Jasper Park – Ausflug in den Tod

 
  • Deutscher Titel: Jasper Park - Ausflug in den Tod
  • Original-Titel: Backwoods
  • Alternative Titel: Naked - Survival Game |
  • Regie: Marty Weiss
  • Land: USA
  • Jahr: 2008
  • Darsteller:

    Ryan Merriman (Adam Benson), Danny Nucci (Perry Walters), Haylie Duff (Lee), Mark Rolston (Ricks), Troy Winbush (Chris Basso), Deborah Van Valkenburgh (Mother Ruth), Craig Zimmerman (Johnny Dash), Mimi Michaels (Maggie), Robert Allan Mukes (Josiah), Willow Geer (Gwen)


Vorwort

Es lebe der Teamgeist! Zum Zwecke des Gemeinschaftsgefühls im Allgemeinen und der Mitarbeiterbewertung im Besonderen karrt Computerspielefirmenboss Johnny sieben mehr oder minder enthusiasmisierte Angestellte in die Prärie, um dort eine zünftige Paintball-Runde zu zocken (hm, meine Kanzlei hat sich dieses Jahr für Bogenschießen entschieden. Was ist besser?). Weil das Spielen in einem offiziellen Paintball-Gebiet bekanntlich langweilig ist (die haben nie Paintball gesehen), findet die Veranstaltung eher inoffiziell in einem Naturpark statt. Schon ohne fremde Helfe finden unsere Spieledesigner genügend Möglichkeiten, sich auf den Keks zu gehen – Chef Johnny würde gern bei Lee landen, doch die hat von den Flurfunkgerüchten um sie und den Boss eh schon die Nase voll und würde die Beziehung gern beenden, bevor sie überhaupt richtig beginnt, und Nerd Adam hat so seine liebe Not mit dem hitzköpfigen Perry, der als einziger der Gruppe das Herumballern mit Farbpatronen für die knorkigste Idee seit der Erfindung von Toastbrot hält.

Nachdem die Truppe von einem wenig vertrauenserweckenden Hinterwäldler eine Abkürzung in den Park hat aufschwatzen lassen, geht’s dann auch bald im Tarnanzug los. Perry glaubt, einen Abschuss gelandet zu haben, doch das andere Team gibt zu Protokoll, aufgrund akuter kartenlesefehlerbedingter Orientierungslosigkeit gar nicht in der Nähe zu sein. Bevor Johnny und die Seinen sich einen Reim darauf machen können, bekommen sie über Funk mit, wie das andere Team offensichtlich von dritter Seite attackiert wird und schon bald wissen sie auch, von wem – mit Pfeil und Bogen (weia!) bewaffnete Hinterwäldler erlegen Johnny und kidnappen unter gütiger Mithilfe des Parkrangers den Rest.

Während die Frauen abgesondert werden, wird Adam gefoltert und ihm die Sachlage klar: die Gruppe ist nichtsahnend in das Privatreich einer extremen Fundichristensekte gestolpert. Die Frauen sind als Gebärmaschinen hochwillkommen, die Kerle jedoch werden (dank einiger unbedachter Worte Perrys und der Kappe Johnnys) für fiese FBI-Agenten gehalten. Adam schafft es, sich und seine überlebenden Freunde zu befreien, doch müssen die Frauen noch rausgepaukt werden…


Inhalt

Backwoods, die 387. Immerhin ist dieser amerikanische Kabel-TV-Film im Original ehrlich genug, schon mit seinem Titel nichts anderes zu behaupten. Da weiß man, was man kauft.

Auch wenn, ehrlich gesagt, die Thematik mittlerweile beinahe genauso ausgelutscht ist wie das fröhliche Zombierangeln – es ist ein erzählerisch limitiertes Sujet, das also konsequenterweise eigentlich nur noch über seine Schauwerte (und in dem Fall heißt das Splatter und Gore) punkten kann. Und da soll nun ein TV-Film, selbst wenn’s einer ist, der für einen Kabelsender, bei denen traditionell mehr geht als beim normalen Network-TV, in diesem Falle Spike TV, Heimatsender z.B. der UFC-Fighter, ’nen Unterschied machen? Naja, wenigstens ist es keine SciFi-Produktion.

Drehbuchautor Anthony Jaswinski, bislang nur durch das 2002 in Sundance für den Jury-Preis nominierte Independent-Drama „Killing Time“ aufgefallen (nach „Backwoods“ schrieb er er erneut für Marty Weiss den TV-Actionfilm „Xtra Credit“), hatte also keine großartigen Möglichkeiten und/oder Ambitionen, neuartige Variationen in die Story einzubauen. Wenn man so will, ist sein einziger Ansatz, sich von all den „Wrong Turns“, „Hills Have Eyes“ und Konsorten abzusetzen, nicht die bewährte degenerierte-Inzest-Mutanten-Karte auszuspielen, sondern sich an den kritikerseits etwas wohlgelitteneren, mainstram-tauglicheren Klassikern wie „Beim Sterben ist jeder der Erste“ oder „Die letzten Amerikaner“ zu orientieren, also anstelle einer reinen Horror-Bedrohung eine das Treiben in den Thriller-Bereich schiebenden „realistischen“ Ansatz der selbstgewählt abgeschieden lebenden, autarken „Gemeinde“, die die Außenseiter weniger aus Spaß an der Freud und dem hobbymäßigen Herumwühlens in Eingeweiden niedermetzelt als vielmehr um die geheime Abgeschiedenheit der Gesellschaft aufrechtzuerhalten.

Durchaus ein gangbarer Weg, wenn auch irgendwie nicht voll durchgezogen – die Hintergründe der Sekte bleiben weitgehend unbeleuchtet (viel mehr, als dass sie offenkundig eine eher apokalyptisch ausgerichtete Glaubensvision teilen, bekommen wir nicht an „Mythologie“), und warum ihr „Auserwählter“ ausgerechnet derjenige von ihnen ist, der als einziger dem typischen Inzest-Backwood-Mutanten-Klischee entspricht (mit entsprechend derangierten Gesichtszügen, überschauberer Intelligenz und Verständigung nur per Grunzlauten), nunja, das kann uns Mutter Ruth, geistiges Oberhaupt der Gruppe, sicher bei einer Tasse naturtrübem Fencheltee erklären, aber nicht innerhalb des Films.

Die Idee des „Zuchtprogramms“ innerhalb der Sekte, für das neue, äh, Gebärmutterspenderinnen benötigt werden, ist so neu auch nicht (zuletzt hatten wir sie im Backwoods-Terrain vor knapp zwei Jahren mit dem australischen Genrevertreter „Dying Breed“), aber immer noch halbwegs effektiv, der – ebenfalls nicht gerade ausbuchstabierte – Umstand, dass die Sekte in ihrem unterirdischen Bunkerlabor offenbar auch noch Drogen köchelt, ist mir schon fast ein wenig zu viel des Guten (und wirkt vor allem nicht sonderlich konsistent mit dem, ehm, Glaubensbekenntnis der Sekte, will sagen, der augenscheinlich existente Kontrast zwischen „spiritueller“ und weltlicher Sicht der Dinge innerhalb der Sekte wird nicht thematisiert).

Auf Seite der Protagonisten gibt’s die üblichen Klischeefiguren, wobei das Betriebsausflugs-Umfeld seit „Severance“ auch keine Innovation mehr darstellt. Dennoch funktioniert das Charakterkonstrukt ganz passabel (ja, es stimmt – ein auf sexuelle Belästigung spezialisierter Anwalt könnte sich hier mehrere neue Golfausrüstungen verdienen); Perry ist mir etwas zu übertrieben asoziales Arschloch (in jeder Firma, die Teamwork und gutes Betriebsklima nicht nur in ihre Stellenanzeigen schreibt, hätte der nicht viel Freude), Adams Wechsel vom Weichei zum Beschützer und Rächer der Witwen und Waisen ist zwar genrebedingt, aber trotzdem nicht sonderlich glaubwürdig (zudem verfällt er zumindest einmal der Slasherfilmheld-Stupidität: als Ranger Ricks ihm mitteilt, er hätte Adams Satellitentelefonnotruf über „eine alte Radiofrequenz“ reinbekommen, stellten sich bei mir – völlig ungeachtet der Tatsache, dass wir als Zuschauer dank Teasersequenz einen Wissensvorsprung haben – sämtliche Nackenhaare auf). Komischerweise ist die erste Hälfte, sprich der Part, bevor unsere Protagonisten tutti kompletti in die Fänge der Wahnsinns-Sekte fallen, fast die interessantere – möglich, dass ich aus eigener Erfahrung für verschroben-schwierige Büro-/Kollegen-/Chef-Verhältnisse ein wenig sensibilisiert bin, ich bin jedenfalls der Meinung, dass man aus der Paintball-Partie unter Kollegen sogar ohne Hinterwäldler-Beteiligung einen ziemlich spannenden Thriller hätte stricken können. Sei’s drum.

