Kinder. Wie die Zeit vergeht

 
  • Original-Titel: Kinder. Wie die Zeit vergeht
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  • Regie: Thomas Heise
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2007
  • Darsteller:

    Drehbuch: Thomas Heise
    Kamera: Börres Weiffenbach
    Schnitt: Trevor Hall, Karin Schöning
    Produzent: Heino Deckert
    Produktion: ma.ja.de. filmproduktion


Vorwort

„Kinder. Wie die Zeit vergeht“ ist dritter Teil der Reihe, die gemäss Thomas Heise keine Reihe ist. Im Xenix fand die Schweizer Kino-Uraufführung statt.

Wieder sind acht Jahre vergangen, wieder sucht der Dokufilmer die Protagonisten von damals auf. Jeanette ist tatsächlich Busfahrerin geworden, hat neu geheiratet und neben den zwei Jungs eine Tochter. Sohn Tommy macht immer noch Schwierigkeiten und versucht, die Schule mit Ach und Krach hinter sich zu bringen; ganz im Gegensatz zu Paul, der gute Noten mit nach Hause bringt. Unterschiede auch anderswo: Während der eine in der Freizeit mit Kumpels Schiessereien mit Schreckschusspistolen (oder was das für Dinger sind) veranstaltet, spielt der kleinere Fussball; auch die Grosseltern sind da, als er ein Tor schiesst. Die wohnen im Übrigen immer noch auf dem Land, zusammen mit Toni, dem Jüngsten. Der war in der Zwischenzeit ebenfalls in der rechten Szene aktiv, ist nun aber Lagerarbeiter. Wenn er von seinem Streit mit dem Vater erzählt, klingen ähnliche Szenen aus dem ersten „Stau“-Film nach. Konrad ist diesmal übrigens nicht mehr dabei, also bleiben nur noch ein kurzes Interview mit Tino oder ein Graffiti, in denen die Nazi-Thematik angesprochen wird. Diese ist hier nur ein Teil der Familiengeschichte, um die es hier hauptsächlich geht.


Inhalt

Einige Bilder kennt man aus „Neustadt Stau – Der Stand der Dinge“, teilweise kommt damals ungenutztes Material hinzu. Dieses wird mit dem neuen in direkten Bezug gesetzt, wobei man ab und zu schon überlegen muss, welche Szene in welche Zeit gehört – vor allem wer „Neustadt“ nicht kennt dürfte da Schwierigkeiten kriegen. Andererseits, wer den Streifen schon gesehen hat läuft Gefahr, sich an den Stellen etwas zu langweilen. Aber immerhin, das ergänzte Material sorgt für neue Perspektiven (da wird mal offensichtlich, wie viel von der Wahrnehmung eines Dokumentarfilms davon abhängt, was genau die Filmemacher einem zeigen) und das neu gedrehte von 2007 ist spannend genug, um den Film geradezu überraschend schnell vorbeigehen zu lassen.

Kann auch an der Machart liegen, die sich von der der Vorgängerfilme stark unterscheidet. Die Bilder sind durchgehend in einen sepiafarbenen Ton gehalten (was die Unterscheidung von 1999- und 2007-Material weiter erschwert), der Soundtrack ist sehr ruhig gehalten, über weite Strecken gibt es kaum Geräusche oder bloss leise Musik. Das ergibt oft eine ganz seltsame, traumähnliche, aber auch fast schon hypnotische Wirkung. (An zwei Stellen wird die Ruhe dann allerdings urplötzlich von lautem Zuglärm unterbrochen; der Regisseur hat offensichtlich Freude daran, sein Publikum ein bisschen zu erschrecken.) „Kinder. Wie die Zeit vergeht“ ist viel stärker „ästhetisiert“ als die anderen beiden „Stau“-Filme. Der objektive, dokumentarische Blick ist hier einem abstrakteren welchen gewichen, der stärker auf allgemeine Bedingungen des Lebens gerichtet ist. Dazu passt, dass keine Ortsnamen genannt werden. Bilder von der Gegend, vor allem von den Industriegebieten, nehmen wieder viel Raum ein, neben den Interviews, den Gesprächen zwischen Tommy und seinem besorgten Lehrer, weiterhin begleiten wir Tino oder seinen Vater bei der Arbeit.

Ein faszinierender Film über den Alltag einer Familie und ihre Umwelt. Das Recycling von Szenen aus dem letzten Film hätte etwas weniger ausführlich sein dürfen (als „Neuling“ hat man da sicher mehr davon denn als „Kenner“), aber die ästhetisch ansprechende Machart und die Kurzweile entschädigen dafür.

(c) 2008 Gregor Schenker (manhunter)


mm
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