Interceptor

 
  • Deutscher Titel: Interceptor
  • Original-Titel: The Wraith
  •  
  • Regie: Mike Marvin
  • Land: USA
  • Jahr: 1986
  • Darsteller:

    Charlie Sheen (Jake/“Wraith“), Nick Cassavetes (Packard Walsh), Sherilyn Fenn (Keri Johnson), Randy Quaid (Sheriff Loomis), Matthew Barry (Billy Hawkins), David Sherill (Skank), Jamie Bozian (Gutterboy), Griffin O’Neal (Oggie), Chris Nash (Minty), Clint Howard (Rughead)


Vorwort

Ort der Handlung: ein Wüstenkaff (schlappe 6000 Einwohner) in Arizona. Selbiges, bzw. hauptsächlich die motorisierte Dorfjugend, ächzt unter der tyrannischen Knute des verschlagenen Gang-Häuptlings Packard, der mit seinen diversen unterbelichteten Schreckgestalten Angst und Schrecken verbreitet. Dies tut er hauptsächlich in Form illegaler Autorennen gegen zwangsfreiwillige Herausforderer mit interessanten Kaleschen – der Verlierer ist nicht nur, wie üblich, Schimpf und Schande ausgesetzt, sondern geht auch seine fahrbaren Untersatzes verlustig (es ist mir nicht ganz klar, wie man in einem SECHSTAUSENDSEELENKAFF auf dieser Grundlage einen schwunghaften Autoteilehandel betreibt, wie’s Packard und seine Gesellen so tun. Rechnen wir mal hoch, dürfte es nicht mehr als hundert potentielle Gegner für Packard geben und, wäre ich einer von denen, täte ich, da das ganze ja offenbar regelmäßig vorkommt, aus purem Selbstschutz ’nen Käfer fahren o.ä.). Abgesehen davon ist der Halunke auch Besitzer der süßen Keri. D.h. dafür hält er sich zumindest und hat, lästige Konkurrenz stört bekanntlich das Geschäft, aus diesem kühnen Grunde auch deren etatmäßigen Lover Jamie vor einer Weile terminal entsorgt. Plötzlich und unerwartet taucht ein Fremder namens Jake auf und erobert im Sturm das Herz Keris, sehr zum Mißfallen Packards, der sich aber nicht primär um das hormonelle Problem kümmern kann, alldieweil ein geheimnisvoller Unbekannter mit einer schwarzlackierten Superkarre nach Packards Meinung darum winselt, ebenjenes Geschoss umgehend in den ergaunerten Fuhrpark der Gang wandern zu lassen. Die hierfür spontan veranstalteten Rennen enden aber in ihren ersten beiden Austragungen fatalerweise, eh, fatal für Packards ausführende Schergen Oggie bzw. Minty. Der örtliche Sheriff Loomis ahnt, dass an der Sache mehr dran ist als nur ein paar bedauerliche Hochgeschwindigkeitsunfälle, denn die aus den Wracks gezogenen Leichen sind unversehrt – bis auf die fehlenden Augen…


Inhalt

Wenn „Interceptor“ (aka „The Wraith“, und ausnahmsweise ist der deutsche Titel gar nicht SO blöd, denn „Interceptor“ ist die Typbezeichnung des eigentlich hauptrollenden Automobils) nicht einer *der* essentiellen 80er-Jahre-Filme ist, dann weiß ich auch nicht weiter. Obwohl seinerzeit, also anno 1986, kein besonderer Erfolg (die gerade mal 2,7 Mio. Dollar schwere Produktion spielte in den USA 3,5 Mio. $ ein), hat sich der Film trotzdem einen gewissen Ruf als Kultfilm verschafft. Dies auch beim Schreiber dieser Zeilen, der diesen Streifen schon immer geliebt hat und dies immer tun wird…

