Invasion – Angriff der Körperfresser

 
  • Deutscher Titel: Invasion - Angriff der Körperfresser
  • Original-Titel: Infection
  • Alternative Titel: Invasion |
  • Regie: Albert Pyun
  • Land: USA
  • Jahr: 2005
  • Darsteller:

    Jenny Dare Paulin (Cheryl Cooper, als Virginia Dare), Morgan Weisser (Timmy Boswell), Alan Abelew (Jenkins), Don Keith Opper (Deputy Ben – Stimme), Norbert Weisser (Dr. Franks/Deputy Ben), Scott Paulin (Officer Brick Bardo), Laurie O’Brien (Reporter), Cary Thompson (Government Agent/Alien), Tony Stewart (Man with Disabled Truck), Joseph Friedl (Tow Truck Driver), Lauren Sutherland (Jenkins‘ Wife)


Vorwort

Eines Nachts im Lawton Valley, einer abgelegenen kalifornischen Ecke – Officer Brick Bardo geht einem Anruf des „Nachtfischers“ Jenkins nach, der von merkwürdigen Meteoriten, die vom Himmel fallen, berichtet, nur einer von diversen seltsamen Notrufen, die Deputy Ben in der Einsatzzentrale in Atem halten. Bardo findet Jenkins, doch der ist nicht mehr er selbst… Jenkins überwältigt Bardo und infiziert ihn mit einem außerirdische Parasiten, der prompt die Kontrolle über den aufrechten Gesetzeshüter übernimmt. Bardo widmet sich einem Teenager-Pärchen, das in der örtlichen „Lover’s Lane“ den dort üblichen Aktivitäten nachgeht. Bardo infiziert Timmy Boswell, den Sohn des Bürgermeisters, doch dessen Gspusi Cheryl gelingt es in höchster Not, sich Bardos Polizeikalesche zu bemächtigen und panisch das Weite zu suchen.
Es gelingt ihr, mit Deputy Ben Funkverbindung aufzunehmen, der ihre wilde Geschichte begreiflicherweise nicht wirklich glauben mag, bis die Indizienlage nicht mehr wegzudiskutieren ist. Dr. Franks, ein NASA-Experte, der wegen der Meteoriten eh schon in der Gegend ist, begreift, was vorgefallen ist – auch wenn er sich der Tragweite der außerirdischen Infektion, die er für eine relativ harmlose Krankheit, ungefähr so dramatisch wie Menengitis, hält, nicht bewusst ist. Cheryl kann, weil Timmy und Jenkins die einzige Ausfallstraße blockieren, den Park nicht verlassen, während in Lawton die Infektion um sich greift und Chaos ausbricht. Kann die Armee die Lage retten?


Inhalt

Das wird entweder das einfachste oder das schwierigste Review, das ich jemals zu schreiben hatte – und höchstwahrscheinlich sogar noch das überflüssigste, weil ich bequem auf den Wortvogel verlinken und mir seine Ausführungen vollumfänglich zu Eigen machen könnte. Aber so einfach mache ich es mir natürlich nicht…

First things first. Als ich vor, puh, drei Jahren wohl zum ersten Mal von Albert Pyuns Vorhaben hörte, einen SF-Horrorfilm in einem einzigen, ununterbrochenen Take zu drehen, war ich gleichermaßen begeistert wie erschüttert. Pyun ist bekanntlich trotz des eher übersichtlich geratenen Anteils gelungener Filme in seinem Ouevre (Nemesis, Mean Guns, „Blast“ und mein persönlicher Favorit im Bereich der WTF-Filme, „Alien vom Highway“) einer meiner Lieblings-Trashologen. Klar, er hat jede Menge Stinker fabriziert, für die ich ihm mit Freuden die Visage polieren würde, hätte ich die Gelegenheit, aber es hat etwas auf bizarre Weise charmantes, den oft unter hanebüchenen Bedingungen entstanden Werken eines Mannes, der immerhin bei Akira Kurosawa gelernt hat, beizuwohnen.

