Im Zeichen des Kreuzes

 
  • Deutscher Titel: Im Zeichen des Kreuzes
  • Original-Titel: Im Zeichen des Kreuzes
  • Alternative Titel: Due to an Act of God |
  • Regie: Rainer Boldt
  • Land: BR Deutschland
  • Jahr: 1983
  • Darsteller:

    Christine Behnsch (Renate Schroeter)
    Jörg Behnsch (Wigald Witting)
    Veronika Wichmann (Johanna Rudolph)
    Michael Behnsch (Mathias Nitschke)
    Eva Wichmann (Antje Hagen)
    Gerd Wichmann (Karl-Heinz von Hassel)
    Süchow (Werner Schwuchow)
    Fiedler (Hermann Lause)
    Kaiser (Gunnar Möller)


Vorwort

Abt. Giftschrank der deutschen TV-Unterhaltung

Ja, sowas gibt´s, und damit sind keine Daily Soaps, Gerichtsshows oder Call-in-Sender gemeint, sondern „echte“ Filmproduktionen, entstanden unter der Ägide des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die ihre Auftraggeber aber so verstörten, dass sie sie prompt wieder aus dem Verkehr ziehen mussten.

Womit wir bei Im Zeichen des Kreuzes wären, dessen tragische Geschichte an dieser Stelle kurz rekapituliert werden soll. Über Jahre hinweg versuchten die Produktionsfirma, die den Streifen später dann tatsächlich realisieren sollte, Kooperationspartner zu finden, um den schwierigen politischen Stoff einer eindeutig positionierten Abrechnung mit den Gefahren der Atomenergie, an den Mann zu bringen, zweifellos beeindruckt vom Beinahe-Super-GAU auf Three Miles Island, Harrisburg, und holte sich zunächst ganze Serien blutiger Köpfe, inklusive einer liebenswürdigen Absage von der Filmförderungsanstalt, die dem Projekt, nach dem Flop des dem blinden Fortschrittsglauben ähnlich skeptisch gegenüber eingestellten Films Die Hamburger Krankheit von Peter Fleischmann mal ganz locker jegliches kommerzielle Potential absprach. Nach längerem Hin und Her wurde die Firma mit den ARD-Anstalten von WDR und SFB (mittlerweile im RBB aufgegangen) handelseinig – allen Beteiligten war von Anfang an klar, dass der Film, der im Gemeinschaftsprogramm der ARD ausgestrahlt und demzufolge den Segen aller beteiligten Sender benötigte, kontroverse Reaktionen auslösen würde. Die federführenden Anstalten versuchten, den besonders mißliebig eingestellten Stationen von NDR und BR durch einige Schnitte und Nach- bzw. Umdrehs entgegenzukommen, aber nach endgültiger Fertigstellung ließen die Kritiker die Katze aus dem Sack – NDR und BR kündigten an, für den Fall der Ausstrahlung im Hauptprogramm aus selbigem auszusteigen, ein in der Geschichte der ARD beispielloser Vorgang. In einer Krisensitzung der verantwortlichen Hütchenträger versuchten WDR und SFB, ihre Position darzulegen, doch war schnell abzusehen, dass die Pro-Ausstrahlung gesinnten Sender keine Mehrheit finden würden. Es wurde der fadenscheinige Kompromiss ausgeknobelt, dass der Streifen erstens terminlich (ursprünglich für´s Vorweihnachtsprogramm angedacht) verschoben und zweitens in den Dritten Programmen, wenigstens annähernd zeitgleich, verbannt wurde – an die Ausstrahlung angeschlossen werden sollte dann gleich eine Diskussionsrunde mit verschiedenen sogenanten Experten, ARD-Strategen und den Filmemachern. Mit der Lösung konnte sogar der NDR leben, nur die tiefschwarzen Gesellen vom Bayerischen Rundfunk, die ja zu Franz-Josefs Zeiten immer schon wussten, was für das gemeine Volk am besten ist und sich schon mal gern aus zu bösen Scheibenwischer-Folgen ausblendeten, wollten immer noch nicht mitspielen (kein Wunder, betrieb König Franz-Josef Strauß damals noch massiv sein Lieblingsprojekt Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf, und da wäre ihm der Film sicher grad recht gekommen) und setzten auf Totalverweigerung.

Immerhin vier Millionen interessierte Bundesbürger (für Dritten-Verhältnisse eine spektakuläre Quote) wollten sich den Film dann wirklich nicht entgehen lassen – ob sie wussten, dass es für über 20 Jahre die einzige Chance sein würde? Jedenfalls wurde Im Zeichen des Kreuzes im deutschen Sprachraum umgehend eingesargt – drei Jahre später kam Tschernobyl.

Manch einer, der den Film leibhaftig gesehen hatte, verstieg sich zu elysischen Lobeshymnen („der beste utopische Film, der in Deutschland produziert wurde“, jubeln Hahn/Jensen in ihrem „Lexikon des SF-Films“) und im britischen Fernsehen, dass den Streifen einige Zeit später zeigte, erntete der Film (unter dem Titel Due to an Act of God) wohlwollende bis euphorische Kritiken.

Meinereiner wußte von dem Fernsehfilm lange Jahre nur aus bewußtem Eintrag bei Hahn/Jensen und mit gewisser Resignation hatte ich mich auch damit abgefunden, nie mit eigenen Augen überprüfen zu können, ob die beiden Möchtegern-Experten mit den häufig heftig danebenliegenden Ansichten einmal ins Schwarze getroffen hatten. Bis mir vor wenigen Wochen dann plötzlich und unerwartet die DVD aus dem Hause Starlight beim örtlichen Drogenmüller entgegensprang. Von der Veröffentlichung hatte ich sprichwörtlich nix mitbekommen – zwei-drei Dankesgebete gen KiWu-Land später war die Scheibe dann verhaftet, solche Chancen muss man verwerten. Jetzt müssten dann nur noch Hahn/Jensen zur Abwechslung mal Recht haben, und mein Tag wäre gerettet.

Bitte übrigens prophylaktisch um Verzeihung, sollte sich dieses Review nicht zu einer einzigen Abfolge von Schenkelklopfer-Gags entwickeln…


Inhalt

Wir befinden uns in der fernen Zukunft des Jahres 1990 in der Bundesrepublik Deutschland (sorry, liebe Bewohner der beigetretenen Ostkolonien… 1983 hatten wir noch andere Sorgen als die Wiedervereinigung…), und hier präzise gesagt auf einer niedersächsischen Provinzlandstraße, die wir zunächst ausführlich in bewährter „Manos“ The Hands of Fate-Perspektive landschaftstechnisch bewundern dürfen. Über selbige Straße tuckert ein Gefahrguttransport der besonders aufwendig gesicherten Sorte – ganz normal im Verkehr rappelt da ein LKW mit offener Ladefläche, auf der ein flottes halbes Dutzend gelber Tonnen nicht wirklich phänomenal, ähm, sicher verstaut herumliegt (wenigstens sind die einigermaßen fest installiert und rollen nicht mirnix-dirnix die Pritsche rauf und runter), eskortiert immerhin doch von ganzen zwei (in Worten: zwei) zivilen Begleitfahrzeugen, bemannt mit betont desinteressierten Polizisten (wenn das der Trittin gewusst hätte, was hätte der bei Castor-Transporten an Steuergeldern einsparen können). Die Cops sind, wie erwähnt, voll bei der Sache – der eine, der den Transport nach hinten absichert, bedröhnt sich über den mitgebrachten Walkman und bekommt so die Versuche des vor dem Laster zuckelnden Kollegen, ihn funktechnisch zu erreichen gar nicht mit – und dabei scheint der die Kontaktaufnahme auch nur als günstige Gelegenheit zu erachten, den wilden Geschichten aus dem mehr oder weniger unglücklichen Sex- und Eheleben seines Beifahrers zu entrinnen.

Im Führerhaus des Trucks geht´s da schon ein bissl interessanter zu – der grobschlächtige Pilot des Vehikels beansprucht von seinem Kompagnon die Eliminierung einer illegal mitreisenden Hummel, da dieses Biest „tödlich“ sei (Allergiker?). Der Beifahrerscherge allerdings untergräbt die Autorität des Landstraßenkapitäns dadurch, das Vieh lebend einzufangen und dem verärgerten Fahrer auch noch als löbliches Lehrbeispiel für die Wunder von Mutter Natur vor die Nase zu halten. Entschlossen macht der Fahrer mit seiner stahlharten Faust aus dem Brummer (vermutete) Insektenmatsche. Dass der Truck im Zuge dieser insektiziden Aktivität über beide Spuren der Landstraße schlingert als säße Harald Juhnke nach einer Wodkatour persönlich hinter´m Lenkrad, stört die flankierenden Polizisten nicht die Bohne.

Zeit, einige Protagonisten einzuführen. In einem robusten Volvo nähert sich die leicht dysfunktionale Familie Behnsch der kleinen Gefahrgutkolonne. An Bord: Papa Jörg, Mama Schießmichtot (okay, Christina) und der vielleicht fünfzehnjährige Sohnemann Michael, seines Zeichens ein Werbeträger für Geburtenkontrolle und postnatale Abtreibung (wahlweise auch als „vorher“-Modell einer Werbung für Schauspielschulen). Michael ist erlesen schlecht gelaunt, weil seine Erzeuger gedenken, ihn hier auf dem platten Land für ein paar Tage bei alten Bekannten (sogar so „alt“, dass man sich seit Jahren nicht mehr gesehen hat) auf´m Bauernhof auszulagern, weil sie selbst die ein oder andere Unze Zeit für sich selbst bzw. ihre Beziehung brauchen. Michael erkennt diese Operation mit aller psychologischen Kompetenz eines spätpubertierenden Teenagers als schlichte böswillige Unternehmung ihm gegenüber, erst recht, als er nach einer von ihm spontan beanspruchten Pinkelpause nicht mal sein neues Modellflugzeug für ein paar Proberunden aus dem Kofferraum packen darf. Im Klartext: Sohn und Eltern gehen sich gegenseitig mächtig auf die respektiven Nüsse.

Nun steht für die Behnsches die Überholung des Transports an. Gelangweilt winkt der Driver des hinteren Begleitfahrzeugs mit seiner Kelle, was Papa Behnsch berechtigterweise als Erlaubnis zum Überholversuch interpretiert. Blöderweise hat jemand, der HINTER einem Lkw im Abstand von 5 m hereiert, selten hervorragenden Blick auf sich etwaig einstellenden Gegenverkehr. So auch hier. Gerade eben so gelingt es Jörg, unter temporärer Überschreitung der akuten Geschwindigkeitsbegrenzung, erfolgreich und in einem Stück vor dem Gefahrtransporter wiedereinzuscheren (so früh lassen wir unsere Katastrophe ja dann doch nicht los). Anstelle aber für sein fahrerisches Können über den grünen Klee gelobt zu werden, darf sich Jörg sowohl von angetrautem Eheweib als auch Lendensproß vielmehr wegen der riskanten Fahrweise blöde anmachen lassen (tja, das kommt davon, wenn man heiratet und Kinder zeugt).

Und zu allem Überfluss nimmt Begleitfahrzeug Nr. 2 (also das vorausfahrende) die Verfolgung des Volvos auf und stellt die Behnsch-Family zwecks einer allgemeinen Kontrolle und mahnender Worte. Als Behnsch sich aber aus purer Verzweiflung als Vertreter der hippokratischen Zunft, mithin also als Doktor, outet, wird der Kontroletti zur Klatschtante und möchte Jörg ein wenig belanglosen Smalltalk aufdrängen. Die Zwangspause nutzt Michael, seinen Eltern nicht nur als Modellflugzeugfan und Nervensäge, sondern auch als Autofreak bekannt, zu einer kritischen Inspektion des Transport-Lkws aus Expertensicht.

Etwas weiter die Straße runter liegt das Dorf Schleebusch, ein Bauernkaff (sorry) vor dem Herrn, wo der sprichwörtliche Hund nicht begraben, sondern tot über´m Gartenzaun hängt und sich allerlei dörfliches Idyll rund um die Kirche abspielt (u.a. führt eine offenbar geistig nicht völlig durchsortierte Lady mittelalten Zuschnitts ihre Geiß Gassi. Die wird noch öfter auftauchen). Bei Behnschens im Volvo herrscht weiterhin dicke Luft zwischen den Generationen, und die herankutschierenden und dank ihres Nummernschilds eindeutig als Städter zu identifizierenden Fremdlinge werden von den Eingeborenen (den zweien, die wir momentan kennenlernen: die Besitzerin des örtlichen Tante-Emma-Ladens und ihr derzeit einziger Kunde, ein Hardcore-Ländler namens Gotsche) mit erkennbar geringer Wertschätzung beäugt.

Nixdestotrotz suchen sich die Behnschs, gerade, als die Kirchenglocken zur fröhlichen Beerdigung eines (sicher im aufrechten Kampf gegen die Städter) gefallenen Kameraden läuten, den Laden als erste Anlaufstätte aus. Die Eltern sind nämlich auf die grandiose Idee verfallen, der mißratene Junior könnte sich bei seinen Gastgebern durch eine milde Blumengabe zünftig einschleimen. Das Angebot des Ladens ist aber der dörflichen Natur eher übersichtlich ausgefallen und ´ne Fleurop- oder Blume-2000-Vertretung gehört eindeutig nicht zum Programm. Weil die Ladenbesitzerin aber gut Freund mit den Wichmanns, so heißen die Behnsch-Bekannten, ist, will sich hilfreicherweise etwas Grünzeug aus dem eigenen Garten rupfen. Dabei kommt schon wieder neue Kundschaft – Manni, der schmierige Fahrer eines Tanklasters, wird von seiner hundebesitzenden Matratze (in einem Dialog wird von seiner „Frau“ geredet, aber die Zeile kommt von Michael, und dass der den Durchblick hat, welch Weibsvolk gemeinhin mit schmierigen Truckern durch die Lande eiert, darf bezweifelt werden) zum dringenden Erwerb von Bölkstoff und Hundeschmecko verdonnert. Bietet Michael die Gelegenheit, einen weiteren aufregenden Lkw seiner mentalen „wow-hab-ich-gesehen“-Sammlung hinzuzufügen, dito für etwas comic relief, alldieweil Manni auf Michaels Anfrage seine Ladung ungeachtet des orangen Warnschilds am Kühlergrill als „Milch“ identifiziert.

Wir schalten um zu einer Duschszene. Aber nicht, was ihr denkt, denn erstens ist dies ein ernsthafter wichtiger Film, zweitens einer aus´m öffentlich-rechtlichen Rundfunk und drittens die Protagonistin dieser Szene eine vielleicht vierzehnjährige Göre namens Veronika (gut, letzterer Umstand würde so manchen Schmuddelpapst an nichts hindern…). Exploitationfrei schält sich Vroni aus der Dusche und in ein paar Klamotten, um „Schili“, ihren leicht debil wirkenden, colaflaschenbodenbrillentragenden achtjährigen Spezialinformanten, auszuhorchen. Veronika ist nämlich der Wichmanns Tochter, über den anstehenden Besuch informiert und offenbar ihrer eigenen Ansicht nach im paarungsfähigen Alter, hat sie Schili doch instruiert, für die reichliche Entlohnung einer Deutschmark (West) Michael einer Vorabprüfung zu unterziehen. Leider sind achtjährige Jungs (die, wie gesagt, noch dazu verdächtig so aussehen, als hätten sie auch nicht alle auf der Pfanne) kaum geeignet, diejenigen Merkmale, die ein vierzehnjähriges Mädel interessieren, entsprechend zu würdigen und so sind Schilis Auskünfte eher unbefriedigend und bleiben deswegen auch fürs erste unentlohnt.

Die Behnsch-Family kommt am Wichmann-Hof an, allgemeine Begrüßungsprozeduren entfalten sich, denen wir hauptsächlich entnehmen, dass die Senior-Behnsches ziemlich stantepete wieder abdüsen möchten, und Michael entpuppt sich als kleiner Schelm, hat er doch die für Mama Eva Wichmann bestimmten Blümelein gleich mal der Veronika in die Patschhand gedrückt. Tsk… Veronika und Michael ziehen sich sofort in die Stallungen zurück (nicht, was Ihr gleich wieder denkt) und die Behnschs versuchen sich den diversen Essens- und Kaffeeeinladungen der Wichmanns zu entziehen, doch da knallt´s… eine gewaltige Explosion erschüttert das Dorf (in etwas mißratener Perspektive sieht´s so aus, als wäre der Explosionsherd direkt hinter dem Wichmann-Hof, wo er in Wirklichkeit ein paar Kilometer außerhalb des Dorfs liegt). Veronika verletzt sich im Chaos an der Hand, und Gerd Wichmann, ihr Vater, muss als freiwilliger Brandbekämpfer mit seinen Kumpels sofort an die Unfallstelle ausrücken.

