Im Wendekreis des Söldners

 
  • Deutscher Titel: Im Wendekreis des Söldners
  • Original-Titel: Tornado
  • Alternative Titel: The Last Blood |
  • Regie: Anthony M. Dawson (=Antonio Margheriti)
  • Land: Italien
  • Jahr: 1983
  • Darsteller:

    Giancarlo Prete (Sgt. Sal Maggio, als Timothy Brent), Antonio Marsina (Captain Harlow), Luciano Pigozzi (Freeman, als Alan Collins), Mike Monty (Captain Bolen), Ronnie Patterson (MP Sgt. Pike), Romano Kristoff (Hubschrauberpilot), David Brass (Tom), Paul Vance, Sherman „Big Train“ Bergman


Vorwort

Der Vietnam-Krieg liegt in seinen letzten Zügen – die US-Truppen bereiten sich bereits auf ihren Abzug vor, dass die Sache verloren ist, ist auch dem größten Optimisten klar. Dementsprechend ist die Motivation der Soldaten, sich in diesen letzten Kriegstagen noch in Lebensgefahr an der Front zu bringen, eher mäßig. Das hindert Ranger-Captain Harlow nicht daran, strategisch völlig unbedeutende, dafür aber brandgefährliche Sondereinsätze anzuordnen. So führt er einen Trupp Green Berets in den Dschungel, um ein Sprengstoffdepot des Vietcong hops zu nehmen, was, so allgemeine Meinung seiner Männer und die von Sergeant Sal Maggio im besonderen, auch zwei Fallschirmjäger hätten erledigen können.

Das Depot wird von einem Minenfeld geschützt und in das jagt Harlow seine Männer ohne Skrupel hinein – mit den zu erwartenden Konsequenzen. Tom, ein junger Amateur-Athlet mit Träumen von Olympia, und Sals Kumpel, wird von einer Mine schwer verletzt. Sal will ihn retten, aber Harlow lässt den Sergeanten und den Verletzten zurück. Es gelingt Sal wider Erwarten, Tom auf eigene Faust zurück in den Army-Stützpunkt zu bringen – das macht ihn bei den einfachen Männern und auch bei Reporter Freeman noch beliebter, aber Harlow ist von dieser Heldentat alles andere als sonderlich angetan. Die herzliche Abneigung zwischen Captain und Sergeanten droht zu eskalieren.

Sals Laune steigert sich nicht, als bei einem Ausflug in die (noch südvietnamesisch) kontrollierte Stadt einer seiner Kumpel durch eine Trick-Bombe (versteckt in einem gekauften Souvenir) getötet wird. Trotz dieses Vorfalls und der weiteren Intimfeindschaft mit Harlow ist Sal aber nicht soweit, Freeman mit skandalösen Einzelheiten für eine Enthüllungsstory zu versorgen, sondern will irgendwie die letzten Wochen noch rumkriegen.

Aber irgendwann ist der breaking point erreicht – und für Sal genau in dem Moment, als Tom, dem ein Bein amputiert werden musste, was dann logischerweise auch die Sportlerkarriere auf Eis legt, sich eine Kugel in den Kopf schießt. Sal macht – nicht zu Unrecht – Harlow vor versammelter Mannschaft für Toms Tod verantwortlich und prügelt sich mit dem Captain. Der hat freilich die Militärpolizei auf seiner Seite, die zwar durchaus mit Sal sympathisiert, aber auf Harlow hören muss. Sal wird also festgenommen und zu einem Militärgefängnis gekarrt, doch der Zufall kommt ihm zu Hilfe. Ein vietnamesischer Bombenangriff und ein mitleidiger Militärpolizist erlauben Sal die Flucht in den Dschungel.

