Innkeepers, The

 
  • Original-Titel: The Innkeepers
  •  
  • Regie: Ti West
  • Land: USA
  • Jahr: 2011
  • Darsteller:

    Sara Paxton (Claire), Pat Healy (Luke), Kelly McGillis (Leanne Rease-Jones), George Riddle (alter Mann), Alison Bartlett (wütende Mutter), Lena Dunham (Barista), Jake Ryan (Junge), John Speredakos (Officer Mitchell)


Vorwort

Das alterwürdige „Yankee Pedlar Inn“ erlebt sein letztes Wochenende als Hotel, bevor ein Investor einen Parkplatz o.ä. draus machen wird. Da niemand damit rechnet, noch großartig Gäste beherbergen zu müssen, sind als Personal nur Claire und Luke anwesend. In der Tat deutet sich ein sehr ruhiges Weekend an – neben einer Mutter mit Kind, die vorübergehend von ihrem Ehemann geflüchtet ist und einem alten Kauz, der noch mal das Hotelzimmer, in dem er die Flitterwochen verbracht hat, beschlafen will, hat sich nur noch die alternde Schauspielerin Leanne Rease-Jones, die sich mittlerweile auf Esoterik-Tante umgeschult hat, einquartiert. Was wichtiger ist – in dem Hotel soll’s spuken, seit sich im 19. Jahrhundert eine am Altar stehen gelassene Braut aufgehängt hat. Luke ist fasziniert von dieser Geschichte und hat sogar eine Website (gegen die meine erste Geocities-Homepage wie ein professionell gearbeitetes Produkt aussah) über die Spukvorgänge gebastelt. Claire lässt sich von Lukes Interesse anstecken – die beiden wollen die langen und vermutlich langweiligen Nachtschichten durch ein wenig Geisterjagd verkürzen. Bewaffnet mit Laptop und Diktiergerät zwecks Aufnahme von „Geisterstimmen“ zieht Claire durch die Korridore – und in der Tat, eine übernatürliche Präsenz macht sich bemerkbar: unerklärliche Geräusche auf dem Tonband, ein sich selbst spielendes Piano… Claire ist sicher, dass die damalige Selbstmörderin umgeht und man dem Geist irgendwie „helfen“ müsste. Spiritismus-Expertin Leanne warnt aber nach einer Pendel-Sitzung entschieden – Quelle der paranormalen Ereignisse scheint der Keller zu sein, und den sollte Claire tunlichst nicht aufsuchen, das wäre zu gefährlich. Natürlich wird dennoch eine Keller-Expedition gestartet und was dort geschieht, verdirbt zumindest Luke endgültig die Lust am Geisterjagen…


Inhalt

Das Horror-Fandom ist schon ein komisches – es dürfte kaum im Horror-Bereich Kreative geben, die sich der uneingeschränkten Verehrung der Fans sicher sein dürfen. Ganz besonders spaltet in letzter Zeit Ti West das Publikum. Der Busenfreund von Larry Fessenden und (scheinbar) Eli Roth wird nach seinen bisherigen Werken The Roost, „Cabin Fever 2“ und The House of the Devil von manchen gefeiert und von vielen gehasst. Obwohl ich zur kleinen (intelligenteren, schöneren und insgesamt besser seienden) Minderheit gehöre, die „House of the Devil“ als überraschend gelungenen Retro-Grusler schätzte, hatte ich das neue West-Werk „The Innkeepers“ eigentlich gar nicht auf der Rechnung, als es ans Filmaussuchen für die diesjährige FFF-Ausgabe ging. Mein Unterbewusstsein hatte offenkundig andere Pläne und sorgte dafür, dass ich zu meiner eigenen, nicht unbeträchtlichen Überraschung plötzlich ein Ticket in Händen hielt.

Und, was soll ich sagen, mein Unterbewusstsein hatte Recht – wenn’s um patenten old-school-Grusel geht, der nicht mit Gore und Splatter um sich wirft, sondern Atmosphäre, Stimmung und ausgezeichnete schauspielerische Leistungen bringt, führt an Ti West kein Weg vorbei. Nachdem West sich im „House“ dem okkulten Satanismus-Grusler widmete, fröhnt er in „The Innkeepers“ der guten alten „Haunted House“-Thematik. Das setup ist dabei, das habt Ihr sicherlich schon bemerkt, dem von „House of the Devil“ recht ähnlich und demzufolge ist „The Innkeepers“ ebenfalls für Zuschauer, die auf „Leute laufen durch Korridore“ grundsätzlich allergisch reagieren, eher ungeeignet. Der Unterschied zwischen einer Graupe wie The Silent House, die tatsächlich nur anödet, und Wests Ansatz ist, nicht nur, dass „The Innkeepers“ tatsächlich irgendwo hin führt und nicht nur nach 70 Minuten dem Zuschauer einen WTF-Twist um die Ohren haut, sondern auch dass West seinen Film über die Charaktere definiert. Ähnlich wie in „HOTD“ ist die Hauptfigur, in diesem Falle Claire, das eindeutige Herz des Films, mit ihr steigen wir in den Film ein, bei ihr sind wir quasi permanent, sie iest es, die dem Autor/Regisseur wichtig ist. Allerdings hat West dazugelernt – Claire hat Ansprechpartner, andere Figuren, mit denen sie interagieren kann, die quasi als Wand fungieren, gegen die West via Claire seine Bälle spielen kann. Das macht den Film, auch wenn wie auch in „HOTD“ im Wortsinne nicht viel *passiert*, wesentlich dynamischer, aktiver, lebendiger. Was natürlich auch daran liegt, dass die drei Hauptfiguren sehr schön gezeichnet sind: Claire, die neugierige junge Frau, die eigentlich nicht weiß, was sie mit ihrem Leben anstellen soll, deswegen auf „externe Einflüsterung“ gut anspricht und sich enthusiastisch in eine Situation wirft, die für sie zwischen „aufregender Spaß“ und „endlich gefundener *Aufgabe*“ einpendelt, ohne dass sie sich der „realen“ Gefahren dabei bewusst ist, Luke, der gemütliche Slacker, für den die Geisterjagd nicht wirklich einen echten Hintergrund hat (er behauptet zwar, dem Geist schon des öfteren „begegnet“ zu sein, muss aber schließlich einräumen, dass er seine Erlebnisse schlicht und ergreifend erfunden hat) und Leanne, die gealterte Diva mit dem Okkult-Drang (obwohl Luke bissig anmerkt, dass ihre Eso-Tour nur eine Masche ist, um sich nach dem Ende der Karriere irgendwie „relevant“ zu halten, hat sie wohl durchaus Fähigkeiten), das ist ein mehr als nur brauchbares Triumvirat, dessen Interaktion die Zeit zwischen den dosiert eingesetzten Spukerscheinungen nicht nur füllt, sondern auch für sich allein interessant ist – auch, weil West seine Dialoge nicht bierernst hält, sondern immer auch mal Zeit für ein wenig humorige Auflockerung ist (was sich gelegentlich auch auf die Situationen bezieht – so wenn Claire z.B. zu absoluter Unzeit panisch nur mit einem T-Shirt bekleidet in der Hotellobby auftaucht, gerade als dort die „Angry Mom“, mit der sie eh schon auf Kriegsfuß steht, mit ihrem Knaben vorstellig wird). Dabei verfällt das Script nie in eine „Witz-komm-raus“-Stimmung, es weiß, dass es grundlegend eine grimmige Gruselgeschichte erzählt.

Wie gesagt – „The Innkeepers“ definiert sich über seine Charaktere, das eigentliche Spuk-Mysterium wird langsam im Filmverlauf eingeführt (im Gegensatz zum landläufigen Feld-, Wald- und Wiesen-Horrorfilm, der uns erst mal einen „knackigen“ Teaser um die Ohren hauen würde, in dem die Ursachen des Spuks plakativ ausgebreitet werden); die Spukerei selbst entfaltet sich weitgehend unspektakulär (einige jump-scares hat West sich aber allemal vorbehalten, und wieder einmal – wie auch später bei Grave Encounters – erweist sich, dass jump-scares immer noch saueffektiv sein können, wenn man sie *richtig* macht), entwickelt aber, nahezu unmerklich, einen echten Zug hin zum (nicht alle Fragen beantwortenden, aber dennoch auf düstere Art befriedigenden) Finale.

Ein großes Plus des Films ist die unheimliche Stimmung des fast leeren, weitläufigen und verwinkelten Hotels (wer mag, darf auch mal an „Shining“ denken). Man macht sich im richtigen Leben darüber selten Gedanken, aber so ein langer Hotelkorridor mit seinen endlosen Reihen verschlossener Türen ist *creepy*, ganz besonders, wenn man weiß, dass hinter diesen Türen niemand (zumindest niemand „Lebendiger“…) ist und man im Fall des Falles ganz schön aufgeschmissen ist; zur generellen Unheimlichkeit finsterer Keller muss man ja keine Aussage mehr treffen. Sicherlich könnte man die Geschichte einen Tacken schneller erzählen, aber für meinen Geschmack hat „The Innkeepers“ einen sehr natürlichen, in sich schlüssigen Rhythmus, in dem der „Horror“ (soweit man davon sprechen kann) sich eben langsam, schleichend aufbaut, die Eskalation der Ereignisse parallel zur Entwicklung Claires und ihrer Geisterjagd vom bloßen amüsanten Zeitvertreib zum entschiedenen Willen, dem ruhelosen Geist, koste es, was es wolle, zu helfen läuft und im Sinne dieses character development ein früheres oder plakativeres massives Auftreten paranormaler Phänomene kontraproduktiv wäre. Zu kritteln ist maximal, dass die tatsächlichen Manifestationen der Spukerscheinungen etwas zu klischeehaft und auf shock value aus sind – ein kleiner Schönheitsfehler, der dem Streifen die Höchstwertung in meinem Buch kostet, insgesamt aber nicht entscheidend schadet.

Angenehm ist dagegen der Score von Jeff Grace („Stake Land“), der die leise Spannung nicht mit plärrenden Cues zukleistert.

Ein exzellentes Händchen darf man West erneut bei der Auswahl seines Stars bescheinigen. Sara Paxton hat, wie schon Jocelin Donahue in „House of the Devil“, den glaubhaften, natürlichen „girl-next-door“-Charme, sie ist keins dieser seelenlosen Plastikpüppchen, wie sie gerade den Horrorfilm inflationär bevölkern. Paxton, die trotz ihrer gerade 23 Lenze schon reichlich Erfahrung sammeln konnte („Star Force Soldier“, „Future Kids“, „Plötzlich verliebt“, „Last House on the Left“) und auch in „Shark Night 3D“ zu sehen sein wird, trägt den Film mit ihrer grundsympathischen Ausstrahlung, ihrem genuin wirkenden Enthusiasmus und ihrer, ich reite darauf rum, einfach natürlichen Darstellung. Pat Healy („Ghost World“, „Magnolia“, „Rescue Dawn“) weiß ebenfalls voll zu überzeugen und 80er-Top-Star Kelly McGillis („Top Gun“, „Der einzige Zeuge“, „Angeklagt“ und in diesem FFF-Jahrgang auch in „Stake Land“, von der gleichen Produktionsfirma wie „The Innkeepers“ gestemmt, zu sehen) gibt in Würde ergraut eine ansprechende Altersvorstellung (auch wenn es irgendwie unfair ist, dass niemand zweimal drüber nachdenken würde, wenn Tom Cruise heute seinen Maverick-Charakter wieder aufnehmen würde, McGillis inzwischen aber schon nach „freundlicher Oma“ aussieht).

Fazit: Ja, ich gebe es zu, und ja, es wird wieder eine Mindermeinung sein, aber „The Innkeepers“ ist ein toller Film, ein wirklich gelungener, unspektakulärer Gruselfilm, der einen höheren Gänsehaut-Faktor mitbringt als jede Splatter- und Goreorgie, mit seinen wenigen, dosiert eingesetzten FX , der getragenen Fotografie, mehr erreicht als so manches Tricktechnik-Bonanza und vor allem wieder einer ausgezeichneten lead actress Raum zur Entfaltung bietet. Ich darf’s vorwegnehmen – für mich war’s der beste Film des 2011er-FFF-Jahrgangs. Ich glaub, ich muss mal Ti West ’ne Facebook-Freundschaftsanfrage schicken…

4/5

(c) 2011 Dr. Acula


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments