- Original-Titel: Jimmy, the Boy Wonder
- Regie: Herschell Gordon Lewis
- Land: USA
- Jahr: 1966
- Darsteller:
Jimmy Jaye (Dennis Jones)
Aurora (Nancy Jo Berg)
Mr. Fig (David Blight jr.)
Medizinmann (Alan Rock)
Astronom (Karl Stoeber)
Vorwort
Es ist schön, dass es Läden wie das Videodrom gibt. Nicht nur, weil der Schuppen nun mal die wohl grandioseste Auswahl an vollkommen abseitigen Filmen hat, nein, man wird noch nicht mal ausnehmend blöd angekuckt, wenn man eine ellenlange Liste von Obskurtiteln für eine zünftige Trashnacht über den Tresen schiebt und sich dann sogar noch fachkundige Kommentar zu den ausgewählten Titeln anhören kann – unglaublich, aber wahr: die Leute dort KENNEN, was sie verleihen!
Wieso erzähle ich den Blödsinn? Einfach. Dieses Wochenende habe ich mal wieder lieben (?) Besuch (okay, ganz bestimmt NICHT lieben…) von unserem Forumsregular und Board-Treffen-Veteranen Desty und weil ich bekanntlich nicht genügend schlechte Filme habe, mit denen man sich zwei Tage versauen kann (you can wach Hydra – Verschollen in Galaxis 4 only so often…) , musste ein Abstecher zum Videodrom gemacht werden, im Gegensatz zu früheren Exkursionen gründlich vorbereitet durch stundenlanges Studium der Website und Auswahl der vermutlich abartigsten und unterhaltsamsten Filme, die wir in der Trash-Abteilung finden konnten. Und zwischen Troma-Filmen, Splatter-Comedies (beabsichtigt oder nicht), Mondo-Filmen und Frauenknast ist doch sicher noch Zeit für Herschell Gordon Lewis. Den kennen wir ja alle von seinen jüngst wieder ins Fadenkreuz der eifrigen deutschen Justiz geratenen Splatter-Klassikern wie Blood Feast und dem hier besprochenen Two Thousand Maniacs!, vielleicht sogar noch von seinen Roughies und Nudistenfilmen, aber ganz bestimmt nicht von seinen Kinderfilmen.
Let this statement sink. Herschell Gordon Lewis, the Godfather of Gore, hat tatsächlich, man glaubt es kaum, in seiner langen und umtriebigen Karriere Kinderfilme gedreht. Kann das gut gehen? Kann es vermutlich nicht, und wir waren jedenfalls neugierig oder einfach blöde genug, um zumindest einen davon einer näheren Untersuchung zu unterziehen. Enter Jimmy, The Wonder Boy. Unter’s Volk gebracht vom verdienstvollen Schotterausgrablabel Something Weird Video, das sich noch für kaum was zu schade war. Und, um so viel (Future Doc lässt grüßen) vorwegzunehmen, Something Weird ist auch absolut das angemessene Label für diesen Film.
Inhalt
Wir beginnen unser heutiges Kinderprogramm (immerhin sogar schon in Farbe, staun!) mit einer vollkommen unverständlichen Opening Narration, in der irgendein Erzähler debilen Schwurbel absalbadert, wonach, soweit ich das aufgrund der nicht unbedingt Dolby-Surround-mäßigen Tonqualität des Tapes beurteilen kann, die Zeit unmittelbar nach dem Aufwachen recht gefährlich ist, weil Wünsche, die man bei dieser Gelegenheit äußert, in Erfüllung gehen könnten. Kann ich irgendwie nicht ganz bestätigen, denn wie oft hab ich mir morgens um sieben schon gewünscht, es wäre schon sieben Uhr abends… Hat eigentlich selten bis nie funktioniert.
Nachdem wir diesen Schwachfug überstanden haben, belästigt uns der Streifen mit seiner Titelsequenz, gegen die ein typisches Urlaubsvideo, dem man mit dem 29-Marks-Videomischpult-von-Conrad ein paar Textzeilen spendiert hat, irgendwie… professionell wirkt (Hintergrund der Credit-Sequenz ist ein offensichtlich von einem künstlerisch untalentierten Sechsjährigen gepinseltes Bild undefinierbaren Motivs). Erschreckend: das dürfte am Ende noch ein Musical werden, da nicht weniger als VIER Songs mit “Music and Lyrics” kreditiert werden. Okay, rechnen wir noch mal zusammen: ein Film von Herschell Gordon Lewis, ein Kinderfilm von Herschell Gordon Lewis, ein Musical-Kinderfilm von Herschell Gordon Lewis. Desty wolle an dieser Stelle schon fast zu Boykottmaßnahmen greifen (dachte er da irgendwie an The Apple? Ich wußte, er ist ein Banause…). Na ja, es besteht ja die Hoffnung, dass der Film nicht all zu lang dauert…
Gut, nach Abspulen der Credits befinden wir uns in einem Kinderzimmer, dessen singulärer Insasse, Jimmy Jaye, unser vom Titelversprochenes “Knabenwunder” (sollte das nicht eigentlich eher “Wonder Boy” denn “Boy Wonder” heißen?), und spielt mit einem Flugzeugmodell. Wohl zum Unbill seiner Mama, denn es ist der erste Schultag und Jimmy sollte erstens aufstehen, zweitens duschen und drittens zum Frühstück kommen, und das im Abstand von ungefähr fünf Sekunden. Irgendwie scheint Jimmys Mama die Möglichkeiten ihres Filius leicht zu überschätzen, selbst wenn er wollte, könnt’ er das nicht schaffen. Na, er will aber auch nicht. Jimmy fühlt sich nämlich im Grundschüler-Streß. “Jimmy tu dies, Jimmy tu das…”. Mein Gott, gleich jammert Jimmy uns sicher noch die Ohren voll, dass er noch ein paar Überweisungen ausfüllen muss, den Wagen waschen, die Garage streichen etc… Harte Kindheit, zweifellos. Und so äußert Jimmy die verhängnisvollen Worte (vor allem verhängnisvoll für den Zuschauer, der sich den Krempel ja tatsächlich halbfreiwillig ansieht): “Ich wünschte, die Zeit würde stillstehen!”.