Harlow schwört sich, den abgängigen Sergeanten zu fangen und Mores zu lehren, und gar so schlecht stehen die Chancen nicht, da Sals einzige Chance ist, sich irgendwie zur kambodschanischen Grenze durchzuschlagen, und spätestens da will Harlow ihn abfangen. Soweit kommt Sal aber erst mal gar nicht, denn er fällt unterwegs den Vietcong in die Hände, die wenig Unterschied machen, ob ein amerikanischer Soldat, der ihnen vor die Flinte läuft, nur ein Deserteur ist oder nicht, zumal Sal sich auch mit einigen Utensilien aus einem abgestürzten US-Flugzeug bedient hat und von den Charlies nun erst mal für einen wichtigen Geheimnisträger gehalten und gefoltert wird. Erneut gelingt Sal die Flucht, aber sein gefährlichster Gegner wartet noch auf ihn – der rachsüchtige Captain Harlow…


Inhalt

Bevor Anthony M. Dawson alias Antonio Margheriti für Erwin C. Dietrich die jüngst besprochene „Söldner-Trilogie“ abgedrehte, war er bereits in kriegerischem Auftrag auf den Philippinen tätig. Der in Deutschland etwas irreführend „Im Wendekreis des Söldners“ betitelte Klopfer „The Last Blood“ ist so etwas wie der inoffizielle Nachfolger von Margheritis 1980er-Gassenhauer „Jäger der Apokalypse“, musste aber mit einem offensichtlich deutlich geringeren Budget und ohne internationale Stars auch nur aus der zweiten Liga auskommen.

Das Script wurde vertrauensvoll in die Hände des verdienten Routinier Tito Carpi gelegt, der u.a. „Todespiste Le Mans“, „Der Teufel hat sieben Gesichter“, „Mondo Cannibale 2 – Der Vogelmensch“, „Der Tag der Cobra“, „The Riffs II“ oder „Das Alien aus der Tiefe“ schrieb und damit ganz allein eine Schundfilmseite über Jahre hinweg beschäftigen könnte, mit Unterstützung des Produzenten Gianfranco Couyoumdjian. Wie üblich scherten sich die Schreiberlinge nicht um originelle Ideen, sondern kombinierten, was sie anderswo gesehen und für gut befunden hatten – der Plot nimmt sich grundsätzlich ein paar Ideen aus „Steiner – Das eiserne Kreuz“ (mit Sal Maggio iM Steiner-Part) und versetzt ihn nach Vietnam, speziell in der Sequenz, in der Sal als Gefangener der Vietcong schmachtet, darf man sich schon gepflegt an den „Deer Hunter“ erinnert fühlen. Das alles natürlich in der „Qualität“ eines italienischen Rip-offs.

Trotzdem – das funktioniert zu allgemeiner, insbesondere meiner Überraschung einigermaßen gut. Es mag daran liegen, dass der Kunstgriff, die Handlung in die letzten Kriegstage zu verlegen, eine der besseren Ideen italienischer Drehbuchautoren ist; dadurch wird das übliche Vietnamfilm-Klischee, den Krieg irgendwie nachträglich zu „gewinnen“, in dem man nur eine Schlacht oder einen strategischen Posten, der irgendwie gegen die Übermacht der Schlitzaugen gehalten werden kann, oder nach Kriegsende arme Gefangene befreit werden, geschickt vermieden; dass die Amerikaner diesen Krieg verlieren, ist völlig klar, auch den Charakteren im Film, es geht hier nur noch um persönliche Genugtuung.