Die zweite Hälfte, der eigentliche Horror-Part, nimmt sich zunächst ein paar zahme Anleihen beim „Hostel“-artigen Torture Porn, ehe sich direkt der reichlich ausgewalzte Showdown anschließt, in dem die Protagonisten im Vergleich zum üblichen Backwoods-Metzler eine wesentlich aktivere Rolle übernehmen und die gewohnte Jäger-/Gejagte-Beziehung quasi umdrehen, was zumindest für eine etwas andere Dynamik sorgt. Nicht gerade revolutionär, zumindest aber mal anerkennenswert.

Zum gebotene Handwerk: Marty Weiss (der 2005 mit dem Muay-Thai-Action-Horror-Hybriden „Vampire: The Turning“ debütierte) droht uns mit dem extrem hektischen Vorspann, der alle Register des Publikumsnervens zieht, das Schlimmste an, aber „Jasper Park“ ist dann doch ganz erträglich ausgefallen. Kein hypernervöses Handkameragezumpel wie in „Paintball“, aber mit Ausnahme einiger eher unmotiviert in schwarz-weiß gehaltener Sequenzen auch ohne sonderlich gewinnbringende visuelle Einfälle. Immerhin – dank Teaser-Sequenz (die nicht vergessen wird, sondern durchaus von gewisser Bedeutung für’s weitere Prozedere ist), der passablen Charakterdynamik innerhalb der Firmengruppe und des ausführlichen Showdowns, der quasi den gesamten dritten Akte ausmacht, kommen keine Längen auf, der Streifen legt trotz einer nominell langwierigen set-up-Phase, bis wir zum „good stuff“ kommen, ein okayes Tempo vor (das ist der Vorteil an einem, äh, „eingeführten“ Subgenre, man muss sich nicht großartig um Dramaturgie kümmern, das ergibt sich im Regelfall ganz von allein).

Die „Umstellung“ von Inzest-Mutanten zu verrückten Sektieren macht auch nötig/verständlich, dass „Jasper Park“ nicht exzessiv in Blut und Eingeweiden schwelgt, es wird nicht übermäßig gesplattert (FSK 18 ist schon okay, aber da gab’s schon ganz andere Schlachtplatten), technisch ist das in Ordnung, allerdings einmal extrem dämlich (zumindest von der Dramaturgie her – wenn ein Charater von einer Vietcong-artigen Dschungelfalle perforiert wird, sich noch ein Gewehr in die Hand drücken lässt und dreivierteltot ein einhändiges Sektiererscheibenschießen veranstaltet, ist das so weit jenseits jedweder „suspension of disbelief“, dass es eigentlich nur in einer Parodie durchginge). Der TV-Herkunft des Streifens ist es zu „verdanken“, dass „Jasper Park“ trotz einer gewissen sexuellen Konnotation zumindest in dieser Hinsicht jugendfrei bleibt. Speziell Haylie Duff sieht zwar knackig aus, aber mehr als ein paar Bikini-Shots gönnt man uns nicht. Boo!

