In the Year 2889

 
  • Original-Titel: In the Year 2889
  •  
  • Regie: Larry Buchanan
  • Land: USA
  • Jahr: 1967
  • Darsteller:

    Neil Fletcher (Captain John Ramsey), Charla Doherty (Joanna Ramsey), Paul Petersen (Steve), Max W. Anderson (Granger), Hugh Feagin (Mickey Brown), Quinn O’Hara (Jada), Bill Thurman (Tim Henderson), Byron Lord (Mutant)


Vorwort

Während der Doc sich mit seinen billigen 50er-Schachteln von Mill Creek begnügt, steht mir der Sinn nach einer elitären 10er-Box von Brentwood Home Video. Das Ding nennt sich „Galactica“ und versammelt auf fünf DVDs Public-Domain-Schrott aus dem Bereich Science Fiction (im weiteren Sinne). Und ehe man es sich versieht, kommt uns mit dem ersten Film das Werk des berühmt-berüchtigten Larry Buchanan (The Naked Witch, „Zontar: The Thing From Venus“, „Mars Needs Women“, „The Loch Ness Horror“) entgegen. Das kann ja heiter werden…

Im Jahre 1967 oder jedenfalls nicht viel später (die vom Titel implizierte ferne Zukunft ist völliger Quatsch) passiert der lang erwartete atomare Weltkrieg, in dessen Folge die gesamte Menschheit ausgelöscht wird. Die gesamte Menschheit? Nein! Denn irgendwo in Nordamerika hat sich Captain John Ramsey, Navy-Offizier a.D. (nur echt mit Geigerzähler), ein kleines Anwesen für sich und seine erwachsene Tochter Joanna eingerichtet, das aufgrund der einzigartigen geologischen Umständen vom radioaktiven Fallout verschont bleiben und als einziger Ort auf der Erde nicht zu einer atomaren Hölle werden soll (es gibt im Film mal eine ausführliche Erklärung hierzu, die selbstverfreilich nichts als höherer Blödsinn ist).

Die beiden warten nun verzweifelt darauf, dass sich Larry, der Verlobte Joanas (und nicht deckungsgleich mit dem Regisseur), einfindet (er wollte nicht so recht an den Atomkrieg glauben und wurde folglich von diesem überrascht, während er wo auch immer was auch immer machte). Stattdessen trudeln im Fünf-Minuten-Takt der Geologe Steve und dessen atomar verstrahlter Bruder Granger (was ist das bitte für ein Name? Und wieso hat die Strahlung nur ihn erwischt?), die „exotische Tänzerin“ Jada und ihr „Manager“ Mickey sowie der versoffene Hinterwäldler Tim Henderson ein.

Captain Ramsey ist sauer, weil die Lebensmittel theoretisch nur für drei Leute reichen, aber da seine Tochter sich dagegen ausspricht, Hilfesuchende wegzuschicken, und er nicht wirklich irgendwas unternimmt (dieser Streit wiederholt sich tatsächlich dreimal), bleiben die fünf Gäste halt fürs Erste. Soweit ist ja auch alles in Ordnung, solange es nicht zu regnen anfängt, denn dann kommt der ganze radioaktive Fallout runter und unsere Protagonisten müssen sterben – für solche Fälle einen Bunker einzurichten hat der Captain wohl nicht bedacht. Als ob das nicht schlimm genug wäre, macht Steves Bruder dank seiner Verstrahlung eine unheimliche Verwandlung durch („Ich brauche frisches Fleisch… Rohes Fleisch!“), erweist sich Manager Mickey als geborener Störenfried und schleicht irgendeine Kreatur auf dem Anwesen rum…


