- Deutscher Titel: Joy - 1 1/2 Stunden wilder Lust
- Original-Titel: Joy
- Regie: Sergio Bergonzelli (als Serge Bergon)
- Land: Kanada/Frankreich
- Jahr: 1983
- Darsteller:
Claudia Udy (Joy), Gerard-Antoine Huart (Marc), Agnes Torrent (Margo), Elisabeth Mortensen (Joelle), Claire Nadeau (Direktorin), Danielle Godet (Joys Mutter), Michael Caron (Jean-Albert, Joys Vater), Remy Azzoline (TV MC), Jeffrey Kime (Helmut), Septimiu Sever (Der Meister), John Stocker (George Miller), Jerome Tiberghien (Johnny), Kenneth Legallois (Bruce)
Vorwort
Paris, Stadt der Liebe. Das Model Joy geht dort seinen Beschäftigungen nach – auf Modenschauen tänzeln, sich fotografieren lassen, Kerls aufreißen. Aufgrund eines kleinen, aber folgenschweren Kindheitstraumas ist die gute Joy aber unfähig, sich auf wirkliche Beziehungen einzulassen und flattert daher zwischen diversen Lovern hin und her. Momentan ist ihr hauptamtlicher Bespringer ein Musiker namens Alain, doch der ist aufgrund seiner Arbeit nicht immer abkömmlich, wenn Joy der Sinn nach etwas intimer Vergnüglichkeit steht.
Auf einer Vernissage läuft sie Marc über den Weg – Marc ist erheblich älter als Joys übliches Beuteschema, doch aus unerfindlichen Gründen (die einer ihrer Bekannten, ein Psychologe, schon fünf Minuten nach Filmbeginn zutreffend als Vaterkomplex diagnostiziert hat. Aber wenn Joy auf ihn gehört hätte, gäb’s jetzt keinen Film und das wär uns ja auch wieder nicht recht) fasziniert sie der Kerl und als er Anstalten macht, nachdem er sie nach Hause gebracht hat, vor dem Haus in seinem Cabrio zu übernachten, bittet sie ihn freundlich herein. Marc fingert Joy in Minutenschnelle in Ekstase, aber als sie sich mental auf den echten Sex vorbereitet, verdrückt er sich still und leise.
Dennoch – man sieht sich wieder. Joy schleift Marc zu einem befreundeten Voyeur, der erfreut aufzeichnet, wie die beiden es miteinander treiben. Marc allerdings stellt klar – Sex ist okay, aber Liebe ist nicht, denn an dieses Konzept glaubt er nicht. Zumal der olle Lümmel auch noch ’ne zweite Braut am Start hat, die er nicht aufzugeben gedenkt.
Joy verkrümelt sich erst mal nach Mexiko auf ein Fotoshooting, dessen Resultat, eine Plakatkampagne für „das Recht der Frauen auf einen Orgasmus“, erstens einen gesellschaftlichen Skandal auslöst und zweitens Joy auf den Starolymp katapultiert. Niemand anderes als Marcs zweite Freundin, eine Reporterin, erhält den Auftrag, Joy zu interviewen (solltet Ihr leichtfertigerweise glauben, dieser Plotpoint führe irgendwohin, fehlt Euch die Erfahrung mit französischen Softsexfilmen).
Joys neuer Ruhm bleibt nicht ungehört – Hollywood ruft! Naja, zumindest eine amerikanische Filmproduktion, die Joy stantepete für die Hauptrolle in einem Actionfilm verpflichtet (model-turned-actress ist nun nichts sensationelles mehr, aber SO funktioniert das dann doch nicht). Marc schickt täglich Blumen, aber Joy lässt sich trotzdem von Produzent Bruce abschleppen und u.a. in die hohe Kunst des Tantra-Yoga einführen. Joy ist beeindruckt genug, um Bruce gegenüber ihr Herzelein auszuschütten, wonach ihre Mutter seinerzeit ihren Vater, einen Yankee, rausgeschmissen habe, und sie seither keinen Kontakt mehr zum Papa habe. Bruce macht sich mentale Notizen.
