlig zerstört. Von der Außenwelt abgeschnitten, stellt sich für die Überlebenden die bange Frage, ob man es hier mit wissenschaftlich erklärbaren Launen der Natur, gezieltem Gegenschlag der Erde gegen ihre Zerstörung, Massenpsychose oder sogar mit Vertreibungsaktionen seitens der Mythen- und Geisterwelt zu tun hat….


Inhalt

Ganz ohne Organisationspannen geht ein Fantasy FilmFest bekanntlich nie ab – und so wurde mein „The Last Winter“-Besuch durch den unangekündigten (und von niemandem bemerkten) Kinotausch zwischen dem ausgekuckten Eis-Drama und dem Dreamworks-Teen-Thriller „Disturbia“ sabotiert. Pünktlich nach vielleicht sieben oder acht Minuten Laufzeit, zur Titeleinblendung, setzte die große Wanderung zwischen den Sälen ein; immerhin wurden die Filme sogar angehalten, bis sich das jeweilige Publikum wieder sortiert hatte, aber ein Zurückspulen wäre vermutlich zuviel verlangt gewesen. So sich in den ersten TLW-Minuten also epochale Ereignisse mit direkter Wirkung auf den Filmverlauf abgespielt haben – ich weiß es nicht (dafür hab ich aber wenigstens den ziemlich fetzigen Opening-Car-Crash aus „Disturbia“ gesehen. Fragte mich zwar, was der mit einem Film über eine Bohrstation im ewigen Eis zu tun haben soll, aber man kennt ja Hollywood-Drehbuchautoren und wundert sich erst mal sicherheitshalber über gar nix…)

Aber egal, kommen wir zu dem, was ich gesehen habe und das ist kein gänzlich geglückter, aber zumindest ein hochinteressanter Film. Die im FFF-Programmheft gezogenen Vergleiche zu Carpenters „The Thing“ und Konsorten sollte man komplett vergessen, abgesehen davon, dass beide Filme in eisigen Regionen spielen, haben sie keine Gemeinsamkeiten. Näher bei der Sache liegt da schon der Hinweis auf die politischen Allegorien des Drehbuchs, und die sind wirklich nicht schwer zu begreifen. Es geht um „global warming“ und den Umgang mit diesem Phänomen (ich will nicht soweit gehen wie das Programmheft und die Pollack=Bush/Hoffman=Gore-Karte ziehen (vor allem, weil das Bush mehr Grips zubilligen würde als ich ihm zutraue) im Gewande eines Mystery-Horror-Thrillodrams. Und mit der letzten Wortschöpfung habe ich auch schon das ggf. schwerwiegende Problem des Films angesprochen; er ist sich über weite Strecken nicht einig, was für eine Art Film er sein will… wir beginnen quasi als Öko-Thriller, steigen dann ein in Alphamännchen-Duell zwischen Pollack und Hoffman, machen einen Abstecher in Mystery-Gefilde und bekommen’s im Schlussakt mit handfestem Horror, paranormalen Hokuspokus und einem schon fast apokalyptischen Finale zu tun. Wenn mir spontan ein Vergleichswert einfiele, wäre es Peter Weirs „The Last Wave“ (die Verbindung ist nicht nur wegen der sehr ähnlichen Titel naheliegend), wobei Fessendens Film doch deutlich zugänglicher ist als Weirs stolzes Werk.

Im Zusammenhang mit diesem Film ist mir in einer IMDb-Userkritik, eigentlich gemünzt auf die Landschaft, das wunderbare englische Wort „bleak“ untergekommen. „Bleakness“ kann man bei „The Last Winter“ als übergreifendes Konzept sehen – nicht nur die Tundra-Landschaft, die nicht wirklich spektakulär ist, ist eintönig, sondern, so kommt’s mir zumindest vor, bewusst auch die erste, na, gute halbe Stunde des Films, in der die Charaktere und der Grund ihres Hierseins etabliert werden. Das ist größtenteils sehr wortkarg, kühl und abweisend geschrieben (und inszeniert), hat also einen sehr realistischen Ansatz. Wir bekommen keine Figuren vorgesetzt, die wir lieben werden – auch die nominell „Guten“ (das sind relativ zwanglos diejenigen, die sich dem Umweltschutz verschrieben haben – hey, it’s a message movie, da darf man keine ambivalente Auseinandersetzung mit dem gewählten Thema erwarten) sind keine Strahlemänner, sondern auf ihre Weise egozentrische Gesellen (Hoffman z.B. sozialisiert, abgesehen von der Tatsache, mit der Frau vom Chef ins Bett zu hüppen, und das mehr oder weniger vor dessen Nase, kaum mit den Kollegen, sondern hockt lieber den ganzen Tag lang in seinem Zelt weit draußen, macht Messungen und kryptische Eintragungen in sein Tagebuch). Es dauert seine Zeit, bis der eigentliche Plot in die Gänge kommt und auch dann geschieht dies langsam und zunächst unspekulativ – das „Mystery“ dringt schleichend ein und verhältnismäßig lange halten Script und Film die Option offen, die geheimnisvollen Vorfälle wissenschaftlich zu erklären (wenngleich ich ein Plothole erkannt zu haben glaube; SPOILER – in Maxwells Video ist sekundenbruchteilskurz, aber recht eindeutig zu sehen, dass er von einer Art Kreatur angegriffen wird, aber niemand hält das einer Erwähnung wert). Erst im Schlussakt gibt der Film seine Zurückhaltung auf und räumt dem Übernatürlichen breiten Raum ein (allerdings erklärt er trotz der mystisch-mythischen Geschehnisse nicht alles).

Formal ist der Film unspektakulär geraten – Fessenden, der der Welt bislang so großartige Werke (Ironie, Tags, usw.) wie „Stunt“ oder „Wendigo“ bescherte, verfährt weitestgehend nach der Devise „keine Experimente“ (und was Adenauer Recht war…). Da die Landschaftsaufnahmen, wie gesagt, eher monoton wirken und auch das einzige Set (das Camp) nicht nach visuell-kinematischen Gesichtspunkten, sondern realistisch-praktisch gestaltet wurde, ist eye candy lange Zeit ein Fremdwort für den Film. Das Tempo ist medioker (mir kam der Film wesentlich länger vor als seine 107 Minuten Laufzeit) und wird erst im nunmehr vielfach zitierten Schlussakt deutlich angezogen; in dem dürfen dann auch die Make-up-Künstler einige sudelige FX beisteuern und die CGI-Hexer einige sehenswerte (aber sicher unter „Geschmacksfrage“ einzusortierende) Digitaleffekte auffahren. Der Score von Jeff Grace ist zurückhaltend. Die handwerkliche und technische Gestaltung des Films lässt sich also in jeder Beziehung unter der Schublade „zweckmäßig“ einsortieren. Gedreht wurde übrigens größtenteils nicht etwa in Alaska, sondern auf Island (mit einer größtenteils isländischen Crew).

Dafür gibt’s aber ein paar interessante Darsteller. Ron Perlman sieht man ja bekanntlich immer wieder gern, erst recht, wenn er sich nicht, wie irgendwie gewohnt, unter Tonnen von Make-up verstecken muss. Perlman agiert dem Film angemessen nicht over-the-top, sondern zurückhaltend und nuanciert (auch wenn der Film „seine“ Position entschieden als die falsche darstellt, gewinnt man im Verlauf der Story ein wenig Verständnis für ihn) und zeigt, dass er wahrhaftig nicht nur ein physich präsenter Akteur für Comic-Charaktere ist, sondern auch die feinere Klinge vorzüglich beherrscht. James LeGros („Ally McBeal“, Zodiac, November) würde ich mir in seiner Rollengestaltung etwas lebhafter wünschen (aber ich schätze, es ist absolut im Sinne von Regisseur und Drehbuchautor, wie er Hoffman spielt; da Perlman und LeGros sich durchaus gut ergänzen, hätte es mir gut gefallen, wenn der Konflikt zwischen ihren Figuren etwas, naja, deutlicher ausgearbeitet worden wäre). Connie Britton („Spin City“, „24“) liefert als Perlmans Ehefrau und Hoffmans Geliebte ebenfalls eine gute Vorstellung, wobei ihr sehr zupass kommt, dass ihr Charakter sich als komplexer denn anfänglich gedacht erweist. Lobende Erwähnung muss Kevin Corrigan („Grounded for Life“) finden; Zach Gilford, der bedauernswerte Maxwell, hatte im ebenfalls FFF-erprobten Rise: Blood Hunter einen Mini-Auftritt (den er aber wenigstens überlebt). Insgesamt leistet sich das Ensemble keine Ausfälle.

Wenn man sich mit der sperrigen Erzählweise und der Tatsache, dass der Film erst im letzten Akt wirklich Butter bei de Fische gibt, WAS er eigentlich sein will, anfreunden kann, ist „The Last Winter“ ein interessantes Filmerlebnis. Larry Fessenden macht es dem Zuschauer aber nicht wirklich leicht – wie üblich, wenn erst zum Finale hin die Trumpfkarten ausgespielt werden, wirkt der Schluss gedrängt und die Auftaktphase dafür umso langwieriger, andererseits kann man’s dem Herrn Kritiker halt auch nie recht machen; da gibt sich ein Film mal Mühe, Charaktere aufzubauen und nicht nur mit ein-zwei hingeworfenen Adjektiven zu definieren, versucht nicht gleich von Anfang an mit plakativen Effekten um sich zu werfen, und dann ist’s auch wieder nicht Recht. Trotzdem bräuchte „The Last Winter“ in der ersten Stunde einfach mehr Drive, ein bisschen Vorgeschmack auf „things to come“, denn bei aller umweltpolitischen Relevanz ist’s zunächst ein wenig dröge und/oder spröde. Der Schlussakt entschädigt für einige Längen, aber dem gemeinen Pöbel (hehe) wird das wohl zu lange dauern. Wer Geduld mitbringt und bei ökologischer Message nicht gleich aus dem Fenster springt, sollte aber mal reinschauen. Al Gore dürfte es gefallen…

3/5

(c) 2007 Dr. Acula


mm
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