Kalter Hauch

 
  • Deutscher Titel: Kalter Hauch
  • Original-Titel: The Mechanic
  •  
  • Regie: Michael Winner
  • Land: USA
  • Jahr: 1973
  • Darsteller:

    Charles Bronson (Arthur Bishop), Jan-Michael Vincent (Steve McKenna), Keenan Wynn (Harry McKenna), Jill Ireland (Das Mädchen), Linda Ridgeway (Louise), Frank DeKova (Der Mann)


Vorwort

Arthur Bishop ist „Mechaniker“, sprich Profikiller, für die „Organisation“. Seine Spezialität ist es, seine Kills wie Unfälle oder natürliche Tode aussehen zu lassen. Eines schönen Tages erhält er den Auftrag, Harry McKenna, einen alten Freund seines Vaters, auszuknipsen – justament am gleichen Tag, als Harry Arthur bittet, für ihn Kontakt zur Organisation, deren Vertreter nicht mehr mit ihm sprechen, aufzunehmen. Wer meint, Arthur könnte unter Skrupeln leiden, einen alten Familienfreund umzulegen, der irrt. Geschickt gelingt es ihm, Harry in eine Falle zu locken und vorzutäuschen, der alte Herr sei an seiner schwachen Pumpe verreckt.

Ehe er sich’s versieht, hat er aber Harrys jungen, hippen, schnöselig-arroganten Sohn Steve an der Backe, der dem ihm geheimnisvoll vorkommenden Arthur auf den Grund gehen will. Wider eigenes Erwarten findet Arthur Gefallen an dem Burschen, erklärt ihm seinen Beruf und – da er selbst mittlerweile an den Grenzen seiner vor allem psychischen Leistungsfähigkeit angekommen ist – schlägt ihm vor, ihn als Helferlein/Partner/potentiellen Nachfolger auszubilden.
Steve erweist sich als williger und talentierter Mentee, so dass Arthur ihn zu seinem nächsten Hit mitnimmt. Die Angelegenheit entwickelt sich aber zu einem Beinahe-Desaster, das Arthur nur mit Mühe zu einem befriedigenden Abschluss bringen kann. Nicht befriedigend genug allerdings für die Organisation – schlampige Arbeit UND unabgesprochenes Einbringen neuer Leute bringen Arthur eine strenge Warnung ein, aber auch einen neuen Auftrag in Italien, den er gefälligst sofort und ohne seine übliche akkurate Vorbereitung über die Bühne bringen soll…


Inhalt

Man kann sich über Hollywoods Einfallslosigkeit mit Fug und Recht beschweren, aber ein Gutes pflegen Remakes und Reboots gerne mal zu haben – sie rücken die Originale wieder in den Blickpunkt und mit etwas Glück und Verstand findet sich dann auch ein Publisher, der den alten Kram (sicherlich nicht gänzlich ohne den Hintergedanken, den ein oder anderen doofen Kunden zu foppen, der glaubt, den neuen Film zu kaufen) wieder veröffentlicht. So auch im Falle „The Mechanic“, der jüngst mit Jason Statham wieder aufgelegt wurde, und anlässlich dieser Neuverfilmung EuroVideo das Bronson-Original mit neuem Artwork (auf dem sicher nicht zufällig der Originaltitel, unter dem das Remake auch in Deutschland lief, prominent prangt) wieder in die Ladenregale stapeln ließ…

Nun sollte man durchaus auch der Ansicht nachhängen, dass es für die Wiederveröffentlichung eines Bronson-Films keinen externen Anlass braucht, weil ein Bronson-Film auf DVD deutlich besser ist als kein Bronson-Film auf DVD (und releasetechnisch tun sich da noch riesige Lücken bei 70er- und 80er-Ouevre von Charlie auf) – und „The Mechanic“ ist aus filmhistorischer Sicht schon deswegen interessant, weil es die zweite Zusammenarbeit von Bronson mit Michael Winner (nach „Chatos Land“) darstellt, eine Zusammenarbeit, die, das sollte jetzt hoffentlich für keinen Leser eine neue Erkenntnis darstellen, in „Ein Mann sieht rot“ kulminierte und dessen Bedeutung für das Vigilanten-Genre an und für sich sowie seine Rezeption bei Kritikern und Publikum kann gar nicht überbewertet werden.
„The Mechanic“ kann man, wenn man so will, als eine Fingerübung für kommende Großtaten bewerten, in der Winner und Bronson einmal ausloteten, was mit einer Anti-Helden-Figur in kontemporärem Kontext möglich ist. Sicher ist „The Mechanic“ nicht der erste Film, der einen kaltblütigen Profikiller in den Fokus rückt, aber es ist möglicherweise einer der ersten, der einen solchen auch wirklich zum Protagonisten macht, ihm eine Philosophie zubilligt, aber ihn dabei nicht zum Sympathieträger stilisiert. Arthur Bishop ist keiner dieser „Killer mit dem goldenen Herzen“, wie sie davor und danach immer wieder mal aus dem Hut gezaubert wurden. Bishop betrachtet seinen Job emotionslos, hat kein Problem damit, mit Henry den einzigen, den man in breiter Definition des Wortes „Freund“ nennen könnte, umzubringen, weil man es ihm eben so aufgetragen hat, hat keine Beziehung (er ist regelmäßiger Kunde bei einer Nutte, die er für Sonderdienstleistungen wie das Vortäuschen einer „echten“ Beziehung und das Verfassen glühender Liebesbriefe extra entlohnt), seine gesamte Existenz richtet sich auf seine Profession aus – den ihm teilweise durch Erbschaft, teilweise durch die Entlohnung für die Mordaufträge entstandenen Reichtum genießt er trotz einer amtlichen Luxushütte nicht wirklich. Es ist ein freudloses Leben, das er führt, und die Erkenntnis, dass auch ein Profikiller vielleicht ab und an doch einen „confidant“ braucht, jemanden, mit dem er reden, seine Erfahrungen teilen, und ja, verdammt noch mal, auch mal einfach nur rumjuxen kann, lässt ihn – nicht zuletzt nach einem Zusammenbruch – auf die Idee kommen, Steve nicht abzublocken, als der sich – zunächst nur neugierig, weil Bishop sich so unzugänglich gibt – in sein Leben drängt.
Aber, wie das Leben so spielt, Bishops Versuch, sich gleichzeitig einen Nachfolger heranzuzüchten (da er in Steve jemanden sieht, der die notwendigen Charaktereigenschaften für den Job, v.a. eine gewisse Überheblichkeit und Arroganz, mitbringt) und eine Art „soziales Umfeld“ zu schaffen, entpuppt sich in doppelter Hinsicht als Rohrkrepierer (SPOILER VORAN). Nicht nur, dass die Organisation ihn des Regelbruchs zeiht (und nach den demokratischen Grundprinzipien, nach denen sich Mafiasyndikate nun mal struktuieren, steht das Wohl der gesamten Gruppe deutlich über dem des Einzelnen. Mr. Spock wäre begeistert), nein, Steve selbst ist es, der Bishops Lebensphilosophie (sich aus allem raushalten, keine Partei ergreifen) als Humbug und widersprüchlich entlarvt und konsequent danach handelt (SPOILERENDE).

Das ist für einen Aktschnfuim aus den frühen 70ern ziemlich „deep“, aber noch völlig oberflächlich im Vergleich zu dem, was Drehbuchautor Lewis John Carlino („Der Mann, der zweimal lebte“, „Der große Santini“, „Ich hab dir nie einen Rosengarten versprochen“) ursprünglich mal vorgesehen hatte. Gibt es in der vorliegenden Fassung nur noch die leiseste subtile Andeutung, dass Arthurs und Steves Interesse aneinander nicht nur auf Mentor/Mentee-Basis ruht, so sah Carlino in der originalen Scriptfassung eine offen homosexuelle Beziehung der beiden Hauptfiguren vor! Zu Carlinos bitterer Enttäuschung wurden diese Schwulitäten entschärft (nachdem diese schon den ursprünglich für die Bishop-Rolle vorgesehenen George C. Scott das Handtuch hatten werfen lassen. Was mich beim streitbaren Mimen Scott zugegebenermaßen ein wenig wundert. Ebenfalls in der Auswahl für die Bishop-Rolle war übrigens Cliff Robertson, den man mit Jeff Bridges als Steve zusammenspannen wollte) – für 1972 wäre das aber wohl tatsächlich ein wenig zu viel des Guten gewesen, das Publikum mit den Seelennöten eines Auftragsmörders zu konfrontieren, dürfte schon Herausforderung genug dargestellt haben.