Back in Paris zieht Joy kurzerhand bei Marc ein und versucht ihm mehr oder weniger subtil, eine Liebesbekundung aus der Nase zu kitzeln. Anstelle einer Antwort schleppt er sie in einen Underground-Sexclub mit, in dem alle möglichen Abartigkeiten durchexerziert werden. Ob Joy jetzt einiges klar wird?
Inhalt
Der französische Softsexfilm hat es ja geschafft, im Vergleich zu seinen italienischen oder deutschen Kollegen so etwas wie eine gewisse Respektabilität in der seriösen Filmkritik aufzubauen und gelegentlich sogar als „Kunst“ bezeichnet zu werden. Ausschlaggebend dafür ist primär die „Emmanuelle“-Reihe, die bewies, dass man Softsex auch mit gewissem filmischen und ästhetischen Anspruch verbinden konnte und nicht nur mit Sleaze (wie’s die Italiener vornehmlich versuchten) oder Klamotte (wie’s unsere Väter taten). Was man dabei gerne vergisst – als Ausgleich für relativ hochwertiges filmisches Handwerk und Erotik, die auch als Konserve attraktiv anzusehen ist, hatten’s die Franzmänner und -frauen eher nicht so mit der Abteilung „Geschichten erzählen“ (gerade die späteren „Emmanuelle“-Sequels können davon ein traurig Liedchen trällern).
Auch „Joy“, wieder einmal entstanden nach einem angeblich autobiographischen Roman, ist so ein Genrevertreter – sicherlich von der gesamten Machart „wertiger“ als ein D’Amato-Sleazer oder eine Lederhosen-Gaudi, aber inhaltlich eine Abfolge mehr oder weniger zusammenhangloser Vignetten, die äußerst lose durch die küchenpsychologische Charakterbeschreibung der Titelfigur verknüpft sind – wie schon oben gesagt, wer auf die große Story-Enthüllung, den großen Kniff, den Hook wartet, der kann nach fünf Minuten und der Feststellung eines Charakters, dass Joy glaubt, irgendwie an der Trennung ihrer Eltern und speziell am Fortgang ihres Vaters schuld zu sein, abschalten. Damit ist alles gesagt, alles erklärt, warum Joy sich einem Mann, der locker ihr Vater sein könnte, an den Hals wirft und sich erstmals vorstellen kann, eine richtige, dauerhafte, auf Liebe und nicht nur sexueller Attraktion begründete Beziehung einzugehen. Die einzige Frage, die sich dann noch stellt, ist, wie lange es dauert, bis Joy das selbst begreifen wird und die kann man sich mit einem Blick auf die Laufzeit des Films (stolze 104 Minuten) dann auch beantworten.
Was für ein Glück also, dass der typische Softsex-Konsument nicht primär wegen der Story zusieht, auch wenn es trotzdem nett wäre, wenn die verschiedenen Episoden etwas schlüssiger aufeinander aufbauen würden und nicht nur einer „da könnten wir auch mal drehen“-Mentalität geschuldet wären – die verschafft der Produktion immerhin location shoots in Mittelamerika und New York, was angesichts der Genrekonkurrenten, die ihre Hauptdarstellerinen ja auch oft und gern um die halbe bis ganze Welt hetzten, um ihr sexuelles Glück zu finden, für den Scope auch nötig ist. Die Ideen für die verschiedenen Mini-Geschichten sind immerhin skurril genug, wenngleich man die Zielgruppe auch darauf verweisen muss, dass „Joy“ sich relativ lange Zeit nimmt, um die wirklich (relativ) expliziten Sachen auszupacken und sich der geneigte Lustmolch schon über eine gute Stunde damit begnügen muss, sich an Claudia Udys Körper zu delektieren – was dem Nicht-Kostverächter aber auch nicht schwer fallen sollte.