Der Wunsch kann erfüllt werden, meint der recht sinnfrei zwischen Jimmys Monologe geschnittene erzschuftige Bösewicht Mr. Fig (? Ok, “Mr. Big” gibt’s nur bei Blaxploitation, Ordnung muss sein). Und sofort bleibt die Zeit stehen – mit den zu erwartenden Resultaten. Unschuldige Vorstadtbewohner werden bei ihren aufregenden Tätigkeiten wie Rasenmähen etc. (eigentlich sogar nur Rasenmähen, weil z.B. das Einfrieren eines Autowäschers erheblich über die technischen Möglichkeiten der Filmemacher gegangen wäre) “eingefroren” (die Illusion wäre erheblich perfekter, wenn der Wind nicht die Büsche im Hintergrund bewegen würde, während die von Lewis zwangsverpflichten Statisten krampfhaft versuchen, keinen Muskel zu rühren. Gelingt auch nicht jedem).
Solcherlei Unverfrorentum darf natürlich nicht unbemerkt bleiben. Dafür ist der “Astronom” zuständig. Der sitzt irgendwo, gottweißwo, er selbst wahrscheinlich nicht, in seinem sorta-magischen Castle, kuckt durch ein verbogenes Teleskop, mit dem er vermutlich maximal seine Zehennägel beobachten kann, und gerät ob der eingefrorenen Zeit in mittelschwere Panik (bemerkenswert ist sein “Astronomen”-Kostüm, dass man vermutlich in der Mülltonne eines pleitegegangenen Kostümverleihs gefunden hat. Damit würde ich maximal im Kasperltheater auftreten und selbst da nur knapp). “Ich wußte es,” keift der Astronom, aber wer’s denn war, das weiß er nicht, dafür muss er in seinen “Globe” kucken. Der Globe sieht irgendwie aus wie ein Mittelding aus überdimensionalem Weihrauchschwenker, Bong und Christbaumkugel und ist das universell verwendbare all-around-magic-device für alle Lebenslagen. Z.B. kann man darin oder damit oder wie auch immer feststellen, dass Jimmy für die Schelmerei mit der Zeit verantwortlich ist. Der Astronom gibt irgendwelchen unverständlichen Gebrabbel von sich (hört sich ungefähr so an wie “yaahaadadadhaahahaarahahadaa”) – ah, Moment, jetzt kapier ich’s, er ruft seine Tochter Aurora zu sich (okay, “Aurora” und “yaahaadadadhaahahaarahahadaa” klingen ja auch leicht ähnlich). Aurora wäre wohl herzlich gern ein attraktives weibliches Wesen (wäre sie vielleicht, wenn sie mindestens zwanzig Pfund leichter wäre und einen besseren Klamottengeschmack hätte – ihre Farben sind das ganz bestimmt nicht, was sie da trägt) und wird von ihrem Daddy beauftragt, die ganze Zeitgeschichte in Ordnung zu bringen. Ist eigentlich auch gar nicht schwer – sie muss nur Jimmy dazu bewegen, zum “World’s End” zu pilgern und dort den Globe in die “Big Clock” zu pfriemeln. Klingt doch eigentlich ganz easy (frage mich zwar, warum a) der Astronom auf dem Globe sitzt, wenn der in die “Big Clock” gehört, und b) warum er das Ding nicht einfach selber dahinbringt. Ist nicht so, als würde uns der Film anschließend noch einen halbwegs vernünftigen Grund dafür nennen, warum das von Jimmy erledigt werden muss – ja, ich weiß, das ist ein Kinderfilm, und da sollte nach Möglichkeit irgendein Kurzer eine tragende Rolle spielen [wenn’s mein Kinderfilm wäre, wäre es eine *tragende* Rolle, har-har, fünf Euro in die Wortspielkasse]). “Kein Problem,” lächelt Aurora, “we’ll do it in time!” (Stellen wir uns doch mal kurz die Frage, wie man “rechtzeitig” etwas bewerkstelligt, wenn die Zeit nicht läuft. Theoretisch haben die doch alle “Zeit” der Welt, höhö… Recommended further reading: Terry Pratchett – Thief of Time).
Aurora beamt sich daher (mit dem bewährten filmischen Mittel des völlig unauffälligen Umschnitts zwischen einer Einstellung “mit” und einer “ohne” Darsteller) direkt in Jimmys Kinderzimmer – Pech für Jimmy ist, dass er selbst von seinem Zeit-Wunsch auch betroffen ist – Aurora muss ihn erst mit dem Globe “auftauen” (wenn man nach Belieben Leute mit dem Globe auftauen kann, was, Future Doc weiß Rat, auch noch bestätigt wird, wozu dann der Tinnef mit der “Big Clock”? Ein paar mal mit dem Globe wedeln sollte doch reichen?). und hält ihm einen moralisierenden Vortrag. Jimmy ist auch, und hier ist der Film mal zur Abwechslung völlig unrealistisch, sofort tief geknickt und gibt zu, “selfish” gewesen zu sein (ein 8-jähriger, der dieses Wort überhaupt kennt?? Kann ich nicht glauben. Der typische amerikanische Kindskopf hält “selfish” doch wahrscheinlich für eine Art Fisch). Zum Glück hat Jimmy ja die Möglichkeit, seinen bösen Fehler wieder gut zu machen, er muss ja nur den Globe, der jetzt von Aurora komischerweise als “scroll” bezeichnet wird (gut, ich wüßte auch nicht, wie man das Ding nennen soll) nach “World’s End” bringen.
