In Hell

 
  • Deutscher Titel: In Hell
  • Original-Titel: In Hell
  • Alternative Titel: In Hell: Rage Unleashed |
  • Regie: Ringo Lam
  • Land: USA
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Jean-Claude van Damme (Kyle LeBlanc), Lawrence Taylor (451), Lloyd Battista (General Hruschev), Carlos Gomez (Tolik), Chris Moir (Billy), Billy Rieck (Coolhand), Alan Davidson (Malakhi, als Malakhi Davidson), Paolo Tocha (Victor), Valentin Ganev (Bolt), Michael Bailey Smith (Valya), Raicho Vasilev (Andrei), Juan Fernandez (Shubka)


Vorwort

Der amerikanische Ingenieur Kyle LeBlanc (Jean-Claude van Damme, JCVD, REPLICANT) geht im postkommunistischen Russland seinem Job nach – nicht gerade zur Begeisterung seiner Frau Grey (Marnie Alton, REPLICANT, EXES & OHS), die von der Globetrotter-Existenz ihres Ehemanns, die sie notgedrungen teilen muss, einigermaßen angenervt ist. Eines schönen Abends fährt Kyle von der Baustelle nach Hause und telefoniert (während der Fahrt! Schüft!) mit seiner Holden, nur um mithören zu müssen, wie die in den eigenen vier Wänden überfallen wird… Kyle gibt seinem Wagen die Sporen, doch er kommt zu spät, als er eintrifft, ist Grey bereits vergewaltigt und tot, der Täter aber noch in Sichtweite. Kyle nimmt die Verfolgung auf, um die sprichwörtliche Scheiße aus dem Kriminellen rauszuprügeln, doch biblische Rache wird schlussendlich von der Polizei unterbunden…

Der Prozess führt zu einem für Kyle sehr unbefriedigenden Ergebnis. Der Angeklagte wird unter gerichtlichem Verweis auf schlampige Polizeiarbeit freigesprochen, aber jeder im Gerichtssaal (minus Kyle, dem man das erst verklickern muss) weiß – der Bursche hat eine reiche und einflussreiche Familie und eine Fuhre Rubel in die richtigen Brieftaschen schütten lassen. Kyle greift zur Selbsthilfe und zur Waffe eines arglos herumstehenden Polizisten und korrigiert die gerichtliche Fehlentscheidung an Ort und Stelle terminal. Bei ihm allerdings versteht die russische Justiz dann keinen Spaß und verdonnert ihn zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung.

Das ist Kyle mehr oder weniger auch schon wurscht, denn durch den Verlust seines Augensterns hat er auch seinen Lebenswillen verloren. Der Knast wird von General Hruschov (Lloyd Battista, DAS GEHEIMNIS DER VIER KRONJUWELEN, TRABBI GOES TO HOLLYWOOD) und seinem Rechte-Hand-Schergen Tolik (Carlos Gomez, SLEEPER CELL, LAW & ORDER TRUE CRIME) mit eiserner Knute geführt. Flucht, das wird den Neuankömmlingen gleich eingetrichtert, ist sinnlos, und Tolik und seinen Handlangern einen Anlass zu geben, ihre Schlagstöcke einzusetzen, ist ebenso wenig ratsam wie es zu vermeiden ist – wie Kyle merkt, auf dessen Ehering Tolik begierliche Stielaugen geworfen hat…

Am besten wäre also, zu allem bösen Spiel möglichst unbewegte Miene zu machen und sich nicht einzumischen, aber Kyle kann sich nicht beherrschen, als ein anderer Neuankömmling, der junge Ami Billy Cooper (Chris Moir, HATCHETMAN, 108 STITCHES), unbürokratisch von Tolik dem Knastschläger Andrei (Raicho Vasilev, SPARTACUS: WAR OF THE DAMNED, COMMAND PERFORMANCE) als neues Sextoy zugeteilt wird. Kyle haut Andrei eine aufs Maul und landet dafür im „Loch“, einem feuchten Verlies, durch das auch noch die Pisse der Knacki-Toiletten abgeleitet wird, und das auch sonst eher wenig Annehmlichkeiten bietet (dafür aber einen lauten, sich dafür aber keiner klaren Artikulation bedienenden Zellennachbarn). In der Hoffnung, den Willen des Yankees gebrochen zu haben, stopft Tolik Kyle nach Ende dieser Strafmaßnahme in die Zelle eines nur als 451 (kleine Referenz an FAHRENHEIT 451 und des Mannes kleine pyromanische Ader) bekannten Häftlings (Lawrence Taylor, ehedemiger American-Football-Star und bislang einziger Celebrity-WrestleMania-Main-Eventer), der nicht zu Unrecht im Ruf steht, nervige Mitbewohner abzumurksen. So oder so sollte sich das Problem Kyle nach Toliks Geschmack in Kürze erledigt haben.