Inhalt

Ehrlich gesagt ist „In the Year 2889“ mein erster Larry-Buchanan-Film, aber man hört ja so gewisse Sachen… Der Ruhm des 2004 Verstorbenen gründet jedenfalls zu einem guten Teil auf einer Reihe von Billigstreifen in den 60ern, die nicht selten auf den Roger-Corman-Heulern der 50er basieren (das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen). Auch „In the Year 2889“ (nicht zu verwechseln mit „In the Year 2525“, dem Song) ist nicht mehr als die Neuverfilmung des Altmeisters Frühwerk „The Day the World Ended“ – AIP händigte Buchanan gar das Drehbuch aus, damit der einen Streifen für deren Fernsehabteilung (American International Television) runterkurbelt; das Ergebnis soll sich dann auch bis in Details am Original orientieren (selbiges kenne ich nicht, kann also wenig dazu sagen). Der Titel, der so gar nichts mit der Story zu tun hat, basiert übrigens auf einer Geschichte von Jules Verne, die AIP ursprünglich mal verfilmen wollte – aus dem Projekt wurde nichts, aber da man schon mal die Rechte für den Titel hatte…

Wie auch immer Cormans Version aussehen mag, die von Larry Buchanan ist vor allem notorisch unspektakulär. Die Darstellung des weltweiten Atomkriegs beschränkt sich auf ein paar Archivaufnahmen zum Vorspann, den Rest des Filmes verbringen wir auf irgendeinem ländlichen Anwesen (ein Haus, ein Pool, ein Wäldchen, ein Bach), wo sich die handvoll Protagonisten gegenseitig auf die Nerven gehen (nicht einmal die potentiell apokalyptische Stimmung eines Bunkerfilms gönnt man uns). Und wer denkt, „In the Year 2889“ würde einen Dreh à la „Night of the Living Dead“ nehmen, mit einem Grossangriff von Mutantenmonstern oder so was in der Art (womit der Film dem Romero-Streifen ein Jahr voraus gewesen wäre), wird sich wie ich unmässig enttäuscht sehen – es gibt genau einen Mutanten, der ewig lange bloss in der Gegend herumschleicht, bevor er zehn bis fünf Minuten vor Torschluss endlich mal was unternimmt. Das ist doch Scheisse! Selbst Grangers Metamorphose zum frischfleischliebenden Mutanten ist für nichts, aber auch gar nichts gut: Irgendwann, nachdem er endgültig dem Wahnsinn anheim gefallen ist, verschwindet er, nur um schliesslich von Steve und dem Captain unspektakulär offscreen getötet aufgefunden zu werden. Ein ganzes geradezu zwingend auf der Hand und dem Fuss liegendes Kannibalen-Topos wurde einfach übergangen! (Bloss Kaninchen und Eichhörnchen werden gefressen.) Schande über die Verantwortlichen, Schande!

Was also bleibt, sind die Konflikte innerhalb der Gruppe der Protagonisten: Joanna lehnt sich aus purer Menschenfreundlichkeit gegen ihren Vater auf, der (ganz vernünftigerweise) nicht mehr Leute aufnehmen will, als er durchfüttern kann (nicht, dass die Lebensmittel tatsächlich mal knapp würden). Stripperin Jada ist eifersüchtig auf Joanna, weil ihr Macker Mickey ein Auge auf Joanna geworfen hat – also schmeisst sie sich an den Säufer Tim heran, um ihrerseits ihren Manager eifersüchtig zu machen (was diesen einen feuchten Furz interessiert). Joanna wiederum hat etwas übrig für den Geologen Steve, zögert aber, weil sie hofft, dass Larry doch noch zu ihnen stösst. Mickey findet sich mit Joannas anderweitigem Interesse nicht ab und versucht, sie sich mit Gewalt zu nehmen – wie er überhaupt versucht, die Kontrolle an sich zu reissen, egal mit welchen Mitteln.
Das ist jetzt ungefähr halb so spannend wie das aufregende Leben an der Lindenstrasse, vor allem, weil die Leute so sympathisch wie die Pest am Arsch sind: Als Joanna sich weigert, Mickey aus dem Haus zu werfen, obwohl dieser grad versucht hat, ihrem Vater die Pistole abzunehmen und sich eine Prügelei mit Steve geliefert hat, empfiehlt sie sich für den Titel einer selten bescheuerten Dummkuh. Jada zickt rum wie blöde, als gäbe es angesichts der Apokalypse nicht ein paar geringfügig wichtigere Dinge als die Frage, welcher Kerl welche Tussi vorzieht. Auch Mickey ist ein hoffnungsloser Fall, was Prioritäten angeht – sind denn Weibergeschichten noch von Bedeutung, wenn grad beinahe die gesamte Menschheit vor die Hunde gegangen ist? (Aber okay, er soll ein Arsch sein, weil es sonst zu wenig dringend benötigtes Drama gäbe, gell.) Captain Ramsey seinerseits redet mehrfach davon, Mickey einfach umzubringen (an einer Stelle fordert er gar Steve dazu auf), handelt aber erst, als er jenseits aller Zweifel dazu gezwungen ist – hätte Mr. Inkonsequentius Grossmaul früher die Initiative ergriffen, wäre unseren Helden eine Menge Ärger erspart geblieben. Schlimmer ist die Szene, in welcher er sein Leben völlig unnötig in Gefahr bringt – aber dazu im nächsten Abschnitt.