Der Astronom scheint mittlerweile ernste (und m.E. berechtigte) Zweifel an den Eroflgsaussichten der Mission zu hegen, er stapft nämlich heftig chargierend und “my oh my oh my” vor sich hinstöhnend durch sein (hm, sollen wir es Labor nennen? Neee…) Sanctorium. Plötzlich erscheint Mr. Fig (die Sicherheitsmaßnahmen sollte der Herr Astronom mal überdenken, bei ihm kann ja jeder Hinz und Kunz ein- und ausgehen) und salbadert verbalen Sondermüll ab, der darauf hinausläuft, dass sein toller Plan, die Zeit zu stoppen, ja super aufgehen würde (allerdings ist Mr. Fig ein heftiger Zahler in die Wortspielkasse, da praktisch seine kompletten Dialoge aus Wortspielen mit “Zeit” bestehen, “Time’s waiting”, “Time isn’t money anymore” etc. pp)) – immer wieder schön, zwei wahren Meistern des Schauspielfachs zuzusehen. Ist mir echt ein Rätsel, warum die beiden Kerle, und ganz besonders der Astronom, nicht längst gefeierte Shakespeare-Mimen sind. Gerade der Astronom hat wirklich ein paar Probleme mit seinen Dialogzeilen (wobei ich mir nicht ganz einig bin, ob der Kerl sich nur seinen Text nicht merken kann oder das vielleicht doch beabsichtigt ist, jedenfalls fällt ihm der Name seiner Tochter nicht gerade auf Anhieb ein. Okay, unwichtige Dinge verdrängt man ja gerne mal). Mr. Fig kann sich aus dem Gebrabbel immerhin zusammenreimen, dass Aurora (“your pesty daughter”, tsk, charmant is das nich’) irgendwas tut, was seinen Plänen zuwiderlaufen könnte und begehrt Auskunft über ihren Verbleib. “Habbahabbahabbaaurorahabba?” tut der Astronom recht überzeugend so, als wäre er gehirnamputiert, aber Mr. Fig ist schlau genug, für ihn verwertbare Informationen aus dem Wortsalat zu ziehen und beamt sich von hinnen. “I talk too much, I talk too much,” greint der Astronom und heult “Buuhuuu! Buuhuuu!” (Ich sehe eine Karriere für den Kerl, wenn “Hui Buh, das Schlossgespenst” mal neu aufgelegt wird).
Schalten wir also zu Aurora und Jimmy, die durch den nächstbesten Stadtpark latschen (eh, natürlich irgendein mystical fairyland) und das umgebende Grün offenbar so inspirierend finden, dass sie – endlich – in ihre erste Gesangeseinlage ausbrechen (ausbrechen ist da ein gutes Stichwort). “One Step at a time” heißt das irgendwie pervers-eingängige Liedchen, das mit der eigentlichen Filmstory null und gar nichts zu tun hat (außer, dass “Time” im Titel vorkommt) – es geht um das altbekannte Thema, dass man, um etwas zu erreichen, eins nach dem anderen tun muss (ach? Hohe Philosophie!). Nach Vollzug der Musicalnummer (falls Aurora ihren Part tatsächlich selbst eingesungen hat, ein kleines Kompliment: ich hab erheblich üblere Singstimmen gehört. Jimmy allerdings singt ungefähr so gut wie Daniel Küblschlumpf). For no particular reason (ihr wißt, ich liebe diese Formulierung) erklärt Aurora ihrem Protegé, dass sie ihn nun verlassen müsse, weil sie jetzt in Mr. Figs Reich seien und dessen “negative Macht” ihre “positive Macht” ausgleichen würde (nun könnte man ja auch auf die Idee kommen, ihre “positive Macht” würde im Umkehrschluss auch Figs “negative” ausgleichen und Fig dadurch Jimmy kein Nasenhaar krümmen, aber das ist wieder mal ein Fall von unangebrachtem logischen Denken). Aurora beamt sich weg, dafür zappt sich Fig umgehend her – da Jimmy keine Ahnung hat, wer der komische Spinner, der irgendwie wirkt, als wäre er eine Billigausgabe des Jokers, bei dem’s für Make-up nicht mehr gereicht hat, weswegen man ihm sicherheitshalber eine dreifache Dosis Ecstasy verpasst hat, damit er hyperaktiv durch die Gegend springt, stellt sich Fig singenderweise vor. “I’m Mr. Fig,” kreischt Fig (und da der Kerl seine Dialoge ausschließlich kreischt, gestaltet sich seine Sangeseinlage ungefähr so erfreulich-akustisch wie Fingernägel-über-Schiefertafel-kratzen) und erfreut uns mit lyrischen Gemmen wie “I’m the dangerous Mr. Fig” (für den Fall, dass wir noch nicht mitbekommen haben, dass er der offizielle Bösmann ist), “I’ve got murder on my mind” (nein, welch böse Worte in einem Kinderfilm), aber, Beruhigung, er meint natürlich nicht “murder” im Sinn von Abschlachten (obwohl eine kleine Gore-Einlage jetzt nicht unwillkommen wäre), er hat nur das Ziel, “Zeit” zu töten. Wenn’s ihm Freude macht… Der Rest des Textes besteht wieder aus gut gemeinten Ratschlägen wie “if you’re late, don’t worry, time will wait” oder “was du heute kannst besorgen, das verschiebe schnell auf morgen”. Auch der schönste Song hat mal ein Ende (sniff), womit wir wieder bei der gegenseitigen Vorstellung wären. Jimmy weiß, was sich gehört und stellt sich vor. “Ah, mein guter Freund Jimmy”, freut sich Fig ein Loch ins Knie, weil er ohne seinen Wunsch ja nie die Zeit hätte anhalten können (whatever). “Ich bin Jimmy, aber nicht dein Freund,” nölt Jimmy, aber das ist Fig auch wurscht. “Time waits for every man”, sülzt er, kriegt sich vor Lachen kaum mehr ein und zappt sich fort. Kaum ist er weg, ist Aurora wieder da und ist begeistert, dass Jimmy sich so toll geschlagen habe (hä? Ist mir jetzt was entgangen oder hat Jimmy tatsächlich irgendwas *gemacht*? Ist ja nun auch nicht gerade so, dass Fig ihm ‘ne Rieseneisbombe, die neuste He-Man-Figur [okay, das wäre anachronistisch] oder lebenslang Comics versprochen hätte, damit er ihm hilft). “Es war lustig,” grinst Jimmy (mit der Meinung dürfte er recht allein dastehen). Aurora verkündet das nächste Etappenziel – man müsse nun die “Tick-a-tock-a-tick-a-Indianer” finden, denn die wissen, wo’s nach “World’s End” geht (ich sollte H.G. Lewis und seinem Drehbuchautor einen Blankoüberweisungsträger für die Wortspielkasse schicken. Ist ja nicht auszuhalten…).
