Krankheit Mensch 2

 
  • Deutscher Titel: Krankheit Mensch 2
  • Original-Titel: Krankheit Mensch 2
  •  
  • Regie: Kompilation
  • Land: Deutschland/Schweiz
  • Jahr: 2007-2010
  • Darsteller:

    Es ist schon wieder einige Sommer her, seit ich die erste Ausgabe von Krankheit Mensch, einer Kurzfilm-Kompilation deutscher Independent-Filmer, die sich der Abgründe der menschlichen Psyche annahmen, besprochen habe. Das halbe Dutzend Filme war zwar nicht durchgehend geglückt, bot aber immerhin zwei Volltreffer (mit „Moloch“ und „Anarchie“), zwei passable Streifen („Ein schöner Tag“ und „353,7 Sekunden“) und zwei eher vernachlässigenswerte Beiträge.

    Dass eine Fortsetzung des Konzepts angedacht war, hatte ich zwar am Rande mitbekommen, das Projekt aber dann – typisch für mich – aus den Augen verloren. Nun, es hat ja auch ein Weilchen gedauert, aber nun liegt (zumindest mir, in Form einer Promo-DVD) Sampler Nummer 2 vor – die Macher haben ordentlich draufgesattelt und die Filmanzahl mal eben locker mehr als verdoppelt. Neben alten Bekannten wie Raoul Schaupp, Andreas Eisele oder den Goreholios finden sich einige Neuzugänge (darunter mit Lars Dreyer aber auch ein hier bereits mehrfach gewürdigter Regisseur) im line-up.

    Machen wir’s wie damals schon und gehen ganz schön der Reihe nach die vertretenen Werke durch…


Vorwort

Es ist schon wieder einige Sommer her, seit ich die erste Ausgabe von Krankheit Mensch, einer Kurzfilm-Kompilation deutscher Independent-Filmer, die sich der Abgründe der menschlichen Psyche annahmen, besprochen habe. Das halbe Dutzend Filme war zwar nicht durchgehend geglückt, bot aber immerhin zwei Volltreffer (mit „Moloch“ und „Anarchie“), zwei passable Streifen („Ein schöner Tag“ und „353,7 Sekunden“) und zwei eher vernachlässigenswerte Beiträge.

Dass eine Fortsetzung des Konzepts angedacht war, hatte ich zwar am Rande mitbekommen, das Projekt aber dann – typisch für mich – aus den Augen verloren. Nun, es hat ja auch ein Weilchen gedauert, aber nun liegt (zumindest mir, in Form einer Promo-DVD) Sampler Nummer 2 vor – die Macher haben ordentlich draufgesattelt und die Filmanzahl mal eben locker mehr als verdoppelt. Neben alten Bekannten wie Raoul Schaupp, Andreas Eisele oder den Goreholios finden sich einige Neuzugänge (darunter mit Lars Dreyer aber auch ein hier bereits mehrfach gewürdigter Regisseur) im line-up.

Machen wir’s wie damals schon und gehen ganz schön der Reihe nach die vertretenen Werke durch…


Inhalt

Herbstrot

10 min

Regie: Raoul Schaupp

Darsteller: Christian Anderl, Erwin Schmidt, Raoul Schaupp, Michael Valentin, Heiko Schulz (Stimmen)

Im herbstlichen Wald philosophiert Herr Lehmann (sicherlich nicht verwandt und verschwägert mit dem literarischen Alter Ego von Sven Regener) über die Vergänglichkeit des Seins und vor allen Dingen über seine verflossene Liebe. Eine perfekte Beziehung schien es gewesen zu sein, auch in sexueller Hinsicht, doch nicht nur die Tatsache, dass die Herzensschöne des Kinderkriegens nicht mächtig ist, schlägt auf’s Gemüt…

Schaupp, den wir nicht nur als Filmemacher, sondern auch als Erzbösewicht Dr. Dick aus Andreas Eiseles The Amazon Force kennen, kommt uns hier mit einer vergleichsweise poetischen Geschichte – ausschließlich per voice-over über hübsche schwarz-weiß-Bilder, die nur durch die Farbe Rot aufgelockert werden („Schindlers Liste“ gesehen, wa?), entfaltet sich die Story der unglücklichen Liebe, deren Pointe Nummer 1 allerdings durchschaubar ist (SPOILER: Nekrophilie SPOILERENDE). Fur Klugscheißer wie mich, die den Clou schnell entdeckt zu haben glauben, liefert Schaupp aber noch eine zweite Pointe, die dann auch ein paar (leider nicht besonders gute) Splattereffekte liefert, aber in ihrer Boshaftigkeit durchaus auch Sinn ergibt. Mit einfachen Mitteln durchaus hübsch gefilmt (ich bin allerdings auch ein Fan gediegener s/w-Optik), von Lars Kelich gefühlvoll musikalisch untermalt und von Christian Anderl sauber gespielt (was mir weniger gefällt, ist Schaupps voice-over – vielleicht geht’s nur mir so, aber ich halte seine Stimme für nicht soo passend, wenn’s um’s bedeutungsschwangere Rezitieren düsterer Gedanken geht). Sonderlich gehaltvoll ist die Sache dann allerdings nicht – mittelprächtig.