Angesichts dieses versammelten Elends ist es nur folgerichtig, dass auch die Auflösung der Chose wenig befriedigend ist: Tim begeht Selbstmord, weil der Captain seinen Whisky-Vorrat zerdeppert hat, und indem er sich zurück zu seiner Destille aufmacht (also die sichere Zone verlässt und sich der tödlichen Strahlung aussetzt). Ramsey will ihn aufhalten und kriegt dabei selbst eine fatale Strahlendosis ab (erlebt aber immerhin den Filmschluss noch lebend) – dabei dürfte ihm zu dem Zeitpunkt doch mehr als klar sein, dass er Tim sowieso nicht mehr helfen kann. Jada wird von Mickey ersäuft, weil… weil… Er ersäuft sie halt. Mickey selbst wird ohne grössere Probleme von Ramsey hinterrücks erschossen. Und der Mutant? Der killt keinen einzigen Menschen (allenfalls Granger könnte man ihm anlasten), sondern entführt bloss Joanna (denn es handelt sich bei ihm natürlich um den verstrahlten Larry – upps, hab ich jetzt was verraten?), um dann am Regen zu sterben.

Eine Pein ist das Ganze auch deshalb, weil die Schauspieler nicht grad die erste Garde sind, allen voran Neil Fletcher („Zontar: The Thing From Venus“, „Mars Needs Women“, Bit-Part in Wes Cravens „Deadly Blessing), der es gar nicht erst versucht (oder kann es schlicht und einfach nicht besser) und sich absolut ausdruckslos durch den Film kämpft. Der ehemalige Kinderstar Paul Petersen („Houseboat“, „A Time for Killing“, „Mommy’s Day“) ist zudem ein selten farbloser Held, der Rest der Besetzung fährt kaum besser.
Halbwegs überzeugend ist die 1988 verstorbene Charla Doherty (kleine Rolle im James-Stewart-Vehikel „Take Her, She’s Mine“, Bert I. Gordons „Village of the Giants“) als vorwiegend besorgt wirkende Joanna – wie oben beschrieben, ist ihre Rolle halt etwas zu dummkuhhaft geschrieben. Eher lächerlich ist zudem die telepathische Verbindung, die sie zu Mutanten-Larry aufbaut (halbwegs kurios ist dafür die daraus folgende Szene, in der sie sich mitten in der Nacht aus dem Bett erhebt und seinem Ruf nach draussen folgt – als wäre man plötzlich in einen Dracula-Streifen geraten).
Am besten ist Hugh Feagin („In the Year 2889“ war dessen Debütfilm, später spielte er in „Scum of the Earth“ oder in einer Winzrolle in Oliver Stones „JFK“) als schmieriges Arschloch.

Schlussendlich ist der Film mit seinen 80 Minuten ungefähr doppelt so lang wie nötig oder sinnvoll (Buchanan war sogar dazu gezwungen, die originale Story auszudehnen, damit „In the Year 2889“ ins TV-Programm passt), inszenatorische oder visuelle Einfälle, die den Streifen aufpeppen würden, kann man vergessen (es sei dann, man zählt die fürchterlichen Day-for-Night-Shots oder den fast schon schmerzhaft holprigen Schnitt dazu). Was man hier kriegt, ist ein stinklangweiliges, inhaltlich haarsträubendes und geschwätziges exkrementelles Charakterdrama mit erschreckend wenig Monster-Action (wobei „Action“ hier sowieso das falsche Wort ist).