Kyle freundet sich mit Billy, einem weiteren Ami namens Coolhand (Billy Rieck, THE EAVESDROPPER) und dem im Rollstuhl sitzenden Malakhi (Alan Davidson, DÄMONISCH, 13), dem offiziellen Beschaffungs-Spezialisten hinter diesen wohlfeilen Gittern, an, und lernt die offizielle Problemlösungsmethode des Knasts kennen. Haben die diversen Russenmafia-Gangs, die – von Hruschev geduldet – um die Vorherrschaft in den Zellenblocks streiten, ein Sträußchen auszufechten, dann ist das ein Fall für „Sparka“ – einen regellosen Kampf auf Leben und Tod, der zwischen Repräsentanten der jeweiligen Gangs ausgetragen wird und auf dessen Ausgang der Knastchef und seine geladenen Gäste Wetten mit hohen Einsätzen abschließen. Andrei ist der aktuelle ungeschlagene Champion – Kyle ist nicht clever genug, jegliche Provokation seinem Intimfeind gegenüber zu unterlassen (was natürlich auch auf Gegenseitigkeit beruht) und nach einer weiteren Handgreiflichkeit mit Andreis Gang findet sich Kyle wieder im Loch – und dieses Mal dauert sein dortiger Erholungsaufenthalt Wochen, wenn nicht gar Monate.

Kyle droht den Verstand zu verlieren – nur eine Motte, die er zu einer Erscheinung seiner geliebten Grey stilisiert, leistet ihm Gesellschaft und verleiht ihm Kraft. Kraft, die er zu eisenhartem Training nutzt – und dieses harte Regiment hält Kyle auch nach seiner Rückkehr in den regulären Vollzug aufrecht. Hruschev und Tolik sind zufrieden. Langsam ist Kyle bereit für Sparka…

Natürlich wird Kyle in seinem ersten Kampf gleich auf Andrei losgelassen – der scheint aufgrund seiner Erfahrung zunächst deutlich die Nase vorn zu haben, doch in einem brutalen Fight gelingt es Kyle, den Spieß umzudrehen und, zur Begeisterung derjenigen, denen Andreis Clan schon viel zu lange die Suppe versalzt, den Kontrahenten in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Hruschev ist ebenfalls entzückt, hat er doch einen neuen Superkämpfer, den seine Wettgenossen zu unterschätzen pflegen und der ihm viel Geld einbringt. Nur 451 ist skeptisch – der ruhebedürftige Knastphilosoph, der entweder liest oder sein Knasttagebuch schreibt, stellt akkurat fest, dass das Kämpfen und Töten Kyle zu gefallen beginnt und droht, die Reste seiner Menschlichkeit zu verlieren. Währenddessen plant Billy mit Malakhis Hilfe seine Flucht, doch der Rollifahrer verrät seinen Freund. Extra für Kyle wird der brutale Schläger Valya (Michael Bailey Smith, NIGHTMAREW ON ELM STREET 3, THE HILLS HAVE EYES) in seinen Knast verlegt – natürlich ist ein Kampf der Titanen geplant.

Doch mittlerweile ist 451s Botschaft bei Kyle angekommen und als die Sparka gegen Valya ansteht, verweigert Kyle den Kampf. Das können Hruschev und Tolik natürlich nicht tolerieren – Kyle soll um jeden Preis gebrochen werden, doch Kyles passiver Widerstand entwickelt sich unerwarteterweise zu einem inspirierenden Fanal, das die verfeindeten Knast-Gangs eint. Die Gefängnisführung muss einen anderen Weg finden – und da gibt es ja noch diesen eher unartikulierten Gesellen aus der Loch-Nachbarschaft…