Eva Wichmann und Christine Behnsch betreiben indes Frauendinge, sie stehen in der Küche und palavern – der Unterhaltung ist zu entnehmen, dass die Behnschs sich ernstlich Gedanken über eine etwaige Scheidung machen und dies in Ruhe, und ohne sohnemann´schen Ballast, ausdiskutieren wollen. Gerd ruft vom Unfallort aus an und ruft Jörg herbei – ein Arzt wird benötigt, denn es gibt erheblichen Personenschaden. Während Jörg sich gen Crash-Site beamt, machen wir den nebenberuflichen Plotpoint auf, dass die Wichmanns kurz vor der existenzbedrohenden Pleite stehen – auf dem Hof hat schon die Bank den bewußten Finger drauf und in Kenntnis dieses Umstands drängt Christine der alten Freundin eine monetäre Gegenleistung für die Michael-Aufbewahrung auf.

Indes bietet sich Jörg am Unfallort ein Bild des Grauens – wie wir uns als clevere Zuschauer schon längst zusammengereimt haben, ist es zu einer verheerenden Kollision des Tanklasters mit dem geheimnisvollen Gefahrguttransporter gekommen (bis zur Stunde hat noch niemand erwähnt, dass die Fässer radioaktive Substanzen beinhalteten, aber das wissen wir als intelligente Leut´ ja auch so). Die Fahrzeuge sind nur noch brennende Metallklumpen, die in Fetzen in der Landschaft herumliegen, die Fässer stecken kopfvoraus in der Botanik, und am nahen Weiher stapeln sich die von den Feuerwehrleuten geborgenen Leichen – für meinen Geschmack etwas viele, denn das sind sicherlich ein gutes Dutzend (und wenn nur die vier uns bekannten Fahrzeuge beteiligt waren, ergo die beiden Trucks und die Polizeifahrzeuge, komme ich maximal auf einen möglichen body count von sieben plus ein Hund). Arg viel tun kann Jörg da nicht mehr, außer mit angeekeltem Gesichtsausdruck auf die übel zugerichteten Leichen (die wir selbstverständlich, this being a TV film, nicht sehen dürfen) kucken. Während sich Gerd Wichmann noch wundert, das unerklärlicherweise sich keine Unterstützung aus Umland und Stadt blicken lässt und Schleebuschs Oberhoncho, Bürgermeister Süchow, den Katastrophenort persönlich in Augenschein nimmt, wird ein Überlebender entdeckt – Gotsche, der mit seinem Mofa in den Unfall verwickelt war, aber wenig sachdienliches beitragen kann, da er sich in einen gepflegten Schockzustand verabschiedet hat und nur zusammenhanglos faselt. Um die Giftfässer bildet sich ein seltsamer gelber Rauch, der Süchow ausgesprochen iberisch vorkommt und ihn Wichmann, der rund um die Fässer turnt, eine Warnung zurufen lässt.

Veronika und Michael versuchen dieweil, sich anzufreunden und in treuer Carnage-Spotter-Tradition zur Unfallstelle vorzudringen – sie werden allerdings a) verscheucht und erweisen sich als b) ziemlich üble Schauspieler, falls ich das noch nicht erwähnt habens ollte.

Jörg kehrt eher unverrichteterdinge zum Wichmann-Hof zurück, packt sein Frauchen ein und schiebt ab – dass in unmittelbarer Nähe des ausgekuckten Domizils ihres Sohns ein zumindest suspekter Chemieunfall stattgefunden hat, tangiert die scheidungsfreudigen Eheleute eher peripher. Ebenso, dass die Telefonleitungen tot sind. Über der Unfallstelle zirkelt ein Feuerwehrhubschrauber, der aber von seiner Leitstelle die strikte Anweisung erhält, unter gar keinen erdenklichen Umständen zu landen. Something´s rotten in the state of Niedersachsen.

Und das setzt sich in der nahen Großstadt (sollte Hannover sein) nahtlos fort. Ein höherrangiger Polizeimufti trabt zu seinem politischen Vorgesetzten (Stadt- oder Landesvater? I have no idea) und wimmelt dabei noch den neugierigen Journalisten Kaiser ab. Der Politikus ist recht erregt, möchte er doch gerne wissen, was in Schleebusch vorgefallen ist. Die ihm vorliegenden Dokumente des Transports beinhalten wenigstens eine Info-Hotline geheimer Natur, doch dort ist erst mal belegt.

Ohne weitere filmenswerte Umstände sind die Behnschs wieder in der City angekommen und nehmen ihr Alltagsgeschäft wieder auf – sie betreiben gemeinschaftlich (d.h. so wie ich das sehe, spielt er den Chef und sie die Assistentin) eine Frauenarztpraxis, und der Laden scheint tüchtig zu brummen, ein Ultraschalltermin jagt den nächsten. Jörg fühlt sich rätselhafterweise ziemlich unwohl, sein angetrauter Besen hält sich mit Mitleidsbekundungen aber vornehm zurück, sondern fährt ihrem Männe lieber ein wenig an den allgemeinen moralischen Karren. Ehestreit in der Praxis! Das würden sie sich evtl. anders überlegen, wüssten sie, dass sich vor der Praxis ein verdächtiges Individuum herumdrückt und sich im Windschatten einer einfliegenden Patientin in die (offenbar hochsicherheitstraktmäßig eingerichtete) Praxis einschleicht (wozu er so heimlich, still und leise eindringt, wo er uns doch gleich sein Vorhaben verrät, bleibt fraglich). Christine Behnsch sieht sich dem Eindringling rasch gegenüber – nicht ganz die Patientin, die sie erwartet hatte, dafür aber von Namen Klessing und Polizist, der nicht nur mehr oder weniger elegant der zum Gruße ausgestreckten Christine-Pfote ausweicht, sondern ganz generell einen ziemlich offensichtlichen Bruhei darum macht, nicht in tatsächlich berührenden Kontakt mit ihr zu kommen. Unter dem Vorwand, speziell Jörg einige Fragen zum Unfallhergang in Schleebusch stellen zu wollen, hasselt Klessing die Behnschs aus der Praxis. Den Medizineraugen entgeht, dass die gerade von ihnen befingerte Patientin von einem weiteren Zivilbullen beschattet und in einem unbeobachteten Moment aus dem Verkehr gezogen wird (nicht endgültig, aber halt in ein bereitstehendes Fahrzeug). Klessing schubst die verblüfften Behnschs in einen geparkten Transporter, wo das Ehepaar von unfreundlichen Menschen in ABC-Anzügen recht rüde in Empfang genommen wird.

Indes, in Schlebusch, rumpeln ganze Battalione von ABC-Truppen durch die Ställe und packen offenbar blitzartig verendete Tiere in Säcke – die Menschen werden ziemlich unsanft zusammengetrieben und in die zum improvisierten Sammellager umfunktionierten Dorfkirche gebracht – der Himmel ist unnatürlich gelb verfärbt und die Strahlenschutztrupps bemühen sich um Dekontaminationsmaßnahmen der primitiven Art (also das gute alte Abbrausen des radioaktiven Staubs, den z.B. Behnsch mit seiner Kalesche auch in die Stadt getragen hat). Gerd Wichmann klappt, böses erwartend lassen, zusammen und sieht auch sonst nicht gut aus, Süchow versucht die aufgebrachte Menge von der Kanzel aus zu beruhigen, Veronika und Michael nehmen den ganzen Terz mit mildem Amüsemang zur Kenntnis. Per Lautsprecherwagen gibt die Staatsmacht Allgemeinplätze durch – keine Panik, alles wird gut, aber für´s erste sollen die Leute in ihren Häusern bzw. in der Kirche bleiben (dort soll die Sakristei zur Verrichtung der Notdurft entweiht werden), bis die Lage sich geklärt hat, steht Schleebusch und mithin seine Einwohnerschaft unter prophylaktischer Quarantäne, aber keinerlei Grund zur Veranlassung usw. Die Dörfler sind zunächst halbwegs zufriedengestellt, doch wenn sie wüssten, dass ein Hubschrauber aus sicherer Höhe rund um die Unfallstelle Radioaktivitäts-Warnschilder (aus sicherer Höhe) abwirft (hey, die werden einfach aus´m Heli fallengelassen und bohren sich kerzengrade in den Boden? Schick), sähe die Sache womöglich anders aus.