Gibt es denn überhaupt nichts, das für den Film spricht? Ein paar Dinge dann doch:

Das Monster-Design. Wir sehen drei Mutanten im Film: neben Granger, der nicht über das Anfangsstadium der Verwandlung hinaus kommt, gibt es einen halb mutierten Typen, der irgendwann mal aufs Anwesen kriecht, um sofort zu krepieren, sowie Larry, den Vollmutanten. Die letzten beiden laufen mit den lächerlichsten Pappmaché-Masken rum, die man sich jenseits eines Kindergarten-Faschings überhaupt vorstellen kann. Unfassbar. Hätten die in diesem Film bloss mehr zu tun gekriegt…
Der „wissenschaftliche“ Hintergrund. Wie sagt Captain Ramsey so schön? „Die wahre Kraft des Atoms wurde nie vollständig ermittelt.“ Wer hier verstrahlt wird, stirbt nicht daran, sondern wandelt sich im Rahmen einer Art Impromptu-Evolution zu einer neuen Art von Lebewesen, das an eine radioaktive Umgebung angepasst ist. Handkerum ist es in einem Umfeld, das nicht verstrahlt ist, nicht mehr überlebensfähig – weshalb dann der Regen, der schliesslich doch noch kommt, wunderbarerweise aber frei vom radioaktiven Fallout ist, auf diese Wesen tödlich wirkt. Bemerkenswert ist diesbezüglich auch die Szene, in der Captain Ramsey Steve von einem Experiment erzählt: Er war früher mal bei einem Atombombentest dabei und hat mit angesehen, wie sich die Versuchstiere entsprechend dem beschriebenen Prozess verändert haben. Was er anhand einiger lustiger Zeichnungen der Tiere demonstriert (an Fotos hat damals wohl keiner gedacht). Wieso die ganze Radioaktive-Evolution-Sache trotzdem so eine Überraschung für ihn ist, wundert einen da schon…

Der konservative Unterton. Beispiel: Captain Ramsey ist zu der Überzeugung gekommen, dass es ihnen, also den letzten Überlebenden, zukommt, die menschliche Zivilisation wieder aufzubauen. Also geht er zu seiner Tochter und sagt zu ihr: „Joanna, ich will, dass du Steve heiratest. Ich will, dass du Kinder kriegst.“ Weiteres Beispiel: Jada tanzt exotisch zu moderner Musik. Entsetzt von so viel Verkommenheit bricht Captain Ramsey die Schallplatte übers Knie und zerstört, wenn er schon dabei ist, auch Tims Whisky-Flasche. Noch ein Beispiel: Im Angesichts der hoffnungslosen Situation fällt Steve Folgendes ein: „Wissen sie, wenn mein Bruder die Antwort auf etwas nicht wusste, schaute er in der Bibel nach. Er glaubte, sie enthält die Antwort auf alles.“ In der nächsten Szene liest Captain Ramsey den anderen aus der Bibel vor.
Die Musik. So cheesy der Score ist, so spassig ist er auch, vor allem dort, wo das Theremin heftigst zum Einsatz kommt. Ein Komponist ist nicht angegeben, also hat man sich da wohl im Archiv bedient.

Die DVD

Wie gesagt, wird der Film auf der „Galactica“-10er-Box von Brentwood mitgeliefert (Code 1). Ich weiss nicht, von was für einer Quelle die Version für die DVD gezogen wurde, aber in Anbetracht der fürchterlichen Bild- und Tonqualität tippe ich auf eine halb zerfallene Filmrolle, die vierzig Jahre unter einem Sofa gelegen hat. Insbesondere ein durchgehender Pfeifton trübt das Vergnügen doch sehr. Aber hey, was kann man erwarten. Natürlich gibt es jenseits einer Kapitelwahl keine Extras.

Fazit

Trotz grossartig schlechter Monstermasken und der einen oder anderen launigen Szene ist „In the Year 2889“ vor allem ein sehr unspektakulärer, äusserst zäher Güllestreifen, in dem kaum was von Interesse passiert. Trotz Postapokalypse und Mutanten will angesichts dieses verkappten Charakterdramas keine Freude aufkommen. Kann man sich getrost sparen.

1/5
(c) 2009 Gregor Schenker


mm
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