Womit wir elegant wie eh und je zu den Darstellern übergeleitet hätten. Die Hauptrolle des Büro-Nerds, der über sich hinauswachsen muss, geht an Horror-Spezi Ryan Merriman („The Ring 2“, „Final Destination 3“, „Halloween: Resurrection“) – der Charakter hat ein ganz grundsätzliches, oben kurz angedeutetes Glaubwürdigkeitsproblem, aber Merriman schlägt sich ganz wacker. Danny Nucci (den ich lustigerweise keine Stunde nach Beendigung der „Jasper Park“-Sichtung in meiner privaten „Dr. House“-Staffel-1-Retrospektive wiedersehen sollte… außerdem hat man Nucci in Firestarter 2 – Rekindled, „Titanic“ oder „World Trade Center“ gesehen) übertreibt’s mir persönlich ein wenig mit der Überdrehtheit seines schießwütigen, von sich selbst (und sowohl seiner Witzigkeit als auch Frauenwirkung) ausgesprochen überzeugten Cartoon-Charakters (allerdings ist dann auch – SPOILER sein Cartoon-Tod SPOILERENDE einigermaßen „in character). Haylie Duff („Napoleon Dynamite“, „Addams Family Reunion“, „7th Heaven“), ihres Zeichens hauptamtlich ältere Schwester der bekannteren und (und untalentierteren) Hilary Duff (mit der sie in „Material Girls“ auch zusammenspielte), wirft ihr Aussehen in die Waagschale und fährt damit noch einigermaßen vernünftig. Die Schurkenfraktion wird verkörpert von Mark Rolston („Aliens“, „Lethal Weapon 2“, „Die Verurteilten“, „Hard Rain“, „The Departed“, „Saw V“), der versucht, seinen Part mit gewissem Understatement zu spielen, um seine gewalttätigen Ausbrüche besser wirken zu lassen (klappt eingeschränkt), und Deborah Van Valkenburgh („The Warriors“, Mean Guns, „Firestarter 2“, The Devil’s Rejects), deren Mother Ruth durchaus recht creepy daherkommt. Den „Auserwählten“ Josiah mimt Robert „Bonecrusher“ Mukes (Rufus in House of 1000 Corpses), der eigentlich Pro-Wrestler werden wollte (was man gaaaar nicht mekrt), aber mittlerweile eine ganz ordentliche Karriere als character player für physisch imposante „Heavies“ in Film und Fernsehen gestartet hat. Hier muss er nicht viel mehr als bedrohlich kucken, Mordwerkzeuge schwingen und grunzen.

Bildqualität: Die DVD von Sunfilm präsentiert sich ordentlich – der anamorphe 1.85:1-Transfer ist in Sachen Kontrast, Schärfe und Kompression manierlich, lediglich ein-zwei kurze Störblitze drücken die B-Note.

Tonqualität: Deutscher Ton (Dolby 5.1, dts) und englischer O-Ton (Dolby 5.1) werden geboten, dazu optionale deutsche Untertitel, die – da ich mir die Synchronfassung nicht angehört habe – darauf hindeuten, dass die deutsche Sprachversion ordentlich entschärft und entstellt wurde. Die Tonqualität selbst ist im O-Ton manchmal etwas knarzig (besonders Rolstons Dialoge leiden darunter), aber es ist noch akzeptabel.

Extras: Nur der Trailer.

Fazit: Es ist eigentlich wie immer beim Backwood-Metzler – auch „Jasper Park“ erfindet das Rad nicht neu, dafür gibt das Thema einfach zu wenig Variationsmöglichkeiten her. So richtig großen Gewinn aus der Umdeutung der Schurken-Fraktion von Inzest-Mutanten zu frömmlerischen Sektierern zieht das Script nicht (einfach auch, weil die Hintergründe der Sekte zu vage bleiben), aber mit ein-zwei Ausnahmen macht’s auch keine großen Dummheiten. „Deliverance“ & Co. muss man deswegen jetzt nicht wegwerfen, aber anstelle sich mit den Wrong Turn-Sequels rumzuärgern, kann man sich ja auch mal einem zumindest *etwas* frischeren Ansatz widmen. „Jasper Park“ ist kurzweilig genug, auch ohne Extrem-Effekt-Einlagen ordentlich hart, technisch sauber inszeniert und zumindest brauchbar geschauspielert, was unter’m berühmten Strich in einem soliden, wenn auch nicht herausragenden Horror-Klopper resultiert. Okay.

3/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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