Kick

 
  • Original-Titel: Kick
  •  
  • Regie: Marcus Warren
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 2014
  • Darsteller:

    Rik Young (Dan), Daniel Bayle (Steve), Richard Strange (Smiley), Kellie Shirley (Tracey), Pete Lee Wilson (George)


Vorwort

Dan und Steve, zwei Londoner Yuppies, beinharte Fußballfans, Hobbykicker und glühende Verehrer des Premier-League-Clubs Kingstead F.C., haben einen Traum – einmal selbst auf dem heiligen Rasen des geliebten Lieblingsteams zu kicken. Für Steve wäre eine solche Wunscherfüllung gleich doppelt wichtig, weil seine Beziehung zur erfolgreichen Modedesignerin Tracey langsam wirklich *ernst* wird und ein angedrohtes Leben als Familienvater die Zeit für solche extra-cirrculären Aktivitäten einschränken wird.

Dem Manne kann geholfen werden – der bestechliche Sicherheitschef des Kingstead-Stadions lässt zahlungskräftige Kundschaft gegen geringfügiges Entgelt in Form einiger gerollter Hundert-Pfund-Noten nur zu gern für heimliche Underground-Matches auf den Rasen. Die Bedingungen sind simpel: keine Handys, keine Fotos und wer um 22.00 Uhr nicht wieder aus dem Stadion draußen ist, darf den zeitschlossgesteuerten Türen sei Dank auch noch gleich in der Arena übernachten.

Das Match mit und gegen andere finanzstarke Fußballfans läuft prima – und Steve schießt sogar das entscheidende Tor. Doch vor lauter Jubel und Sinnieren über den erfolgreich gelebten Traum verpassen unsere Freunde (und ein paar andere Kicker) leider die Sperrstunde. Nun könnte man meinen, eine Nacht mehr oder weniger allein im Stadion des Lieblingsvereins zu verbringen, wäre für den geneigten Fan ein willkommener Bonus, aber der casus knacksus liegt beim „mehr oder weniger allein“. Das sind Dan und Steve nämlich mitnichten – das merken sie, als sie über die verstümmelten Leichen ihrer Mitspieler stolpern. Jemand hat die Jagdsaison auf Hobbykicker eröffnet und der geheimnisvolle Unbekannte kennt sich in den labyrinthischen Katakomben des Stadions erheblich besser aus als seine Opfer-in-spé.

Das Stadion erweist sich als perfekte Falle – alle Kommunikationswege sind abgeschnitten, alle Ausgänge verriegelt und Steve ist schon bald durch eine perfekt in die Wade geworfene Eckfahne sprinttechnisch arg gehandicapt. Vielleicht gelingt es wenigstens der langsam nervös werdenden Tracey, die Polizei zu alarmieren…


Inhalt

Irgendwann musste es ja so kommen – wir haben Aerobic-Slasher, Baseball-Slasher, warum dann nicht auch einen Fußball-Slasher? Dass ein solcher dann auch rechtzeitig zur WM kommt, trifft sich dann ebenso günstig wie der Umstand, dass er aus dem Mutterland des 22-Trottel-laufen-einem-Ball-nach-Sports stammt. Nicht nur sollte also die notwendige sportliche Expertise vorhanden sein, der junge britische Film hat dann vielleicht sogar das Zeug dazu, das Slasher-Genre wieder etwas räudiger, weniger gelackt zu gestalten als es die amerikanischen Erzeugnisse gemeinhin so tun.

Writer/Director Marcus Warren hat mit dem Gangster-Killer-Thriller „The Heavy“ seine Visitenkarte in Sachen „räudig“ und „blutig“ bereits abgeliefert. Was also legt er vor, wenn er die Fußballschuhe und die kurzen Hosen anzieht?

Nun jaaa… im Endeffekt… wenn der Schiri nach 90 Minuten (bzw. nach doch deutlich weniger Laufzeit, weil Warren die Nummer ziemlich straff heruntererzählt) abpfeift, stellt man fest – es macht letztlich keinen großen Unterschied, ob der irre Psychopath nun in einer alten Villa, einem verlassenen Krankenhaus oder eben einem menschenleeren Fußballstadion meuchelt, auch wenn die Opfer mal keine knackigen Cheerleader, sondern gestandene Mannsbilder sind (vielleicht ist „Kick“ dann für die LGBT-Gemeinschaft interessant, hehe). Gut, das ist womöglich nicht ganz fair – dadurch, dass „Kick“ sich auf zwei Charaktere konzentriert, die bis zum Showdown zusammenbleiben, verschiebt sich der Fokus von den Kill-Set-ups stärker auf den „Stalk“-Part des „stalk’n’slash“ und das Gefühl der Hilflosigkeit und Verzweiflung, das die Protagonisten immer stärker überfällt. Dazu passt auch, das Dan und Steve kein Slasher-übliches „Fehlverhalten“ anzulasten ist (Ihr wisst ja, die alte Leier, kiffen, saufen, ficken) – sie wollen sich nichts weiteres als einen, ja, streng genommen illegalen, aber im großen Gesamtzusammenhang harmlosen Traum erfüllen; auch wenn der Film es nur in einer Szene wirklich anspricht, ist das Match auf dem heiligen Rasen für Dan und Steve so etwas wie der endgültige Abschluss ihrer Kindheit, der letzte Schritt auf dem Weg zum „richtig“ erwachsen werden; dass sie gerade dafür „bestraft“ werden, ist, will man das als eine Art Message sehen, eine hübsche kleine Bösartigkeit am Rande.

Es ist im Slasher-Genre ja eine Ausnahme, aber „Kick“ ist tatsächilch der seltene Fall, in dem die Protagonisten besser ausgearbeitet sind als der phantomhafte Killer; vielleicht, weil der Streifen versucht, sich von dieser üblichen Teenie-Gruppe-die-bis-auf-das-Final-Girl-dezimiert-Formel zu lösen, aber Dan und Steve wirken tatsächlich wie „echte“ Menschen, Leute, denen man auf der Straße (oder im Stadion) begegnen könnte und die einem (bei Steve gleich, bei Dan, nachdem wir ihn etwas besser kennen lernen) sympathisch sind. Dagegen ist ihr Kontrahent, auf den hübschen Namen „Smiley“ getauft, eine ziemliche Schnarchnase – er hat keine echte Mythologie, keinen Background, keine Motivation (das einzige, was wir über ihn erfahren, ist ein kleiner Zeitungsausschnitt, über den die Kamera im Vorspann fährt, der uns verrät, dass es sich offensichtlich um einen Ex-Profi-Kicker handelt, dessen Karriere durch einen schlimmen Unfall verkürzt wurde). Das ist schon dürftig.

Von der handwerklichen und dramaturgischen Seite her ist Warren auf der Höhe der Zeit – ich bin nicht ganz sicher, ob es zwingend nötig war, „Kick“ bis ungefähr zur Halbzeitpause nicht linear zu erzählen, aber sobald der Horror-Part mal ins Laufen kommt, wird das ganze Treiben schon ordentlich spannend (zumal das Script auch grobe Blödheiten vermeidet – Dan und Steve verhalten sich glaubwürdig, sie haben nur extrem schlechte Chancen…) und mit bemerkenswertem Zug inszeniert. Warren erlaubt sich ein paar Kameratricks wie Splitscreens, die vielleicht nicht wirklich *nötig* sind, aber den weitgehend düsteren Film visuell aufpeppen.

Die Atmosphäre passt – die verlassenen Korridore und Gägne eines leeren, dunklen Stadions sind per se unheimlich, und da Warren an Originalschauplätzen drehen konnte (ein Großteil der Aufnahmen wurde im Emirates Stadium realisiert, dazu gaben zwei unterklassige Vereine ihre Facilities für den Dreh frei), wirkt alles angemessen authentisch.

Der Score von Dan Bewick (plus einige Songs unterschiedlichster Genres) treibt das Prozedere energisch voran. Härtetechnisch wird für den US-Release der Kick-Website nach ein PG-13 angestreibt, angesichts expliziter Köpfungen und Kehlenschnitte wage ich das aber eher ins Reich der Fußballmärc hen zu verweisen. Der Gorehound sieht sicherlich nichts, was er nicht auch anderswo schon gesehen hat, und dank der begrenzten Opferzahl ist „Kick“ keine Splatteorgie, aber die FX, die er auffährt, sind ordentlich ruppig.

Zum Cast – Rik Young („Die Legende von Beowulf“, „Trouble ohne Paddel 2“) und Newcomer Daniel Bayle ergänzen sich als Protagonistenduo hervorragend – Young gibt den flippigen Draufgänger, Bayle den zurückhaltenderen Normalo; man glaubt, dass die beiden Jungs trotz mancher Gegensätze „in echt“ miteinander befreundet sein könnten. Richard Strange (gern eingesetzt als generischer Henchman in Burtons „Batman“, „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ oder „Robin Hood“) ist zwar physisch recht eindrucksvoll, ihm fehlt jedoch das Charisma für einen richtig einprägsamen Killer – zumal Marcus Warren hier wirklich die großartige Chance verspielte, Vinnie Jones einzusetzen, der für die Rolle eines Fußball-Psychopathen ja nun explizit geboren wurde (und da Warren mit Jones bei „The Heavy“ arbeitete, muss er den guten Vinnie ja gekannt haben). Kellie Shirley („EastEnders“, The Sick House) erledigt ihren Job als Tracey adäquat, Pete Lee Wilson („Blade II“, „Sid & Nancy“) überzeugt in seinen knappen Szenen als widerlicher bestechlicher Sicherheitschef.

Fazit: Auch wenn „Kick“ durch sein Setting und seine nicht ganz so formelhafte Herangehensweise an die Slasherei ein paar Anerkenntnispunkte sammelt, am Ende des Tages flüchten halt doch wieder ein paar Opfer vor dem unaufhaltsamen Killer – es *ist* nun mal ein Slasher, und in dem ausgelutschten Genre noch denkwürdig aufzufallen, ist nicht einfach. „Kick“ macht ein paar Sachen richtig, die andere Neo-Slasher nicht auf die Reihe kriegen (z.B. das mit den „sympatischen Protagonisten“ und den stärkeren Fokus auf ihre Verzweiflung), aber dagegen muss man wieder den völlig fehlenden Background des Killers aufrechnen. Summa summarum – ein technisch gut gemachter, atmosphärisch überzeugender und von seinen Leads gut gespielter Slasher – nicht mehr, nicht weniger. Als Pausenfüller zwischen zwei WM-Spielen allemal brauchbar, ein Klassiker wird’s aber wohl nicht werden…

3/5

(c) 2014 Dr. Acula


mm
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