Doch haben sie nicht mit dem diabolischen Plan von Mr. Fig gerechnet. Im Park, äh, mystischen Wunderland, steht ein Schild: “Slow Motion Land”. Heimtückischer und hinterrückserweise stellt Fig einen schnell von ihm selbst zusammengezimmerten Wegweiser “Tick-a-tock-a-tick-a-Indianerland DA lang” auf (und zwar so unauffällig, dass man noch das halbe “Slow Motion Land”-Schild dahinter lesen kann… Mr. Fig spekuliert augenscheinlich auf die Grenzdebilität der Gutmenschenfraktion. Hat noch kaum einem Superschurken geschadet, fragt nach bei Lord Helmchen). In der Tat sind Aurora und Jimmy blöde genug, den fiesen falschen Wegweiser für bare Münze zu nehmen (vielleicht sind sie auch der Ansicht, was so offenkundig gefälscht aussieht, kann nur wieder richtig sein, weil jeder, der’s bös meint, sich mehr Mühe geben würde) und stapfen geradewegs (begleitet von fröhlicher Musik, die aber anstelle von Text hochmelodiöses Gepfeife präsentiert) ins Land der Zeitlupe (das kommt ja nun schon fast an die “Brüder Flub” – ja, ich sehe zu viele Zeichentrickfilme – und deren lustige Locations wie das “Land der blöden Ideen” ran).
Das Zeitlupenland ist genau das, was wir uns darunter vorstellen – ein Kinderspielplatz, dessen Okkupanten sich durch die Bank in, tadaa, Zeitlupe bewegen (GROSSES KINO). Miiiiiinuuuuteeeeenlaaaaang tuuuuuuut siiiiiiiich niiiiiiiichts aaaaaandeeeeeereeeeees, aaaaaaals daaaaaas wiiiiiiiir fröööööööhliiiiiiicheeeeeen Kiiiiiiiindeeeeeerspiiiiiieeeeeleeeeen iiiiiiin Zeeeeeeiiiiitluuuuuupe zuuuuuuuschaaaaaauuuuuueeeeeen düüüüüürfeeeeeen, was natürlich ungeheuer kinematisch rüberkommt (nie wieder beschwere ich mich über Sam Firstenberg und seinen Fimmel, sämtliche von ihm inszenierten Actionszenen in SlowMo zu bringen), wenn sich ein paar aus dem Bekanntenkreis der Filmemacher rekrutierten Schulkinder Bälle zuwerfen u.ä. Nach einer schier endlosen Weile geht selbst Aurora auf, dass irgendwas nicht stimmt (sie bewegen sich natürlich auch in Zeitlupe): “Wir müssen falsch abgebogen sein. Das sieht aus wie das Zeitlupenland!” (ach?). Wie werden Aurora und Jimmy dieser teuflischen Falle entkommen (abgesehen davon, dass sie nicht in Zeitlupe reden, was ich für hochgradig unrealistisch halte)?
Die Auflösung verräten wir Euch im nächsten Absatz. Trommelwirbel bitte. (Drrrrrrrrrrrrr).
Sie – sie – ich fasse es nicht – sie kehren um und latschen (in Zeitlupe) wieder raus aus dem Land. Boy, that was intense, that was dramatic, that was excitement, pure adrenaline, mann, hoffentlich hält das mein Herzschrittmacher aus. GROSSES KINO. GROSSES KINO. I love it.
Scheinbar geht in Zeitlupe latschen schwer auf die Muskulatur (das behauptet zumindest Aurora), und auch Jimmy ist schwer erschöpft. Also – Pause! Trifft sich günstig, wenn man ein magisch begabtes Frauenzimmer dabei hat, denn die hext problemlos die passende Ruheutensil herbei – zwei … Luftmatratzen?? Verdammt, da hat man nun ‘ne Hexe mit bei und die kann nicht mal einen bequemen Liegestuhl oder so was herbeizaubern. Luftmatratzen – kann doch kein Mensch drauf pennen! Aber – pennen sollen und wollen unsere Helden ja nicht, sondern nur ausruhen, und damit sie ja nicht versehentlich einschlafen, zaubert Aurora noch schnell einen roten Farbfilter herbei. Denn, wir lernen ja nicht aus, wenn die Umgebung komplett rot ist, kann man nicht einschlafen (das war mir bislang wirklich neu, aber das gibt der Farbgebung der “Rotlichtbezirke” völlig neue Bedeutung). Im Gebüsch lauert aber Mr. Fig und der weiß, es ist unmöglich, wach zu bleiben, wenn alles um einen ‘rum blau ist (ey, dieser Film bildet echt! Und natürlich gratitous In the Mouth of Madness-reference: “Did I ever tell you my Favorittee Coolohr is blue?” Mr. Fig is Sutter Cane! Oder hat John Carpenter nur in seiner Kindheit zu viele Lewis-Kinderfilme sehen müssen?) und schwups, schon ist der blaue Farbfilter auf der Kamera, Jimmy und Aurora pennen umgehend ein (bei meinen Schlafstörungen sollte ich echt überlegen, ob ich meine Bude nicht blau anstreiche) , haben sie auch nicht besser verdient, wenn ihnen der plötzliche Farbwechsel ihrer Surroundings nicht auffällt, Trottel. Fig freut sich ob des Gelingens seines teuflischen Plans mindestens ein Bein ab. Doch da! Aus mir völlig schleierhaften Gründen (der einzige Grund, der mir einfällt, ist, dass Lewis’ Kameramann beweisen wollte, dass er gleichzeitig mit zwei Farbfiltern arbeiten kann) kehrt das rote “Licht” zurück und weckt unser dynamisches Duo aus dem Dornröschenschlaf – und weil, wer den Schaden hat, bekanntlich jeder Beschreibung spottet (und bei Mr. Fig stimmt das auch optisch), wird Fig von blauem Licht eingehüllt und ratzt den Schlaf der Ungerecheten (woah, ich bin wirklich beeindruckt, wie es den Trickkünstlern gelungen ist, die linke Bildhälfte blau zu färben und die rechte rot. GROSSES KINO. Äh, wiederhole ich mich?). Begleitet von Walzerklängen marschieren Jimmy und Aurora weiter ins Land der Tick-a-tock-a-tick-a-Indianer – die sind, weil, ir haben’s ja nicht vergessen, die Zeit steht ja nach wie vor still, eingefroren. Es braucht natürlich nicht mehr als ein bissl Herumgewedele mit dem Globe (sach ich doch), um die äußerst überzeugenden Native Americans aus ihrer Stasis zu befreien (wie überzeugend? Hm, wie überzeugend sind eine Handvoll doofer Typen, die man grün angemalt hat – bekanntlich sind alle Indianer grüner Hautfarbe – und Faschings-Federn an die Rübe gesteckt hat. Und ihre Hühnerbrüste hat man aus Gründen höherer Mystik mit Frageworten wie “How“, “When“, “Where“ und “Who“ versehen. Oder sind das ihre Namen?). Erstaunlicherweise ist der Medizinmann des Stammes nicht wirklich begeistert – er wurde nämlich durch die Zeitstopperei mitten in seinem besten Regentanz unterbrochen, muss jetzt wieder von vorn anfangen und ist deswegen sauer – schließlich