Womit dann auch schon gesagt wäre – „The Mechanic“ ist kein reinrassiger Actionfilm, kein rein auf Spannung ausgelegter Thriller, sondern zu einem gerüttelt Maß psychologisches Drama. Es gibt eigentlich nur zwei Actionszenen/Verfolgungsjagden (den beinahe missglückten ersten Hit mit Steve, der in einer Motorradjagd endet, und eine Verfolgungsjagd mit Shoot-out an der italienischen Küste, die Fred Olen Ray etliche Jahre später in Mach 2 wiederverwurstete), dafür aber viel nachdenklichen Bronson und, was den Streifen irgendwo auch als Lehrfilm qualifiziert, einen ordentlichen Anteil Killer-Ausbildung (und wenn nicht en detail, so verrät er doch, welche Fertigkeiten der Profimörder von Welt sich sinn- und stilvollerweise aneignen sollte).
Dass Winner keinen konventionellen Kommerzreißer im Sinne hatte, macht auch die Auftaktphase deutlich – fünfzehn Minuten lang kommt „The Mechanic“ ohne Dialoge aus (was von der zeitgenössischen Kritik durchaus goutiert wurde). Die wortlose Vorbereitung und Durchführung seines exemplarisch vorgeführten Hits setzt die weitestgehend lakonische, wortkarge Stimmung für den Rest des Films genauso wie das bedächtige Tempo, das nur in den beiden erwähnten Actioneinlagen angezogen wird.
Nicht so gut bekommt dem Film der Versuch, die erste dieser beiden Verfolgungsjagden durch ein paar humoristische Einlagen (Bronson und sein Opfer benutzen das Auto eines arglosen Mitbürgers als Rampe und sprengen eine Gartenparty feiner Pinkel) aufzupeppen – nix gegen ’ne spaßige chase comedy, aber das überlasse ich dann doch gerne Filmen, die ansonsten nicht versuchen, psychologisch tief- bzw. abgründig und todernst zu sein, hier reißen diese kleinen Gags völlig aus der Atmosphäre der Szene. Die knallhart, rasant und völlig unironisch durchgezogene zweite, abschließende Verfolgungsjagd kommt daher wesentlich packender daher.
Einen Sonderpluspunkt verdienen sich location scouting und die Ausstattung – Bishops trautes Heim ist nicht nur architektonisch eine Augenweide, in die ich SOFORT einziehen würde – gut, das ist jetzt nicht gerade eine spektakuläre Vorstellung -, sondern auch schwelgerisch dekoriert (zu den weiteren Locations gehört übrigens auch „Wayne Manor“ aus der Batman-TV-Serie…).

Die Kameraarbeit teilen sich Richard H. Kline („Jahr 2022… die überleben wollen“, „Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“, „Star Trek – Der Film“) und Robert Paynter („American Werewolf“, „Superman II/III“), der den europäischen Part überwachte. Ein völlig einheitlicher Stil ist den beiden Herren nicht gelungen – während Klines Part angemessen kalt und distanziert wirkt, sind Paynters Szenen, nicht ganz überraschend, da eben in mediterranter Atmosphäre entstanden, lebendiger, wärmer (man kann das natürlich auch als analoge Entwicklung zum character development interpretieren).
Den Schnitt besorgte Winner (unter dem Pseudonym Arnold Crust jr.) mit Freddie Wilson („Arabesque“, „Das Quiller Memorandum“) und überrascht mit einigen schrägen Einfällen (z.B. einem kurzen Zwischenschnitt, der Bishop einem Orca gleichsetzt).
Jerry Fieldings („The Wild Bunch“, „Junior Bonner“, „Straw Dogs“) Score ist nicht sonderlich memorabel.

Bleibt noch die Frage nach der Gewalt – dieweil ich „The Mechanic“ sicherlich nicht dem hypothetischen Sechsjährigen vorsetzen würde, ist der Streifen relativ zahm. Weniger FSK-freundlich als der Body Count und die Explizität desselben sind sicherlich die Charakterzeichnungen und die nihilistische Grundstimmung.

Womit wir dann auch nahtlos bei den Schauspielern wären. Charlie Bronson sieht noch etwas zerknitterter aus als sonst (was vermutlich in der Tat Absicht ist und einen Kontrast zu seinem luxuriösen Heim darstellt), kommt mit einer etwas vielschichtigeren Rolle als dem üblichen wortkargen Exekutor, den er normalerweise spielt (okay, es ist auch *hier* die Rolle eines wortkargen Exekutors, aber mit deutlich mehr Tiefe) gut zurecht. Das Pairing mit dem jungen Jan-Michael Vincent (in einer seiner ersten Hauptrollen) funktioniert überraschend gut – der Kontrast zwischen dem stoischen Bronson und dem jugendlich-überheblichen Vincent und die Zuneigung, die sie füreinander entwicklung, ist der Schlüssel des Films; würde die Chemie zwischen den Stars nicht stimmen, wäre „The Mechanic“ ein Reinfall. Jedenfalls ist „The Mechanic“ ein weiteres Beispiel dafür, dass Vincent, bevor er sich Drogen & Alk ergab, mal ein guter Schauspieler war.

Für die weiteren namhaften Akteure bleiben kaum mehr als erweiterte cameos – Keenan Wynn („Dr. Seltsam“, „Piranha“, Orca) erledigt seinen Job mit Routine; Jill Ireland (Mrs. Bronson und praktisch mit einem Freifahrtschein, in jedem seiner Filme eine Rolle abzugreifen… sie selber sagte allerdings, dass sie nur deswegen in so vielen Bronson-Filmen spielen würde, weil keine andere Schauspielerin mit ihrem Mann spielen wolle) hat einen kurzen, prägnaten Auftritt als sonderwunscherfüllende Edelnutte.
Karatemeister Tak Kubota („Killer Elite“, „Gung Ho – Wir zeigen euch, wie man Autos baut“, „Die Wiege der Sonne“) vollführt eine kleine Exhibition seiner Kunst – tut für die Story null zur Sache, wurde aber auch in der Post Production total zusammengeschnitten, die extrem aufwendig (mit 65 Kamerapositionen!) gedrehte Szene ließ den Film, so behauptete zumindest Co-Producer Henry Gillis, zu sehr nach „James Bond“ aussehen (womit wieder erwiesen wäre – Produzenten sind doof).

Bildqualität: Die DVD-Neuauflage von EuroVideo bringt den Streifen in anamorphem 1.85:1-Widescreen, dem man den Zahn der Zeit doch anmerkt. Zwar ist der Print frei von Verschmutzungen oder Defekten, aber er ist doch recht körnig-grieselig und nicht immer völlig scharf. Die Farben wirken ein wenig blass.

Tonqualität: Deutscher und englischer Ton in Dolby 2.0 Mono. Die deutsche Synchro ist, wie sich das für einen Major-Film der 70er gehört, gut ausgefallen, richtige Dynamik (speziell in den etwas lauteren Szenen) ist aber ‚was anderes.

Extras: Nur einer Trailershow.

Fazit: „The Mechanic“ ist nicht „Ein Mann sieht rot“ – will sagen, hier wird nicht an niedere Instinkte appelliert, sondern tatsächlich ausgelotet, wie’s psychologisch in einem Profikiller aussieht. Trotz einiger gelungener (und einer weniger gelungenen) Actionsequenzen ist der Film tatsächlich mehr Drama als Action und bietet Charles Bronson, der sich zu oft in eindimensionalen Rollen verschleißen musste, die Gelegenheit etwas tiefer, dabei durchaus auf Grundlage seiner bewährten „persona“, zu gehen als er das im beliebigen „Death Wish“-Sequel nach Wahl tun durfte. Interessanter Stoff aus den 70ern, der selbst in seiner entschärften Endversion ein bisschen mehr ist als nur plakatives Kommerzkino (wer zuschlagen will, bei amazon geht die BluRay – Stand 27.7.12 – momentan billiger weg als die DVD…).

4/5
(c) 2012 Dr. Acula


mm
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