Der Film ist dabei sicher kein Antikriegsfilm im klassischen Sinne – natürlich ist seine Aussage „kritisch“, aber nicht gegenüber dem Krieg an sich, den auch Protagonist Sal als Berufssoldat schlechterdings nicht ablehnt, sondern gegenüber der Menschenführung durch manche Kommandoträger, die – formal freilich zu Recht – auf ihre Befehlsgewalt pochen und von ihren Untergebenen unbedingten Gehorsam erwarten, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob die Situation es überhaupt noch Wert ist, Mensch und Material zu verschwenden. Harlow hat nach dem Buchstaben der Gesetze und Vorschriften Recht – er ist der Befehlshaber, und selbstverständlich ist Sal verpflichtet, seinen Befehlen Folge zu leisten, wie unmenschlich sie für ihn auch erscheinen mögen; es ist nicht so, als ob Harlow Kriegsverbrechen begehen würde. Die Einsätze, die er anordnet, sind vielleicht weitgehend sinnfrei und könnten auch auf andere, weniger riskante Art ausgeführt werden, illegal sind sie nicht. Das weiß natürlich auch Sal, weswegen er auch die Loyalität zur Truppe bis zu seinem „breaking point“, Toms Suizid, aufrecht erhält und nicht Freeman zuarbeitet, der nur zu gerne eine Skandalstory über den vermeintlich durchgeknallten Harlow schreiben würde, aber trotz eines freundschaftlichen Verhältnisses zu Sal informationstechnisch auf Granit beißt (inwiefern es realistisch ist, dass Freeman als Schreiberling, der offenkundig nicht direkt auf Army-Linie liegt, auf dem Stützpunkt ein- und ausgeht, als wäre er dort zuhause, überlasse ich größeren Militär- und Vietnamkriegsexperten).
 
Tonal erweist sich „Im Wendekreis des Söldners“ daher eher als eine Art spiritueller Nachfolger der Italo-Western, mit einer reichlich nihilistischen Sicht der Dinge, die postuliert, dass sich im Leben nicht die anständigen Menschen (wie Sal) durchsetzen, sondern die Arschlöcher (wie Harlow), und zwischen denen schwirren die Opportunisten herum (wie Freeman). Das wäre prinzipiell natürlich auch ein taugliches Konstrukt für einen Kriegsfilm, allerdings leidet der Streifen dann doch an seiner ziemlich konsequenten Zweiteilung – die erste Hälfte bis zu Sals Verhaftung und Flucht aus dem MP-Gewahrsam ist recht ansehnlich, weil’s hier ein direktes Duell zwischen Sal und seiner Nemesis Harlow gibt, der Umstieg auf die Survival-Geschichte Sals im Dschungel und Vietcong-Gefangenschaft einerseits und den vor sich hin grummelnden Harlow, deren Wege sich dann erst wieder in den letzten fünf Minuten kreuzen, tut dem Flow des Films nicht gut, zumal Sal dann auch ein bisschen ein Glaubwürdigkeitsproblem entwickelt – den heldenmütigen Super-Kameraden der ersten Hälfte nehm ich ihm ja grad noch ab, im zweiten Part wird er dann aber Rambo und Braddock in Personalunion (naja, halt bis zum Ende, das auch wieder in der nihilistisch-zynischen Tradition des Italowesterns steht).

Von den handwerklichen und technischen Aspekten ist „Im Wendekreis des Söldners“ auch innerhalb des Ouevres von Margheriti nicht sonderlich bemerkenswert. Margheriti ist Routinier genug, um das Ganze im Vergleich zu minderbemittelten Dilettanten handwerklich ordentlich herunterzukurbeln, aber dem Film fehlen ein bisschen die großen herausragenden Set Pieces. Die meisten großen Actionszenen leiht sich Margheriti sowieso aus „Jäger der Apokalypse“ (für Recycling war sich Mr. Dawson bekanntlich nie zu schade). Der Dramaturgie fehlt ein wenig der rote Faden und dadurch zerfällt der Film in nicht immer wirklich miteinander verbundene Episoden; eine episodenhafte Struktur kann, wenn sie gut umgesetzt wird, dem Tempo eines Films förderlich sein, hier allerdings entsteht das Problem, dass das Interesse des Zuschauers mit jedem neu aufgeschlagenen Kapitel abnehmen dürfte – mag auch an der Überzeichnung der beiden Hauptcharaktere liegen, Sal ist ebenso übertrieben „gut“ wie Harlow evil for evil’s sake ist, beide wirken schon fast cartoonesk.