weiß Jimmy ja gar nicht, wie schwer es ist, eine Bande grüner Indianer aufzuziehen (eh, ja), also möchte er Jimmy am liebsten an den Marterpfahl stellen (zum Glück haben die Tickatocks gerade mal ein Spielzeugwigwam), den hat er nämlich sofort als allgemeinen Sündenbock für alles ausgekuckt, schlechte Ernte, kein Regen, Büffel weg, an allem ist Jimmy schuld (Aurora hat sich sicherheitshalber schon mal wieder verpisst, diesmal aber, ohne ihrem kleinen Schützling Bescheid zu sagen – als Babysitterin würde ich die nicht anheuern). Der Medizinmann flüstert Jimmy unter dem Siegel der Verschwiegenheit zu, dass er wirklich nur einen “Scapegoat” braucht, weil seine Regentänze nicht funktionieren (“I don’t get the modern dance steps!” I suppose that was a joke). Von einer Sekunde auf die nächste beschließt Mr. Medicine Man, es doch noch mal einen seiner gefürchteten Regentänze zu probieren und Jimmy möge doch bitte den “spell”, den er über die Indianer gelegt habe, nehmen. Bevor nun doch etwas kritisches passieren könnte (oder, Gott behülf, irgendetwas INTERESSANTES), beamt sich Aurora wieder ins Geschehen, schwingt ihr Ding (höhö) und verkündet, es sei “mächtige Medizin”, die Regen herbeizaubern könnte. Einen Versuch isses Wert, befindet der Indianerchief – tja, und schon beginnt es zu regnen und zwar… Bohnen! (Argh! Argh! Arf! Kopfpatsch!). “Hmm, jellybeans,” sabbert einer der Tickstocks – das ist ja wohl Anlaß genug für einen Song (wir hatten ja schon lang keinen mehr). “Beans, beans, wonderful beans” frohlockt Aurora und die Indianer schunkeln lustig mit (komm mir ja vor wie im Musikantenstadl hier, gleich singt Gus Backus was von “Bohnen in die Ohrn”). Angesichts der überlegenen Medizin von Aurora reicht der Medizinmann seine Rente ein, verkündet, “zurück nach Miami Beach” zu gehen (haha, der Film ist in Miami gedreht) und beamt sich weg (das kann in diesem Universum wohl jeder). Abgefüttert, da Bohnen natürlich besser sind als Wasser und Büffelsteak, zeigen die Indianer unseren Helden gern den rechten Weg (wow, das ist echt kreativ: jeder Indianer spricht nur ein Wort, und abgesehen davon zeigen sie mindestens in drei verschiedene Richtungen). Kaum sind Aurora und Jimmy abgedackelt, stürzen sich die Indianer wie die Vandalen auf ihre zusammengeklaubten Bohnen (manche Leute kann man echt einfach kulinarisch erfreuen. Mit mir würde da nicht funktionieren).
Obwohl alle spannenden Abenteuer bislang gut ausgegangen sind, plagen Jimmy mittlerweile leichte Motivationsprobleme. Er ist der Meinung, für Weltrettungsmissionen sei er etwas zu jung, ihn zieht’s heim (was immer er da auch machen wollte, wo die Zeit stillsteht… andererseits, ich könnte endlich mit’nem Videorecorder und DVD-Player ins Videodrom einziehen und alphabetisch deren Bestand durchgehen). “Ich hätt’s wissen müssen,” seufzt Aurora, “dass du nicht schaffen kannst, was der andere Junge gemacht hat. Der war ja auch schon acht Jahre alt!” “Ich bin 8 ½!” protestiert Jimmy energisch und verlangt sofortige Befriedigung seiner Neugier, was der andere Junge denn so tolles vollbracht habe. Und damit…
… eröffnen wir einen vollkommen zusammenhanglosen Subplot (bzw. einen komplett neuen Plot, der mit dem restlichen Film absolut nichts zu tun hat und auch mit tödlicher Sicherheit nicht von Lewis ist). Wir wechseln in einen – Zeichentrickfilm! Wenn ich raten darf, dürfte der (von den Charakteren her) entweder spanisch oder (vermutlich) mexikanisch oder südamerikanisch sein, ist relativ okay animiert (für das Alter), hat in seinen kühnsten Träumen nicht daran gedacht, mal in einem H.G.-Lewis-Film verwurstet zu werden und wurde neu gescored (d.h. man hat die bisherige verwendete Filmmusik noch mal drübergelegt) und neu betextet. Ich erlaube mir, diesen Teil im Schnelldurchlauf zu besprechen, weil – erstens isses doof, zweitens hat’s mit der Hauptstory nix zu tun und drittens isses doof. Die Geschichte zirkelt um einen Jungen namens Michael, der mit einem Miniatur-Zauberer (oder whatever, jedenfalls ist der nur ein paar Zoll hoch) befreundet ist. Der Zauberer ist Hüter eines Kristalls, der sich bei Bedarf in einen Globus verwandelt (und zwar in einen wirklichen Globus, mit Fuß und eingezeichneten Ländergrenzen), mit dem der Magus die Kinder der Welt mit Lebensfreude und Glückseligkeit beschenkt. Soviel Güte ist natürlich der bösen Hexe (und spezifischer wird’s nicht) ein Dorn im Auge, deswegen wird der Globus von einem auf ihrer Lohnliste stehenden Wolf beschossen und kaputt gemacht, was diverse Katastrophen auflöst, ein Haus geht in Flammen auf, ein Kind droht von einem Auto überfahren zu werden etc. Dem Zauberer gelingt es, die Zeit anzuhalten, damit er Michael damit beauftragen kann, den Globus zur Reparatur (hoffentlich Garantie) zunächst zum “Captain der Katzen” und dann zur “Fee des Blauen” (hm, eigentlich war Blau bis eben noch die Farbe der Bösen) zu schaffen. Natürlich muss Michael aufpassen, dass der Glbus nicht in falsche Hände gerät etc. pp. Michael verirrt sich im Wald, wird von der Hexe verfolgt, erreicht den Katzenkapitän (eine Art lispelnden gestiefelten Kater), die Hexe versucht, Michael ihre Untergebenen als falsche Katze und dessen Pferd (!) auszugeben, rechtzeitig kommt aber die richtige Mieze, verwickelt den falschen Kater in ein Degenduell, während ein falsches Pferd (hä? wie viele falsche Gäule gibt’s jetzt?) Michael zur Fee schafft. Oder auch nicht, denn der Gaul schleppt Michael zur Hexe, die beinahe in Gestalt der Hexe den Globus an sich bringen könnte, aber in letzter Sekunde erreicht der richtige Stiefelkater die richtige Fee, damit die Michael noch retten kann, den Globus repariert und ihm die Message auf den Weg geben kann, dass der nur funktioniert und Glück und Frohsinn über die Welt bringen kann, wenn die Kinder sich ihre Träume bewahren.
