In a Valley of Violence

 
  • Deutscher Titel: In a Valley of Violence
  • Original-Titel: In a Valley of Violence
  •  
  • Regie: Ti West
  • Land: USA
  • Jahr: 2016
  • Darsteller:

    Ethan Hawke (Paul), John Travolta (Marshal), James Ransone (Gilly), Taissa Farmiga (Maryanne), Karen Gillan (Ellen), Larry Fessenden (Roy), Toby Huss (Tubby), Burn Gorman (Priest)


Vorwort

Das Wüstenkaff Denton ist die Zyste am Furunkel des Arsch der Welt, wo nicht mal der Fuchs, der dem Hasen gute Nacht sagt, tot über’m Gartenzaun hängen möchte. In dieses Kaff stolpert Drifter Paul nebst seiner Hündin Abby auf dem Weg nach Mexiko. Eigentlich nur willens, seine Vorräte aufzufüllen und dann wieder seiner Wege zu ziehen, gerät Paul unfreiwillig mit dem Dorfrüpel Gilly aneinander, der den Neuankömmling gleich mal gefressen hat. Als der Abby etwas zu nahe tritt, gibt’s von Paul eine ordentliche Maulschelle, die Gilly in den Straßenstaub schickt. Alles fair and square, sind sich auch Gillys Kumpane einig, aber da gibt’s einen Haken.

Gilly ist nicht nur der Deputy, sondern auch der Lendensproß des örtlichen Marshals, und dem ist arg daran gelegen, dass die Grabesruhe in Denton so bleibt, wie sie ist und kein hergelaufener Herumtreiber von sonstwoher für Ärger sorgt – zumal der Marshal bei persönlicher Inaugenscheinnahme des Fremden auch zutreffend kombiniert, dass Paul Deserteur einer berüchtigten Anti-Indianer-Einheit der Armee ist und sich auf das Tötungshandwerk ausnehmend gut versteht. Paul, so äußert sich der Marshal höflich, möge sich doch bitte eiligst vom Orte subtrahieren. Der so freundlich Aufgeforderte versteht den Wink mit dem Zaunpfahl, sattelt Pferd und Hund und zieht von hinnen, da kann die hübsche Maryanne, die mit ihrer Schwester Ellen (ihrerseits Verlobte Gillys) das örtliche Hotel betreibt, Paulchen noch so schöne Augen machen.

Damit wäre alles eigentlich schiedlich-friedlich geklärt, wären da nicht Gilly und sein gekränktes Ego. Die Beleidigung darf nicht ungesühnt bleiben, also trommelt er entgegen der ausdrücklichen Weisung seines Vaters die Gang zusammen und überfällt den nächtens friedlich schnorchelnden Paul. Erstes Opfer der Auseinandersetzung ist Abby, die von Gilly erst angeschossen, dann erstochen wird – und Paul soll, bitteschön, das Fliegen von einer Klippe lernen. Im sicheren Gefühl, einen guten Job erledigt zu haben, kehren Gilly und die Jungs nach Denton zurück.

Sie hätten aber besser mal genauer hingesehen, ob Paul wirklich tot ist. Ist er nämlich nicht, und den heimtückischen Mord an seiner Flohtüte betrachtet er als validen Grund, seine bisherige No-Kill-Policy auf dem Weg nach Mexiko mit ein paar Ausnahmeregelungen zu versehen.

Paul kehrt nach Denton zurück, wo Maryanne, die darauf brennt, das Kaff verlassen zu können, trotz der verwandschaftlichen Komplikation ihre Hilfe bei der Eliminierung der Hundemörder anbietet. Paul lehnt ab und beginnt sein blutiges Werk. Der Marshal ahnt bei Entdeckung der ersten Leiche, wer warum dahintersteckt, aber seine Versuche, die Lage zu deeskalieren, scheitern sowohl an Paul als auch an Gilly – und irgendwie ist ein Marshal ja auch dafür da, wildes Herumgekille zu verhindern…


Inhalt

Ti West polarisiert. Der Kumpel und Protegé von Eli Roth wird von manchen für Gottes Geschenk an den Genrefilm gehalten, von anderen für denjenigen, der abgefilmte Langeweile zu einer neuen Kunstform erhoben hat. Schreiber dieser Zeilen outet sich als Fan von „House of the Devil“ und vor allem „The Innkeepers“, dem besten Spukhausfilm der letzten 20 Jahre, und hängt daher eindeutig eher der ersten These an.

Der Western hingegen hat sich in den letzten paar Jahren einer erfolgreichen Frischzellenkur unterworfen – Tarantinos „Hateful 8“, der großartige „Bone Tomahawk“ oder auch der düstere österreichische Alpenwestern „Das finstere Tal“ bewiesen, dass im Genre noch Leben steckt und immer noch neue Ansatzpunkte gefunden werden können, um modernes Storytelling oder Fremdgenreeinflüsse in die gute alte Pferdeoper zu integrieren. Man durfte also gespannt sein, wie West, erkennbar einer, der stark vom 70er-Jahre-Kino beeinflusst ist, mit dem Sprung vom Horror zum Western umgehen würde.

West bleibt sich auch beim West-ern (dass ich bis zum dritten Absatz gebraucht habe, um diesen Kalauer zu bringen, rechne ich mir hoch an) treu – es werden keine Räder neu erfunden, sondern es werden bewährte Tropes aufgegriffen, vorsichtig erneuert und so gestaltet, dass weniger die plakative Action im Vordergrund steht, sondern die Charaktere, ihre Entwicklung, ihr „arc“.