Seine größten Actionszenen verschießt der Film in seiner ersten Hälfte und auch dann ist das insgesamt eher unspektakulär. Seine FSK-18-Freigabe verdient er sich dann auch weniger durch graphische Härten oder Bodycount (zwei Splattereffekte sind zu verzeichnen, die das Kraut aber auch nicht fett machen und bei einer Neuprüfung sicher ein blaues Siegel bekämen), sondern weil in den 80ern praktisch alles, in dem wild um sich geschossen wurde – und dann noch ein recht düsteres Weltbild verbreitete – von der Jugend ferngehalten werden musste.

Den Score besorgt eine Kapelle namens „Sound of Eden“, die einen gefälligen, aber auch nicht sonderlich aufregenden Synthi-Soundtrack abliefert.

Ein Schwachpunkt des Films sind freilich auch die schauspielerischen Leistungen – Margheriti muss hier ohne international bekannte Zugpferde auskommen und sich mit Landsleuten zufrieden geben. Giancarlo Prete (alias Timothy Brent) als Sal hatte seine besten Zeiten hinter sich, Ende der 60er, Anfang der 70er staubte er ganz passable Rollen im Italo-Kino ab: „Stoßtrupp ins Jenseits“, „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“, „Der schwarze Leib der Tarantel“, „Tedeum – Jeder Hieb ein Prankenschlag“, „Alle für einen – Prügel für alle“. Nicht die ganz großen Hits, aber schon Kram, den man kennen kann. In der Folge ging’s dann abwärts, um 1980 rum war’s dann „nur“ noch Zeug wie „The Last Jaws“, „Metropolis 2000“ oder „Midnight Blue“, immerhin kam nach dem „Wendekreis“ noch eine Nebenrolle in „Der Tag des Falken“, in dem sich ja manche Italo-Nase ein Zubrot verdienen konnte. Für die hiesige Hauptrolle fehlt ihm einfach das Charisma, die Ausstrahlung, auch wenn er sich durchaus bemüht.

Antonio Marsina („Keoma“, „Leathernecks“, „Der Tag des Söldners“) macht keine Anstalten, seinen Captain Harlow in irgendeiner Form differenziert zu gestalten – es ist eine völlig eindimensionale, hölzerne Schurkenvorstellung. Alan Collins aka Luciano Pigozzi („Das Alien aus der Tiefe“, „Geheimcode Wildgänse“, „Blutige Seide“) hat hier als Freeman mal eine von der Screentime her größere Rolle, aber insgesamt ist sie wieder mal wenig gehaltvoll und von vernachlässigenswerter Relevanz für den Plot.

Der Freund gepflegter Filipino-Action freut sich auf ein kurzes Wiedersehen mit Romano Kristoff („Die Macht der Ninja 1/2“) als Hubschrauberpilot und dem schier unvermeidlichen, aber immer wieder gern gesehen Mike Monty („Zombi 3“, „Black Cobra 2“, „Dschungelratten“, „Der Kampfgigant“, „Die Leichenfabrik des Dr. Frankenstein“) als Army-Haudegen. Ronnie Patterson (MP Pike) kann der Action-Allesseher aus kleinen Parts in „Braddock – Missing in Action“, „Operation Overkill“ oder „Platoon to Hell“ eventuell wiedererkennen.

Wie die Söldner-Trilogie ist auch dieser Film bei Ascot Elite in der Cinema-Treasures-Reihe erschienen. Die Bildqualität (2.35:1) ist eher mau, der Print wirkt oft verwaschen und grieselig. Der Ton ist okay, aber unspektakulär. Ein interessantes Bonus-Feature ist eine einstündige Dokumentation über die Karriere von Antonio Margheriti.

Insgesamt also ein vergleichsweise wenig aufregender Vietnam-Hobel, das haben auch die Italiener besser hinbekommen (so z.B. in meinem Lieblings-Italo-Namsploiter „Bye Bye Vietnam“. Der Versuch, mal ein paar andere Ideen aufzugreifen als sonst, mag ehrenwert gewesen sein, das Resultat haut aber nicht so pausenlos vom Hocker. Für saubere Action-Randale halte man sich also lieber an die Lewis-Collins-Trilogie, da bekommt man mehr für’s Geld.

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 4


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments