Krieg der Infras

 
  • Deutscher Titel: Krieg der Infras
  • Original-Titel: Shan dian qi shi
  • Alternative Titel: Super Riders | Superriders against the Devil | The Super Rider | Der Krieg der Infras |
  • Regie: Lin Chung-Kuang
  • Land: Taiwan
  • Jahr: 1975
  • Darsteller:

    Chiang-Lung Wen (Super Rider 1, Piau), Yi-Min Lin (Super Rider 2, Feng), Jiro Yobuki, Feng Chang, Ching Feng Chiang, Wan Hsi Chin, Chung-Lien Chou, Chiang Han, Kao-Shan Hsiao, Chen-Peng Kao, Chun Ku


Vorwort

Der junge Student Feng, seines Zeichens sowohl Intelligenzbestie als auch sportlich begabt, wird aus einem Kaufhaus weg entführt und landet auf dem OP-Tisch einer finsteren Geheimorganisation, die sich unbescheiden „Satansbruderschaft“ nennt und deren aus dem Verborgenen amtierendes Oberhaupt nach nichts geringerem als der Weltherrschaft strebt. Feng soll dabei mithelfen, denn er ist ein geeigneter Kandidat für die Umwandlung in einen Supermann. Feng hat in der Hinsicht selbstverständich nichts mitzureden und wird nach vollständigem Abschluss der Prozedur auch keine kritischen Anmerkungen mehr anbringen können.

Allerdings kommt’s nach Phase 1 des Prozesses, der Verleihung der übermenschlichen Kräfte, zu einem Kurzschluss. Das OP-Team ergreift die Flucht, dafür aber erscheint Professor Chin, der ehemalige Lehrmeister von Feng, der zu Protokoll gibt, selbst entführt worden zu sein, um seine Forschungen in den Dienst der bösen Sache zu stellen, nun aber den Umwandlungsprozess sabotiert zu haben, bevor Feng in Phase 2 seines freien Willens verlustig ging (Memo für angehende Superschurken: ERST Gedankenkontrolle, DANN superstark machen). Professor und Super-Student fliehen, doch hetzt die Satansbruderschaft ihre Skelettkrieger und ein erkleckliches Kontingent an künstlich erschaffenen Tiermonsters jeglichen Kalibers und Lächerlichkeitslevels hinter ihnen her. Der Professor beißt ins Gras, gibt Feng allerdings noch den Tipp, dass er bereits Fengs Kommilitonen Piau, der ebenfalls von der Bruderschaft entführt und superstark geamcht wurde, zur Flucht verholfen habe, und mit den vom Professor konzipierten Strahlengürteln wären die beiden Jungs prinzipiell unschlagbar, quasi… Infra-Supermen!

Das frisch vereinte Heldenduo hat auch gleich seinen ersten Fall zu lösen. Ein Professor Chen (verdammte chinesische Namen) hat eine Schwerkraft-Formel zur Verschiebung der Erdachse erfunden (warum auch immer man das tun sollte oder wollte) und die hätte die Satansbruderschaft gern. Man entführt des Professors Assistenten samt den entsprechenden Aufzeichnungen, aber Chen war nicht ganz blöde und hat vorher einen entscheidenden Teil seiner Formel anderweitig, namentlich im Teddybären seiner Tochter versteckt. Die Satans-Monster machen sich also ans Werk, das Mädel und sein Plüschtier zu finden, dieweil Piau und Feng eben dies zu verhindern suchen.

Nachdem diese Sache geklärt ist, nimmt Piau, im Zivilleben Rennfahrer, an einem Motorradrennen teil. Dies nicht unbedingt nur seines Images wegen, sonden auch, weil die Polente hofft, so die Satansbruderschaft aus der Reserve zu locken. Als Geleitschutz bekommt Piau den taffen Inspektor Wan mit auf den Weg. Die Bruderschaft lässt sich nicht lumpen und greift die Racer an, die sich aber getarnt als Skelettkrieger in das Hauptquartier der Bruderschaft einschleichen können. Dummerweise war das eine Falle…

Aus der sich unsere Helden natürlich herauswinden und in die Berge ziehen, nicht um Eremit zu werden und die Erleuchtung zu suchen, sondern weil die Bruderschaft dort angeblich ihr neues Hauptquartier aufgeschlagen hat. Wan und Piau entdecken zumindest eine geheime Anlage mit einer auf die Hauptstadt gerichteten Strahlenkanone.

Auch dieses Problem wird zu allgemeiner Zufriedenheit, abzüglich der des Meisters der Satansbande, gelöst. Wieder mit Feng vereint, stolpert Piau auf einem Rummelplatz über eine blonde Europäerin, die von der chinesischen Ausgabe der Blues Brothers verfolgt wird. Diese Killer schrecken vor Massenmord nicht zurück, um an ein Feuerzeug, das die Blonde tags zuvor gefunden hat, heranzukommen, und stehen mit den Skelettkriegern im Bunde. Das Feuerzeug führt die Infra-Supermänners zu einer verlassenen Villa, die, wer hätt’s geahnt, der Satansbruderschaft als Unterschlupf dient. Und natürlich war das auch wieder mal eine Falle, in die die Infrakerle treudoof hineingetappt sind…


Inhalt

Kleine Geschichtsstunde zu Beginn, fortgeschrittene Leser dürfen diesen Absatz überspringen. Anfang der 70er verlagerte sich in Japan bei den „Spezialeffektproduktionen“ der Fokus von den traditionellen kaiju-Giant-Monster-Movies zu den „supersentai“-TV-Serien vom Schlage „Ultraman“, „Kamen Rider“ etc., in denen menschliche Helden sich per Supertechnik in unschlagbare Helden verwandeln konnten, die dann den außerirdischen oder sonstigen Monstern auf die Glocke hauen konnten – ein Genre, das sich bis heute gehalten hat und auch international exportiert wurde, wie Shows wie die unsterblichen „Power Rangers“, „VR Troopers“ oder „Mystic Knights“, die gern auch auf FX-Material der japanischen Vorbilder zurückgreifen, beweisen. In Asien dachte sich so mancher Produzent „was die Japsen können, könn‘ wir auch“ – ohne allerdings die entsprechende SFX-Tradition und -Kompetenz mitzubringen. Das glich man für gewöhnlich mit einer Extraportion Irrsinn aus, und wenn der Klumpatsch dann tatsächlich noch nach Europa kam, war Polen sozusagen sowieso offen – oft genug waren die „Filme“ eh nur ziemlich gewillkürte Zusammenschnitte von FX-Sequenzen aus Fernsehserien und wovon die handelten, war den armen deutschen Synchronautoren auch gerne mal unklar, so dass sie frei über die hysterischen Bilder fabulierten. Hatte man „Glück“ in Form von Leuten, die ungefähr wussten, was sie taten, bekam man etwas wie dem Hongkong-Import „Invasion aus dem Innern der Erde“, der bei allen Trashwerten, und die hat er, Jungejunge, durchaus noch als kohärenter Film durchgeht, hatte man, eh, andes „Glück“, landete man beim koreanischen „Roboter der Sterne“, der fraglos irre lustig ist, die Qualifikation als „Film“ jedenfalls nicht wirklich verdient.

Unser heutiges corpus delicti erblickte das Licht der Welt in Taiwan und fällt in die zweite Kategorie. Der deutsche Verleiher tat sein Bestes und versuchte den Film als Sequel zum offenbar ganz erfolgreich gelaufenen „Invasion aus dem Innern der Erde“ („The Infra Superman“ oder „The Super Inframan“) auszugeben (tatsächlich entstanden die Filme natürlich unabhängig voneinander, aber sogar ungefähr zur gleichen Zeit). Das war aber auch so ziemlich das einzige, was er unternahm, um aus „Krieg der Infras“ so etwas ähnliches wie einen Film zu machen… auch hier handelt es sich natürlich, wie man spätestens nach 20 Minuten Filmgenuss, wenn die erste Episode abgeschlossen ist, um einen Zusammenschnitt von mindestens, na, fünf Folgen einer Fernsehserie, die augenscheinlich aber so obskur ist, dass zu ihr keinerlei Informationen aufzutreiben sind – der Film ist die einzige sichtbare Spur, Darsteller-Filmographien schweigen sich aus, so dass die Möglichkeit wahrscheinlich erscheint, dass es sich um eine gestrandete TV-Serie handelte, die also nie zur Ausstrahlung gelangte, und zur Rettung des Investments in einen Kinofilm zur Ergötzung des mutmaßlich indiskriminierenden ausländischen Publikums umgearbeitet wurde (eine andere Option wäre, dass die Taiwanesen schon früher auf die Haim-Saban-patentierte Idee kamen, um japanische FX-Arbeit eigenes Füllmaterial zu drehen. Dafür spricht, dass die IMDb auch einen japanischen Regisseur kreditiert, dagegen, dass die FX deutlich unter gewohntem japanischen Standard liegen).

Was natürlich auch wieder bedeutet, dass es völlig sinnlos ist, sich als Rezensent an der, hihi, Handlung abzuarbeiten. Wenn die Theorie der gestrandeten TV-Serie stimmt, dann wussten vermutlich noch nicht mal die wahren Macher, worum sich der Plot eigentlich drehen würde, denn es liegt nahe, dass man sich dann zuerst auf die, hehe, aufwendigeren Action-Szenen stürzte, um die verbindenden Handlungssegmente irgendwann später zu drehen. Demzufolge gibt es nur rudimentäre „Storyentwicklung“ in dieser fragmentarischen Fassung einer vermutlich als Endlosserie konzipierten Reihe, in denen der fiese Oberschuft nie wirklich enthüllt werden sollte (oder zumindest nicht in der ersten Staffel), so dass „Krieg der Infras“ zwangsläufig auch kein echtes Ende hat, sondern einfach aufhört, nachdem die Gefahr-der-Woche gebannt wurde, der Hauptplot aber noch lang nicht abgefrühstückt ist. Dass man recht wahllos Elemente aus der geplanten Serie zusammengetackert hat, ergibt sich auch daraus, dass Feng – mit dem wir in den „Film“ einsteigen und der also erst mal in Ermangelung anderer Alternativen als unsere Haupt-Protagonist durchgeht, für zwei Segmente komplett aus der Handlung entfernt wird und Piau stattdessen mit dem nicht superverstärkten Cop Wan zusammengespannt wird, ehe Feng ohne weitere Erklärung für das Finalsegment wieder zurückkommt.

Zum dritten Segment tauchen dann aus dem Nichts Nebenfiguren auf (ein gewisser Ma und zwei Mädels, die mutmaßlich love interests für Wan und Piau darstellen), ohne dass sie uns sonderlich vorgestellt würden – im Rahmen einer Serie wüssten wir vermutlich, wer sie sind, die verhackstückte Filmfassung lässt für derartige Sperenzchen keine Zeit (sofern, s.o., diese Passagen überhaupt je gedreht wurden).

Die Schurkenseite fährt natürlich auch nicht besser – wie gesagt, auf die Identität des geheimnisvollen Obermotzes gibt’s keine Hinweise, sein erster Offizier ist ein seltsamer alter Knacker im Vampir-Make-up mit entsprechendem Dracula-Cape (wäre John Carradine mit 90 ein Chinese gewesen – das ungefähr wäre das Resultat), manchmal auch eine Frau in einer ägyptisch angehauchten Ganzkörperrüstung (angeblich ein „Roboterweib“), die sich allerdings im Finale als ein und dieselbe Person erweisen, und eine Fuhre albernster Gummi- und Latexmonster, gegen die die Monster aus „Invasion aus dem Innern der Erde“ wie biologische Feldstudien wirken, aber zumindest über mangelnden Einfallsreichtum kann man sich bei Fuchs-, Hirschkäfer-, Kakerlaken-, Pflanzen- oder Echsenmonstern nicht beklagen. Diese Viecher haben die Eigenschaft, bei heftigem Aufprall spontan zu explodieren (was für mich wieder ihren Wert als Kampfmaschinen einigermaßen mindert) und ansonsten mäßiges Kung-fu zu beherrschen (was wiederum daran liegt, dass man in den Ganzkörperkostümen auch schlecht kämpfen könnte, wäre man Jet Li oder Jackie Chan). Als Fußsoldaten gibt’s dann noch die Skelettkrieger, die im Gegensatz zum Hongkong-Zeitgenossen allerdings nicht wirklich „Skelette“ darstellen sollen, sondern halt wirklich nur (zumeist mopedfahrende) Henchmen in Skelettkostümen und mit Lucha-Masken sind. Die Typen sind ganz besonders unfähig, insbesondere, wenn sie auf ihren Böcken unterwegs sind und sich gerne mal unmotiviert gegenseitig über den Haufen fahren, Abgründe hinunterstürzen oder einfach so vom Bike fallen.

Liegt freilich auch daran, wie die Actionszenen geschnitten sind, nämlich besch…eiden. Klar, als Editor musste man irgendwas aus dem machen, was an Material vorhanden war, und das passte halt oft genug nicht wirklich zusammen. So materialisieren sich dann öfter mal Abhänge aus dem Nichts oder endet eine Hochgebirgsszene praktisch auf Meereshöhe. Wer ein Anschlussfehlertrinkspiel starten will, sollte also besser eine exzellent trainierte Leber mitbringen, sonst wird das das letzte Spiel seines Lebens…

Die Synchronfassung versucht, halbwegs seriös zu bleiben – man erfindet also nicht wie bei „Roboter der Sterne“ lustig-doofe Sprüche, ohne Rücksicht auf den Film zu nehmen, sondern bleibt einigermaßen dicht an dem, was an Story zu dechiffrieren ist. Eigentlich schade, denn eine knallige Rainer-Brandt-Style-Comedy-Synchro hätte hier eindeutig nicht geschadet und würde den Film auch einem breiteren Publikum zugänglich machen. Denn in der vorliegenden Form muss man schon mit Asia-Supersentai-Trash was anfangen können, will man nicht nach fünf Minuten entnervt die DVD gen Walhalla befördern und denjenigen, der sie einem verkauft hat, verprügeln – die Affinität für Schönheit in der Konfusion, Poesie im Chaos und Sinn im Sinnfreien, die muss man mitbringen.

Die schauspielerischen Leistungen zu beurteilen verbietet sich, also beschränke ich mich auf ein paar biographische Anmerkungen. Die beiden Supermänner (im Original: Super Rider) spielen Wen Chiang-Lung und Li Min-Yin, beides Kung-fu-Darsteller der zweiten Liga. Chiang-Lung hatte bereits Auftritte in „Zwei Handkanten aus Granit“ und „Zehn Finger aus Stahl“ hinter sich und war in der Folge u.a. in „Der Todeshammer der Shaolin“, „Die Pranke des gelben Tigers“, „Wang Yu – Härter als Granit“ und „Die 18 Todesschläge der ShaoliN“ zu sehen. Min-Yin, der mich ein wenig an den jungen Chow Yun-Fat erinnert, tauchte u.a. in „Die Todespranke der gelben Katze“, „Die unschlagbaren Sieben“, „Bruce Lei – König der Todeskralle“ und einigen Drunken-Master-Nachziehern wie „Saufbold und Raufbold“, „Die Welt des Drunken Master“ und „Der gelbe Gorilla mit dem Superschlag“ auf. In weiteren Rollen finden sich Chang Feng („Kung Fu – Die Schläger von Hongkong“, „Wang Cheng – Fäuste wie Dynamit“, „Der Drunken Master schlägt wieder zu“, „High Risk“), Jiro Yabuki (eine japanische Leihgabe aus „Kamen Raider“), Wan Hsi Chin („Der Rächer aus der Todeszelle“, „Superfighter 2“, „The Prisoner“, „Fausthieb des Todes“) und Han Chiang („Die Todesfaust des Schwarzen Drachen“, „Karato – Seine Fäuste sind der Tod“). Durchaus kompetentes Personal, das aus dargestellten Gründen nicht wirklich zeigen kann, was es drauf hat.

„Krieg der Infras“ findet sich zur Zeit auch auf amazon prime. Der Print ist nicht sauber formatiert (auf etwa 1.85:1 gestaucht), aber die leicht verschobenen Proportionen fallen bei dem vom Film schon selbst angerichteten Chaos nicht mehr sonderlich ins Gewicht. Die Printqualität ist ansonsten mittelmäßig, der Ton erträglich.

Eins ist klar – „Invasion aus dem Innern der Erde“ und „Roboter der Sterne“ als primäre Vergleichsobjekte machen schon deutlich mehr Spaß – der eine ist einfach kompetenter, aufwendiger gemacht, der andere durch die Synchro aufgewertet – „Krieg der Infras“ liegt irgendwo dazwischen, wirr geschnitten, gedreht auf Taiwans schönsten Steinbrüchen und mit nur ein paar pyrotechnischen Extravaganzen als echten „Hinguckern“, aber als Gesamtkatastrophe für den fortgeschrittenen Schrottologen die ein oder andere Sünde wert… Man muss nur wissen, worauf man sich einlässt.

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 9

BIER-Skala: 6


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