Uff. Dieser Part dauert ungelogen 20 Minuten! Und ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil die englische Synchronisation so daneben liegt, dass teilweise über zehn-fünfzehn Sekunden ein Cartoon-Charakter zu sehen ist, der ersichtlich labert, während die Tonspur aber entweder schweigt oder Dialog eines anderen Cartoon-Charakters einfiedelt bzw. umgekehrt (schweigender Cartoon-Charakter, der laut Tonspur wie ein Wasserfall redet) – abgesehen davon passen die Dialoge teilweise überhaupt nicht zur Mimik (d.h. Michael erzählt gerade etwas ungeheuer dramatisch-emotionales, guckt aber dabei fröhlich aus der Wäsche, als hätte man ihm just gesagt, die Sommerferien dauern dieses Jahr drei Wochen länger). Trotzdem wäre ich dafür, wenn Meister Herschell mal einen Director’s Cut anfertigt und den Part ersatzlos rauswirft.
Okay, diese blöde Geschichte (die allerdings rein filmtechnisch den kompetentesten Teil des Streifens darstellt, schließlich war das wohl mal ein legitimer Zeichentrickfilm, mit dem man Geld verdienen wollte. Okay, Geld verdienen wollten Lewis und seine Kumpane vermutlich auch mit diesem Film. Anspruch und Wirklichkeit…) hat Jimmys Kampf- und Lebensgeister geweckt. Wieder voll motiviert (“Ich beschütze dich! Ich bin ja schon neun Jahre alt!“ – “8 ½“, korrigiert Aurora klugscheißend) drängt er zur Weiterreise – aber natürlich reicht die Zeit noch allemal für einen kleinen Song, der mal wieder nichts mit der Story zu tun hat: “Think Big!” Diese Sangeseskapade scheint nach dem “reim-dich-oder-ich-fress-dich”-Prinzip konzipiert zu sein (“Do you smoke a pipe?” – “No, I’m not the type!” Aaarghl!) und weist zumindest mit der Fehlprognose des Jahrhunderts auf, wenn Aurora croont: “Maybe I’d be an actress, rich and beautiful!” (Drei Irrtümer in einem Satz, auch nicht schlecht…).
Nach der letzten Musicaleinlage (danke! Obwohl, wenn jemand die MP3s hat…) geht’s weiter. Plötzlich stolpern unsere Heroen über ein Wohnmobil und beschlagnahmen selbiges zwecks flotterem Vorwärtskommen. Der fiese Mr. Fig verwandelt allerdings das Wohnmobil in einen VW Käfer und das bringt Aurora mächtig aus der Fassung: “I’ve never driven a car like this!” Wenn Volkswagen das erfährt… “Do something!” kreischt Jimmy und Aurora zieht sich einen Zauberspruch aus der Nase: “Mr. Fig, go away far, I don’t like your compact car!” (An dieser Stelle möchte ich einmal mehr feststellen: ICH ERFINDE DAS NICHT! ICH GEBE NUR WIEDER! Ich schwöre es aufs Grab meiner noch lebenden Großmutter!). Irgendwie scheint der Spruch aber nach hinten loszugehen, denn in der zweiten Zeile fällt Aurora der passende Reim für das gewünschte Ersatzgefährt nicht ein… Mr. Fig steht hilfreich zur Seite und sagt “bike” vor. Und schon hocken Jimmy und Aurora auf einem Tandem – dummerweise wissen beide nicht so recht, was man damit anfangen kann, aber ehe sie noch drüber nachdenken können, hat sich das Radl auch schon wieder in Luft aufgelöst. Zum Glück erinnert sich Jimmy daran, dass sie’s ja eigentlich gar nicht eilig haben, schließlich steht die Zeit still. “We have all the time in the World” (endlich wissen wir, woher James Bond-Filme ihre Titellieder klauen) – wobei sich dann doch die Frage stellt, warum der Astronom es am Anfang so brisant mit der ganzen Angelegenheit hatte. Naja, Logik in Herschell-Gordon-Lewis-Filmen, Logik in Herschell-Gordon-Lewis-Kinderfilmen, Logik in Herschell-Gordon-Lewis-Musical-Kinderfilmen – you get the point, don’tcha. Auf jeden Fall ist es nach allgemeiner Ansicht vollkommen ausreichend, wenn man zu Fuß weiter wandert.
Unsere Freunde stolpern über ein weiteres nettes handgearbeitetes Hinweisschild “World’s End da lang – ‘if you ever get there’ (motivierend), laufen dann ungefähr zum siebenunddreißigstenmal am selben Gebüsch vorbei. Fig mischt sich mal wieder ein und versucht, Jimmy mit der Aussicht auf eine solide amerikanische Mahlzeit zu ködern – auf das mitgebrachte Tablett zaubert er: “Hot Dogs, Erdnüsse, Popcorn, Handschellen, oh, tschuldigung…” . Einfach ignorieren, den Kerl, verlangt Aurora knallhart ohne Rücksicht auf Jimmys knurrenden Magen. Man läßt den armen Fig stehen, aber dafür wird Jimmy umgehend von einem Baum (!) in Versuchung geführt, der ihm einen Hot Dog anbietet (das findet offenbar selbst seltsam genug, um sein Angebot mit einem “How often do you see a tree offering you a Hot Dog” zu kommentieren). Für mehrere Minuten spielt sich dann so etwas wie eine aufregende Verfolgungsjagd durchs Grüne ab (sofern man unter “aufregend” mehr oder weniger sinnlose Aneinanderreihung von Szenen, in denen der ein oder andere unsere handelnden Charaktere rumhüpft, versteht). Fig wird die Sache irgendwann zu blöd – er spekuliert, dass Jimmy durstig ist, eilt voraus und schüttet “laughing syrup” in einen Teich. Nach einer extrem künstlerischen Einstellung von Grünzeug, die mitkuckende Botaniker auf dem Gebiet der Farne und Palmen wohl in Begeisterung versetzen wird (dauert auch lange genug, dass man sie ausgiebig und ausführlich genießen und analysieren kann) wandern zufällig mal Aurora und Jimmy in den Kamerafokus, finden den Teich, schlürfen das vergiftete Wasser und lachen sich programmatisch halb tot. Nützt Mr. Fig aber trotzdem nichts, denn auch die dem Lachfluch Anheimgefallenen sind clever genug, zu verhindern, dass er sich den Globe (ach, um den geht’s ja eigentlich) krallt. Fig fällt sogar noch hochgradig lustigerweise ins Wasser und muss dann selbst erst mal tüchtig sirupbedingt ablachen.
