Kaboom

 
  • Deutscher Titel: Kaboom
  • Original-Titel: Kaboom
  •  
  • Regie: Gregg Araki
  • Land: USA
  • Jahr: 2010
  • Darsteller:

    Thomas Dekker (Smith), Haley Bennett (Stella), James Duval (Messiah), Chris Zylka (Thor), Juno Temple (London), Roxane Mesquida (Lorelei), Kelly Lynch (Nicole), Nicole LaLiberte (Red-Haired Girl), Andy Fischer-Price (Rex), Brennan Meija (Oliver), Jason Olive (Hunter)


Vorwort

Smith ist ein junger Collegestudent, der kurz vor seinem 19. Geburtstag steht und gerade eine Art sexuelle Identitätskrise durchmacht – er hält sich eigentlich für schwul und fände das auch ganz in Ordnung so, allerdings sind die Mädels durchaus auch auf ihn scharf (und er wehrt sich nicht gerade mit Händen und Füßen gegen weibliche Beischlafpartner); seine beste Freundin Stella hat an ihm allerdings kein sexuelles Interesse (und umgekehrt), nutzt ihn aber gern als Anstandswauwau und schleppt ihn zu Partys mit, wo sie neue Sexpartnerinnen (sie ist nämlich eindeutig lesbisch) aufzureißen gedenkt. Smith leidet nicht nur daran, dass er ungeheuer scharf auf seinen Zimmerkumpel Thor (und seinen Hammer, harhar) ist, einen blonden surfer dude typisch kalifornischen Zuschnitts, sondern auch unter regelmäßigen Alpträumen, in denen Stella, seine Mutter, zwei ihm unbekannte heiße weibliche Feger, eine Tür mit der Nummer 19 und ein Müllcontainer wichtige Rollen spielen. Auf einer der Partys, zu denen er Stella begleiten darf/muß, begegnen ihm gleich beide mystery girls – die eine ist Lorelei und in nullkommanix Stellas neue, ausgesprochen besitzergreifende (und übernatürlich begabte) Bettgefährtin, die andere, ein rothaariges Girl, trifft er auf dem Heimweg wieder, nur um Zeuge zu werden, wie sie von schwarzgekleideten Männern mit Tiermasken brutal ermordet wird. Natürlich fehlen Smith Beweise – und dass er auf der Party womöglich den ein oder anderen Haschkeks zuviel abgekriegt hat, hilft seiner Glaubwürdigkeit nicht weiter, aber er entdeckt, dass das Mordopfer ihm noch eine Speicherkarte zugesteckt hat, auf der sich ein obskures Video befindet. Smith kann sich’s noch nicht mal zu Ende ansehen, da wird er auch schon heimtückisch niedergeschlagen. Smith ist jetzt überzeugt, dass an der Angelegenheit etwas dran ist und seine neue Freundin London, mit der er auf der bewussten Party eher zufällig ins Bett gegangen ist, kann vereinzelte Puzzleteilchen liefern. Dass Smith zudem noch kryptische Botschaften vom Schlage „Du bist der auserwählte Sohn“ erhält, der Drogenfreak Messiah vom bevorstehenden Ende der Welt faselt, Smith eine Affäre mit dem schwulen Afro-Amerikaner Hunter beginnt und gleichzeitig noch versucht, eine solche mit dem schüchternen Oliver anzuleiern, ist noch nicht mal alles – Stella will sich von Lorelei wieder trennen, doch die Hexe greift zu paranormalen (und akut lebensbedrohlichen) Racheakten. Wirklich schlimm wird’s, als Smith herausfindet, dass die Männer mit den Tiermasken womöglich etwas mit seinem Vater, der vorgeblich vor zig Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam, zu tun haben. Eine weitreichende Verschwörung wartet darauf, aufgedröselt zu werden…


Inhalt

Kein FFF ohne einen Film, der mal so richtig polarisiert. Gregg Araki, der streitbare Independent-Filmer, der sich mit Streifen wie „The Doom Generation“, „Nowhere“ oder „Mysterious Skin“ einen Namen gemacht hat, kommt uns mit „Kaboom“ mit einer wüsten Mischung aus College-Komödie, (sexueller) coming-of-age-Geschichte, Okkultgrusler, Softporno, wildem Drogentrip, Weltuntergangsfantasie und Verschwörungsthriller und liefert damit ein Werk ab, das von Teilen des Publikums gefeiert, von anderen Teilen, denen ich mich eher zugehörig fühle, als erste große Zeitverschwendung des Festivals eingestuft wurde.

Dabei bin ich eigentlich, als bekennender Fan von „Donnie Darko“ und des spektakulär-charmant verunglücktem „Southland Tales“ so ungefähr genau die Zielgruppe, die „Kaboom“ anpeilt. Nur besteht das empfindliche Problem, dass Araki, im Gegensatz zu Kelly (selbst, wenn der, wie bei „Southland Tales“, die Selbstbeherrschung verliert) seinen kuriosen, creepigen, kruden oder sexy Vignetten keine filmische Struktur verleihen kann. „Kaboom“ hüpft von Subplot zu Subplot, packt da noch eine Storyline drauf, führt hier einen neuen Charakter ein, reiht das alles relativ wahllos aneinander, was es sehr schwer macht, der „Story“ – soweit man tatsächlich davon sprechen wollte, dass „Kaboom“ eine solche hätte, von der er wüsste – zu folgen; es ist nicht, wie bei „Darko“ oder den „Tales“ möglich, sich ernstlich Hinweise zusammenzureimen und sich die Geschichte selbst zu erarbeiten (oder zumindest eine mögliche Version der Geschichte), das sind einfach nur hingeworfene Momente, mal grotesk, mal (zugegeben) witzig, mal einfach nur doof. Zudem fehlt Araki auch noch der Mut, „Kaboom“ dann offen interpretierbar zu lassen, sondern löst seine diversen Mysterien in der Tat (und sogar weitgehend in sich konsistent) auf, nur… tut mir leid, aber zwei Minuten vor Toresschluss zwei Charaktere, die nicht das sind, was sie bis dahin zu sein schienen, den kompletten Plot in einer konzertierten Expositions-Aktion erklären zu lassen, ist nicht gerade ein Beispiel für elegantes Storytelling (zumal es die Hauptperson völlig überflüssig macht – keine seiner Aktionen hat letztlich irgendeine Relevanz für die Geschichte).

Araki ist aber zweifelsohne die Story selbst nicht wirklich wichtig, bizarre Imagery und attraktive nackte Körper sind für ihn offenkundig von größerer Bedeutung (so inflationär, wie die jungen und gutaussehenden Figuren beiderlei Geschlechts aus ihren Klamotten schlüpfen und es miteinander treiben, könnte man glatt auf den Gedanken kommen, Araki wäre ein Bruder im Geiste von Pädo-Papst Larry Clark); ansonsten beschränkt er sich darauf, irgendwelche Bilder (immer schick gestylt und schön poliert) auf die Leinwand zu werfen, ohne sich gesteigert darum zu kümmern, ob der geneigte Kunde im Auditorium davon auch irgendetwas hat – „Kaboom“ ist einer der wirklich seltenen Fälle von Film, bei denen ich mich nachher fragte, welchen „Gewinn“ es nun für mich hatte, ihn gesehen zu haben. „Kaboom“ sprudelt zweifellos über vor Ideen (manche sind sogar gut), doch wenn jegliche ordnende Hand fehlt, die das ganze in einen gewissen Kontext setzt, wird auch ein nur knapp 90 Minuten langer weirdness-Streifen sehr ermüdend; was eben auch an einer verkorksten, da nicht vorhandenen Dramaturgie liegt – Ereignisse passieren, augenscheinlich ohne weiteren Bezug zu- und aufeinander, ohne dass sich wirklich eine Plot- oder Charakterentwicklung einstellt (wenn man sich z.B. Hauptfigur Smith ansieht, weiß der am Ende genausowenig wie zu beginn, ob er nun bevorzugt Männlein, Weiblein oder geschlechtsunabhängig poppen möchte).