Christine Behnsch kommt in einem Krankenhaus, präzise formuliert in einer Isolierstation wieder zu sich – hinter einer Glasscheibe sitzt ein Beobachter, der ihr den Bären „Strahlenunfall in der Praxis“ auftischt (es sollte eigentlich einleuchten, das ihr das NICHT einleuchtet – von einem Unfall wüsste sie vermutlich und weswegen hätte sich Klessing dann unter dem Vorwand des Schleebuschschen Unfalls das Vertrauen des Ehepaars erschwindeln müssen?). Dementsprechend tituliert sie den Wächter/Pfleger als Lügner und verlangt Auskunft über den Zustand von Mann und Sohn. Männe liegt ein Zimmer weiter, lautet die Antwort, was mit Michael ist, weiß man nicht, da die Telefonleitungen nach Schleebusch gestört sind – hilfsbereit führt er ihr sogar die entsprechende Bandansage akustisch vor. Christine behauptet, davon nicht überzeugt zu sein und verlangt, selbst telefonieren zu dürfen. Nicht übermäßig begeistert schwingt sich der Pfleger in einen ABC-Anzug und bringt ihr ein verschweißtes Telefon (was mich an der Sache fasziniert ist, dass man sich zwar die Mühe macht, den Kerl in einen ABC-Anzug zu stopfen, der Übergang vom unkontaminierten in den vermeintlich kontaminierten, da mit Christine belegten Raum, durch eine schlichte TÜR zu bewerkstelligen. Nix mit Sicherheitsschleuse oder ähnlichem Firlefanz, den sich wenigstens italienische Billigfilmer wie Kollege Margheriti leisteten). Bei der Installation des Telefons reißt sich der Pfleger beinahe die Maske vom Gesicht und reagiert darauf recht panisch – entweder stellte Christine von Anfang an auf eine solche Gelegenheit ab oder sie packt sie nun günstig am Schopfe. Geistesgegenwärtig zieht sie ihm die Maske ganz ab und droht teuflisch an, ihn mit bloßer Hand zu berühren, ergo zu verseuchen. Die Masche zieht – winselnd lässt sich der weinerliche Pflegerpansen dazu überreden, den ABC-Anzug der guten Sache, also Christines, zu stiften. Ein solcher biohazard-suit ist bekanntlich auch eine gute Tarnung, und so kann sie relativ unauffällig aus ihrem Zimmer entfleuchen und zu Jörg vordringen. Der sieht, frankly spoken, ziemlich beschissen aus, dennoch gelingt des den Eheleuten im Verbund, den etwas massiveren zweiten Pfleger, der auf Jörg aufpassen soll, zu überwältigen und auch diesem den Schutzanzug zu klauen.

Damit ist die Flucht aber noch nicht erfolgreich gestartet, denn Jörg muss zum einen dringend kotzen und kriegt zum anderen seinen Moralischen. Er hat sich mittlerweile ungefähr zusammengereimt, was passiert ist, und betrachtet seinen Gesundheitszustand und seine Überlebenschancen mit angebrachter Skepsis. Christine versucht ihn unter Verweis auf das ungeklärte Schicksal Michaels zur Räson zu bringen, aber Jörg hat sich gerade in den besten Verschwörungstheoretiker-Modus geschaltet und fabuliert, im Sinne des Films absolut zutreffend, dass es eine geheimnisvolle Person im Hintergrund geben müsse, die alle Strippen ziehe und nach Kräften bemüht sei, den Vorfall in Schleebusch zu vertuschen (in der Tat war diese Dialogpassage, in der wenig verschlüsselt postuliert wird, der Staat als solcher und damit unsere demokratisch gewählte Regierung würde in einem Nuklearkrisenfall wie dem hier geschilderten frisch-fromm-fröhlich-frei manipulieren und verschleiern, dass ganze CIA-Abteilungen neidvoll über den Atlantik blicken würden, einer der wesentlichen Punkte, die die offiziellen Bedenken-, Verantwortungs- und Hütchenträger aus Sendeanstalten und Politik empfindlich anpisste. Offenbar hat von denen niemand begriffen, dass es um eine FIKTIVE Regierung geht, deren Ausprägung in keiner Sekunde angesprochen wird und demzufolge nicht automatisch die 1983 herrschende Kohl-Clique gemeint sein musste. Obwohl sie´s wohl war…). Nachdem Jörg diese seine Feststellung nunmehr getroffen hat, kann er in Frieden sterben, nein, doch nicht, sich vielmehr zur gemeinschaftlichen Flucht mit Christine durchringen.

Im Schleebuscher Gotteshaus müht sich Süchow weiterhin redlich um eine Entspannung der Situation, doch seine Durchhalteparolen stoßen zunehmend auf taube Ohren, zumal Gerd Wichmann, von Süchow als potentieller Kronzeuge für seinen Standpunkt gesehen, inzwischen mehr tot als lebendig ist und von Pastor Fiedler (der übrigens auch an der Unfallstelle rumschlurchte, wohl, um den Verblichenen die letzte Ölung aufzudrücken), wohl mit dem ein oder anderen Schoppen Meßwein, kurzfristig wieder präsentabel aufgerichtet wird (aber auch der Paster macht einen schon dezent angegriffenen Eindruck). Kaiser vertreibt sich die Zeit und interviewt einige der anwesenden Bauernköpfe und stilisiert aus deren schlichten Eindrücken blumige Zivilisationskritik wie aus dem Lore-Kitschroman (anders ausgedrückt: für seriöse Reportagen heuere * ich * den Typen nicht an), bevor er unvermeidlicherweise über unsere Teenie-Lover stolpert und mit diesen Smalltalk der eher uninteressanten Sorte (über seinen Job und die hierfür mitzubringenden Qualifikationen) betreibt.

Daher kümmern wir uns lieber um die flüchtigen Behnsches, die ein Taxi gechartert haben (ich möchte nicht wissen, von welchem Geld… im Krankenhaus trugen sie nichts außer die kurzen weißen Patientenkittel, und dass die Pfleger ihre Brieftaschen im ABC-Anzug hatten, möchte ich auch bezweifeln). Der Taxler wird von seiner Zentrale gewarnt, dass ein krankes Paar aus dem Hospital entfleucht ist, macht sich aber trotz der Personenbeschreibung keinen Reim drauf und liefert – für eine gute Fuhre tut ein Taxifahrer eben doch fast alles – die beiden brav am Bahnhof ab, wo sie eine Fahrkarte gen Schleebusch käuflich zu erwerben gedenken. Es überrascht vermutlich nur unsere beiden Protagonisten, dass der fahrplanmäßige Zug ersatzlos gestrichen wurde. In einem unerwarteten Anfall ECHTER Science fiction (oder isses doch eher Fantasy?) haben´s unsere Helden aber mit dem einen, einzigen, unvorstellbaren HILFSBEREITEN und ENGAGIERTEN Bahnticketverscherbler zu tun, der sich, weil von der Zugabsage selbst völlig geplättet (dem armen Schalterpersonal sagt wieder keine Sau was), bereit erklärt, mal telefonisch bei seiner Zentrale nachzufragen, was Sache ist. Undankbar, wie die Behnschs sind, warten sie die Auskunft aber nicht ab, sondern entern dennoch den Bahnsteig, wo wir vielleicht das Plotdevolopment treffen, das mich am meisten ärgert, weil´s einfach doof ist und nur vorkommt, weil die Story anderweitig nicht weiterkommen würde. Wenn unsereins es mit einem aus was-weiß-ich-für-Gründen abgesagten Zug zu tun hat, stellt sich die Lage doch meistens so da: dann KOMMT KEIN ZUG, verdammich. Hier aber entblödet sich das Script nicht, den abgesagten Zug fahrplanmäßig einlaufen, anhalten und LEER nach Schleebusch (also bis zum Endbahnhof) weiterfahren zu lassen (und was ist mit dem armen Lokführer? Der darf sich wohl verstrahlen lassen). Scusi, das ist bescheuert und dient nur dem Zweck, dass Jörg und Christine, vom Bahnaufsichtspersonal DEUTLICH beobachtet und EXPLIZIT angesprochen, dies eben bitteschön zu unterlassen, auf den anfahrenden Zug aufspringen und so ein Transportmittel ins Krisengebiet gefunden haben (also, wenn die allmächtigen Ordnungsmächte, von denen Jörg ja vorhin deliriert hat, auch nur ein Mikron Kompetenz aufweisen, dürften die sich in einer Nanosekunde zusammenreimen, WER da so un-heimlich auf den Zug aufgesprungen ist, den Endbahnhof von einer Hundertschaft bewaffneter Kampfpudel umstellen und die flüchtigen potentiellen Seuchenherde dort unbürokratisch umnieten oder wenigstens festnehmen lassen. Ich bin gespannt).

