In this World

 
  • Deutscher Titel: In this World
  • Original-Titel: In this World
  •  
  • Regie: Michael Winterbottom
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Jamal Udin Torabi, Enayatullah


Vorwort

Jamal, ein sechzehnjähriger Afghane (und, für die Langsammerker, wir reden von einem Bewohner Afghanistans und nicht von einem Windhund), lebt mit seiner Familie in einem Flüchtlingscamp nahe Peshawar in Pakistan und träumt davon, zu einem Familienangehörigen (sorry, hab vergessen, was für einem) nach London zu ziehen. Tatsächlich findet sich mit seinem Onkel Enayat jemand, der sich gemeinsam mit ihm auf den gefährlichen Landweg machen will. Für teuer Geld vertrauen die beiden Flüchtlinge sich einem Schleuser an. Der erste Versuch endet, nach dem sie dort Kontakt mit einem wenig vertrauenserweckenden Schlepper knüpfen, im Iran an einer Polizeikontrolle. Enayat gibt nicht auf, legt noch mal einiges an Kohle nach und erkauft einen zweiten Anlauf. Auf ihrer Reise werden sie von einem Menschenschmuggler zum nächsten gereicht, doch sie treffen nicht nur kriminelle Elendsprofiteure, sondern auch hilfsbereite Menschen. Dennoch droht der Trip in einer Tragödie zu enden.


Inhalt

Furchtbar gut gemeintes Betroffenheitskino der englischen Regiewundertüte Michael Winterbottom („Butterfly Kiss“, „Welcome to Sarajevo“, „Wonderland“). Damit könnte man’s eigentlich bewenden lassen. In seinem dokumentarischen Spielfilm (oder fiktiver Dokumentation?) will Winterbottom das Augenmerk des Publikums auf das Schicksal von hunderttausenden Flüchtlingen lenken, die sich in die Hände zwielichtiger Schlepper- und Schleuserbanden begeben und für die die Reise in eine vermeintlich bessere Zukunft oft genug tödlich (oder an den immer undurchlässiger werdenden Grenzen der Europäischen Union) enden. Das ist, wie schon erwähnt, sehr lieb gemeint und auch ein legitimes, wichtiges Anliegen, aber ob Winterbottoms Film der Sache letztlich dienlich ist, würde zumindest meine Wenigkeit (trotz der dank political-correctness allenthalben zugesprochenen Preise wie dem Goldenen Bären bei der Berlinale 2003) mit einem entschiedenen „ich weiß nicht recht“ bedenken.

Was mich an „In this World“ stört, ist die Machart des Films – ich habe rein grundsätzlich ein Problem mit, ich bleib mal bei dem Ausdruck, fiktiven Dokumentationen (wenn’s nicht grad reinrassige Mockumentarys wie „This is Spinal Tap“ sind) – irgendwie sind solche Filme Mogelpackungen. Sie gaukeln Authenzität vor und sind doch nur gespielt; und das schwächt die Wirkung doch deutlich ab. Auch wenn Winterbottom mit Laiendarstellern drehte, die größtenteils sich selbst spielten und es kein festes Script, sondern hauptsächlich improvisierte Dialoge gab (dass die Drehbedingungen selbst sehr abenteuerlich waren, ergibt sich aus dem Bonusmaterial), das alles scheint mir das grundlegende Dilemma des Films nur zu verstärken. „In this World“ ist ein Spielfilm, der so tut, als wäre er eine Dokumentation und das mißfällt mir einfach grundsätzlich (dieses Gefühl wird noch dadurch gesteigert, dass der Streifen in den ersten zwanzig Minuten die „Spielhandlung“ für ein paar politische Kommentare eines Erzählers unterbricht). Das mag taz-Feuilletonisten und Festivalsjuroren begeistern, lässt mich aber, trotz durchaus vorhandener Empfänglichkeit für schwere Kost (vgl. „Lilja 4-Ever“) oftmals einfach nur kalt. Zweifellos hat „In this World“ herausragende Szenen, aber sie sind zu verstreut über die quälend langsam verstreichenden 86 Minuten Laufzeit und keine einzige Sequenz erreicht so die Wirkung eines schweren Schlags in die Magengrube wie der gerade schon als Vergleich herangezogene „Lilja 4-Ever“ (der zwar auch durch einige Stilmittel dokumentarisches Flair erreicht, aber seine Spielhandlung nie verleugnet).