Die Bilder sind, wie gesagt, durchaus stylish, manche Szenen für sich alleine genommen durchaus wirkungsvoll, aber da „Kaboom“ sich auch nie wirklich entscheidet, ob er sich nun „ernst“ (soweit man einem Film mit diesem „Plot“ zubilligen will, sich ernst zu nehmen) und creepy nehmen will, oder sich doch eher als Komödie oder gar Parodie dieses „Donnie“-inspirierten Subgenres versteht, stehen die unheimlichen Momente genauso verloren im Raum wie die Comedy-Elemente, die funktionieren (und ein paar gute Gags hat „Kaboom“ zweifellos). Es sieht also schick aus, hört sich auch dank eines recht fetzigen Soundtracks gut an, ist aber trotzdem (pour moi) langweilig, weil es nahezu unmöglich ist, einen Zugang zu finden, so man wie ich eben hauptsächlich ein Story-Fetischist ist (und nicht von Haus aus erwartet, nur einen wirren Bilderreigen zu sehen).

Als Ersatz für Sinn und Verstand gibt’s hauptsächlich nackte Haut – gibt kaum einen (und schon gar keine), der nicht aus den Gewändern fährt – gleich die erste Einstellung des Films provoziert (?) mit full frontal male nudity und auch danach wird fast im Fünf-Minuten-Takt in wechselnder Besetzung und Geschlechtskonstellation übereinander hergefallen. Da durch die Bank, wie auch schon erwähnt, jeder, der in eine solche Situation gebracht wird, auch gut aussieht, macht das zumindest optisch keinen Verdruss (und speziell die Babes, oh-la-laa…).

Womit wir bei den Akteuren wären, die am wenigsten dafür können, dass „Kaboom“ als Film so gar nicht funktioniert. Thomas Dekker (der John Connor aus der „Terminator“-TV-Serie, außerdem in „Heroes“ und dem „Nightmare on Elm Street“-Remake zu sehen – und, als lustige Fußnote am Rande, jahrelang die Stimme von „Littlefoot“ in der „In einem Land vor unserer Zeit“-Reihe) macht sich als sexuell völlig orientierungsloser Emo (inklusive schwarz geschminkter Augenränder) durchaus prima, Haley Bennett („The Haunting of Molly Hartley“, „Marley & ich“, „Mitten ins Herz“) ist eines der süßesten Babes des bisherigen FFF-Jahrgangs und auch keinesfalls untalentiert, Juno Temple („Die Schwester der Königin“, „Die Girls von St. Trinian“, „Year One“) überzeugt als Dekkers Teilzeitgeliebte London sowohl in anatomischer als auch schauspielerischer Hinsicht, Chris Zylka („Shark Night 3D“) karikiert als Thor erfolgreich das hirnlose Surfer-Dude-Klischee, Roxane Mesquida (Rubber, „Kleine Engel, kleine Haie“) ist eine aufregende Lorelei, James Duval („Day of the Dead 3 – Evilution“, May und hysterischerweise natürlich der Frank in Donnie Darko) bringt als Kiffer Messiah auch Frohsinn in die Runde. Und einem Film, der die auch im stolzen Alter von nunmehr 51 Jahren immer noch spektakulär hinreißende Kelly Lynch (Warm Summer Rain, „Drei Engel für Charlie“, „Virtousity“) vor meine Glotzbuchten befördert, kann ich natürlich auch wieder nicht GANZ böse sein…

Fazit: Trotzdem – für mich persönlich war „Kaboom“ eine Verschwendung wertvoller Rohstoffe (auch solcher weiblicher Natur, ähem) und zeitlicher Ressourcen. Ich mag mich da in eine Minderheit einsortieren, da’s dem Großteil des Publikums wohl gefallen hat, aber vielleicht bin ich für sinnfreie WTF?-Filme, die nicht so „ergebnisoffen“ spielen wie „Donnie Darko“, sondern genau ausbuchstabieren, wie unnütz es war, dem Plot aus eigener Kraft folgen zu wollen, mittlerweile zu alt und verbittert… Was bleibt, sind ein paar einprägsame Bilder, gute darstellerische Leistungen (was letztlich dafür sorgt, dass ich zumindest gnädige 2 von 5 Punkten vergebe), ein ganzes Rudel toller Frauen und das Gefühl, die 90 Minuten besser damit verbracht zu haben, im Internet nach Nacktfotos der betreffenden Damen zu fahnden. Wer aber an „Larry-Clark-auf-LSD-fleddert-mischt-Donnie-Darko-mit-den-besonders-doofen-Southland-Tales-Elementen“ seinen Gefallen findet, kann „Kaboom“ mal antesten. Ich muss den aber nicht nochmal sehen…

2/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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