Soviel also zu einer unvoreingenommenen Herangehensweise, ähempt. Aber man muss ja nicht immer unparteiisch sein. Wäre man nämlich strikt objektiv, würde einem schon auffallen, dass „Interceptor“ ziemlich doof ist. Andererseits ist auch „Top Gun“ ziemlich doof (und eher unangenehm-doof denn cheesy-doof) und trotzdem schämt sich Tom Cruise seiner nicht. Mike Marvin, Screenwriter und Regisseur, modelliert die Story nach den Grundsätzen der alten E.C.-Horrorcomics – ein Unschuldig zu Tode Gekommener kehrt in die Welt zurück und nimmt Rache an seinen Mördern (oops, hab ich was verraten? I’m so awfully sorry, aber der Film macht den Punkt de facto in seiner allerersten Szene, also fühle ich mich nicht sonderlich schuldig) – ja, es ist ein klassisches Horrorszenario geradewegs aus den guten alten Zeiten, das für ein jugendliches Publikum zeitgemäß aufgepeppt wurde: ein Haufen junger (mehr oder weniger) attraktiver Akteure, ein fetziger Soundtrack (dazu später mehr) und anstelle lästigem Plot und langweiligem Charakter-Stuff rasante Stunt-Action mit schnellen Autos (wobei man, Ehre, wem sie gebührt, durchaus konstatieren muss, dass es durchaus ins E.C.-Muster passt, dass der „Rächer“ die Objekte der Begierde seiner Mörder gegen sie verwendet). Anstelle von Suspense, Thrill oder blutigen Eingeweiden serviert uns „Interceptor“ Stuntdriving und Pyrotechnik. Langer Rede vernachlässigenswerter Sinn: „Interceptor“ ist ein Horrorfilm, der sich als Actionfilm verkleidet und mit SF-Motiven zumindest spielt. Keiner der Charaktere ist sonderlich tiefsinnig, allesamt sind es eindimensionale Figuren (wobei Packards Gang der durchgeknallten Hirnis vorahnen lässt, was später z.B. in den „The Crow“-Filmen an Deppen-Goons ausgepackt wurde).

Die Handlung folgt einem simplen Konstrukt – der übernatürliche Rächer (wobei man sich schon fragen kann, welche übernatürliche Macht es für eine gute Idee hält, den Rachegeist in einen futuristischen Raumanzug zu stecken und mit einer Super-Schüssel auszustatten) killt sich durch die Goons in umgekehrter Reihenfolge der Wichtigkeit, bis hin zum letzten Gefecht mit dem Obermotz, dieweil spult sich, in den Phasen, für die man sich Charlie Sheen leisten konnte, die obligatorische Liebesgeschichte ab. Soweit nix neues, aber routiniert dargeboten. Gelegentlich gibt’s aus heutiger Sicht unfreiwilligen Humor (wenn der „Wraith“ in seinem Super-Raumanzug mit einer futuristischen Superwumme die Werkstatt der Bösen stürmt und dort fröhlich herumballert, ist das schon recht erheiternd), der aber dem Zeitgeist der 80er geschuldet ist und damit verziehen wird (zumindest von mir). Da der Plot sein zentrales Gimmick, wie schon gesagt, verrät, ehe der Film richtig anfängt, wird die Spannung nicht aus dem „was“, sondern dem „wie“ gezogen (und hauptsächlich aus der Frage, wie der Streifen die Kurve zu einem Happy End kriegen will. Das tut er dann recht nett, aber doof [denn der Held macht damit seinen besten Freund nebenbei zum Hauptverdächtigen in einer Mordserie… nicht, dass das jemanden interessieren würde]).

Mike Marvin, dessen „großer Wurf“ als Regisseur vor diesem Film der Klamaukfilm „Hamburger – The Movie“ (err…) war und danach in der Bedeutungslosigkeit allgemein als ungenießbar klassifizierter TV-Movies (unter wechselnden Pseudonymen) verschwand, zeigt sich in „Interceptor“ inszenatorisch voll am Puls der Zeit – we’re talkin‘ 80’s here, nicht vergessen, und das schreibt den typischen 80er-Jahre-Look förmlich vor. Die kompetent gefilmten Actionszenen bedienen sich gerne der von „Miami Vice“ etablierten Kamera auf Höhe der Radkappen – sie erfinden das Genre sicherlich nicht neu (und wer aus „Alarm für Cobra 11“ großkalibrige Blechverschrottung gewohnt ist, wird nicht gerade bass erstaunt in den Sessel zurücksinken), aber sie erfüllen absolut ihren Zweck und sind rasant genug. Visuell regiert 80er-mäßig glattpolierter Style inklusive, speziell wenn „Atmosphäre“ gefragt ist, oft und gerne hintergrundbeleuchteter Nebelorgien, wie sie auch Meister Fulci gefallen hätten (geschickt eingesetzt ist’s ja auch ein effektives Stilmittel). In seinen actionlosen Momenten (das sind nicht arg viele, weil der Film ein dem Sujet angemessenes Tempo vorlegt) hilft der noch zu würdigende entweder sympathische oder zumindest exaltierte Cast darüber hinweg, dass die Dialoge (speziell in der deutschen Fassung) nicht den Gipfel der Prosa darstellen (und die Story sowieso ein einziges Klischee ist).

Die Special FX sind für eine sparsam budgetierte Produktion in Ordnung – wird niemand mit Major-Blockbuster-VFX-Bonanza verwechseln, aber sie sind absolut zweckdienlich. Härten gibt’s kaum (zwar versichert uns speziell Sheriff Loomis, dass die aufgefundenen Leichen magenumdrehend aussehen, aber sooo schlimm ist’s nicht. Seine ursprünglich gekürzte deutsche Fassung verdankt der Streifen einer vor 19 Jahren nach Meinung der hiesigen Sittenwächter 16-Jährigen nicht zumutbare Sexszene). Das Auto des übernatürlichen Rächers ist übrigens ein Dodge Interceptor, der „im richtigen Leben“ in den 80ern als Pace-Car für die Indy-CART-Serie konstruiert wurde (die diversen im Filmverlauf geschrotteten Exemplare waren selbstverständlich Dummies).

Einen Gutteil seines Rufs in Fankreisen verdankt der Streifen seinem ausgezeichneten Soundtrack. Das AOR-lastige Songmaterial ist nicht von schlechten Eltern – zwar finden sich nicht alle Songs auf dem (selbstverständlich in hiesiger Plattensammlung anliegenden) Soundtrackalbum (es fehlen dort u.a. „Rebell Yell“ von Billy Idol und „Addicted to Love“ von Robert Palmer), aber auch der Rest der Songs, u.a. eingesungen von Ozzy Osbourne, Bonnie Tyler, Stan Bush und Lion ist jedem Freund 80er-Jahre-Rocks durchaus zu empfehlen.