Die erste auffällige Sequenz ist die Voyeur-Szene, in der in Joy und Marc es in einem vage futuristischen Ambiente und vor Kamera und Monitoren tun. Interessant in Form von „bizarr“ wird’s dann erst wieder bei der Yoga-Orgie in New York, völlig abgefahren dann in der wahnwitzigen und irgendwie überhaupt nicht zum bis dato eher harmlosen, „good-natured“ Ton des Films passenden Underground-Club-Sequenz, in der Sergio Bergonzelli, der italienische Regisseur des Films, allerhand Fetische und SM-Orgien zelebriert, als wär’s eine Beinahe-Hardcore-Version von „Barbarella“ as directed by Jodorowsky. Es mag ein Stilbruch sein, aber es sind die zehn Minuten von „Joy“, die im Gedächtnis bleiben (wer könnte eine Glaskammer voller nackter, übereinander geschichteter, aneinander saugender und fummelnder Menschen beiderlei Geschlechts, in die man nur über eine Rutsche gelangen kann, schon vergessen?). Macht man sich die Mühe, den Film zu interpretieren, fällt einem auch eine mögliche Erklärung für die Sequenz ein, aber „outstanding“ (in jeder möglichen Bedeutung des Wortes) ist sie allemal.
Ansonsten ist der Film sehr sehr 1980er… von den Frisuren, den Kostümen, der Musik (inklusive eines „Thriller“-Soundalikes – da waren die Produzenten aber hart am Puls der Zeit – und einer schauerlich-schönen Titelballade), man könnte den Film ohne jegliche Kenntnis seiner Entstehungszeit sicher auf ein-zwei Jahre genau datieren.
Handwerklich ist der Film durchaus in Ordnung und stellt insbesondere mit der Kamera einige nicht uncoole Sachen an (allerdings nie mehr eine so eindrucksvolle Einstellung wie in der Prolog-Sequenz), auch wenn der Schnitt ab und zu mal leichte Rätsel aufgibt.
In der Titelrolle findet sich Claudia Udy, die B-Film-Affecionados aus dem Ozploitation-Kracher „Hunting Season“ kennen könnten. Auch dort steltle Udy unter Beweis, dass sie augenscheinlich ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu ihrem Körper hat und Nacktheit vor der Kamera absolut nicht als unangenehm empfindet. Im Vergleich zu der damenhaften Erotik der Sylvia Kristel oder der androgynen Unnahbarkeit von Mia Nygren ist Claudia Udy mehr die Vertreterin des natürlichen „girl next door“-looks (auch wenn man offensichtlich aufpassen muss, sich an ihren Nippeln nicht die Augen auszustechen), aber nicht von der „Unschuld“ einer Natalie Uher oder Olivia Pascal, eher die Kategorie „verdorbenes Früchtchen“, aber absolut nicht unsympathisch und sowohl bekleidet als auch nackt sehr hübsch anzuschauen.
Gerard-Antoine Huarts Karriere war nicht besonders bemerkenswert – 1970 spielte er in dem Sex-Horror „Die geschändete Rose“ und kam nach „Joy“ zu einem Einsatz in „Emmanuelle IV“. Die Faszination, die gerade französische Filme für den großen Altersunterschied bei den Pärchen in Softsexern empfinden, kann ich nicht nachvollziehen. Zum „Glück“ haben Huart und Udy nur eine Szene, in der sich auch er völlig auszieht…
Der Rest des Ensembles besteht aus ziemlich unbekannten Nasen, einzig John Stocker, der hier den amerikanischen Regisseur George Miller (!) spielt, ist bis heute dicke im Geschäft, allerdings primär als voice actor für alle möglichen Zeichentrickserien.
Letztlich würde ich die ersten vier „Emmanuelle“-Filme (und vielleicht sogar das ein oder andere Kapitel der „Black Emmanuelle“-Saga) „Joy“ vorziehen – außer der Club-Sequenz hat „Joy“ nicht viel Erinnerungswürdiges zu bieten und ist zwischendurch gerne mal sogar richtig langweilig. Da hat das Genre schon Anregenderes hervorgebracht. Als Showcase für Claudia Udys makellosen Körper allerdings ist „Joy“ hervorragend…
(c) 2017 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 5
BIER-Skala: 4
Review verfasst am: 14.04.2017