Endlich erreichen Frodo und Sam Mordor, eh, Jimmy und Aurora “World’s End” – das “Ende der Welt” äußert sich in ein paar steinernen Ruinen und einem grünen Farbfilter (art rules!). Aurora schwingt ihren Globe und öffnet damit eine Geheimpassage (fast so doll wie in Van Helsing) und erklärt dem Kurzen, dass er von jetzt an auf sich allein gestellt sei – da gibt’s einen Turm (was man so alles Turm nennt, das Ding hat genau EINE Etage), da steht die “Big Clock” und da muss der Globe rein. Viel Glück, wünscht Aurora und fadet langsam aus (hm, was mit dem Wegzappen passiert?). Noch gibt sich Fig nicht geschlagen – er jagt Jimmy durch die Ruinenlandschaft von “World’s End” (auf diese typisch unterhaltsame Weise, wie jemand jemanden verfolgt, ohne die Absicht zu haben, ihn jemals zu erwischen). Zumindest die dramatisch-aufregende Musik versucht uns weiszumachen, dass wir es mit einer ungeheuer spannenden Szene zu tun haben (und die Filmemacher versuchen sich sogar, über dreißig Jahre vor Blair Witch an zappeligen Handkamera-POV-Shots). Jimmy muss in der anstregenden Jagd gelegentlich mal ein Päuschen einlegen (keine Kondition, diese 8 ½-jährigen heutzutage), und als ich mich nach drei oder vier Minuten dieser lustigen Chase-Comedy, die bereits 1921 von den Keystone Kops sicherlich als abgegriffenes Mittel abgelehnt worden wäre, endlich fragte, warum Blödpfeife Jimmy nicht einfach in den Turm latscht, anstelle sinnlos durch die Ruinen zu rennen, tut er es endlich, kraucht die Treppe hoch (in einem ungeheuer intensiven Moment erwischt Fig ihn *fast* noch am Bein), pflanzt den Globe in die Uhr (offensichtlich funktioniert der Globe als Pendel), hurra, touchdown, Ola-Welle, Nationalhymne (okay, I get carried away a bit…) Big schreit und löst sich auf (hm. Scheißjob, der Böse in dem Film zu sein). Jimmy führt einen spontanen Siegestanz auf und Aurora, die wie immer helfend zur Seite steht, wenn alles vorbei ist, ist begeistert: “You saved time!” (für diese gelungene Doppeldeutigkeit klopft sich Drehbuchverbrecher Hal Berg vermutlich heute noch selbst auf die Schulter). Jimmy wird zurück in sein Zimmer gebeamt, während der Rest der Welt wieder Betriebsgeschwindigkeit aufnimmt… Jimmy ist von seiner Faulheit geheilt, rennt begeistert zur Schule und sieht sich dort einem leeren Klassenzimmer gegenüber.
“Du bist deiner Zeit voraus,” kommt die Stimme aus dem Hintergrund – die gehört der neuen Lehrerin, die verdächtig wie Aurora aussieht und den Globe auf ihrem Pult stehen hat… The End.
Oh. Er. First things first. Es ist gar nicht so einfach, ein Review zu einem Lewis-Kinderfilm zu schreiben, während im Hintergrund Class of Nuke ‘Em High 1 und 2 back-to-back laufen. Sorta disturbs your concentration… Aber ich denke, ich hab mein Bestes gebeben (selbstbauchpinsel, macht ja sonst wieder keiner).
Ich möchte ausnahmsweise mal einen Spruch zitieren, denn der Filmvertreiber, hier also Something Weird, in seinen Werbematerialien verwendet. Dieser Film ist vermutlich derjenige in Lewis’ Ouevre, der einem “all-out-LSD-trip-film” am nächsten kommt (und wir erinnern uns: Lewis hat *richtige* LSD-Filme gedreht). Und das dann bei einem Kinderfilm. Mein Gott, man muss sich wirklich nicht wundern, das Amerika heute so aussieht, wie’s ist. Jimmy, The Boy Wonder ist ein Erlebnis, ein audiovisueller Gesamtanschlag. Psychedelisch bunt, mit grausam-hübsch anzhörenden Songs, einer Plotte, die man nicht mal einem Säugling zumuten sollte und darstellerischen Leistungen, die mich die Herrschaften im Requiem der Teufel beinahe als “Schauspieler” klassifizieren lässt (beinahe. Nein, und ich meine das nicht ernst, aber einen griffigen Vergleich lasse ich mir halt nicht entgehen).
Dieser mit keinem nennenswerten Budget hergestellte Film (es gibt ja schlichtweg nichts, was etwas gekostet haben könnte – die verwendeten Autos gehören vermutlich zum Privatfuhrpark des Lewis- oder Hal-Berg-Clans, Requisiten gibt’s nicht, abgesehen mal von dem Globe, der in seinem früheren Leben vielleicht mal Bestandteil eines Samowars war oder als vielversprechendes Gerümpelstück von Lewis auf einem Flohmarkt gesichtet wurde [“ey, dat Ding is geil, dat könnwa bestimmt mal innem Film einbauen, rück’ ma ‘nen Dollar rüber”], Kostüme – eh, na ja, der Astronom hat etwas an, was man bei gutem Willen als “Kostüm” beschreiben könnte, alle anderen Darsteller, so viele sind’s ja auch nicht, tragen Straßenklamotten, oder, im Falle der Indianer, nackten grünen Oberkörper und rosa Hosen [frühe Designstudien für den Hulk?], tja, Sets gibt’s auch nicht, 90 % der von Lewis gedrehten Aufnahmen spielen in freier Wildbahn einer Grünfläche, die auch nicht größer als 100 Quadratmeter gewesen sein muss – vielleicht entstand der ganze Film ja im Vorgarten eines der Produzenten; boah, und das war vermutlich die längste Klammerbemerkung der badmovies.de-Geschichte) ist komplett sinnlos, unverständlich, handwerklich übelst (die Schnitttechnik, die Schnitttechnik – zwischen zwei Szenen herrscht schon mal fünf bis zehn Sekunden Schwarzblende, manchmal auch Rotblende, okay, ich lass mich ja korrigieren), grausam gespielt und, das ist ja wohl klar, gnadenlos lustig (mit einer doch recht bedeutsamen Einschränkung, auf die ich gleich noch eingehen werde).