Asakku

12 min

Regie: Heiko Schulz

Darsteller: Stefanie Großmann, Dirk Müller, Bernd Koller, Roger Fetzer, Patrick Naumann u.a.

Eine junge Frau liegt tot in der Badewanne, die Rasierklinge dekorativ auf dem Wannenrand…

Ein junger Mann setzt sich einen Schuss, doch der Trip bringt nicht das erwünschte Hochgefühl – statt dessen erscheinen ihm Passanten (und deren Hunde) als Monster. Trotzdem geht’s in die Disco, die allerdings auch ausschließlich von geistlosen Monstern bevölkert zu sein scheint – bis auf ein Mädchen. Da ist man(n) und frau sich schnell einig, macht sich gemeinsam vom Acker und schafft’s nur noch mit Mühe bis eben zum nächstbesten Acker, um dort übereinander herzufallen. Doch das bekommt dem Stecher nicht, denn sie hat offenbar den gleichen schlechten Stoff erwischt…

Bei den Goreholios kann man mittlerweile voraussetzen, dass es filmtechnisch nicht viel auszusetzen gibt – ebenso, dass man dort auch gerne mal etwas experimentieller arbeitet, wie es schon Moloch, einer der Höhepunkt der ersten „Krankheit Mensch“-Sammlung, unter Beweis stellte. „Asakku“, ein einziger Drogentrip, kommt komplett ohne Dialoge aus und qualifiziert sich durch die bizarre Monster-Imagery schon fast als eine deutsche Indie-Antwort auf „Trainspotting“. Optisch ausgezeichnet gelungen – die Kameraarbeit ist für Indie-Verhältnisse richtig richtig gut – musikalisch passend untermalt und von den beiden Hauptakteuren passabel gespielt – die dramaturgische Entscheidung, mit der letzten Szene einzusteigen, den Film also quasi als einzige Rückblende zu bestreiten, gefällt mir persönlich nicht so wirklich, aber ich verstehe auch andererseits, warum diese Abfolge gewählt wurde. Guter Film – hat mich letztlich nicht ganz SO beeindruckt wie „Moloch“, bleibt aber auf alle Fälle nachhaltig im Gedächtnis.

Onkel Peter

8 min

Regie: Lars Dreyer

Darsteller: Dieter Horstmann, Katrin Dreyer-Winkelmann

Ein Mann steht morgens auf, duscht, frühstückt, liest Zeitung, zieht sich zum Tagwerk an und begibt sich dann auf die Straße. Alles ganz normal, nur, dass der Herr ein gewisses Interesse für Kinder an den Tag legt.

Lars Dreyer ist ja für Stammleser dieser Seiten kein unbekanntes Kaliber (ich erinnere u.a. an den Rollin-esquen Haus der Verdammnis), schreibt auch dann und wann mal ein Review für uns, gehört also quasi zur Familie. Freut mich einerseits, dass der Kollege zu dieser Compilation eingeladen wurde, macht’s mir aber natürlich auch schwer, unvoreingenommen an die Sache heranzugehen. Dreyer kombiniert die Herangehensweise der beiden vorherigen Filme – „Onkel Peter“ kommt in schwarz-weiß und ohne Dialoge, wird nur von elektronischer Musik (besorgt vom Filmemacher selbst – im Bonusmaterial findet sich eine noch stärker auf die Musik abgestimmte „Remix“-Version als Musikvideo) und behandelt, unschwer zu erkennen, das Thema Pädophilie. Worauf Dreyer hinaus will, ist mir schon klar – der Kinderschänder an und für sich ist kein weithin erkennbares Monster mit Warnlampe auf der Rübe, sondern der Biedermann von Nebenan, dem man seine Veranlagung nicht ansieht. Das dürfte durchaus richtig sein, ergibt aber noch nicht unbedingt einen packenden Film. Dreyer beginnt mit einer Szene, in der „Onkel Peter“ ein Mädchen anspricht, verrät aber nicht, was passiert – statt dessen sehen wir eben das Morgenritual des vermeintlichen Pädophilen und das ist halt leider ungefähr so aufregend, wie sich das in meiner minimalistischen Inhaltsangabe auch liest. Dreyer hält zwar bewusst die Option offen, dass die Peter-Figur *kein* Pädophiler ist und wir als Zuschauer nur unserer eigenen Paranoia auf den Leim gehen, aber letztlich fehlt mir insgesamt ein wenig das Statement, die zentrale Message, die der Film machen will. Handwerklich mehr als ordentlich gemacht, mit schönem Einsatz der s/w-Fotografie, ich habe aber von Dreyer schon insgesamt, hm, „bessere“ ist das falsche Wort, sagen wir mal, beeindruckendere Arbeiten gesehen. Geht aber schlussendlich noch knapp in Ordnung.