Währenddessen in der Kirche – auch Michael drückt sich in der Sakristei des Gotteshauses mal ordentlich aus, gibt aber zu Protokoll, keinen strahlungsbedingten Durchfall, sondern lediglich ein ordinäres Völlegefühl abgelassen zu haben. Vronilein sieht einen herannahenden Lastwagen und schnell macht das Gerücht die Runde, dass die Quarantänierten nun evakuiert würden. Süchow organisiert behende eine „Frauen und Kinder zuerst“-Operation (und stuft Michael etwas neben der Spur als „Mann“ ein, was den Halbstarken von seiner Veronika separiert). Der ganze Aufwand wäre aber herzlich unnötig gewesen, denn die ABC-Schützen der Anti-Atom-Brigade hinterlassen nur ein paar Schachteln mit Pillen (bestenfalls gegen Dünnschiss) und gute Wünsche für die Zukunft, ehe sie sich grußlos verpissen. Diese für die Kirchenflüchtlinge unerwartete Wendung untergräbt entschieden Süchows Autorität, zumal Paster Fiedler für einen Kirchenmann verblüffende Ratio zeigt und durchaus treffend bemerkt, dass „man“ „sie“ gar nicht mehr haben wolle. In der Tat scheint das Radio Fiedlers pessimistische Sicht der Dinge zu bestätigen – in den aktuellen Nachrichten wird durchgegeben, dass die Rettungsarbeiten zum Schutz der Einsatzkräfte abgebrochen wurden, die Evakuierung des Umkreises aber eh abgeschlossen sei. Mit anderen Worten – man hat Schleebusch und die dort ausharrende Bevölkerung mehr oder weniger aufgegeben. Die mühsam gehaltene Ordnung bricht zusammen, dafür aber Panik aus – disziplinlos stürmt die Menge aus der Kirche zu den jeweiligen Automobilen. Kaiser, der offenbar zu Fuß nach Schleebusch gekommen ist, bemüht sich um eine Mitfahrgelegenheit, aber das hätte er sich auch sparen können. Die Staatsmacht, nicht dumm, hat die Kaleschen der Dörfler durch gezielte Manipulation bzw. Entfernung der Zündverteiler fahruntüchtig gemacht. Von der allgemeinen Hysterie lässt sich nur die Ziegenlady nicht anstecken, die in aller Seelenruhe ihr Haustierchen in der Kirche melkt (hm, ich dachte eigentlich, das wäre ein Bock? Egal, heiße ich Geißenpeter?) – Gesellschaft leistet ihr nur die Leiche eines tödlich Verstrahlten (ich glaube, das ist Gotsche).

Da die Menschenmenge nun per pedes zur Flucht drängt, sieht sich Süchow genötigt, ein Fahrrad zu beschlagnahmen, die Flüchtenden zu überholen und mit seiner Pistole ein paar Warnschüsse abzugeben – noch ist Süchow also davon überzeugt, dass die Mächtigen seine Gemeinde nicht im Stich lassen. Pastor Fiedler hat die Leich´ in der Kirch´ entdeckt und läutet die Totenglocken (äh, muss man die Glocken wirklich mit der Hand anschubsen? Wurden dafür nicht die Glockenseile, an denen sonst mal gern die Zombies baumeln, erfunden?). Die aufgebrachte Menge interpretiert die akustischen Signale als Aufruf zur offenen Revolution, bewaffnet sich mit herumliegendem Geröll und unterzieht Süchow einer improvisierten Steinigung. Der Bürgermeister hat aber noch gar nicht „Jehova“ gesagt und schießt blindlings zurück, trifft dabei einen der prominenten Steinewerfer, offensichtlich tödlich. Immerhin hat er damit sein Ziel erreicht und die Leute wieder zur Räson gebracht – man hört wieder einigermaßen auf ihn, zumal er eine kontrollierte Plünderung des Tante-Emma-Ladens erlaubt (nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Entnahmen sauber protokolliert und nach Beendigung der Krise ordnungsgemäß bezahlt werden müssen). Gerd Wichmann, mehr tot als lebendig, aber immerhin auf den Beinen, lebt seinen heiligen Zorn auf die örtliche Sparkasse aus. Was er nicht mitkriegt, ist, dass seine Olle Eva, von mir bislang unerwähnt im siebten Monat trächtig, aufgrund des ganzen emotionalen Stretchs wurfbereit ist. Michael wird als unfreiwillige Hebamme rekrutiert, gemeinsam mit Süchow gelingt die Extrahierung des Säuglings (und jetzt alle: „Hurra, es ist ein – Baby!“) Eva erweist sich als Blitzcheckerin, als sie über das kaum zu überhörende Brüllen ihres neuesten Nachwuches dummfragt: „Lebt es?“ (Wenn nicht, hat´s gute Batterien).

Die Behnsches genießen indes die Vorzüge eines von ihnen abgesehen menschenleeren Zugs, und zu denen gehört eine stets freie Toilette. Jörg, der aussieht wie der Tod auf Urlaub, pinkelt erst blutig und dann (nach meiner Einschätzung) reines Trinkwasser. Während Christine überraschend gut, vulgo gesund, aussieht, lässt sich Jörg nach kurzer Atempause seine letzten drei bis fünf Mahlzeiten noch mal durch den Kopf gehen. Endlich erreicht der Zug den Endbahnhof (den sich Schleebusch mit einem anderen Kaff teilen muss). Der Bahnsteig ist zwar von einer ordentlichen Anzahl bewaffneter Soldaten umzingelt, dennoch lässt man die beiden Passagiere ohne weiteres aussteigen (hä? Mein Respekt vor dieser totalitären Staatsmacht sinkt) – der Zugang zum Bahnsteig ist allerdings vergittert, und das aus gutem Grund, denn auf der anderen Seite drängeln sich hunderte Fluchtwillige. Jörg und Christine gelingt es, sich zum lokalen Büro des Katastrophenschutzes durchzuschlagen und Erkundigungen über den Verbleib ihres Sohnes einzuholen, allerdings fruchtlos – aus Schleebusch liegen keine Nachrichten vor. Inzwischen stellt die Bahn einen Sonderzug bereit; es kommt zu einem vorhersehbaren (und von den Autoritäten nicht wirklich unterbundenen) Chaos, in dessen Verlauf eine ältere Dame, aus erkennbaren Gründen nicht mehr so gut zu Fuß, nieder- und totgetrampelt wird.

Jörg macht Nägel mit Köpfen, entdeckt seine kriminelle Energie und klaut ein Auto (und in weiser Voraussicht einen Range Rover), auch wenn er schon beim Rangieren auf dem Parkplatz fast kollabiert. Er will versuchen, sich nach Schleebusch durchzuschlagen, weil er sich mittlerweile ausgerechnet hat, schwer und höchstwahrscheinlich tödlich verstrahlt zu sein und deswegen eh nix mehr zu verlieren sein. Christine, die seiner Ansicht nach nur leichte Strahlenschäden davongetragen hat, soll sich diesem Risiko nicht aussetzen. Da Mütter und Söhne im Allgemeinen ein besonders enges Verhältnis zu pflegen gedenken, kann er sich allerdings nicht durchsetzen. „Ich will zu meinem Sohn“, kreischt Christine und beendet damit jede Diskussion endgültig.

Im Dorf haben sich die Überlebenden wieder in der Kirche versammelt (obwohl sie eigentlich nichts daran hindern würde, sich wieder in ihre eigenen Häuser zu begeben) und hören Radio. Während der ein oder andere Dörfler den strahlenden Löffel schmeißt, verkünden die Verantwortungsträger im Radio zweierlei – erstens, die Sache selbstverständlich völlig im Griff zu haben, wichtiger aber zweitens Priorität auf den Schutz der nicht-kontaminierten Bevölkerung zu setzen. Nun ist auch dem letzten obrigkeitshörigen CDU-Wähler klar: Schleebusch ist abgeschrieben.

Sogar der kleine Schili hat das begriffen und fordert im Angesicht des Todes seinen gerechten Informantenlohn ein. Gönnerhaft übernimmt Michael die Bezahlung, indes ein uniformierter Brutaltrupp der Staatsmacht, darunter der offenbar in der Hierarchie aufgestiegene Klessing, sich mit einem Lkw (und einem Vorrat neutraler Zinksärge) dem Dorf nähert (um fürderhin aus der Handlung zu verschwinden. But we get the meaning). In einem Moment der Konfusion und des Handgemenges gelingt es einem Dorfbewohner, Süchow seine Wumme zu entreißen und bei Kaiser, dem Reportikus, der seine Fotos professionell-journalistisch mit einer Polaroid-Sofortbildkamera knipst, setzt sich der Gedanke fest, dass er seine Story irgendwie nach draußen bringen muss und verfällt auf die Idee, Michaels Modellflugzeug als Lastenträger umzufunktionieren. Bevor sich daraus aber ein ernstzunehmender Plotpoint entwickelt hat, hat Kaiser durch unsachgemäßen Umgang mit dem Flieger dessen Motor auch schon ruiniert. War wohl nix.

Die Behnschs erreichen eine Bundeswehr-Straßensperre und werden mit vorgehaltenen Waffen zum dringlichen Anhalt aufgefordert. Christine gehorcht sogar dem Kommando zum Aussteigen, Jörg aber ist nun zu allem entschlossen, latscht firm aufs Gas, fährt einen fulminanten Slalom um die diversen Einsatzfahrzeuge und überfährt mit voller Absicht einen Soldaten in ABC-Schutzkleidung (mit eingebautem Airbag wär das nicht passiert). Während er also Schleebusch entgegenbrettert, wird Christine mal wieder mit Gewalt einer Untersuchung auf radioaktive Verseuchung unterzogen.

Zeit für einen politischen Einschub, und deswegen blenden wir kurz zum Regierungs-Krisenstab, wo ein Bedenkenträger gerade mit dem lokalen Einsatzleiter fernofoniert, das Abriegeln des betroffenen Gebiets um jeden Preis fordert und abgesehen davon jegliche Regierungsverantwortung für das eingetretene Unglück vehement ablehnt – niemand habe diesen Unfall vorhersehen könne, die Fässer wären sicher gewesen und hätten allerhand brutale Materialtests überstanden usw. Im übrigen wird spezifiziert, worum es sich beim Inhalt der Fässer gehandelt hat: Plutonium für schnelle Brüter (zumindest der Kelch ging ja doch beinahe völlig an uns vorbei). Der Bundeswehr-Einsatzleiter möchte nun gerne wissen, wie er vorgehen soll, wenn jemand versucht, die Blockaden zu durchbrechen. Der Regierungsvertreter reicht die Arschkarte mit aller angeborener Eleganz eines Vollblut-Politprofis zurück – die Verantwortung für etwaigen Waffeneinsatz wird nach unten abgewälzt, die Chefetage wäscht ihre Hände in Unschuld. Wenn ich nicht wüsste, wie´s ausgeht, würde ich sagen, das wird noch böse enden.

Im Dorf hat Gerd Wichmann nun auch endlich den Abschied eingereicht, was seine holde Eva geistig nicht völlig verarbeitet und für den Rest des Films darauf besteht, dass ihr Göttergatte durchaus noch atmet. Ist das noch Geburtsschock oder schon mental illness? Jörg erreicht das Dorf und wird von den Einheimischen, die auf einmal nix mehr gegen einen Städter einzuwenden haben, beinahe wie der leibhaftige Messias empfangen. Fiedler, der sich mittlerweile zu etwas ähnlichem wie einem Wortführer aufgeschwungen hat, schlägt angesichts eines einsatzfähigen Automobils einen gemeinsamen Ausbruch vor – da der Range Rover bei aller Größe nicht alle vielleicht noch ungefähr 30-40 Leute aufnehmen kann, die noch am Leben sind, muss dieser allerdings im Schrittempo vollzogen werden, damit die, die nicht mehr reinpassen, zu Fuß nachhumpeln können. Die Bauern bemerken das schmerzerfüllte Geschrei der nicht gemolkenen Kühe und die Ziegenlady hat sich erhängt (warum jetzt auch immer. Vielleicht will sie das Dorf nicht verlassen). Veronika findet sich in der Karawane der Tapferen neben Kaiser wieder und drängt ihm das von ihr getragene Wichmann-Baby auf (dessen leibliche Mutter ist bekanntlich völlig durch´n Wind). Kaiser nimmt das Bündel gerne auf den Arm und erzählt Veronika aus seiner Studienzeit, als er sich noch mit Poesie befasst habe. Veronika möchte ein Beispielgedicht vorgetragen haben und Kaiser rezitiert allen Ernstes „Der Mond ist aufgegangen“ (zu seiner Ehrenrettung sei angemerkt, dass er selbst im Nachgang feststellt, dass es sich dabei eigentlich um ein Lied und kein Gedicht handelt).

Der Treck verzeichnet weitere Verluste, und auch Jörg, der mittlerweile einem beliebigen Dawn of the Dead-Statisten alle Ehre machen würde, sieht verdächtig so aus, als würde er sich seinem letzten Röchler bis auf Sichtweite genähert haben. Da träfe es sich doch günstig, wenn man mit dem eigenen verzogenen Junior noch Frieden schließen würde, weswegen sich ein kurzer character moment anschließt, in dem die beiden sich über das ergiebige Thema „erste Liebe“ austauschen. Der Troß hat inzwischen die Autobahn erreicht, doch auf einer Autobahnbrücke lauert Ungemach in Form einer strategisch dort lancierten Bundeswehr-Einsatztruppe. Die letzten vielleicht 20 Schleebuscher stolpern auf die Brücke zu und lösen damit gesteigerte Nervosität unter den Recken in Oliv aus. Der Kommandeur versucht, die Schleebuscher über Megaphon zur Umkehr zu bewegen, was begreiflicherweise auf wenig Gegenliebe stößt (wenn ich jetzt schon so weit gelaufen wäre, wär ich auch bockig). Süchow erinnert sich daran, dass er eigentlich der Bürgermeister und damit offizielle Repräsentant seines Dorfes ist, improvisiert eine weiße Fahne und bittet um Verhandlungen (was immer er auch verhandeln will… es gibt genau ZWEI mögliche Positionen – umkehren oder weiterlaufen lassen. Dazwischen gibt´s irgendwie nix). Die Verhandlungsbereitschaft auf der Gegenseite beträgt daher auch genau nullkommagarnix. Pastor Fiedler, der den Range Rover pilotiert, setzt zu einem eigenmächtigen Durchbruchmanöver an, disponiert in letzter Sekunde aber um und stoppt neben dem immer noch sein vage weißes Tuch wedelnden Süchow. Der Kommandeur hat sich inzwischen zu einem fatalen Entschluss durchgerungen – er erteilt seinen Mannen Feuerbefehl! Doch die Jungspunde in Uniform ziehen irgendwie nicht recht. Die irgendwo in der Nähe in einem Bundeswehr-Strahlensanka gefesselte (und mittlerweile zwangsweise ihrer Haarpracht beraubte) Christine hört das Tohuwabohu, kann aber nicht eingreifen. Mit schierer Befehlsgewalt des Höherrangigen bringt der Kommandeur seinen Trupp dazu, tatsächlich das Feuer auf die Schleebuscher zu eröffnen, auch wenn der ein oder andere der Bürger in Uniform nicht mitansehen kann, was er da tut und verkrampft die Augen schließt. Zu den Schreien der Niedergemetzelten und dem Entsetzensschrei Christines (seh ich richtig und die haben ihr die Beine amputiert oder bin ich nur blind?) beginnt der Nachspann zu laufen…

Natürlich ist ein Film wie Im Zeichen des Kreuzes in erster Linie als Produkt des damals herrschenden Zeitgeistes zu sehen. Um uns dem Stoff anzunähern, müssen wir also eine mentale Zeitreise ins Deutschland der frühen 80er Jahre unternehmen – eine Zeit, in der die Grünen erste Erfolge feierten, Ostermärsche noch Events waren, die Millionen mobilisierten, die Anti-Atomkraftbewegung in der Bevölkerung enormen Rückhalt hatte, nicht zuletzt durch die blindwütige Fortschrittsgeilheit der damaligen Regierung, die nicht nur ein AKW nach dem anderen sanktionierte, sondern auch Wahnwitz-Projekte wie den „schnellen Brüter“ oder die Wiederaufbereitungsanlage ernsthaft protegierte. So „liest“ sich Im Zeichen des Kreuzes dann auch über weite Strecken als eine Art filmische Version der apokalyptischten Vorstellungen der Anti-Atom-Bewegung. In vielerlei Hinsicht mag das naiv und „unausgegoren“ (das übrigens ein Prädikat der zeitgenössischen Verunglimpfungen des Films) wirken, ist aber auch nach über 20 Jahren noch eindringlich, denkwürdig und in so mancher Hinsicht eher noch aktueller als damals – denken wir nur an die neuerliche Debatte über den „Ausstieg aus dem Atomausstieg“ und Innenschäubles Träume von Bundeswehreinsätzen im Inneren.

Aber lassen wir real- und fundementalpolitische Aspekte zunächst mal beiseite – wir werden uns diesem Bereich sicher noch widmen – und kümmern uns erst um den Film als solches. Der offenbart Licht und Schatten.

Grundsätzlich zu loben ist das Script, das sich weniger um ein plakatives Katastrophenfilmszenario bemüht als vielmehr um eine glaubwürdige psychologische Schilderung der Ereignisse. Der „Aufhänger“ der Story, der etwas konstruiert wirkende Chemie-/Atomunfall, erscheint auf den ersten Blick möglicherweise recht einfältig. Einen derart nachlässigen Umgang beim Transport von radioaktiven Substanzen möchte man nicht mal Franz Josef Strauß selig andichten, aber im Endeffekt ist es egal, ob nun ein benachbartes AKW in die Luft fliegt, ein Castor entgleist oder eben ein Atom-Brummi einen Chemie-Truck rammt – wichtig für den Fortgang der Handlung ist nur, dass der Unfall weit genug außerhalb eines Ballungszentrums liegt, um eine begrenzte Anzahl Überlebender am Ort isolieren zu können. Ob das Szenario „realistisch“ ist, ist dabei zweitrangig (persönlich halte ich die Idee mit dem Lkw-Unfall nicht für speziell clever, andererseits war ich 1983 eben grad mal 12 und nicht primär daran interessiert, wie die Atomwirtschaft sich seinerzeit den Transport spaltbaren Materials vorstellte. Vielleicht wussten´s die damals wirklich nicht besser).

Erfreulicherweise verzichtet das Drehbuch konsequent auf die üblicherweise in Katastrophenfilmen breit ausgewalzten „human interest“-Dramen und Drämchen. Zwar werden auch hier zunächst geschickt Nebenkriegsschauplätze eröffnet (die Scheidungsdiskussion der Behnschs, die Geldprobleme der Wichmanns, Michaels und Veronikas zarte Annäherung), mit Eintritt des Katastrophenfalls rücken diese Probleme total in den Hintergrund – die einzige Frage, die sich den Charakteren ernstlich stellt, ist die des Überlebens, da werden Lächerlichkeiten wie diese privaten Unannehmlichkeiten eben völlig unwichtig. Auf den irgendwie obligaten Schwangerschafts- und Geburtstrara hätte ich zwar gut und gerne verzichten können (das ist einfach zu sehr Klischee, um noch wirklich zu funktionieren), aber es stört den Flow des Films nicht entscheidend. Wichtiger als Realismus der technischen und wissenschaftlichen Hintergründe sind dem Film zwei Faktoren – einerseits die psychologischen Reaktionen der Isolierten, die vermuteten Vertuschungsaktionen der Staatsmacht auf der anderen Seite, wobei sich der Film hierfür zentral des Stilmittels des Parallelplots bedient – wobei der Part des Films, der sich mit dem Schicksal der in Schleebusch eingegeschlossenen Dörfler befasst, besser funktioniert als der Teil um das Ehepaar Behnsch und seine verzweifelten Versuche, ebendahin zu gelangen – bei den Aktionen der Behnschs wird die gute alte suspension of disbelief schon ab und an strapaziert, hier ist so manche mittlere Bräsigkeit des Scripts dem schlichten Verlangen, eine etwas verfahrene Plotte überhaupt weiterzupushen, geschuldet (mein Lieblingsbeispiel bleibt nach wie vor der leere Zug, der nur aus dem kühnen Grunde überhaupt fährt, damit Jörg und Christine ´was zum Aufspringen haben).

Fundierter sind da schon die Beobachtungen, die der Streifen in Schleebusch macht, wenngleich die Möglichkeit, das Drama quasi aus den Augen eines neutralen Dritten (hier Kaiser, dem Journalisten) zu beobachten, verschenkt wird – Kaisers Charakter ist der überflüssigste des Films, außer ein paar zivilisationskritischen Platitüden und zum Versauen des Modellflugzeug-Plans ist der Kerl zu nichts zu gebrauchen. Abgesehen davon ist dieser Teil des Films sehr stimmig und arbeitet gekonnt die ganze Palette menschlicher Reaktion von anfänglicher Beunruhigung über „die-da-oben-werden-schon-wissen-was-sie-machen“ bis hin zu nackter Panik und anarchischen Zuständen ab – notgedrungen, da der Film die Ereignisse eines einzigen Tages verarbeitet, etwas zeitgeraffert (vor allem das nahezu blitzartige Dahinsiechen an Strahlenschäden wirkt ein wenig übertrieben, aber das kann man, wenn man will, im Filmkontext mit nicht vorhersehbaren chemischen Reaktionen des Plutoniums mit dem unspezifizierten Inhalt das Tanklasters erklären). Interessant ist in dieser Handlungsebene der eigentlich untergeordnete Charakter des (evangelischen) Pastors Fiedler, der, of all people, als erster durchschaut, dass der Staat die Schleebuscher aufgegeben hat und ihrem Schicksal überlassen will, aber eben nicht, wie man es vielleicht erwarten könnte, in religiöse Schwurbeleien verfällt, sondern im Gegenteil derjenige ist, der im Schlussakt mehr oder weniger die Initiative zum „Ausbruch“ übernimmt.

Plot Nummer Zwei, der also um das Ehepaar Behnsch, ist so etwas wie der „Action“-Teil des Films, der in die notgedrungen eher langsame, statische Geschichte (die ja, im Schleebusch-Part, weitgehend an eine Location, die Kirche, gefesselt ist), Tempo bringen soll. In der Hinsicht klappt das ganz gut, zumal sich hier der Großteil der „politischen“ Implikationen abspielt (die Schleebuscher sind ja über die Entwicklungen nur aus dem Radio informiert, die Behnschs erfahren´s dagegen leidgeprüft aus erster Hand), die kleineren Plotholes und Logiklöcher haben wir ja bereits kurz erwähnt.

Kommen wir also, bevor wir die Drehbuchabteilung verlassen und uns den filmischen Meriten widmen, zur politischen Aussage des Films – die ist eindeutig und pessimistisch. Autor Hans-Rüdiger Minow, ansonsten nur durch den 78er-TV-Film Die Anstalt und ein Segment der Dokureihe Politische Morde aufgefallen, bezieht klar und deutlich Stellung – Atomenergie an sich und vor allem die Vehemenz, mit der die damalige Bundesregierung potentiell riskante Nuklearprojekte gegen den erklärten Willen der Bevölkerung durchzudrücken versuchte, sind ihm nicht geheuer. Klar, man mag darüber räsonnieren, ob Minow mit der ein oder anderen Aussage nicht über´s Ziel hinausschießt – Reaktionen wie die hier im Film gezeigten traut man totalitären Systemen zu, aber nicht unbedingt demokratisch legitimierten (auch ich tendiere eher zur Ansicht, dass, ähm, katastrophales Katastrophenmanagement in diesen Breiten und politischen Systemen weniger aus böser Absicht denn vielmehr bloßer Unfähigkeit resultieren würde. Da muss man ja nur kurz über den großen Teich und gen New Orleans kucken); allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass in Zeiten der Terror-Hysterie ja an höchster Stelle der Einsatz der Bundeswehr im Inneren diskutiert wird (Fußball-WM) und Alptraumvisionen wie diese auf einmal gar nicht mehr so weit hergeholt erscheinen. Auf jeden Fall geht die bedrückende Konsequenz von Im Zeichen des Kreuzes als gültiges „Was wäre wenn“-Szenario durch – vergessen wir nicht: dieser Film ist keine Dokumentation, sondern erzählt eine fiktive, in der relativen Zukunft angesiedelte Geschichte. Und, wenn wir ganz ehrlich sind – abzüglich der Schlußszene beinhaltet der Film wenig an Aktionen seitens der Staatsmacht, die man nicht in irgendeiner Form für denkbar erachten könnte und würde. Das düstere Ende setzt der grundsätzlich immer berechtigten Skepsis gegenüber den Verquickungen von politischen und wirtschaftlichen Interessen (und um letztere geht´s in der Atom-Frage halt nun mal IMMER auch) dann nur die Krone auf.

Regisseur Rainer Boldt (der in den 70ern die Kinderserie Neues aus Uhlenbusch inszenierte und später mit dem TV-Film Das Rätsel der Sandbank seinen wohl größten Erfolg feierte) muss Im Zeichen des Kreuzes mit den beschränkten Mitteln einer öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktion aus den frühen 80ern realisieren – folgerichtig ist der Film kein optisches Leckerli, sondern ein recht konventionell inszeniertes Werk, dem aber dennoch einige eindrucksvolle, memorable Bilder gelingen (das klaustrophobische Setting der Kirche, quasi als Gegenentworf dazu die kleine Karawane der Überlebenden auf der verlassenen Autobahn). Da die Story sehr kraftvoll ist, benötigt der Film keine visuellen Gimmicks, um zu wirken. Das Tempo ist, wie schon kurz angesprochen, bedächtig, lässt dem Zuschauer dadurch die benötigte Zeit, sich in die Situation einzufinden – insofern gerät der Streifen, wenn wir schon unangebrachte Vergleiche ziehen wollen, eher nach Testament als nach The Day After (auch wenn letzterer für einen US-TV-Film auch gut gelungen ist). Dazu passt dann auch der völlige Verzicht auf Effekte (die man ohnehin aufgrund mangelnden Budgets und des avisierten Sendeplatzes im Hauptabendprogramm der ARD nicht hätte einbauen könne) bis auf die off-screen stattfindende Explosion (und ihren perspektivisch falschen Flammen- und Rauchpilz) und die Trümmer der verunfallten Fahrzeuge. Die Strahlenkrankheit wird durch schlichtes, aber wirkungsvolles make-up dargestellt.

Etwas neben der Spur liegt der Score, der manchmal dramaturgisch falsche Akzente setzt (und den Zuschauer gelegentlich aus der gewünschten Stimmung heraussreißst anstelle sie zu unterstreichen).

Die schauspielerischen Leistungen sind von unterschiedlicher Güte. Es ist nicht gerade die allererste Garde der seinerzeit angesagten deutschen TV-Schauspieler, die sich hier abmüht, was aber durchaus auch wieder im Sinne des Films ist, sich nicht als „Starkino“, sondern Ensemblefilm mit Aussage zu verstehen. Der heute bekannteste Name im Cast ist Karl-Heinz von Hassel, hier mit der Rolle des prominent verstrahlten Gerd Wichmann gesegnet (und damit darauf limitiert, über den Großteil des Films nur malad irgendwo herumzusiechen), der einige Jahre später zum Tatort-Kommissar befördert wurde und als „Brinkmann“ über lange Jahre knifflige Mordfälle zu lösen hatte. Seine Filmfrau Antje Hagen (Eva), die auch nicht viel zu tun hat (im Schlussakt darf sie ein wenig irre werden), zierte diverse Tatort- und Traumschiff-Episoden und ist aktuell in der Telenovela Sturm der Liebe zu begutachten.

Die Behnschs werden dargestellt von Wigald Witting (Jörg), den Cineasten aus der Blechtrommel kennen könnten, Trashfreaks dagegen aus dem TV-Slasher-Sequel School´s Out 2 (aka „Mädcheninternat“). Witting, dem die seinerzeit angefeindeten anti-staatsautoritären Ansichten in den Mund gelegt werden, liefert einen guten Job ab – er bleibt ambivalent genug, um nicht in platte Gutmenschen-Klischees zu verfallen. Renate Schröter (Christine) agierte in einem der besten klassischen Tatorte („Rot-rot-tot“ mit Curd Jürgens) und gehört aktuell zur Stammbelegschaft der ZDF-Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen. Ihre Leistung ist ordentlich, aber ausbaufähig. Einen guten Eindruck hinterlässt Werner Schwuchow (Schulz & Schulz als Bürgermeister Süchow, ebenso Hermann Lause (Gegen die Wand, Der Zimmerspringbrunnen, Peng! Du bist tot!, Schtonk!, Super als Pastor Fiedler. Die beiden furchtbar untalentierten Teenie-Darsteller haben glücklicherweise von weiteren schauspielerischen Experimenten Abstand genommen.

Veteran Gunnar Möller (Kaiser), der noch in den 40er Jahren seine Karriere begann und in Heulern wie Ich denke oft an Piroschka, Bomben auf Monte Carlo oder Freddy und das Lied der Südsee reüssierte, feierte mit diesem Film seine Comeback, nachdem er einige Jahre gesiebte Luft atmete, weil er 1979 seine Frau im Affekt tötete.

Die DVD kommt (und nochmals sei dafür gedankt) aus Olli Krekels neuem Hause Starlight und präsentiert sich der TV-Herkunft des Streifens angemessen in Vollbild. Die Bildqualität ist ziemlich mau – über den Beamer jagen sollte man das möglichst nicht, da Schärfe, Klarheit und Farbbrillanz Sachen sind, die anderen Discs passieren. Man muss aber im Auge behalten, dass die ARD angesichts der damaligen Reaktionen sicher keine große Priorität darauf legte, das vorhandene Master aufwendig zu konservieren – erstaunlich genug, dass überhaupt noch Material vorhanden war, von dem man eine DVD ziehen konnte (und da Starlight-Scheiben ja nicht zum Hochpreissegment gehören, darf man da auch mal ein Auge zudrücken, wenn´s um Stoff geht, mit deren Veröffentlichung zumindest ICH nie im Leben gerechnet hätte). Der Ton schimpft sich Dolby Digital 2.0 und ist zweckmäßig, nicht mehr, nicht weniger.

Punkten kann die Scheibe bezüglich der Bonusausstattung. Nicht nur, dass die Disc sich vor dem Menü mit der Original-Fernsehansage eines hohen ARD-Bonzen von 1983 meldet, der dem mündigen Zuschauer gleich mal klar macht, um welch böses Werk es sich handelt, präsentiert Olli K. im Zusatzmaterial auch die seinerzeit direkt im Anschluß an den Film gesendete Diskussionsrunde mit diversen ARD-Hütchenträgern, politischen Elementen und den Filmemachern, die allein ihr Gewicht in Gold wert ist und gut 70 Minuten dauert. Den Rest der Extra-Sektion belegen Presseartikel (u.a. aus dem SPIEGEL), Promotion-Material, Notizen aus der englischen Presse zur dortigen Ausstrahlung, einen „offenen Brief“ des damaligen Verteidigungsministers Manfred Wörner, in dem er sich bitterlich über die unrealistischen Darstellungen seiner Truppe beklagt sowie diverse Bildergalerien und Informationsmaterialien über den Super-GAU in Tschernobyl. Sozusagen das totale Anti-Nuklear-Paket und zweifellos eine runde Sache.

Summa summarum: Im Zeichen des Kreuzes ist sicher kein perfekter, das verhindert allein schon seine TV-Herkunft, aber es ist ein ungeheuer eindringlicher und bewegender Film, der nicht nur als zeitgeschichtliches Dokument (sowohl was den politischen Zeitgeist der frühen 80er als auch den nahe – und im Falle des BR fraglos den Wortsinn erfüllende – an Zensur herankommenden Umgang mit dem Film angeht) – der Streifen funktioniert nicht nur als übelmeinende Anklage gegen die Atomlobby und ihre Helfershelfer in politischen Kreisen, sondern auch als FILM in sich selbst. Er ist spannend, bedrückend, aufwühlend und in seiner bitteren Konsequenz speziell im deutschen Nachkriegsfilm unerreicht. Leichte Macken im Script und bei der Schauspielerei sollte man als interessierter Betrachter nicht wegreden, aber tolerieren – die Zeiten, in der das deutsche Fernsehen noch wirklich WICHTIGE Filme produzierte, die nicht nur irgendwelche vergangenen Katastrophen romantisch verklären oder sich an die immer wieder gern genommene Dritte-Reich-Thematik anhängen, sind lange vorbei, um so höher sollte man einen der herausragenden Vertreter dieser Zunft schätzen. Nennt mich Karl Ranseier, aber Hahn/Jensen haben ausnahmsweise mal wirklich ins Schwarze getroffen…

Da der Film nicht wirklich, äh, lustig, ist, ist die Bewertung heute neutral gehalten.

(c) 2006 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 6


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