Die Story macht vorn und hinten keinen Sinn, funktioniert nicht mal als Märchen (da selbst die doch manchmal logische Zusammenhänge aufweisen), widerspricht sich an allen Ecken und Enden. Meinem hypothetischen Kind würde ich den Film jedenfalls nicht vorführen, weil ich davon ausgehe, dass einer meiner Abkömmlinge am Ende noch versuchen würde, dieser Plotte zu folgen, und das ist vergebene Liebesmüh. Konzentrieren wir uns also lieber auf das abartig schlechte Acting von Mr. Fig, dem Astronomen, Jimmy und Aurora (einzig der Medizinmann entkommt meiner Schelte, weil – man kann ja nie wissen, ob der nicht noch böse Medizin in seinem Beutel hat), die lustige Farbgebung mit den Farbfilterspielerein, die abenteuerliche Kameraführung und den rumpeligen Schnitt. Macht Laune, wenn man’s in der richtigen Stimmung betrachtet – wir waren hier auf ein zünftiges Trasherlebnis vorbereitet und selbst wir wurden noch kalt erwischt. Einpfeifen bewußtseinserweiterender Drogen wird vor Genuss dieses Films dringend empfohlen.
Allerdings hat der Film einen entschiedenen Haken – die geklaute Zeichentricksequenz hält nicht nur den, hüstel, Fortgang der Story auf, sie ist auch ziemlich öde. Trotz der Synchro-Pannen (was heißt hier Pannen, das war den Beteiligten schlicht und ergreifend vollkommen egal, ob da die Stimmen zu den Bildern passen, man kann sich ja wirklich nicht um alles kümmern) und dem ein oder anderen Hintergrund-Gag des Original-Films (wenn z.B. plötzlich ein Charlie-Chaplin-Filmplakat auftaucht und kurz “lebendig” wird) ist das ganze einfach langweilig – die aufgesetzte Story passt nicht zu den Bildern, der Zeichenstil und die Animation sind zwar okay bzw. flüssig, aber halt auch nicht aufregend (60er-Jahre-Non-Disney-Standard, würd ich mal sagen), aber es tut sich nicht wirklich was. Die zwanzig Minuten gehören m.E. wirklich aus dem Film gestrichen – dann hätte der Film ein handliches 45-Minuten-Format und wäre ein wirklich goldiger Partykracher erster Kajüte. Im mir vorliegenden Videoformat kann man diesen Part aber halt nicht wirklich elegant und ohne Zeitaufwand überspringen.
Schauspielerkritik in gewohnter Form verbietet sich – ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur einer der beteiligten “Mimen” (ich trau mich fast gar nicht, das Wort zu benutzen) auch nur ansatzweise professionell mit Schauspielerei was am Hut hatte – zumindest Aurora dürfte in verwandtschaftlichen Beziehungen zu Drehbuchautor und vermutlich auch Geldgeber Hal Berg stehen (was, neben ihrer nicht unangenehmen Singstimme, die aber sicherlich nicht der ausschlaggebende Grund fürs Casting gewesen sein dürfte, wohl ursächlich für die Besetzung als weibliche Hauptrolle war). Jimmy ist der typische Fall eines Kinderschauspielers, der selbst mit einer stummen Rolle im Schultheater überfordert wäre, Karl Stuebers Astronom ist ein echter Hinkucker und Mr. Fig kann einem, vor allem dank seiner kreischen Stimme, schon ein wenig auf den Zeiger gehen…
Die Bildqualität der mir vorliegenden Cassette ist okay für Alter und Güte des Films, der Ton manchmal etwas schwer zu verstehen und verrauscht, aber es reicht, um den Streifen ausreichend zu würdigen.
Gut, heute können wir uns in der Nachbetrachtung mal etwas kürzer fassen. Jimmy, The Wonder Boy ist ein Unikum. Ein vollkommen missglückter Kinderfilm, den man mit Sicherheit einem Publikum nicht zuführen sollte: Kindern. Die einzige Zielgruppe, die ein solches Erlebnis überhaupt verkraften und angemessen würdigen kann, ist eine ordentlich breite (Ihr wißt, wie ich das meine) Partyrunde trashgestählter Vielseher, die vor nichts zurückschrecken – kaum zu glauben, dass Lewis diesen Streifen drehte, während er zwar auch filmtechnisch nicht gerade weltbewegende, aber immerhin handwerklich einigermaßen ordentliche, nach Film aussehende Low-Budget-Drive-In-Fodder-Schmodder-Filme wie Scum of the Earth, Two Thousand Maniacs und Konsorten drehte. Hier scheint Lewis entweder nicht mit Herzblut, sondern mit einer “ist-mir-eh-wurscht”-Mentalität bei der Sache gewesen zu sein (was ich natürlich irgendwo verstehen könnte) – ich würd ja sagen, den Film hat Lewis nur des Paychecks wegen gedreht, aber ich glaub kaum, dass ihm jemand was bezahlt hat (dazu müsste der Film erst mal ein Budget gehabt haben). Schon irgendwie kurios, und vielleicht fühle ich mich eines Tages genötigt, mit dem alten Herrn noch Kontakt aufzunehmen und ihn dazu zu befragen (vielleicht warte ich aber ab, bis ich seinen zweiten Kinderfilm, Santa Claus and the Wizard of Oz, oder so ähnlich, gesehen habe).
Anyway, dieser Film ist eine Kuriosität, die man zumindest einmal gesehen haben sollte – für einen Trashfan von Welt ist der Streifen allemal eine Fundgrube. You gotta see it to believe.
Ach ja, zwei Worte noch: GROSSES KINO!
(c) 2003 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 10
BIER-Skala: 7
Review verfasst am: 01.10.2003