„Invasion“ ist, soviel ist klar, ein Gimmick-Film ersten Ranges – aber nicht nur, dass Pyun sich zur Aufgabe gesetzt hat, den Film in einer einzigen, 63 Minuten langen Szene ohne Schnitt und doppelten Boden abzudrehen, nein, das reicht natürlich nicht für einen Filmschaffenden seines Ranges, man muss zusätzlich noch das Prinzip von „Blair Witch Project“, „rec“ oder „Cloverfield“ auf die Spitze treiben, der gesamte Film wird aus der Perspektive einer Überwachungskamera auf dem Armaturenbrett eines Polizeiwagens abgespult. Und da Pyun, im sicheren Verständnis dafür, für großflächige Action keine Kohle zu haben, mit tödlicher Präzison selbstverständlich nicht das drehbuchmäßige Chaos der infizierten Stadt zeigt, sondern nur eine ziemlich eintönige Feld-, Wald- und Wiesenlandschaft, in der ein am Wegesrand abgestelltes Dixiklo zu den größeren Sehenswürdigkeiten gehört, gibt’s nicht arg viel zu *sehen*, womit dann auch klargestellt wäre, dieser Film funktioniert (soweit man von „funktionieren“ reden will) hauptsächlich über seine Tonspur; ich lehne mich nicht sehr weit aus dem Fenster, wenn ich mal locker behaupte, dass „Invasion“ als Hörspiel vom audiovisuellen Gesamterlebnis her sich kaum bis gar nicht von der filmischen Fassung unterscheiden würde, oder, anders ausgedrückt – „Invasion“ ist endlich mal ein Film, bei dem „Hinkucken“ ziemlich überflüssig ist.

Storytechnisch ist „Invasion“ kein Bringer (aber das sind bekanntlich die wenigsten Pyun-Filme, und wir sind ja schon froh, wenn ein Pyun-Film so etwas ähnliches wie eine nachvollziehbare Geschichte erzählt, und in der Hinsicht gibt’s bei „Invasion“ nicht viel zu meckern… es ist ja kaum eine Geschichte). Außerirdische Viecher verwandeln arglose Menschen in epileptisch herumstolpernde Zombies, die ihre Krankheit per Parasit-ins-Ohr-pusten weitergeben. Ende. Das kann man, wenn man high ist, fröhlich einen „tighten Plot“ nennen, oder aber, ist man böswillig, einfach nur eine beliebige, austauschbare 08/15-Plotte, die nur da ist, weil die fest montierte Kamera ja notgedrungen *irgendwas* filmen muss und 60 Minuten Landstraße pur bestenfalls im Nachtprogramm der ARD zu verklappen wären, nicht aber als Direct-to-DVD-Release. Also erwartet nichts im Sinne von glaubwürdigen Charakteren (obgleich man bzw. frau, das Drehbuch verfasste Cynthia Curan, neuerdings Pyuns Haus-Autorin, sich immerhn soviel Mühe gegeben hat, Cheryl ein wenig Background zu verschreiben. Nicht, dass die Tatsache, dass das Mädel von Timmy schwanger ist und sich deswegen mit ihm gezofft hat, für die Story von Relevanz wäre), dramatischen Plotdrehungen und -wendungen oder quotablen Dialogen (die bestehen nämlich größtenteils aus bösen four-letter-words und Anrufungen wie „Oh Gott“, „Oh Nein“, „Hilfe Hilfe Hilfe“ u.ä. Meisterwerken der Kurzprosa). Innerhalb des bescheidenen Rahmens entwickelt sich das, was wir leichtsinnigerweise „Plot“ nennen, ganz manierlich (im Großen und Ganzen besteht der Film freilich nur daraus, dass Cheryl mehr oder weniger sinnlos durch den Park kurvt und versucht, sich nicht von den Infizierten erwischen zu lassen), will sagen, größere Kopfpatsch- (tsk, zuerst hab ich „Kopfmatsch“ geschrieben. Kommt ja fast auf’s selbe raus) Momente werden vermieden (ja, natürlich sollte Uninfizierten auffallen, wie unkoordiniert die Infizierten rumhampeln… gen Ende gibt’s einige rätselhafte Merkwürdigkeiten, die ich mir nicht wirklich innerhalb der Storylogik erklären kann, aber eine davon ist zumindest very creepy) und – EXTREME SUPERSPOILERWARNUNG – als Lösung des Problems gibt sich „Invasion“ gleichermaßen nihil- wie realistisch (die Armee schmeißt einfach eine Atombombe auf’s Areal). SPOILERENDE. Auf das Framing Device (es gibt einen kurzen Prolog mit einer Reporterin, die die Geheimnisse in Lawton aufklären will, der am Ende mit einer – zwanzig Meilen gegen den Wind müffelnden – „Pointe“ wiederholt wird; der eigentliche Film wird als „Beweisvideo“ vorgeführt) hätte ich verzichten können, aber das schindet ein paar Minuten Laufzeit und hilft (mit dem ewig langen – 15 Minuten! – Abspann) dem Streifen auf eine knapp abendfüllende Länge.

Filmtechnisch läuft Pyun durch seinen single-camera-Ansatz natürlich in die gleiche Falle, in die schon andere mindere „Blair Witch“-Epigonen gestolpert sind. Dadurch, dass wir nur eine starre Kamera haben, verliert das Gimmick der im weitesten Sinne subjektiven Kamera den Reiz der unterschiedlichen Perspektiven, der Clou, den „Blair Witch Project“ und „Cloverfield“ hatten, nämlich die Bildsprache an sich als erzählerisches Mittel einzusetzen, geht logischerweise verloren, da es *filmisch* völlig bedeutungslos ist, wer im Streifenwagen sitzt und wir als Zuschauer rein dem „Zufall“ ausgesetzt sind und mehr oder weniger gespannt warten müssen, ob und wann mal eine sichtbare Figur versehentlich vor’s Objektiv stolpert. Ein-zweimal nutzt Pyun die sich zwangsläufig einstellende Langmut des Zuschauers für halbwegs effektive jump scares, allerdings ist auch hier der visuelle Aspekt nicht überzubewerten – die Tonspur von „Invasion“ ist LAUT, d.h. wenn ein Infizierter auf die Motorhaube springt, hört sich das ungefähr vom Lautstärkelevel so an, als würden Manowar, AC/DC und Die Krupps gleichzeitig ihren Soundcheck über eine 10-Megawatt-Backline spielen, ergo funktioniert die reine „Hörfassung“ exakt gleich. Will man tatsächlich hinkucken, ist eine gewisse Resistenz gegen autoscheinwerferlichtbeleuchtete Grasvegetation an Straßenseiten mitzubringen…

Immerhin schummelt Pyun nicht (zumindest nicht offensichtlich) bei seinem one-continuous-shot-Ansatz (auch wenn seltsamerweise gleich *zwei* Cutter kreditiert werden); man kann allerdings zumindest mal andiskutieren, ob digitale Verfremdungseffekte einiger Frames als „Schummel“ gelten (wiederum andererseits behauptet Pyun aber nicht, einen Dogma-Film gemacht zu haben, womit auch erklärt wäre, dass ich kein Problem damit habe, dass der Film über einen Score verfügt). FX-seitig ist „Invasion“ beinahe eine Null-Lösung – neben den erwähnten CG-Verfremdungen gibt’s ein paar ebenfalls digital bewerkstelligte Negativ-Effekte (die die Meteoriteneinschläge symbolisieren sollen), blutige Ruppigkeiten sind nicht zu verzeichnen.

Hört sich alles nicht so wirklich toll an, und vor allen Dingen nicht sonderlich filmisch, und doch… ich muss es zugeben, „Invasion“ entwickelte auf mich eine (möglicherweise ungesunde) Faszination, die dafür sorgte, dass ich, obwohl im Film nicht wirklich viel *passiert* (und ich sogar konzentriert zugesehen und nicht währenddessen den Abwasch erledigt oder meine Wohnzimmerwand neu verputzt habe), mich keine Sekunde gelangweilt habe. Vielleicht ist es die durchaus gelungen umgesetzte Stimmung der Verzweiflung, der Verlorenheit und Hilflosigkeit der Protagonistin, die es überhaupt nicht nötig macht, kunstvolle Dialoge zu drechseln, sondern einfach „raw emotion“, eine Art „gritty realism“ zu transportieren, die dem Zuschauer dazu verhelfen kann (ich will hier um Gottes Willen keine Allgemeingültigkeiten postulieren), sich mit ihr und ihrer Situation zu identifizieren, vielleicht ist es, wie auch der Wortvogel schon schreibt, die Radikalität von Pyuns experimentiellen Ansatz, dem Film seinen inhärenten Vorteil gegenüber anderen erzählenden Medien, nämlich eben die Visualität, zu nehmen und ihn dadurch in etwas anderes, rohes, völlig anderes zu transformieren (ich will jetzt nicht von einer „neuen Kunstform“ reden, but you catch my drift), in der die gezeigten Bilder allenfalls noch eine unterstützende Nebenrolle einnehmen, aber für den erzählerischen Aspekt nicht essentiell sind; eine „Kunstform“, in dem vom Zuschauer wieder verlangt wird, aktiv seine Vorstellungskraft einzusetzen, anstatt nur passiv irgendwelche Materialschlachten zu konsumieren, in denen jedes Detail vom Regisseur (oder seinem Art Director, FX-Künstler etc.) vorgegeben wird. Es ist fraglos ein enormer Bruch mit herkömmlichen Sehgewohnheiten, aber nicht ohne Reiz – ich muss nicht täglich einen solchen Film sehen, aber ich muss auch nicht täglich Dogma-Filme sehen, und doch akzeptiere ich klaglos, dass Dogma eine valide und für manche Stoffe geradezu ideale Herangehensweise ist (Lars von Triers „Idioten“ funktioniert m.E. nur deswegen so gut, weil der Dogma-Ansatz dem Film eine unangenehme, dokumentarische Direktheit verleiht, die herkömmliches Erzählkino nicht leisten könnte). Und auf alle Fälle ist es erfrischen, dass ein alter Schundkämpe wie Pyun, der in den ersten Jahren seiner Karriere durchaus für Experimente berüchtigt war („Radioactive Dreams“ oder das erwähnte „Alien vom Highway“ sind sicherlich keine klassischen B-Filme), auf seine alten Tage noch mal ein kommerzielles und künstlerisches Wagnis eingeht (und im Übrigen oute ich mich als Fan des Scores von Tony Riparetti).

Ein Wagnis, bei dem Schauspieler ersichtlich nicht im Mittelpunkt stehen – und angesichts der Aktiven, die sich für dieses Experiment zur Verfügung gestellt haben, sollte man als Zuschauer regelrecht für jede Sekunde, in denen keiner von ihnen vor der Kamera steht, dankbar sein, denn sobald mal ernstlich verlangt wird, dass jemand im Bild ist, werden wir Augenzeuge von grauenvollem Acting, egal, ob das Routinier Scott Paulin („JAG“, „Full Eclipse“, „Scott & Huutsch“, „Teen Wolf“ und schon mit einschlägiger Pyun- UND Brick-Bardo-Erfahrung… „Alien vom Highway“, „Captain America“, „Cyborg Warrior“), seine Tochter Jenny Dare Paulin („Bulletface“, „Cool Air“), Morgan Weisser („Space: Above and Beyond“, und nebenher Sohn von Norbert Weisser, der natürlich – zu meiner Freude, ich bin vermutlich sein einziger lebender Fan – auch mitspielt, sogar in einer Anderthalbfach-Rolle) oder Alan Abelew (Naked Space – Trottel im Weltall) ist. Speziell das Herumgestakse der Infizierten wäre nicht mal mehr in einem Amateur-Zombiefilm tragbar… Fein raus ist „Critters“-Star Don Opper, der lässt nur seine Stimme sprechen (äh), und macht als akustischer Part von Deputy Ben einen guten Job (auch die Paulins sind zumindest vom voice-acting her okay).

Bildqualität: Epix, die sich bekanntlich für nichts zu schade sind (die haben auch das Killer Hog veröffentlicht) bringt „Invasion“ in deutsche Videotheken und Medienshops (mit Wendecover). Der 1.78:1-Transfer ist technisch makellos (zumal high-definition-Video-Look hier im Filmkontext auch mal Sinn ergibt), überzeugt in Schärfe, Kontrast und Kompression (die allerdings auch vor keine Herausforderungen gestellt wird) und weist keinerlei Defekte oder Störungen auf.

Tonqualität: Epix bietet deutschen und englischen Ton jeweils in Dolby 5.1, wobei ich aufgrund der einfach größeren Intensität des voice acting die Originaltonspur bevorzugen würde (deutsche Untertitel werden mitgeliefert). Die Tonspur ist absolut klar, die Soundeffekte und der Score wummen gut rein, lediglich Jenny Dare Paulins Stimme klingt ein wenig matschig, aber vielleicht ist das ja auch im richtigen Leben so.

Extras: Leider nur ein nichtssagender Teaser, eine kurze (und nicht sonderlich beschönigende) Text-Bio für Pyun und eine Epix-Trailershow.

Fazit: Soll ich das Ding nun empfehlen oder nicht? I’m not sure… ich persönlich halte „Invasion“ für ein ausgesprochen kurioses und interessantes „Film“-Erlebnis, ein radikal anderer Ansatz, wirklich eine Art Gegenentwurf zu den gigantomanischen Effektorgien, die heutzutage für SF gehalten werden. „Invasion“ erfordert vom Zuschauer aber zweifellos eine ganz grundlegende Bereitschaft, sich auf einen möglichst „unfilmischen“ Filmkonsum einzulassen, auf eine Rezeption, die Schauspieler, Story, Effekte und Visualität nur als Option sieht. Bringt man diese Voraussetzungen mit, kann „Invasion“ ein, ähm, augenöffnendes Erlebnis sein, hängt man aber an den „normalen“ Konventionen des üblichen Erzählkinos, wird man den Streifen für den größten Haufen gequirlter Kuhscheiße halten, der seit Jochen Tauberts letztem Anschlag auf die Gehirnzellen seines Publikums verübt wurde. Kurzum – eine gewisse Affinität für Arthouse und/oder Experimantelkino ist mitzubringen; aber vielleicht ist das ja auch eine neue Nische – B-Filme für die Baskenmützenfraktion… (im Übrigen bin ich schwer enttäuscht von mir – ich wollte unbedingt einen „paradise by the dashboard light“-Gag in dieses Review einbauen, aber mir fiel nix ein… ich werde alt).

3/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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