Die Besetzung ist treffend – auch wenn der damals up-and-rising Charlie Sheen eigentlich nur einige verlängerte Gastauftritte absolviert (die überwiegende Zeit verbringt sein Charakter in der Wraith-Rüstung), er ist halt der Prototyp des likeable guys und spielt diesen Charme souverän aus. Sherilyn Fenn („Twin Peaks“, „Boxing Helena“) hat in einer ihrer ersten Rollen nicht mehr zu tun, als hinreißend süss auszusehen und gediegen geschmacklose 80er-Klamotten aufzutragen (wer eine Allergie gegen schrille 80er-Outfits hat, sollte hier passen). Als Bösewicht stellt sich Nick Cassavetes vor – der Sohn des großen John Cassavetes handhabt die gleiche Taktik wie sein alter Herr: um seine ambitionierten Ego-Projekte zu realisieren, nimmt er so ziemlich jede Rolle an, die ein paar Öre bringt. So sah man ihn in „Black Moon Rising“ von Harley Cokliss genauso wie in der Band/DeCoteau-Produktion „Assault of the Killer Bimbos“ (übrigens gemeinsam mit seinem hiesigen Gang-Mitglied Griffin O’Neal, dem mindertalentierten Bruder von Tatum), „Delta Force 3“, „Class of 1999 Part II“ und einer Reihe von Softsexern. Als Regisseur lieferte er u.a. „John Q“ mit Denzel Washington ab. Einen fiesen Schuft wie Packard spielt Cassavetes im Schlaf, auch wenn er vielleicht ein bisschen zu alt für die Rolle wirkt. Als Sheriff Loomis grantelt sich Randy Quaid (der Film ist ein ganzes Sammelsurium von Star-Verwandten) wenig eindrucksvoll durch seine klischeehaften Lines. In Cassavetes‘ Gang findet sich mit Clint Howard noch der Bruder des Regisseurs Ron (von Uwe Boll in „House of the Dead“ gewinnbringend eingesetzt – schon bemerkenswert: vom Nerd mit Elektroschock-Frisur zum mumblin‘ älteren Sidekick in schlappen zwei Jahrzehnten…).

Bildqualität: Nachdem „Interceptor“ zunächst von marketing-film auf DVD präsentiert wurde, hat sich nun Sunfilm des 80er-Jahre-Kulters angenommen. Der verwendete anamorphe 1.85:1-Widescreen-Print wird niemanden vor Begeisterung vom Hocker hauen. Die Schärfewerte sind allerbestenfalls mittelmäßig, die Kompression kann nicht überzeugen (seltsam, ein 89-Minuten-Film praktisch ohne Extras auf ’ner DVD-9 und die Bildqualität ist so schwach?). Die Farben sind okay, der Kontrast gut durchschnittlich.
Im übrigen gilt mein übliches Flehen an Sunfilm, doch bitte mal zur Abwechslung und meiner persönlichen Freude eine DVD zu produzieren, die auf irgendeinem (ich bin ja anspruchslos, auf welchem) meiner drei Player durchlaufen würde. Wieder einmal erwies sich der Layerwechsel als unüberwindliches Hindernis für sämtliche mir vorliegenden Laufwerke. Es nervt…

Tonqualität: Sunfilm legt drei Tonspuren vor – die deutsche Synchronfassung liegt in dts und Dolby 5.1 vor, die englische Originaltonspur in Dolby 5.1. Leider sind die Dolby-Tonspuren recht lasch und in Punkto Sprachqualität auf der dumpfen Seite. Der Musik-Mix ist extrem mau ausgefallen und völlig drucklos. Beim Vergleich der „Dubtitel“ mit dem englischen Originalton fällt zudem auf, dass die deutsche Fassung gelegentlich sinnentstellend synchronisiert ist.

Extras: Leider nur der Kinotrailer in deutscher und englische Sprachfassung sowie Biographien für Sheen, Cassavetes und Quaid, dazu die Sunfilm-Trailershow mit drei Titeln.

Fazit: Großes Kino – ist „Interceptor“ fraglich nicht. Aber ein sympathisch altmodischer B-Heuler aus den 80ern, als B-Action gelegentlich noch etwas mehr sein konnte als nur dumpfes Totschläger- oder Ballerepos. „Interceptor“ mag kein denkwürdiges Ereignis wie der auch nicht viel teurere „Terminator“ sein, aber er macht Spaß – sein rockiger Soundtrack, seine in ihren Klischeerollen gut aufgelegten Darsteller, die Action und die Effekte, das fügt sich bei aller Doofheit der Plotte zu einem insgesamt ziemlich freudebringenden Filmerlebnis zusammen – zweifellos eine „guilty pleasure“, die gerade deswegen eine DVD verdient hätte, die in Bild und Ton überzeugender ausfällt als die Sunfilm-Scheibe. Ich liebe den Film aber auch so 😉

4/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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