It Follows

 
  • Original-Titel: It Follows
  •  
  • Regie: David Robert Mitchell
  • Land: USA
  • Jahr: 2014
  • Darsteller:

    Maika Monroe (Jae), Lili Sepe (Kelly), Keir Gilchrist (Paul), Daniel Zovatto (Greg), Jake Weary (Jeff), Olivia Luccardi (Yara), Bailey Spry (Annie)


Vorwort

Die neunzehnjährige Jae lebt mit ihrer Schwester Kelly und ihrer Mutter in einem noch nicht ganz der Apokalypse anheimgefallenen Vorort Detroits. Ihr Freund Hugh ist ein netter – zwar ab und zu mal etwas seltsam, aber nicht seltsam genug, um nicht eines schönen Tages auf dem Rücksitz seines Wagens die Jungfräulichkeit an ihn zu verlieren. Etwas sehr seltsam ist allerdings, dass er sich nach dem zu beiderseitiger Zufriedenheit verlaufen seienden Akt mit Chloroform betäubt, in ein leerstehendes, verfallenes Gebäude schleppt und dort an einen Stuhl fesselt. Der wieder erwachten Jae verkündet Hugh seltsames – er wolle ihr nichts Böses, aber er habe ihr „es“ per Sexakt weitergegeben. „Es“ werde versuchen, nunmehr Jae – in beliebiger menschlicher Gestalt – zu erreichen und zu töten – nur, wenn sie den Fluch per Sexakt an eine andere Person weitergibt, wird „es“ von ihr ablassen, aber nur, sofern das nächste Opfer nicht von dem geheimnisvollen Wesen getötet wird – dann arbeitet es sich nämlich in der Fickreihenfolge wieder zurück… Die geschockte Jae will von solchen Horrorgeschichten verständlicherweise wenig hören, doch als wie von Hugh angekündigt eine mysteriöse nackte Frau erscheint und zielstrebig auf sie zuhält, sieht die Sache schon anders aus…

Hugh schmeißt Jae wieder in seine Karre, setzt sie halbnackt vor ihrer Haustür ab und verschwindet gen Nimmerwiedersehenland (hofft er). Natürilch wird Hugh für einen durchgeknallten Vergewaltiger gehalten und seine Story ins Reich extrem blöder Ausreden verwiesen, doch schon bald fühlt sich Jae von ihr unbekannten Personen verfolgt und bedroht. Sicherheit gibt es nirgendwo, wohin immer Jae flieht, „es“ spürt sie auf. Auch Kelly, Jaes Sandkastenfreund Paul und dessen Schwester Yara müssen zugeben, dass Jaes hysterischen Panikattacken womöglich nicht unbegründet sind. Als sich auch noch der attraktive Nachbarsbursche Greg einschaltet, kommt die Sache ins Rollen. Die Gruppe findet tatsächlich Hugh, der in Wahrheit Jeff heißt, und seine Geschichte enthusiasisch bekräftigt.

Greg offeriert Unterschlupf in der Jagdhütte seines alten Herrn, doch „es“ lässt sich nicht lumpen und bietet Jaes Freunden, die bis dato nicht ausgeschlossen haben, dass Jae hier nur irgendwelche Traumata mit Jeffs Story gekreuzt hat, erstmals physische Beweise für seine Existenz. Da wird dann auch die Lösung, den Fluch per Sex weiterzugeben, zu einer auf einmal attraktiven Lösung. Vor allem aus Pauls Sicht, der sich nur zu gerne freiwillig melden würde. Aber Jae hält sich an Greg und nachdem der ein paar Tage unbehelligt bleibt, scheint der Fluch gebrochen zu sein…


Inhalt

Sie sind selten geworden – Horrorfilme mit einem originellen Konzept. Auch wenn’s hin und wieder respektable Versuche gibt, das Genre von der reinen Schock- und Splattershow wieder in Richtun des wirklich angsteinflößenen Schauerkinos zu bewegen, das nicht nur über oberflächliche Effekte den Zuschauer zu erschrecken sucht. Wenn dann ein Film daher kommt, der nicht nur eine frische Idee aufweist, sondern sie auch verspricht, sie „old-schoolig“ umzusetzen, na, dann sehe ich mir das doch mal an.

