Kill Me, Deadly!

 
  • Original-Titel: Kill Me, Deadly!
  •  
  • Regie: Darrett Sanders
  • Land: USA
  • Jahr: 2015
  • Darsteller:

    Kirsten Vangsness (Mona Livingston), Dean Lemont (Charlie Nickels), Lesley-Anne Down (Lady Clairmont), Joe Mantegna (Bugsy Siegel), Keith Allan (Dewey), Joe Roche (Jonesy), Raleigh Holmes (Veronica), Lynn Odell (Ida), Darrett Sanders (Louie), Shemar Moore (Bill), Nicholas S. Williams (Clive), Time Winters (Adrian Wilson), Paul F. Tompkins (Jaime)


Vorwort

Hollywood, 1947 – Privatschnüffler Charlie Nickels wird zu einer potentiellen Klientin gerufen. Lady Clairmont ist reich, schön, ein amtliches Ekel und erhält Todesdrohungen. Letzteres ist kein sonderliches Wunder, zieht man ins Kalkül, wie sie mit Personal und Familie umgeht – Charlie wird Zeuge, wie Lady Clairmont Butler und Gärtner wegen Nichtigkeiten feuert und ihren verschrobenen Sohn Clive maßregelt. Nur die atemberaubend hübsche Tochter Veronica scheint mit Mama keine größeren Probleme zu halten. Da die Lady ihm zutiefst unsympathisch ist und ihm nebenher auch gewisse Informationen, so z.B. dass sie gegenwärtige Besitzerin des „Bengal Tiger“, des größten roten Diamanten der Welt (ah, und er ist verflucht!), ist, nicht freiwillig herausgibt, lehnt Charlie den Auftrag ab.

Und schon am nächsten Morgen ist Lady Clairmont tot – erstochen und in einen See im Echo Park geworfen. Weg ist, wie zu vermuten war, der Diamant. Charlie fühlt sich jetzt doch gewissensgepeinigt moralisch verpflichtet, den Fall aufzuklären. Zunächst mal knöpft er sich Clive vor, jetzt der reichste Nerd Kaliforniens. Das Verhör steigt in Tonys Gangsterkaschemme, wo Clive und Charlie sofort dem Charm der Sängerin Mona Livingston, einer wahre Wuchtbrumme vor dem Herrn, verfallen. Auch Mona fühlt sich bedroht und schmeißt sich dem Detektiv an den Hals – und noch bevor das Trio das Etablissement verlassen kann, fängt sich Clive, gerade, als ihm ein paar Einzelheiten über die Mordnacht einfallen, ein Messer in den Rücken ein. Akut tatverdächtig für Zeugen und die Polizei ist Charlie selbst…

Natürlich wissen wir, dass nicht Charlie Clives Rücken gespickt hat, aber Verdächtige gibt’s immer noch genug. Veronica z.B., die sich heimlich in Tonys Kneipe mit einem älteren Mann getroffen hat – der entpuppt sich als Wilson, der gefeuerte Butler, der seinerseits heftige Spielschulden bei Bugsy Siegel hat und im Wortsinne auf der Abschussliste steht. Oder vielleicht Jaime, der entlassene Gärtner, der Lady Clairmonts Petunien im Park verkauft? Der erinnert sich nun allerdings, dass Clive in der Mordnacht einen Zusammenstoß mit… Mona Livingston hatte.

Und Bugsy? Der Gangsterboss weiß, dass Wilson Veronicas Vater ist – und er hätte gern den Diamanten, um damit seine Vision vom neuen Freizeit- und Zockerparadies Las Vegas („mit Krokodilsgraben für den Pöbel, der sich die 50 Dollar Eintritt nicht leisten kann“) zu verwirklichen.

Charlie glaubt, dem Geheimnis näher zu kommen, doch als Wilson sich – zumindest, wenn man seinem Abschiedsbrief glaubt – mit seinem eigenen Auto überfährt und zuvor alle Morde (auch noch zukünftige) gesteht, ist für die Detectives Dewey und Jonesy vom LAPD der Fall abgeschlossen. Doch Charlie bezweifelt, dass sich alles so simpel in Wohlgefallen auflöst – und das bringt ihn in Lebensgefahr!


Inhalt

Dieser Film landete bei mir, weil Frauchen – von mir leichtfertigerweise zum „Z Nation“-Hardcore-Fan gemacht – diesen als Werk von und mit Keith Allen, dem Murphy, ausgemacht hatte und umgehend sehen wollte. Nun, einer Neo-Noir-Komödie sehe ich nicht ins Ohr, und zu meiner Freude ergab sich sogar eine weitere Querverbindung zu meiner filmkritischen Tätigkeit – „Kill Me, Deadly“ ist ein neues Projekt zahlreicher Beteiligter an der von mir vor einiger Zeit besprochenen Retro-Eurospy-Parodie „Scream of the Bikini“ – mit dem Unterschied, dass hier mal ein bisschen (nicht viel, aber ein messbares) Budget vorhanden ist und die Produktion sich eine Fuhre echte Schauspieler leisten konnte (u.a. ein Trio, das sich „Kill Me, Deadly“ bei „Criminal Minds“ ausleihen konnte).

Der Film Noir ist ja ein durchaus dankbares Sujet für Parodien, weil er einfach so viele an vorausgesetzten Klischees und Tropes mitbringt, dass man als Autor da gar nicht mehr viel dran schrauben muss, um es „witzig“ zu machen – ein bisschen übertreiben, ein bisschen am Regler drehen, die Darstellung etwas überziehen, und die halbe Miete ist gezahlt. Hat man dann noch einen Kriminalfall, den man nach Herzenslust verkomplizieren kann, hat man praktisch schon alle Zutaten für einen ordentlichen Crowdpleaser.

„Kill Me, Deadly“ macht sich in der Hinsicht auch mehr als nur ordentlich – wir haben einen zerknitterten Helden (mit einer tragischen – schluchz! – Backstory, die einem nicht nur Tränen der Rührung in die Augen treibt), eine Femme Fatale (aus deren Prachtkörper jeder andere Noir mindestens zwei schnitzen würde), die natürlich auch eine schaurig-schöne Gesangsnummer in einem schmierigen Nightclub zum Besten gibt (und nicht nur die Performance, auch der Text des Liedchens ist großartig-schlecht), undurchsichtige Butler, fiese Schlägertypen, inkompetente Cops… das alles fügt sich prima als satirische Überspitzung des Genres zusammen mit den etwas „oberflächlicheren“ Comedy-Gags (Charlie bezahlt in der Gangsterkneipe mit Monopoly-Geld und hat eine Sekretärin, die nicht nur eine Ein-Mann-Forensik-Abteilung ist, sondern ihm auch in jeder anderen Hinsicht mindestens um drei Schritte voraus ist und über jede neue Entwicklung, die Charlie grad persönlich passiert ist, längst im Bilde ist).

Die Perlen des Films liegen aber zweifellos im (natürlich vorhandenen) voiceover-Kommentar des Helden und den Dialogen, die – wie oben erwähnt – die gewohnten Noir-Klischees mindestens auf 11 drehen und gespickt sind mit wunderschön-sinnfrei ausgewalzten Metaphern (sehr schön z.B. Charlies Monopoly-Dialog, indem er die Manipulationskünste von Frauen mit eben dem Brettspiel vergleicht). Da diese dann auch noch im typischen etwas gestelzten Habitus von 40er-Jahre-Akteuren von den bestens gelaunten Akteuren dargeboten werden, kommt man aus dem debil-fröhlichen Grinsen gar nicht mehr heraus und die richtig-laute-Lacher-Quote ist auch nicht zu unterschätzen.

Insgesamt ist „Kill Me, Deadly“ ein wesentlich runderer Film als „Scream of the Bikini“, der sich darauf verließ, dass sein liebevoll gestaltetes Gimmick allein 90 Minuten trägt. „Kill Me, Deadly“ funktioniert auch als Noir-Komödie an sich ganz prima, ohne den Low-Budget-Parodie-Bonus (der aber natürlich dem gewillten Zuschauer eine weitere Spaß-Ebene eröffnet). Wie schon sein „Vorgänger“ ist auch „Kill Me, Deadly“ mit Herzblut und Liebe zum Detail gemacht, stilvoll in s/w fotografiert mit Licht- und Schattenspielen, dass es die Fotografen der großen Noir-Klassiker eine Freude gewesen wäre, und, obwohl der Film nie sein mageres Budget verleugnet (Kickstarter war übrigens mal wieder des Filmemachers bester Freund), nach Kräften detailversessen ausgestattet. Die Inszenierung ist sowohl modern-flott als auch „ehrfürchtig“ den Klassikern Hommage zollend – vielleicht ist der Film mit 101 Minuten ein Fitzelchen zu lang, aber das ist Lästerei auf hohem Niveau für eine sehr unabhängige Produktion.

Auch die Darsteller wissen größtenteils zu überzeugen – Kirsten Vangsness als Speerspitze der Criminal-Minds-Fraktion geht in ihrer sexy-femme-fatale-Rolle völlig auf. Dean Lemont ist als Charlie absolut okay – ich hätte es zwar bevorzugt, wenn er mit Keith Allen (staubtrocken als Detective Dewey) die Rolle getauscht hätte, aber das ist ein wenig Fanboy-Gemecker… Joe Mantegna stiehlt in seinen zwei Szenen als ikonischer Gangsterboss Bugsy Siegel die Schau (und das Bonusmaterial macht deutlich, wieviel Spaß Mantegna dabei hatte, das Filmteam zum Wahnsinn zu treiben…), Lesley-Anne Down ist immer noch ausgesprochen hinreißend, aber auch Raleigh Holmes als durchtriebene Victoria, Lynn Odell als Super-Secretary Ida und Regisseur/Autor Darrett Sanders (in „Scream of the Bikini“ Gregorio Peck) als gutherziger Schläger Louie sind ausgezeichnet.

Die US-DVD von Indiecan ist codefrei und kommt mit Audiokommentar, einer Viertelstunde Blooper und Deleted Scenes. Bild- und Tonqualität sind einwandfrei.

„Kill Me, Deadly“ ist eine, na, fünfhundertprozentige Steigerung zum lieb gemeinten, aber nicht wirklich geglückten „Scream of the Bikini“. Die Investition in „echte“ Schauspieler, ein witziges Script und großartige Dialoge hat sich bezahlt gemacht – das ist ein wirklich lustiger, unterhaltsamer Film, an dem sowohl Noir-Enthusiasten als auch Comedy-Freunde viel Spaß haben sollten. Empfehlung des Hauses!

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 8


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