Das Monster

17 min

Regie: Michael Donner

Darsteller: Michael Donner, Petra Busina, Melanie Bayersdörfer, Benjamin Munoz-Martin

Da’s in der Ehe von Tom und Sandra ordentlich kriselt, wird zu verzweifelten Maßnahmen gegriffen: ein gemeinsames Wochenende im abgelegenen Landhaus, das Toms Eltern gehört, soll in Ruhe und Abgeschiedenheit Aussprache und Versöhnung bringen – Sandras Schwester Lara, die in Übereinstimmung mit Sandras Familie die Sektkorken knallen lassen würde, wenn Schwesterherz den doofen Tom endlich in die Wüste schickt, ist alles andere als begeistert. Doch Tom schiebt Laras Bedenken in den Wind – nur irgendwie blöd, dass sich im Dunstkreis des Landhauses ein irrer Killer rumtreibt…

Surprise! Ich kenne Michael Donner als den Papst der deutschen Indie-Filmkomponisten-Szene, dessen Scores oft genug um Klassen besser sind als das belichtete Zelluloid (bzw. Videomaterial), das sie beschallen, aber dass der Herr auch selbst der Filmemacherzunft beigetreten ist, ist an mir zumindest bislang weiträumig vorbeigegangen. Was schade für mich ist, denn wenn „Das Monster“ für Donners Regie- und Drehbuchqualitäten repräsentativ ist, kann ich ihm schon ein gerüttelt Maß an Talent bescheinigen. Zugegeben – in knapp 17 Minuten kann man schon etwas mehr an Story und Dramaturgie unterbringen als in den fünf- bis sechsminütigen „Schnipseln“, wie sie sich anderweitig auf diesem Bildträger anfinden. Der Clou der Geschichte (SPOILER: Tom hat ’ne gepflegte Vollmeise respektive Schizophrenie und hat Sandra umgebracht) ist nicht brandneu, wird aber mehr als passabel dargeboten, auch wenn die eingesetzten technischen Mittel vergleichsweise schlicht sind (und die Außenaufnahmen doch stark überbelichtet ausfallen, was ich ausnahmsweise mal nicht für eine gewollte künstlerische Aussage halten mag), doch durchaus effektiv. Da Donner selbst die Hauptrolle gut hinbekommt (auch wenn ich mir irgendwie ein gewisses Stefan-Raab-Feeling nicht verkneifen kann), ergibt das – in Verbindung mit dem Donner-typischen guten, spannungsförderlichen Score – einen hübschen kleinen Psychothriller im Kurzfilmformat. Wäre durchaus nicht abgeneigt, mehr zu sehen.

Vater

7 min

Regie: Ingo Jäger

Darsteller: Heiko Schulz (Vater), Caroline Dillmann (Tochter), Julia Panzilius (Freundin)

Eine junge Frau lebt ausschließlich in einem Kellerverschlag – versorgt wird sie von ihrem Vater, der ihr immer wieder nachhaltig ins Gedächtnis ruft, dass aufgrund einer über die Menschheit hereingebrochenen Zombie-Apokalypse Ausflüge in die Botanik absolut nicht empfehlenswert sind. Eines Tages kommt Papa von einer seiner Touren nicht zurück – und die Frau wagt sich nach draußen…