„It Follows“ von David Robert Mitchell läuft beim FFF im Fresh-Blood-Wettbewerb (obwohl Mitchell schon einen Langfilm auf dem Kerbholz hat, aber weil „The Myth of the American Sleepover“ kein Genrefilm ist, zählt er wohl nicht) und führt uns stilistisch gefühlt in die frühen 80er Jahre – was wir hier vor uns haben, ist ein „klassischer“ übernatürlicher Horrorfilm, dessen Hauptbestreben es noch ist, mit elaboraten FX-Sequenzen und/oder kreativen Tötungsmethoden die inhaltliche Leere zu kaschieren, sondern mit einem simplen Konzept das Höchstmaß an Spannung und Schrecken zu erzeugen.

In der Tat packt uns „It Follows“ mit der denkbar primitivsten aller Ur-Horrorgeschichten: es kommt, um dich zu holen. Simpler, aber auch effektiver, geht’s kaum. Die diversen Boni (es findet dich überall, es kann jede Gestalt annehmen und nur *du* kannst es sehen) machen die Kreatur zum ultimativen Boogeyman – es ist ein Monster, das keinerlei Hintergrundmythologie braucht; ich habe das beim FFF-Publikum verschiedentlich als Schwachpunkt ausgemacht gehört, aber „It Follows“ orientiert sich strukturell an Filmen wie dem ersten „Nightmare“ und, seien wir ehrlich, wieviel „Persönlichkeit“, wieviel Background hatte Freddy Krueger (der da ja auch noch Fred hieß) schon? „It Follows“ ist reine Angst, reine Panik, reiner Überlebenskampf – da ist überhaupt keine Zeit dafür, einem Monster, das schlichtweg weder das eine noch das andere raucht, einen komplexen Charakter, eine ausgefuchste Motivation hinzuschreiben. Es existiert, es will dich killen, und du kannst nichts dagegen tun, außer den Fluch weiterzugeben, und selbst dann bist du nicht sicher, weil du trotzdem auf der „Liste“ bleibst – und glauben wird dir sowieso keiner.

Bei dieser Grundkonstellation ist es selbstredend unabdingbar, dass wir eine Hauptfigur haben, mit der wir angemessen mitzittern können (als Vergleichswert: mit Kylie aus Housebound als Protagonistin würde der Film nicht funktionieren) und Jae erfüllt diese Voraussetzung – ein nettes junges Mädchen ohne Allüren, ganz das sympathische girl-next-door. Auch die weiteren Charaktere sind überwiegend natürlich wirkend (man kann sicherlich darüber diskutieren, dass außer Paul keine der Nebenfiguren sonderlichen Tiefgang mitbekommt) – lediglich der Einbau von Greg kommt ein wenig gekünstelt (insonfern kann ich Paule schon irgendwo verstehen, dass er leicht angepisst ist, als Jae zwecks Fluchweitergabe mit Greg schläft. Andererseits, Paul, kuck mal in den Spiegel). Letztlich ordnet sich aber alles an Charakterisierung etc. der Reduktion der Plotte auf das zentrale Gimmick unter, alles, was Ballast sein, von Jaes Dilemma ablenken könnte, hat keinen Platz.

Folgerichtig gelingen Mitchell einige der nervenzerfetzendsten, spannendsten „stalking“-Szenen der jüngeren Filmgeschichte, ohne auf FX-Gewitter oder Splatterorgien zurückgreifen zu müssen (wenn ich mich recht erinnere, gibt’s den einzigen saftigen Splattereffekt in der Teasersequenz), und mit einem Bodycount von 2 (in Worten: zwei, und da ist der Teaser schon mit eingerechnet). Verschiedentlich habe ich vom FFF-Publikum auch gehört, der Fim sei „zu lang für seine Idee“ – offensichtlich bin ich langsam, aber sicher, an dem Punkt angekommen, an dem ich mich von der Dauerkartenklientel altersmäßig weit genug abgesetzt habe, um auch mal einem 100-Minuten-Film, der sicher nicht die Überholspur erfunden hat, aber mit einer ungeheuren Konsequenz – wie sein Monster – vorwärts marschiert, die notwendige Zeit zu geben (wenn überhaupt, gibt’s mal ein paar Momente in der Greg-und-Jae-in-love-Phase, die man hätte straffen können). Ebenso sind die Plotholes, die kritische Geister (besonders im Showdown) ausgemacht haben wollen, bei nochmaligem Drübernachdenken durchaus erklärlich…

Aber auf eins muss ich dann doch noch einigermaßen kritisch eingehen. Wie der aufmerksame Leser sicherlich gemerkt hat, ist „It Follows“ schließlich und endlich eine STD-Metapher, will sagen, eine Parabel über sexuell übertragbare Krankheiten. Das ist prinzipiell im Horrorfilm auch keine völlig neue Idee (wir erinnern uns an David Cronenbergs Frühwerk, das praktisch auch exklusiv auf diesem Einfall basiert) und dagegen ist auch grundsätzlich erst mal nicht viel zu sagen (spitzzüngig könnte man auch sagen, dass grad die Amerikaner Aufklärung auf dem Gebiet bitter nötig haben), aber die letztlich von „It Follows“ postulierte Moral ist die wohl verklemmteste, die ich jemals erlebt habe, denn die „Lösung“, die der Streifen anbietet, ist schlicht und ergreifend, um’s mit einem alten 80er-Filmtitel zu sagen, „Gar kein Sex mehr“. Safe Sex nützt nix, impliziert „It Follows“, es ist immer schlecht und es wird immer mies ausgehen. Nun ist Horror per se ein erzkonservatives und hochmoralisches Genre (ganz im Gegensatz zum typischen Horror-Konsumenten, hehe), in dem die Abweichung von der gesellschaftlichen Norm bestraft wird (üblicherweise repräsentiert eben durch die unheilige Dreifaltigkeit Kiffen/Saufen/vorehelicher Sex). Man könnte nun argumentieren, dass Jae sich zumindest des vorehelichen Sex schuldig macht, andererseits lässt der Film keinerlei Rückschluss darauf zu, dass es bei „erlaubtem“ Sex anders laufen würde – was meine kurzfristig erarbeitete Theorie, der Streifen wäre geschickt getarnte Fundichristen-Propaganda für die „Keuschheits“-Bewegung, die unter konservativen Teenagern in den Staaten ja viele Anhänger hat, auch in sich zusammenbrechen lässt) – ist „It Follows“ am Ende eine Parodie auf dieses Movement, sozusagen der Ausblick auf die konsequente Fortschreibung des Abstinenz-Gedankens? Wäre mal interessant, mit Mitchell darüber zu diskutieren…

In diesem Zusammenhang auffällig ist auch die praktisch völlige Absenz von Erwachsenen – Jaes Mutter hat genau zwei kurze Szenen (und eine davon mit ein oder zwei Dialogzeilen), dabei aber beiläufig als Alkoholikerin gezeichnet, ansonsten gibt es keine Erwachsenenfigur, die irgendeine Relevanz für die Geschichte hätte. Das kann man nun auch wieder dahingehend interpretieren, wie amerikanische Teens sich in Fragen zum Thema Sexualität allein gelassen fühlen (die zunehmende Tabuisierung auch vergleichsweise harmloser geschlechtlicher Umtriebe trägt ja oft und gern zur Erheiterung aufgeklärter Europäer bei).

Wie gesagt – ich bin mir, auch mit ein paar Tagen Abstand, nicht sicher, worauf „It Follows“ damit hinaus will, oder ob der Film damit *überhaupt* auf etwas hinaus will, demzufolge bin ich auch gewillt, meine Schimpfe, die ich spontan nach dem Screening ob seiner vermeintlich überpuritanischen Moral verteilen wollte, erst mal zurückzustellen – es kann auch gut gemeint sein, und auf jeden Fall liefert’s food for thought.

Darstellerisch ist Maika Monroe („Labor Day“, „The Guest“) eine Entdeckung – ihre Natürlichkeit und Unaffektiertheit ist ansteckend, persönlich angesprochen hat mich zugegebenermaßen aber mehr Lili Sepe als Kelly (ja, ich bin ruhig, ich vergreife mich nicht an Siebzehnjährigen). Keir Gilchrist („Dead Silence“, „Taras Welten“) ist zuverlässig als Paul, Olivia Luccardi („Orange is the New Black“) hat als latent durchgeknallte Yara nicht wirklich viel zu tun. Ein Schwachpunkt ist Daniel Zovatto („Beneath“, „Innocence“) , der den Greg als ziemlich farblosen Möchtegern-„bad boy“ anlegt, ohne dabei meßbare Ausstrahlung zu verbreiten. Jake Weary, als Hugh/Jeff ganz in Ordnung, verdankt seine Popularität der YouTube-Show „Fred“, die es mittlerweile auf drei Filme und eine Fernsehserie gebracht hat, obwohl sie allgemein für Müll gehalten wird…

Fazit: Spannender, angenehm old-schooliger Horror, der auf Spannung und Paranoia statt auf Splatter und FX setzt, der aus dem wohl einfachsten aller Konzepte zur Angsterzeugung das Maximum herausholt – gepaart mit der ambivalenten Moral ergibt das ein Highlight im Genrejahrgang 2014!

4/5

(c) 2014 Dr. Acula


mm
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