Inhalt

Jean-Claude van Damme, unser aller Lieblings-Belgier (wer hat da „Dutroux“ gesagt??), sah sich Mitte /Ende der 90er wie so viele seiner Action-Hero-Kollegen einem echten Problem gegenübergestellt. Eben noch war er mit groß budgetierten Filmen wie TIMECOP oder SUDDEN DEATH auf dem Sprung in die A-Liste, plötzlich war dieser Markt, der die Stallones, Schwarzeneggers, Seagals und Lundgrens dieser Welt jahrelang gut ernährt hatte, quasi komplett weggebrochen. Gut, im Fall von van Damme kam vielleicht noch ein missglücktes (aber charmantes) Vanity-Projekt wie THE QUEST dazu, aber plötzlich war er bestenfalls noch dafür gut, für Hongkong-Regisseure, die nach der Übergabe der Kronkolonie an die Volksrepublik China ihre Fühler nach Hollywood ausstreckten, eine günstige Eintrittskarte zu sein. Van Damme hatte 1993 schon John Woods US-Debüt HARD TARGET geziert, nun kamen Namen wie Tsui Hark (KNOCK OFF, DOUBLE TEAM) oder Ringo Lam (MAXIMUM RISK). Für den, der die Szene beobachtete, wirkte es fast wie ein Running Gag, dass jeder HK-Regisseur, der sich in den USA versuchen wollte, durch ein Einwanderungsgesetz o.ä. verpflichtet war, seinen ersten US-Film mit van Damme zu drehen – ein bisschen unfair, der Spott, denn zumindest Lam wurde auf van Dammes ausdrücklichen Vorschlag hin verpflichtet, und wiewohl der Buschfunk gerüchteweise trommelt, dass der Regisseur und sein Star gewisse Differenzen zu überwinden hatten, arbeitete das Duo wiederholt zusammen – 2001 für den x-ten van-Damme-Doppelmoppelrollen-Schwank REPLICANT und eben 2003 für IN HELL, produziert von den selbsternannten Cannon-Nachfolgern Nu Image, allerdings herausgebracht unter derem Label Millennium Films, der hauseigenen Marke für die etwas größer angelegten Kinoprojekte des Studios. Was schon mal andeutet, dass Nu Image sich mit und für IN HELL Chancen ausrechnete. Mit einen rapportierten Budget von 17 Mio. Dollar (und das ausgegeben in Bulgarien, wo’s ja dann doch auch ein bisschen billiger ist) ist der Streifen nun auch nicht gerade eine Armenhaus-Produktion und auch van Damme selbst äußerte sich hoffnungsfroh über das Projekt, das ihn schauspielerisch fordern sollte und nicht auf seine Martial-Arts-Fähigkeiten fokussiert sein würde, vielleicht so etwas wie van Dammes COPLAND oder EXIT WOUNDS, ein Beweis, dass sein Star nicht nur aus Muckis und Kampfchoreographie besteht, sondern sich auch als ernsthafter und ernstzunehmender Schauspieler etablieren wollte und konnte. Zumindest kommerziell sollte sich das als Trugschluss ersten Ranges erweisen, aber das ist ja nicht der alleinige Maßstab.

Nun muss jeder Action-Star im Laufe seiner Karriere mal in den Knast (bevorzugt natürlich im Rahmen einer Rolle, ähm), und Jean-Claude hatte diesen Punkt auf seiner Bucketlist eigentlich schon 1990 mit DEATH WARRANT/MIT STÄHLERNER FAUST abgehakt. Das Knastdrama ist ja in diesem Bereich gerne mal das go-to-Szenario, wenn man seinem Action-Helden die Möglichkeit zum Prügeln UND zum dramatischen Schauspielern bieten und so zeigen will, „kuckt, der kann MEHR als nur hauen!“. Aber nach 13 Jahren kann man’s ja auch ein zweites Mal versuchen und der Zeitpunkt war sicher nicht schlecht gewählt, um van Damme potentiell ein Ausbrechen aus dem reinen Action-Gülle-Ghetto, das zum DTV-Schicksal verurteilt war, zu etwas gehaltvolleren Rollen zu ermöglichen, so der eine oder andere Produzent daran interessiert sein sollte (Memo: Waren sie nicht, mit der notablen Ausnahme von JCVD).

Geschrieben wurde IN HELL von dem ansonsten nicht wieder schreiberisch tätig gewordenen Team Eric James Virgets (normalerweise bit-part-actor in eher vernachlässigbaren Heulern wie DEADLY BLAZE, PROJECT VIPER oder CRASH LANDING) und Jorge Alvarez (der seine Berufung als Requisiteur und Dokrateur gefunden zu haben scheint) und, phew, it’s getting dark here…

IN HELL ist ein, sagen wir mal, freudloser Film. Gut, der Titel deutet schon an, dass wir hier nicht 90 Minuten lang von Glücksbärchis und Regenbogen-pupsenden Einhörnern unterhalten werden, sondern wir hier in die finstersten Abgründe vordringen, in eine düstere Welt ohne Hoffnung, die nur aus körperlichem und seelischem Schmerz besteht. Gegen die Welt von IN HELL wirkt DEAD MAN WALKING lustig. Dass die Geschichte in Russland spielt, mag Vladimir Putin verärgern, tut aber eigentlich nichts zur Sache, sie könnte genauso in irgendeiner lateinamerikanischen Bananenrepublik spielen, in Asien oder in irgendeinem Hillbilly-Redneck-County in den USA. Korruption und ein System, das die an die Schaltstellen der Macht spült, ist in Osteuropa sicher nicht unbekannt, aber auch kein Phänomen mit realer Gebundenheit – *dass* IN HELL in Russland spielt, liegt hauptsächlich daran, dass der Film in Bulgarien gedreht wurde, demzufolge eine Menge bulgarischer Extras rumlungern und es der Glaubwürdigkeit dann halt entgegenkommt, den Film in einer slawisch geprägten Region anzusiedeln. Sicher kann man darüber diskutieren, wie gerade 451 dann in diesem russischen Knast landet – „sein halbes Leben“ hat er dort verbracht, und wenn man von Lawrence Taylors Lebensdaten aus spekuliert, wäre er dann ca. 1981 eingefahren – und für diesen Zeitraum bezweifle ich, dass viele afro-amerikanische Mörder in sowjetischen Knästen einsaßen. Aber das ist letztendlich für den *Film* ein vernachlässigbares Problem.

Es geht hier schließlich nicht wirklich um eine realistische Darstellung der ethnischen Zusammensetzung russischer Strafvollzugsanstalten, sondern um eine universelle Geschichte um den Verlust der Menschlichkeit, darum, wie Kyle, gefangen in einer Welt, die wirklich auf den primitivsten Überlebenskampf reduziert ist und in der das Einstehen für sich selbst, für das simple Recht auf Existenz, kein bewundernswerter Wille, sondern ein schierer dummer Fehler ist, aus einem „normalen“ Menschen, der durch die Umstände in eine Situation geworfen wird, auf die er weder physisch noch mental vorbereitet ist, erst gebrochen wird und sich dann dieser dog-eat-dog-Welt, in der Respekt nur durch Gewalt gewonnen werden kann, anpasst, aber dadurch droht, die kärglichen Reste seiner Humanität – symbolisiert durch die Erinnerung an seine geliebte Ehefrau – einzubüßen und zu einem Teil der unmenschlichen Maschinerie zu werden. Das ist manchmal sehr dick aufgetragen – sowohl die verkitschten Visualisierungen der Motte als Repräsentantin der Erinnerung an Grey als auch 451s pathetisch-philosophische Tagebucheintragungen, die uns als voiceover serviert werden, knüppeln diese Botschaft mit der Subtilität eines Vorschlaghammers ins Bewusstsein des Betrachters. An anderer Stelle wirkt IN HELL dann schon wieder entzückend naiv, wenn z.B. Kyle nach seiner Kampfverweigerung bereit ist, für seine wiedergewonnene Überzeugung notfalls zu sterben und dieses Selbstopfer die Mafia-Banden im Knast, die sich gegenseitig hassen wie die Pest und alles andere als Kinder von Traurigkeit sind, dies plötzlich als leuchtendes Beispiel betrachten und auf einmal vereinte Front gegen die Knastführung machen. Da wird dann doch deutlich, dass IN HELL zwar Anklänge eines existentialistischen Dramas hat, aber am Ende des Tages Tickets (bzw. DVD-Einheiten) an die Fans zünftiger Randalefilme verhökern will und daher irgendwie auch mal zu einem großen Action-Set-Piece, in dem Fall den obligatorischen Gefängnisaufstand, kommen muss. Ebenfalls schon fast rührend in ihrer emotionalen und dramaturgischen Schlichtheit ist die große Konfrontation Kyles mit dem röhrenden Monster aus dem „Loch“, in der aus einer nur für den Vernichtungszweck „dressierten“ Kill-Maschine nach einem treuherzigen Blick Kyles ein zartes Lämmlein wird (bzw. wenigstens eine Kill-Maschine, die sich gegen die „Richtigen“ wendet). Aber das kommt dann auch alles im letzten Akt, wenn der Film eben versucht, sich aus der hoffnungslosen Situation, in die er seinen Protagonisten gebracht hat, herauszuwinden und die Kurve zu einem Happy End zu kriegen. Es ist am Ende des Tages halt dann kein Tarkowski-Drama, sondern ein, zugegeben etwas anspruchsvollerer, Randalefilm von Ringo Lam mit van Damme, der zwar von sich glaubt, tiefschürfende Erkenntnisse zur conditio humana zu haben, und die auch mit aller Deutlichkeit, Vehemenz und guten Absichten in Szene setzt, letztlich aber auch nichts überraschend Neues zu vermitteln vermag. In einer unmenschlichen Umgebung verliert der Mensch den Bezug zu seiner Anständigkeit, versucht sich einer gewalttätigen Umgebung anzupassen, um zu überleben? Color me surprised…

Eins ist jedenfalls klar – IN HELL ist kein Spaß-Film. Es gibt keinen „comic relief“, keine cleveren one-liner, nichts, was die düstere Hoffnungslosigkeit, in der sich Kyle befindet, brechen könnte. Dem passt sich dann auch die Inszenierung an. Ringo Lam entfernt sich hier sehr weit von seinen Roots als einer der führenden Vertreter der Hongkong-New Wave, von auf Style getrimmter Nonstop-Action, sondern lässt sich die notwendige Zeit, um nicht nur die körperlichen, sondern auch die mentalen Qualen, denen er seine Figuren aussetzt, wirken zu lassen. Und wenn dann die „Action“ ins Spiel kommt, dann ist sie bewusst un-„flashy“, da gibt’s keine für die Kamera hinchoreographierten spektakulären Moves, sondern nur simpel und brutal auf die Fresse. Im „Sparka“ werden keine Stilnoten vergeben, da geht’s nur darum, den Kontrahenten mit allen Mitteln auszuschalten (Kyle besiegt Andrei dadurch, dass er ihm die Gurgel aufbeisst!), das sind dreckige Fights, bei denen der Kampfsportconnoisseur nicht zungeschnalzend die Fähigkeiten der Kämpfer bewundert (schon allein deshalb, weil 451 einem die Zunge rausreißen würde, täte er’s mitbekommen), sondern die auch beim Ansehen schon schmerzhaft sind (eine Ausnahme bildet nur die Auftaktsequenz von Kyles Verfolgung des Mörders seiner Frau, die etwas den Geist eines typischen HK-Actionfilms atmet). Diesem schmutzigen, hässlichen Stil entspricht auch der Look des Films. Lam und sein Kameramann John Aronson (CAGED HEAT 3000, BLOODFIST VIII: TRAINED TO KILL und mittlerweile gefragter TV-DOP für Serien wie CROSSING JORDAN, HEROES oder AMERICAN HORROR STORY) setzen auf erdige Farben – braun, rot, grau, das ist das Spektrum, in dem sich IN HELL visuell größtenteils abspielt. Aus einer leerstehenden Fabrikhalle zimmerten die Set Designer einen überzeugend abstoßenden Gefängniskomplex, und das beengte Interieur, das natürlich auch in Sachen Ausleuchtung und Kamerapositionierung Herausforderungen aufstellte, erweist sich für das erwünschte klaustrophobische Gefühl natürlich als ideal (wobei das „Loch“ schon ein ganz besonders ekliger Vertreter solcher Einzelzellen ist. Kein Wunder, dass Kyle schon bei seinem ersten Zwangsaufenthalt versucht, sich aufzuhängen).

Die Gewalt ist, wie angedeutet, brutal und blutig, allerdings offenkundig zugunsten eines R-Rating sogar noch etwas heruntergefahren worden (im Making-of gibt’s doch einige Bilder, die drastischer sind als das, was letztendlich im Endschnitt zu sehen ist), wobei die sexuelle Gewalt impliziert bleibt (kann man aus Sicht eines harm- und arglosen Filmkonsumenten, der eigentlich nur 90 Minuten Randale sehen will, begrüßen, aber im Kontext eines Films, der ja gerade alles zeigen will, was geeignet ist, die Gefangenen seelisch zu brechen, auch missbilligen, aber ich schätze, bei einer graphisch gezeigten Knastvergewaltigung hätte sich Nu Image das R-Rating ganz unabhängig von Gore und Splatter in die Haare schmieren können).

Den Score – meist wenig melodisch, dafür mit Industrial-Anleihen – besorgt der deutsche Komponist Alexander Bubenheim (DAS EXPERIMENT, DAS UNBEZÄHMBARE HERZ).

Acting-wise darf van Damme seine zerbrechliche, emotionale Seite genauso zeigen wie die einer gefühllosen Kampfmaschine (seine entsprechenden psychologischen Schwankungen verdeutlicht der Film anhand seiner Haarpracht – in seiner Zottelhaar- und Vollbartphase erinnert er mich ein bisschen an Daniel Bryan, und wenn er sich dann auf dem Gipfel seiner Knastkarriere einen dämonischen Goatee stehen lässt, ist das in seiner Symbolik auch relativ klar). Van Damme zeigt jedenfalls, dass er vielleicht nie einen Oscar gewinnen wird, aber von den Action-Bodys sicher nicht derjenige ist, der die wenigsten schauspielerischen Fähigkeiten mitbringt. Wenn gefordert und gefördert, kann auch Jean-Claude eine glaubwürdige dramatische Leistung auf die Leinwand zaubern.

Ob’s das Stunt-Casting von Football-Star Lawrence Taylor, der sich bis dato primär mit Rollen „als er selbst“ oder wenigstens typgerecht als Football-Star schadlos gehalten hatte (WATERBOY oder AN JEDEM VERDAMMTEN SONNTAG), *gebraucht* hat, ist zweifelhaft. Taylor hält sich allerdings wacker (wobei die gewalttätige Mordmaschine mit der sanften Seele auch ein Klischee für sich ist) und fällt nicht durch den Rost. Chris Moir ist okay als der bemitleidenswerte Billy, und die Fieslingsfraktion wird vor allem von Carlos Gomez durchaus angemessen widerwärtig getragen, Lloyd Battista ist weniger handlungstragend als ein Grüßaugust mit verhältnismäßig „großem“ Namen. Die Knackis werden überwiegend von bulgarischen Aktiven gemimt, Ausnahmen bildet noch Juan Fernandez (CROCODLIE DUNDEE 2, THE COLLECTOR, EXTREME RAGE) als Knast-Schwuletten-Drag-Queen und Sparka-Ansagerin Shubka und Paolo Tocha (BLOOD IN BLOOD OUT, BLOODSPORT) als Gang-Chef Victor.

Ich habe hier das 2-Disc-Mediabook aus dem Hause DigiDreams. Grundlage des ordentlichen Prints (1.85:1-Widescreen) ist ein italienisches Master, was den kleinen Schönheitsfehler mit sich bringt, dass wir in einigen russisch gesprochenen Passagen zusätzlich zu den deutschen Untertiteln noch fest eingebrannte italienische Subs haben. Nicht schön, aber auch kein totales K.O.-Kriterium. Bild- und Tonqualität sind ansonsten in Ordnung, für meinen Geschmack sieht der Transfer auch nicht überfiltert aus (was ja eine gängige Kritik an DigiDreams-Veröffentlichungen ist). Als Extra gibt’s ein 15-minütiges Making-of mit Interviewschnippseln mit van Damme, Moir, Aronson, Davidson, Tocha sowie Make-up-FX-Designer Danny Bellens und CGI-Supervisor Scott Coulter.

IN HELL ist definitiv der falsche Film, falls man auf 90 Minuten lustiges Hauen bei Bier und Popcorn eingestellt ist. Es ist selbst für Lam, dem die Abbildung moralischer Abgründe – gerade hinter Gittern – sicher nicht fremd ist (PRISON ON FIRE wirkt stimmungstechnisch dagegen wie ein fröhlicher Kinderfasching) ein ordentlicher Brocken Kantholz (IN HELL hat ja auch kein echtes Äquivalent zu der Männerfreundschaft von Chow Yun-Fat und Tony Leung in PRISON ON FIRE). Seine Botschaft, sich auch in Extremsituation seine Menschlichkeit zu bewahren, ist wenig subtil und gelegentlich naiv, aber ja auch im Grunde nicht falsch, Lams Inszenierung sicher, und das Schauspiel allemal adäquat, aber es ist, da muss man ehrlich sein, weder ein „schöner“ noch ein „leichter“ Film – ein durchaus „guter“ schon, nur ganz bestimmt nicht für Jedermann und zu jeder Zeit. Wer spaßig-knallige 80er-Style-Action erwartet, der ist hier grundverkehrt. Man muss sich schon selbst zutrauen, in die Hölle abzusteigen…

© 2020 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 5


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