Auch „In a Valley of Violence“ basiert auf einer ausgesprochen simplen Geschichte – Rache für begangenes Unrecht (und wieder einmal sollten fiese Fieslinge lernen, dass es eine ausgesprochen unkluge Idee ist, den Hund des Protagonisten zu killen. Frag nach bei John Wick). West leiht mehr beim Italowestern aus als beim klassischen US-Western. Paul ist kein klassischer Held – schon in der ersten Szene charakterisiert er sich selbst als „kein Dieb, aber ein Killer“, er ist jemand, der versucht, vor seiner Vergangenheit zu fliehen (wie eine kurze flashback-Traum-Sequenz verdeutlicht, hat er in seiner Zeit in der Anti-Indianer-Truppe üble Dinge tun müssen und die nicht verkraftet). Ähnlich wie Oliver Reed im Finale von „Leise weht der Wind des Todes“ ist Paul auf der Suche nach einer Art irrealem Utopia – für ihn „Mexiko“; in dem es ihm gelingen soll, seine Dämonen zu überwinden, aber für uns – und vermutlich auch für Paul selbst – liegt der Verdacht sehr nahe, dass Paul auch in Mexiko keinen Frieden finden wird, so er es jemals erreicht. Für diese Flucht hat Paul auch seine Familie aufgegeben, nur sein Hund ist ihm als „Vertrauensperson“ geblieben, und als ihm dieser letzte Bezug zu einem normalen Leben genommen wird, rastet er aus, bricht sich die geballte, verdrängte Emotion ihren Weg und eruptiert in einem Blutbad (und das geradezu im Wortsinne).

Wiewohl der faktische Schurke des Stücks Hundemörder Gilly ist, ist Pauls primärer Gegenspieler dessen Vater, der Marshal, der eigentlich ein ganz passabler Kerl ist, durchaus weiß, dass sein Sohn ein Rindvieh ist und eigentlich nur versucht, die Lage in der Stadt unter Kontrolle zu halten – was nicht gelingen kann, weil Paul und Gilly gleichermaßen unnachgiebig sind in ihrem Willen, die Sache ein für allemal zu Ende zu bringen, und der Marshal im Zweifelsfall auch noch die Familienloyalität und das Gesetz zu wahren hat. Die Gewalteskalation kann, bei allen Versuchen des Marshals, nicht aufgehalten werden, und die beiden Frauen, Ellen und Maryanne, drehen an der Eskalationsschraube eifrig mit. Ellen braucht Gilly, um ihren sozialen und materiellen Status aufrechtzuerhalten und feuert ihn deswegen an, Maryanne wittert ihrerseits eine günstige Gelegenheit, das Machtmonopol des Marshals und seines Sohnes (und den schlechten Einfluss auf Ellen) aufzubrechen.

In der schlichten Story steckt also ganz schön viel Zündstoff, und West ist bekanntlich (mag man seine Erzählweise) ein Meister darin, solche brodelnden Pötte in geradezu enervierend ruhiger Langsamkeit zu erhitzen, bis es zur Explosion kommt. Das macht er auch in „In a Valley of Violence“ wieder – West hat’s nicht eilig, er baut das Szenario und seine Figuren sorgfältig auf, gibt ihnen Zeit, ihre Motivationen, ihre Ziele zu entwickeln – der Hundemord passiert exakt zur Halbzeit der 104-Minuten-Laufzeit, und auch danach entwickelt sich der Streifen sicher nicht zu einem adrenalingetränkten edge-of-the-seater, sondern treibt das Geschehen weiter ruhig, ohne Hektik, aber zielstrebig auf die Spitze – und vergisst, apropos Spitze, auch nicht, einige knackige Gewaltspitzen zu setzen.

Die Kameraarbeit von Eric Robbins („The Roost“, „The Sacrament“) überzeugt ebenso wie der voluminöse Score von Jeff Grace („The Last Winter“, „House of the Devil“, „The Innkeepers“), der einen anfänglich etwas deplatziert wirkenden, dann aber um so gelungeneren Kontrapunkt zur verhältnismäßig ruhigen Bildsprache setzt.

Der Cast ist sowieso über alle Zweifel erhaben – Ethan Hawke („Before Sunrise“) überzeugt als unbarmherziger Racheengel ebenso wie John Travolta in einer feinen Altersrolle als der nicht zu beneidende Marshal. James Ransone („Sinster“, „Sinister 2“, „Bosch“) gibt einen adäquat hassenswerten Gilly, Karen Gillan („Doctor Who“, „Guardians of the Galaxy“), die sich erfreulicherweise noch Zeit für kleinere Filme wie diesen nimmt und Taissa Farmiga („American Horror Story“) sind ein temperamentvolles und glaubwürdiges „ungleiche Schwestern“-Duo. In kleineren Rollen finden sich West-Kumpel und Mit-Förderer Larry Fessenden und „Torchwood“-Owen Burn Gorman als versoffener Priester, der immer wieder auf Paul stößt.

Die mir vorliegende britische Blu-Ray aus dem Hause Universal überzeugt in Bild und Ton, liefert auch die gelungene deutsche Synchronfassung mit, schwächelt aber in der Ausstattung – nur ein kurzes zweiminütiges Promofilmchen mit kurzen Interviewschnipseln hat sich auf die Scheibe verirrt.

Das soll aber kein Argument gegen den Erwerb sein – wer Ti Wests Horrorfilme schätzt, wird auch diesen Western lieben. Und wer glaubt, das räudige, nihilistische Western seit dem Niedergang des italienischen Kinos nicht mehr gedreht werden, dem sei dieser – neben „Bone Tomahawk“ ans Herz gelegt – ein famos gespieltes, hartes Westerndrama.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 2

BIER-Skala: 7


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