In-Vitro – Angriff der Mutanten

 
  • Deutscher Titel: In-Vitro - Angriff der Mutanten
  • Original-Titel: Hideous!
  •  
  • Regie: Charles Band
  • Land: USA
  • Jahr: 1997
  • Darsteller:

    Michael Citriniti (Dr. Lorca), Mel Johnson jr. (Napoleon Lazar), Rhonda Griffin (Elwina Shaw), Jacqueline Lovell (Sheila), Tracie May (Belinda Yost), Jerry O’Donnell (Detective Leonard Kantor)


Vorwort

Im Städtischen Klärwerk wird allerlei angespült, was nicht unbedingt in ordentliches Abwasser reingehört. So z.B. auch… naja… wie soll man sagen… unerwünschte biologische Produkte der Fornikation… ja, okay, wir sprechen von abgetriebenen Föten und ähnlichem Schweinkram. Zum Glück, in diesem Fall für Martin, den Schichtaufseher der Dreck-aus-der-Suhle-Klauber, gibt es für praktisch alles einen Markt, also auch für bevorzugt deformierte Embryos und gleichgelagertes Kroppzeuch. Martins Abnehmerin ist Belinda Yost, Vorsteherin der ehrenwerten Gesellschaft International Medicinal Specimen Inc., deren Geschäftsmodell es ist, solche Launen der Natur günstig ein- und mit ordentlichem Gewinnaufschlag an Sammler zu verkaufen.
Bei Martins neuestem Klärwerksfund sieht Belinda sich schon in Dagobert Ducks Geldspeicher kraulen. Für *dieses* Ding wird Napoleon Lazar, Multimillionär und seriöser Kollektor biologischer Absonderlichkeiten, ordentlich latzen müssen. Sobald Lazar seine Stielaugen auf das Objekt gerichtet hat, packt er freiwillig das Scheckbuch aus – das Ding MUSS er haben. Man ist sich schnell handelseinig.
Problem dabei – eigentlich hat Belinda einem gewissen Dr. Lorca ein Vorkaufsrecht auf alle spektakulären Objekte eingeräumt. Belinda steht zwar auf dem Standpunkt, was der Doktor nicht weiß, macht ihn nicht heiß, aber Lorca hat vorgesorgt und Belindas Rezeptionistin Elwina, die auch nur nen Kopf hat, weil die blonde Fönfrisur direkt auf’m Hals dämlich aussähe, ein paar Scheine zugesteckt, auf dass sie ihm von Neuzugängen berichtet, auch wenn’s Belinda nicht tut. Und Elwina tut, was ihr geheißen. Lorca ist stinksauer – nicht nur, weil Belinda ihn hintergangen hat, sondern auch, weil sie’s mit Lazar getan hat, und die beiden Sammler verbindet herzlicher gegenseitiger Abscheu.
Nun hat Lorca eine Geheimwaffe – seine persönliche Assistentin Sheila (of the exhibitionistic school of thought), und die hat keine moralischen Bedenken, Lazar auf der Heimfahrt vom Deal mit vorgehaltener Kanone, dafür aber Gorillamaske auf dem hübschen Schädel (und abgesehen davon topless) um den frisch erstandenen Specimen zu erleichtern. Lorca ist hochzufrieden und fügt das Ding, das praktisch nur aus einem Kopf mit vier Augen und zwei Mündern besteht, seiner Formaldehydflaschensammlung hinzu
Das ist nun aber noch nicht abendfüllend – und so geschieht zweierlei. Als Lorca grad mal nicht hinschaut, öffnet der Neuzugang seiner Freaksammlung seine Augen und erweckt dann auch seine in Alkohol eingelegten Kollegen zum Leben. Und Lazar ist, begreiflicherweise, ein schlechter Verlierer – der angeheuerte Privatdetektiv Kantor muss Elwina nicht lange in die Zange nehmen, bis die sich verplappert hat und Dr. Lorca bzw. Sheila als Dieb identifiziert.
Man beschließt, Lorca in seinem Privatschloss zur Rede zu stellen. Lorca liegt es fern, die Tat abzustreiten – es ist halt so, dass der Specimen bei ihm viel viel besser aufgehoben sei als bei dem doofen Lazar. Die gereizte Stimmung eskaliert, als Lorca feststellt, dass seine Specimensammlung *weg* ist. Kann natürlich nur Lazars Werk gewesen sein, meint Lorca, versiegelt das Schloss und sperrt seine Gäste erst mal in einen Vorratsraum.
Die sind natürlich komplett unschuldig, denn die Freaks haben sich unter der weisen Führung ihres neuen Oberhaupts, das schnell gelernt hat, wie man mit Menschen umzugehen hat, in den Wänden und Geheimgängen des Schlosses verschanzt und sie wollen RAUS… um jeden Preis.


Inhalt

Full Moon mal wieder. Heute haben wir’s mit einem Film aus dem Jahr 1997 zu tun, eine Ära des Übergangs für Charles Bands Unternehmung. Der Paramount-Vertriebsdeal lag bereits in der Vergangenheit, aber noch hatte Band genug „clout“, um sich mal hier, mal da Geld zu beschaffen und Filme zu drehen, die man noch als solche bezeichnen konnte, und die auch deswegen etwas teurer aussahen, als sie wirklich waren, weil Band noch Zugriff auf die Castel Studios in Rumänien hatte.
„Hideous!“ bedient natürlich in erster Linie mal wieder Charlies persönlichen Fetisch drolliger (und vermarktbarer) Mini-Monster, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Filmen, in denen er sich mit dieser Materie befasst, hat „Hideous!“ den Vorzug, ein richtiges Drehbuch, so mit Charakteren und Zeuch, und einem einigermaßen nachvollziehbaren Grund für das Vorhandensein der mörderischen Zwergungeheuer zu liefern.
Verantwortlich dafür ist Benjamin Carr, Full Moons damaliger Haus- und Hofschreiberling, mit bürgerlichem Namen Neal Marshall Stevens heißend, und unbestreitbar einer der besseren Autoren, die Charlie über die Jahre hinweg beschäftigte. Klar, nichts, was Carr/Stevens für Full Moon schrieb, hat Ewigkeitsanspruch und ein paar Stinker waren auch dabei („Killer Eye“), aber „The Creeps“, „Ragdoll“ oder „Sideshow“ liegen schon deutlich über dem (bekannt niedrigen) Standard von late-90’s/early-00’s Full-Moon-Erzeugnissen (abseits von Full Moon schrieb er die Big-Budget-FX-Extravaganz „13 Geister“ und „Hellraiser: Deader“).
Betrachtet man „Hideous!“ (in Deutschland unter dem dämlichen Titel „In-Vitro – Angriff der Mutanten“ gelaufen), kommt man nicht umhin, die Risse im Full-Moon-Gemäuer bereits deutlich zu sehen. Bis auf zwei Szenen gibt es keine potentiell aufwendigen Außenaufnahmen, die Anzahl der verschiedenen Sets überschaubar und der Cast gerade mal fünf Figuren stark (wenn wir die drei Klärwerksmitarbeiter mal außen vor lassen, da sie für die Handlung auch keinerlei bedeutsame Rolle spielen). Das ist schon ein ziemlich deutlicher Hinweis auf die Sorte Film, die Full Moon jenseits der Jahrtausendwende drehen sollte – klaustrophobische kleine Kammerspiele mit Sprechrollen, die man an einer Hand abzählen kann (man vergleiche z.B. mit „Killer Eye: Halloween Haunt“, „Doll Graveyard“ o.ä..). Der (positive) Unterschied – Stevens/Carr versucht redlichst, im Rahmen der Band’schen Vorgabe „irgendwas mit so kleinen fußballgroßen Monstern, die man als Replikas verhökern kann“ eine vernünftige – und witzige – Geschichte zu erzählen, denn ja, wenn man mehr als nur einen oberflächlichen Blick auf den Film wirkt, wird rasch klar, „Hideous!“ ist mehr Komödie als erschreckenswilliger Horrorfilm.
Film und Geschichte leben tatsächlich von ihren Charakteren, und bei Full Moon kann man das nicht oft behaupten.. Allein schon die Konstellation der zwei ihrer eigenen Meinung nach höchst unterschiedlichen Skurrilitätensammler Lorca und Lazar sorgt für viel Frohsinn und amüsante Wortgefechte, wenn die Herrschaften sich mit allerlei nicht lieb gemeinten Beleidigungen überziehen. Lazar gibt dabei den „seriösen“ Kollektor, der an der wissenschaftlichen Seite interessiert ist, während Lorca eine gewisse fetischartige Beziehung zu seinen Specimen pflegt. In dieses Alphamännchenduell steckt Carr mit Kantor einen klassischen hardboiled detective, eine verführerische femme fatale in Form der aufreizenden Sheila (die unter ihrer ärmellosen Lederweste grundsätzlich *nie* etwas trägt), den dummen Bimbo Ewina und die knallhart kalkulierende Geschäftsfrau Belinda. Das mögen alles keine hochgradig originellen Charaktere sein, aber sie ergänzen sich vorzüglich und bieten viel komisches Potential (zumal sie, worauf noch einzugehen sein wird, auch vernünftig gespielt werden, auch etwas, wovon man bei einem Full-Moon-Quickie nicht unbedingt standardmäßig ausgehen kann), was „Hideous!“ zu einem derjenigen Full-Moon-Filme macht, die primär durch ihre pointierten Dialoge bestechen.
Band führt selbst Regie und erledigt hier einen ganz guten Job – er ist sicher nicht der beste Regisseur der Welt und dass er neuerdings den Großteil des FM-Outputs selbst inszeniert, ist sicher mehr eine Kostenfrage denn unbedingter Wille künstlerischen Ausdrucks, aber wenn er on the mark ist, kann er einen soliden Film abliefern. „Hideous!“ hat ein gutes, zügiges Tempo, ordentliche Atmosphäre, und Band ist ganz ersichtlich auch „on the joke“ und weiß, dass er primär eine Komödie dreht, legt daher nicht so sonderlich viel Wert auf die Horror-Elemente. Der Streifen ist nicht großartig blutig oder splattrig, und die Monsterpuppen sind, seien wir ehrlich, selbst für FM-Verhältnisse weder besonders schick noch toll animiert. Mark Rappaports Arbeiten werden daher von Band größtenteils im Dunklen oder Bildhintergrund gehalten, anstatt formatfüllend ins Bild gesetzt zu werden, wie er’s mit dämonischen Spielzeugen oder ähnlichen Puppen gemacht hätte. Das hat zwar zur Folge, dass man als Zuschauer z.B. ein wenig überrascht davon wird, dass eines dieser Monster eine Art Stachelschweinmutant ist, weil wir das erst mitbekommen, nachdem Belinda Yost in einer unübersichtlichen Kampfszene rückwärtig punktiert wurde, ist aber angesichts des Designs und der wenig überzeugenden Ausdruckskraft der Puppen wohl so am besten gelöst.
Den Score bestreitet Richard Band und der zaubert hier einen seiner besseren Soundtracks aufs Band – klingt ausnahmsweise mal nicht wie fünfmal abgekupfert und zehnmal selbst zitiert, und wäre wie üblich besser, wenn er von einem echten Orchester eingespielt würde und nicht auf einem Synthesizer.
Der Cast ist, wie man so schön sagt, „game“ für die ganze Unternehmung. Michael Citriniti (der den Charakter trotz seines hiesigen vermeintlich terminalen Abgangs in „Demonic Toys 2“ und „Ravenwolf Towers“ wieder spielen sollte) und Mel Johnson jr. (der mit Charles Band um diese Zeit eine eigene Line „urbaner“ Horrorfilme für afro-amerikanisches Publikum lostreten wollte, ein Plan, dem wir u.a. „Killjoy“ verdanken, und den Johnson nach vier Filmen beendete, weil die Budgets immer magerer wurden) sind als Rivalenduo Lorca und Lazar eine echte Schau und mit vollem Einsatz und Engagement bei der Sache. Als Leder-und-Nacktschnecke Sheila macht Jacqueline Lovell („Trophy Heads“, „Femalien“) eine erwartungsgemäß tolle Figur und beweist durchaus auch Talent für komödiantisches Timing. Rhonda Griffin („The Creeps“) ist ein liebenswert-blödes Blondchen und Tracie May („Shattered Lies“) trifft als Belinda Yost auch die richtigen Töne. Schwachpunkt im Cast, wenn man so weit gehen will, ist Jerry O’Donnell als Detektiv Kantor, dem so ein bisschen der letzte Wille, sich wie seine Kollegen angemessen zum Horst zu machen, abzugehen scheint (andererseits ist er durchaus gewollt der „straight man“ des Ensembles, um den herum das Chaos tobt und der versucht, den Überblick zu behalten, insofern ist der Ansatz, eher etwas zu „unterspielen“, verständlich).
Full Moons neue Blu-Ray bringt erfreulicherweise einen nicht zu Tode gefilterten filmischen Look mit – besonders, wenn man das neuere Ouevre des Studios und seinen sterilen Videolook kennt, ist es hochwillkommen, mal wieder echte Körnung und 35mm-Feeling präsentiert zu bekommen. Leider wurden eine kurze Dialogszene offenbar nicht im „richtigen“ Master vorgefunden, es sieht so aus, als wäre diese Sequenz aus einem Workprint oder ähnlich qualitativ minderwertigem Material eingebaut worden. Als Extras gibt’s die zeitgenössische Videozone, Trailer, sowie einen Audiokommentar mit Mel Johnson und Michael Citriniti.

Summa summarum: ein spaßiger Full-Moon-Titel, der eine witzige Story, solide Regie und angemessen gut aufgelegte Darsteller bietet und daher in jede aufgeklärte Full-Moon-Sammlung gehört!

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 7


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