Stilistisch zieht Winterbottom alle Register des klassischen Dokumentarfilms, also zappelige Handkamera gemischt mit majestätischen Landschaftsaufnahmen, verliert sich aber inszenatorisch ab und zu in Nebensächlichkeiten (manchmal kann man die als character moments durchgehen lassen, oft aber wirken sie einfach nur deplaziert, so z.B. wenn Jamals späterer Fluchthelfer Yusif sich ein Schachtel Zigaretten kauft. So what? Warum sollte ich das sehen?). Einige (zu wenige) Szenen sind von fast anrührender Poesie, andere (eigentlich nur eine) wirklich beklemmend, oft aber bleibt das Gezeigte vergleichsweise nichtssagend und mehr als einmal scheinen sich Winterbottom und sein Kameramann zu sehr auf die Wirkung der schon erwähnten Landschaftsaufnahmen zu verlassen – zumal dem Streifen letztlich eine echte Aussage, die über „Flüchtling zu sein ist schlimm“ hinausgeht (und das ahnte ich schon vorher), fehlt (ja, mir ist auch klar, dass es Winterbottom um ein Einzelschicksal geht, aber es fehlt mir einfach der Punkt, die zentrale These, die der Film aufstellen will). Gelungen ist die musikalische Untermalung, die die komplette Bandbreite von arabischen Pop über symphonische Themes bis hin zu Ethno-Sounds von Nusrat Fateh Ali Khan alles aufbietet.

Das Spiel der Laiendarsteller ist größtenteils überzeugend, nur zum Ende hin scheint mir Jamal sich etwas zu klar darüber gewesen zu sein, nur in einem Film zu agieren, da erscheint mir die ein oder andere Nuance seines Spiels nicht mehr glaubhaft zu sein.

Bildqualität: Wir brauchen bei Sunfilm ja gar nicht mehr groß herumreden – die Qualität des anamorphen 2.35:1-Widescreen-Prints ist gutklassig, wobei viele Szenen wohl aufgrund des verwendeten Filmmaterials (ich schätze mal, dass es sich größtenteils um auf 35mm aufgeblasenes Video handelt, ohne das näher recherchiert zu haben) sehr grobkörnig wirken. Detail- und Kantenschärfe bewegen sich auf einem unter Berücksichtigung des Quellmaterials sehr guten Niveau, die Kompression ist überdurchschnittlich, könnte aber noch eine Idee besser sein, der Kontrast ist durchschnittlich.

Tonqualität: Fünf Tonspuren, also wieder Auswahl satt, wobei ich unbedingt zur Originalfassung raten möchte (Paschtu, Farsi, Englisch, gut – optional – untertitelt, wahlweise in Dolby 5.1 bzw. 2.0), da die deutsche Fassung (in den genannten Formaten zuzüglich dts) keine Synchronfassung darstellt, sondern schlicht der O-Ton übersprochen wird (von einem einzigen Sprecher), was schon wenige Minuten der DF zu einer argen Zumutung und Nervenzerreißprobe macht. Die Qualität der Tonspuren selbst ist ausgezeichnet.

Extras: Neben einer Diashow, dem Trailer und einer Biographie von Michael Winterbottom findet sich als Herzstück auf der Scheibe ein 31-minütiges Making-of mit diversen Impressionen vom Dreh, wobei das Interessanteste daran ist, dass dieses Feature mit einem (nicht abschaltbaren) Audiokommentar von Michael Winterbottom und seinem Autor Tony Grisoni versehen ist (deutsch untertitelt), der sehr informativ geraten ist und einiges über Hintergründe und Problematiken beim Dreh verrät. Mithin das beste an der Scheibe.

Fazit: „In this World“ hat zweifellos ein hehres Anliegen – das alltägliche, fast vergessene Drama der Millionen Menschen, die sich auf der Flucht vor Kriegen, Hunger etc. befinden und ums Überleben kämpfen, verdient unsere Aufmerksamkeit. Allerdings lässt mich der Film über weite Strecken seltsam unberührt (am meisten an die Nieren ging mir noch eine Szene, in der eine Kuh geschlachtet wird – sozusagen Tiersnuff -, und das hat mit dem Thema des Films doch nur eher untergeordnet was zu tun). Ich bleibe dabei: die Entscheidung, entweder eine Dokumentation ODER einen Spielfilm zu drehen, wäre angebracht gewesen. Für einen Spielfilm ist „In this World“ zu langatmig und aufgrund der oftmals sperrigen Machart zu unzugänglich (ich musste wirklich mit mir kämpfen, aufmerksam vor der Glotze zu bleiben und mich nicht dem „Spiegel“ o.ä. zu widmen). In Punkto DVD-Umsetzung liefert Sunfilm einmal mehr saubere Arbeit ab – das große Manko der DVD ist die plump übersprochene deutsche Fassung, und ob für die das Label oder schon der Filmverleih zuständig war, kann ich nicht beurteilen.

1/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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