Mal wieder ein Film, der ohne grundsätzliche SPOILER-Warnung nicht zu besprechen ist… Das Werk von Ingo Jäger, den ich bislang nicht kannte, aber angesichts der Schulz-Connection zumindest im Goreholio-Dunstkreis ansiedeln möchte (allerdings ist Heiko Schulz offenbar so etwas wie der Kevin Bacon der deutschen Indie-Szene…), ist ein sympathisch-bösartiger Kommentar zur Fritzl-Thematik (Ihr wisst schon) – selbstverständlich gibt’s keine Zombies, sondern der liebe Vater benutzt das nur als laue Ausrede, um seinen Lendensproß außer Sichtweite seiner Lebensabschnittsgefährtin (und das ist nun mal nicht die Mutter) zu halten. Natürlich ist „Vater“ ein prototypischer Vertreter der „gespielter-Witz“-Kurzfilmschule, ergo des schlichten Hin-Inszenierens auf eine überraschende Pointe – Jäger hält uns bis zur Enthüllung des Twists mit einer optisch verfremdeten Traumsequenz (in der gibt’s dann auch Zombies, u.a. Thorsten Hastenteufel, den wir hier auch dank Tramping kennen) und Wechsel zwischen s/w-Kamera (für die Dialogsequenzen mit Vater und Tochter) und Farbe (für die Solo-Auftritte der Tochter) bei Laune. Die Pointe ist sicherlich nicht mega-überraschend, die filmischen Mittel wieder relativ schlicht, aber brauchbar umgesetzt und die schauspielerischen Leistungen akzeptabel. Kein Film von hoher rewatachability, aber auch keine Zeitverschwendung. Reicht für ein knappes thumbs up.

Prime-Age

13 min

Regie: Daniel Steffen

Darsteller: Benjamin Weber, Denise Thomas, Marc Steiner, Livia Stucki, Cassandra Braun, Quentin Braun, John Lubars

Ein junger Mann kehrt in das Haus, in dem er aufgewachsen ist zurück und erinnert sich beim Abklappern der einzelnen Zimmer an die diversen unschönen Vorgänge, die ihm widerfahren sind. Sein Vater verprügelte ihn und seine Mutter, kam nach einem besonders heftigen Ausraster in den Knast und kehrte mit einem neuen Hobby zurück – Fotografie. Allerdings nicht die Sorte harmloser Landschaftspanoramen, sondern eher die „unbekleidete junge Menschen“-Variante, gemeinhin als Kiddieporn bekannt – und unser Held wurde seines Vaters Lieblingsmodell, zumindest solange, bis seine kleine Schwester in ablichtungstauglichem Alter war. Das wurmte nicht nur unseren Protagonisten, der sich zurückgesetzt fühlte, sondern auch die Mutter, die zu terminalen Gegenmaßnahmen griff. Der einzige, der weitgehend unbeeinträchtigt aus der Chose herauskam, war der Herr Papa, und diesen Umstand gedenkt sein Junior nunmehr zu ändern…

Ein eidgenössischer Beitrag zur Compilation, aus mir unerfindlichen Gründen in einer englischen Sprachfassung (mit deutschen Untertiteln) vorliegend. Wie weiter vorn Sportskamerad Dreyer wendet sich auch Steffen dem Thema Kindesmißbrauch/Pädophilie zu, beleuchtet dabei aber die Opferperspektive und trifft dabei die ein oder andere interessante psychologische Beobachtung (speziell natürlich die Eifersucht, die der Junge empfindet, als seine Schwester ihm als Modell/Motiv vorgezogen wird). Steffen löst die Aufgabe überwiegend „künstlerisch“ (wobei die Metapher der verschiedenen Zimmer, die die in s/w gefilmten Flashbacks des Protagonisten auslösen, wiederum nicht die Originalität in Tüen darstellt, aber durchaus funktioniert), ohne Dialoge, ausschließlich mit dem englischsprachigen voice-over kommentiert, schön fotografiert (wie gesagt, auch hier herrscht Wechsel zwischen Farbe und s/w), und ich war sehr geneigt, in lobhudelnde Begeisterungsstürme auszubrechen (abzüglich der von mir immer wieder kritisch aufgefassten Verbindung von SM-Motiven mit anderweitigen, unappetitlichen „Perversionen“ – das ist mir etwas zu sehr BILD-Zeitungsküchenpsychologie). Nur leider kann Steffen der Versuchung nicht widerstehen, den Streifen in einer dumpfen Splatterorgie ausklingen zu lassen (SPOILER: der Protagonist ist, soweit, so gut, in mordlustiger Stimmung zurückgekehrt und hackt seinen Erzeuger ausgesprochen graphisch in Stücke, ehe er sich selbst das Gehirn rausschießt). Das Gesplatter ist für Indie-Verhältnisse technisch durchaus gut gemacht, macht aber bei mir viel an Goodwill, den der Film bis dahin bei mir aufgebaut hatte, kaputt. Trotzdem – da sind viele gute Ansätze vorhanden und was ich für eine selbstzweckhafte Goreschlachtplatte halte, mag der andere für konsequent halten. Ich verbleibe mit neutraler Bewertung.

Mon Cheri

10 min

Regie: Ingo Jäger/Mats-Peter Hopf

Darsteller: Mats-Peter Hopf, Nadine Süssmuth, Bianca Kalis, Felix Hallenberger, Andreas Eisele, David Fischer, Jens Milker, Daniel Drews, Raoul Schaupp

Eine junge Frau steigt in die Badewanne und schneidet sich die Pulsadern auf, Grund enttäuschte lesbische Liebe… Dieweil sucht ein junger Mann, blutüberströmt, einen Kumpel auf. Letzterer würde natürlich schon gerne wissen, warum sein Freund sich mit rotem Lebenssaft vollgekleckert hat. Also erzählt der Vollgeblutete: er, aufgrund Angstzuständen tablettenabhängig, aber derzeit medikativ starkt unterversorgt, habe seine Traumfrau gefunden. Die war dussligerweise aber schon vergeben, was bei ihm praktisch direkt zur Schlussfolgerung „kann ich sie nicht haben, dann keiner“ geführt hat. Aber wie hängt das mit dem Selbstmord des Mädches zusammen?

Shame on me, diesen Streifen hatte ich bei Erstsichtung der DVD glatt übersehen (daran ist nur die Menüführung schuld *schmoll*) – wäre peinlich gewesen, hätte ich’s nicht noch gemerkt, nicht zuletzt darum, weil an dem Ding wieder einige alte Bekannte beteiligt waren (namentlich Raoul Schaupp und Andreas Eisele, der schamlose Eigenwerbung durch Tragen eines „get-a-life“-T-Shirts betreibt), aber auch, weil die Chose richtig gut ist. Jäger und Hopf packen viel in die knapp zehn Minuten – female nudity (wenn auch nur von hinten… tsk, aber Nippel konnte man in Jägers „Vater“ erspähen), Lesbensex, schwarzen Humor und eine glänzende 9-Live-Persiflage (dargeboten von Raoul Schaupp, der als zunehmend verzweifelter Quizmaster darauf wartet, das jemand das Rätsel „Tötungsmethode mit vier Buchstaben, vorgegeben _ord“ löst), humorige Zwischenschnitte (wenn der Protagonist weitschweifend von seinem Tag berichtet, dass er z.B. Eichhörnchen gesehen habe, werden solche pflichtschuldigst sekundenkurz eingeblendet; das Eichhorn an sich ist offenbar ein running gag von Ingo Jäger).
Auf den ersten Blick mag’s ein wenig geschmacklos erscheinen, vergleichsweise ernste Themen (wie Jäger sich im Audiokommentar ausdrückt, „die dunklen Seite der Liebe“, hier also ein Stalker und eine gefühlskalte Schlampe, für die ihre Liebschaften nur Spielzeuge sind, in die man nicht emotional investiert) mit derbem Humor zu verbinden (wobei die extremste Szene in der Filmfassung bereits entschärft ist: eine Vergewaltigung mit Stacheldraht-Fesselung… im beigefügten Musikvideo für den Rapper Jigsaw, auf dessen Track „Blutige Romantik“ [der wiederum durch den Roman „Cupido“ von Jilliane Hoffman inspiriert wurde], gibt’s die Szene – bar jeden ironischen oder komödiantischen Kontexts – in einer ausführlicheren, expliziteren Version), aber es funktioniert prächtig, vor allem dank des quasi kommentierenden Quizspiel-Strangs. Technisch ist das Ganze, trotz vielleicht der ein oder anderen übertriebenen Spielereien aus dem Schnittprogramm, akzeptabel, und dass Hopf darstellerisch seinen Stalker/Killer nicht gerade als intensiven Psycho, sondern eher als verhinderten Komiker anlegt, macht der insgesamt trotz der düsteren Thematik lockeren Machart keine Schande. Eine echte Überraschung!

Geschwisterliebe

5 min

Regie: Jan Soldat

Darsteller: Frank Schubert (Bruder), Juliane Beyer (Schwester)

Zunächst sieht’s so aus, als würde der junge Mann seiner Schwester nur ein paar Botschaften der Familie (das übliche: „lass dich mal wieder sehen“ u.ä.) überbringen, doch in Wahrheit sind die Geschwister ein (völlig durchgeknalltes) Liebespaar – was soweit geht, dass der Bruder sogar mit Begeisterung das aufgrund spontaner Übelkeit ausgekotzte Erbrochene seiner Schwester vom Boden schlabbert. Schwesterlein bringt sich ebenso spontan durch Kehlenschnitt um, Bruder süffelt an der klaffenden Halswunde, wird dadurch aber vergiftet. Fin.

Tschuldigung, aber wenn mir mal wirklich nichts Positives einfällt, will ich, gerade bei einem viereinhalbminütigen Studentenprojekt, auch nicht in den Negativa schwelgen. Glatter Fehlschuss, zu dem ich nicht mal was sagen *mag*.

Die Reiter

13 min

Regie: Andreas Eisele

Darsteller: Heiko Schulz, Michael Weinzierl, Witalij Kühne, Thomas Goersch, Raoul Schaupp, Michael Valentin, Ellen Koch

In einer letztklassigen Spelunke treffen sich drei Männer und warten auf eine vierte Person – der eine wirkt ein wenig kränklich, der zweite verfügt trotz seines eher ausgemergelten Erscheinens (oder gerade deswegen) über einen buchstäblich ansteckenden Heißhunger, der dritte müht sich nach Kräften, Konflikte unter den Anwesenden (Gästen und Barmann) zu schüren. Die geheimnisvolle Vierte ist eine hübsche Frau und sie bringt etwas mit – etwas, was schlicht und ergreifend die Apokalypse auslösen kann. Und auf einmal hängt das Schicksal der Welt an einem Schokoriegel…

Bleibt’s also an Andreas Eisele, den Eindruck, den „Geschwisterliebe“ vermittelt hat, zu vertreiben, und auf den allgefälligen badmovies.de-Favoriten (Die Letzten ihrer Art, The Amazon Force) ist Verlass, auch wenn er das Thema „Krankheit Mensch“, wie schon bei der ersten Ausgabe, zugegebenermaßen sehr weit auslegt… Seine Neuinterpretation des „apokalyptische Reiter“-Themas macht einfach Spaß – von der schon aus Anarchie, einem der Höhepunkte der ersten „Krankheit Mensch“-Sammlung bekannten Frechheit, einen Kurzfilm auch noch in Kapitel zu unterteilen, über die extrem spielfreudigen Darsteller (vor allem Heiko Schulz – erwähnte ich, dass das eigentlich eine Schulz-[und Schaupp-]Compilation ist? – legt eine Bravourvorstellung hin – und Ehrensache, dass der Eisele-Muse Ellen Koch eine zentrale, wenn auch nicht die größte Rolle zufällt), das pfiffige und wirklich witzige Script (bei dem mich nicht wundern würde, wenn Terry Pratchetts „Reiter“-Version zumindest eine ideelle Inspiration war), den dezenten, aber ausgesprochen angenehmen Donner-Score bis hin zu den okayen Digtaleffekten für’s Finale; handwerklich ist Eisele den meisten Indie-Kollegen eh inzwischen ein bis drei Schritte voraus. Mal wieder ein echter Volltreffer aus der GALP-Werkstatt und schon alleine praktisch die Investition in die DVD wert. Großartig!

Die stumme Frau

9 min

Regie: Matthias Wissmann

Darsteller: Kena Kraft, Kevin Hartfiel, Matthias Wissmann

Unsere Titelfigur ist unglücklich – zumindest, was das Essen angeht. Gemüsepampf mit Nudelschlabber scheint nicht so ganz ihr Ding zu sein. Ihrem Mann/Lebensgefährten/WG-Partner/Mietkoch/whatever geht die Unlust, mit der sie in der Mahlzeit stochert, ziemlich auf den Senkel – womöglich aber auch ihre Sprachlosigkeit (ob die medizinisch bedingt ist oder eine psychologische Schramme darstellt, bleibt offen). Beim Herumspazieren im Park fällt ihr ein junger Mann auf, der mit seinem Hund herumalbert. Kontakt ist schnell hergestellt (trotz der „Sprach“-Barriere. Hunde sind doch chick magnets) und ehe er sich’s versieht, findet sich der Hundehalter in der Wohnung der Stummen wieder. Was ihm aber nicht wohl bekommt…

Das gute alte „du bist, was du isst“-Thema darf natürlich auch nicht beim Abtauchen in die Abgründe menschlicher Psychosen, Schrammen und sonstiger Klatschen fehlen. Matthias Wissmann, der mir bislang kein Begriff war, legt einen sauber inszenierten, dabei auf ruhige, besonnene Bilder setzenden kleinen Film vor, der vor allem von seiner durchaus auch ohne Worte ausdrucksstarken Hauptdarstellerin Kena Kraft lebt. Die statischen Bilder passen hier mal wirklich gut zur leisen, bedächtigen Erzählweise und ermöglichen – trotz der nicht gerade unvorhersehbaren Pointe – einen „hübschen“ Kontrast zu zwei-drei blutigeren Einstellungen in der Klimax. Ebenfalls positiv zu vermelden: der gefühlvolle Soundtrack von Chris Tresp. Summa summarum kein Burner, der mich pausenlos vom Sofa fetzt, vielleicht einen Tacken *zu* langsam erzählt, aber durchaus ein Short mit einigen guten Ansätzen.

Materialschlacht

1 min

Regie und Darsteller: ?

Ein Gamer zockt einen gar gewalttätigen Egoshooter – irgendwann allerdings will er aus dem hektischen Game aussteigen, doch er erwischt leider den falschen Ausschalter…

Und noch’n Film, den ich beim ersten DVD-Durchlauf glatt übersehen habe. Geht ja aber auch nur eine gute Minute, da kann das ja mal passieren. Weniger ein „Film“ denn ein witziger kleiner Spot, famos videoclipmäßig-stakkatoartig geschnitten (mich würde mal interessieren, ob die Game-Sequenzen speziell für den Film animiert wurden oder ob welches Spiel dahintersteckt) und mit einem passenden technoiden Michael-Donner-Musikstück untermalt. Schöner auflockernder Gag in der insgesamt der Thematik halber recht düsteren Weltsicht der Compilation – wenn ich jetzt nur noch wüsste, von WEM der Film ist (die einzige Credit-Angabe ist nämlich die für Michael Donner). Tipp: unbedingt das immens witzige „One-Minute-Statement“ kucken (und den Audiokommentar anhören. Nimmt ja nicht viel Zeit in Anspruch…).

Endzeit

14 min

Regie: Marius Thomsen

Darsteller: Pascal Pohl, Svend Fries, Henrik Wierick

Unser Held hat schon bessere Zeiten erlebt – arbeitslos und gestraft mit dem Dasein als alleinerziehender Vater eines krakeelenden Babys, verbringt er seine Zeit mit dem Durchzappen des Fernsehprogramms. Bis er eines Tages, nach der Feststellung, dass im Kühlschrank zwar noch das Licht brennt, aber keinerlei Happa-Happa mehr zu Hause ist, beschließt, unter Zuhilfenahme eines Schießprügels in seiner alten Firma ein paar Arbeitsplätze freizumachen… Aber Amoklaufen ist gar nicht SO einfach, wie man denkt – mit den Folgen seiner Tat kommt unser Schütze nicht zurecht…

Holla. Marius Thomsen, den ich nach The Knochenwald Trilogy unter den gut gelaunten, trotzdem aber anspruchslosen Splatterschmodderanten verortet hatte, kommt uns mit „Endzeit“ (gedreht, bevor Thomsen seine Knochenwald-Filme neu bearbeitete) quasi mit einer Art deutschem „Eraserhead“ light – ohne die großen Lynch-typischen Absonderlichkeiten, aber mit einer selbst im Kontext dieser Sammlung deprimierenden Grundstimmung und kargen, hoffnungslosen Bildern. Auch Thomsen verzichtet – ob der hauptsächlich als one-man-Show zu wertenden Geschichte – auf Dialoge, sondern lässt einen voice-over (und die ein oder andere philosophische Texteinblendung) sprechen. Die Kamera setzt auf grobkörnige, farbreduzierte Bilder, die die depressive „abgefuckte“ Stimmung der Geschichte unterstreichen. Pascal Pohl schlägt sich in der Hauptrolle für einen Amateur-Schauspieler achtbar; insgesamt nicht herausragend, aber akzeptabel und, angesichts der Trashigkeit der „Knochenwald“-Filme eine kleine positive Überraschung.

Kain
5 min

Regie: Jan Soldat

Darsteller: Merlin Messenbrink

Ein vielleicht zehnjähriger Junge hat die Aufgabe, Babysitter für einen Säugling zu spielen, und das offensichtlich nicht nur für zwei-drei Stunden, während die Eltern ins Kino gehen. Die Situation ist schon soweit fortgeschritten, dass die Futterregale leer sind und unser Junge Kohldampf schiebt. Gerade, als er schon zu ekelhaften Proteingewinnungsmaßnahmen schreiten will, bringt ihn das plärrende Baby auf eine wohlschmeckendere Idee…

Noch ein kurzer Film von Jan Soldat, dessen „Geschwisterliebe“ mich ja nun nicht wirklich euphorisierte. „Kain“ ist schon deutlich besser – die Idee ist gewitzter, bösartiger und Merlin Messenbrink macht seine (dialoglose) Aufgabe ganz gut, filmisch ist das auch recht kompetent umgesetzt, ironischerweise ist mir „Kain“ aber für seine Pointe mit fünf Minuten noch zu lang. Im direkten Vergleich zu „Geschwisterliebe“ selbstverständlich klarer Punktsieger, im Kontext der gesamten Sammlung allerdings doch nur einer der hinteren Ränge.

Das Wiedersehen

3 min

Regie: Raoul Schaupp

Darsteller: Diana Wagenpfeil, Raoul Schaupp, Joachim Schaupp, Manuela Schaupp

Als Tina aus einem kleinen Nickerchen erwacht, steht ihr ihr Freund Christian gegenüber. Das ist deswegen etwas blöd, weil Christian kürzlich bei einem Unfall ums Leben kam. Klare Sache: Tina ist ebenfalls tot – sie hat das Ableben ihres Geliebten nicht verwunden…

Zum Abschluss noch ein Schaupp-Beitrag aus der Schublade „makabrer gespielter Witz“ (ich bitte das, wie auch weiter oben, nicht despektierlich zu verstehen). Die kleine Geister-Geschichte ist wieder mit einfachen filmischen Mittlen gestrickt (und einmal mehr fällt mir auf, dass ich Schaupp in humorigen, komödiantisch angehauchten Parts überzeugender finde denn als dramatisch-ernsthaften Charakter) und haut ihre eigentliche Pointe (denn die „du bist auch tot“-Nummer ist *nicht* die Überraschung, die Schaupp dem Zuschauer einschenken will) erst im schon laufenden Abspann raus. Eine kleine, fiese Idee und der ideale Rausschmeißer aus der umfänglichen Sammlung.

Fazit

Dass bei satten vierzehn Filmen nicht alles Gold ist, was da glänzt, ist klar – trotz eines Totalausfalls mit „Geschwisterliebe“, den nur eingeschränkt überzeugenden „Herbstrot“, „Kain“ und „Onkel Peter“, und dem sich zumindest aus meiner Sicht nach hervorragendem Einstieg beinahe selbstversenkenden „Prime-Age“ bleiben mit den zwar mit Schwächen behafteten , aber gefälligen „Vater“, „Endzeit“, „Die stumme Frau“ und „Das Wiedersehen“ und natürlich den Highlights „Asakku“, „Das Monster“, „Materialschlacht“ und vor allem „Mon Cheri“ und „Die Reiter“ einige gewichtige Argumente pro Investition in „Krankheit Mensch 2“ übrig – zumal ich einfach mal geflissentlich davon ausgehe, dass die Scheibe in Tradition der ersten Sammlung nicht übermäßig teuer ausfallen wird.

Ein wenig Mäkelei sei mir noch erlaubt – ich finde die Menügestaltung, die wie bei der Vorgängerscheibe im Hauptmenü nur den einzelnen Filmen zugeordnete Symbole zur Auswahl anbietet (und dann teilweise so unauffällig, dass ich eben „Mon Cheri“ und „Materialschlacht“ schlicht übersah), zwar vom Grafikdesign gelungen, aber praktisch recht unübersichtlich – das Hauptmenü zieht sich über drei Screens, d.h. man kann schon mal fünfzehn-sechzehn Mal auf seine Fernbedienung klicken, ehe man beim Film angekommen ist, den man sehen will – vorausgesetzt, man hat die Symbole auswendig gelernt und kuckt nicht beim falschen Film nach…

Umfangreiche Extras werden wie schon beim Vorgänger mitgeliefert – bis auf „Prime-Age“, der nur mit dem Trailer garniert wird, gibt’s für jeden Film das „one-minute statement“ des Regisseurs, fast alle Filme haben einen Audiokommentar, dazu gibt’s verschiedentlich, je nach Film, noch Trailer, Outtakes, Galerien, Storyboards oder Musikvideos. Jede Menge Stoff.

Das Wort zum Sonntag, bis ich das Review hochgeladen habe, vermutlich am Dienstag: wer sich ernsthaft an einem Überblick über die deutsche Indie-Szene verschaffen will (ja, ich weiß, da ist ein Schweizer Film dabei…), kommt auch an der zweiten „Krankheit Mensch“-Sammlung nicht vorbei – auch wenn einige der 14 Filme so ihre Macken und Probleme haben, die Höhepunkte von Schulz, Donner, Eisele und Jäger reißen’s locker raus, daher dicke Empfehlung!

(c) 2011 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 0

BIER-Skala: 7


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