
- Deutscher Titel: Im Auge des Hurricane
- Original-Titel: Undertow
- Regie: Eric Red
- Land: USA/Lettland
- Jahr: 1996
- Darsteller:
Lou Diamond Phillips (Jack), Mia Sara (Willie), Charles Dance (Lyle)
Vorwort
Bauarbeiter Jack streift von Ort zu Ort – gerade eben hat er’s eilig, weil seine letzte Liebschaft dummerweise die Tochter des lokalen Gesetzeshüters war, aber er nimmt das eher locker. Und so fährt er gen nächstem Arbeitseinsatz, verunfallt aber unpraktischerweise in einem Sturm irgendwo im Nirgendwo der Wälder Carolinas. Als er wieder zu sich kommt, findet er sich in der Blockhütte des Schwarzbrenners Lyle und dessen Frau Willie wieder. Lyle ist nicht nur Schwarzbrenner, sondern Waffennarr, Fallensteller und 1-A-Hinterwäldler und würde den ungebetenen Gast am liebsten kurzerhand über den Haufen schießen. Mit Müh und Not kann Jack verhindern, möglicherweise in den Eintopf zu wandern, aber dennoch hätte Lyle den Stadtmensch lieber heut‘ als morgen wieder los. Gestaltet sich nur nicht einfach, da ein Hurrikan im Anzug ist und alle Wege unpassierbar sind. Evakuieren mag Lyle sich selbstredend auch nicht lassen, und bevor Jack am Ende noch Hilfe holt, kloppt der Backwood lieber das Funkgerät kaputt. Wohl oder übel müssen die Drei sich arrangieren, was nicht leicht ist, wenn einer davon ein mustergültiger Psychopath mit argen Launen ist. Als Jack herausfindet, dass Lyle Wille im zarten Alter von 13 Jahren ihrem Papa als Schuldenbegleichung abgeluchst hat und sie zudem in der Hütte gefangenhält, kicken die Heldengene ein. Jack will nicht nur selber stiften gehen, sondern Willie am liebsten noch gleich mit retten, doch die ist zwar schwer in Jack verknallt, aber nicht sicher, ob sie Lyle wirklich verlassen will…
Inhalt
Eigentlich durfte man die Erwartungen an „Undertow“, wie der Streifen im Original heißt, stellen – schließlich ist Regisseur Eric Red nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt – die Drehbücher zu solch Klassikern wie „Hitcher“ und „Near Dark“ gehen auf sein Konto und seine vormaligen Regiewerke „Hitman – Cohen & Tate“ und „Body Parts“ sind auch nicht ganz schlecht. Als Co-Autorin spannte Red zudem noch Kathryn Bigelow („Near Dark“, „Point Break“, „Strange Days“) ein, das sollte für eine gewisse Qualität bürgen. Mit den Abstrichen muß man aber schon mal beginnen, wenn man weiß, daß „Undertow“ kein originärer Kinofilm ist, sondern für den US-Kabelsender Showtime entstand und obwohl der Drei-Personen-Cast nun nicht gerade aus den letzten Hollywood-Hinterbänkler besteht, so ist es auch nicht die allererste Garde, die Red für seinen kammerspielartigen Unwetter-Thriller zusammengetrommelt hat (der übrigens, wen’s interessiert, mitnichten in den USA, sondern im idyllischen Lettland gedreht wurde).
Der Cast ist aber nicht hauptsächlich das Problem, wenn man von Problemen sprechen will. Das Script selbst beginnt eigentlich ganz clever – die Motivation Lyles bleibt im Unklaren, man weiß ausnahmsweise mal nicht mehr als der Heldencharakter und das gut aufgebaute Set vermittelt gekonnt ein klaustrophobisches Feeling, in dem die Konflikte munter brodeln können. Leider entwickelt sich das ganze weniger hin zum packenden Psychodrama, sondern mehr zum eher platten Thriller/Horror-Klischee, einige Möglichkeiten werden verschenkt, obwohl das Potential durchaus da wäre (nämlich in der Person von Willie, die einerseits durchaus ihre Freiheit sucht, andererseits aber sich Lyle gegenüber loyal verhalten will – dieser innere Konflikt kommt für mich etwas zu kurz). Manches wird nicht deutlich genug gemacht (wieso Jack z.B. nicht versucht, auf eigene Faust zu entkommen, bevor der Hurrikan losbricht, es aber schon klar ist, dass Lyle nicht alle Steine auf der Schleuder hat), anderes ist schlicht dämlich (in einer Szene, in der Lyle zum Jagen die Hütte verläßt, nutzen Willie und Jack die günstige Gelegenheit nicht etwa zur Flucht, sondern zu einer gepflegten Rammeleinlage, was mich noch darauf zu sprechen bringt, dass die obligatorische Sexeinlage hier mal wieder mächtig aufgesetzt wirkt und nur dazu dient, Mia Saras Brüste formatfüllend zu inszenieren). Das Finale ergibt sich dann leider vollständig den üblichen Slasher-Klischees. Demgegenüber stehen aber einige wirklich nette Ideen, die teilweise ganz beiläufig eingefiedelt werden: so hat Willie zu Beginn der Story erkennbar Schwierigkeiten mit der Artikulation (ersichtlich, weil ihr Lyle Redeverbot auferlegt hat) und muß sich erst daran gewöhnen, wieder zu sprechen; gleichfalls fällt mir hier der witzige Einfall des Set Designers ein, die Hütte mit einem „Gartenzaun“ aus Autotüren zu verzieren. Kleine Details, die Freude machen.
Film-Kammerspiele, im Sinne von Streifen, die sich beinahe ausschließlich an einer Location und in einem Set abspielen, brauchen noch mehr als andere Werke einen fähigen Regisseur. Eric Red bemüht sich nach Kräften, dem Spiel durch den ein oder anderen pfiffigen Kamerawinkel und gelegentlich eingestreute Slow-Motion-Aufnahmen zusätzlich Atmosphäre zu verleihen, kann aber die ein oder andere Länge nicht ganz vermeiden; dennoch ist der Film nicht unspannend, auch wenn einige plot points – wie mittlerweile üblich – antelegrafiert werden. Handwerklich stören einige continuity-Fehler (so z.B., dass Jack, obwohl er sich beispielsweise gerade im Schlamm gewälzt hat, eine Szene später wie aus dem Ei gepellt aussieht), die nicht wirklich hätten sein müssen.
In der Darstellerabteilung hab ich mein gravierendstes Problem mit Lou Diamond Phillips („Young Guns“, „Pentagram“) – es gibt sicherlich einen Schwung schlechtere Akteure in Hollywood, aber auch einen ganzen Eimer bessere. Phillips schafft es über die gesamte Laufzeit nicht wirklich zu überzeugen – er kann einfach nicht vermitteln, wie seine Gefühlslage in der außer Kontrolle geratenen Situation ist, und warum er sich plötzlich in Willie verliebt und sie zu „befreien“ trachtet. Mia Sara („Timecop“) macht ihre Sache recht gut (und schafft es, sogar in Holzfällerhemd und Latzhose sexy auszusehen) und sticht Phillips relativ locker aus. Ganz großes Schauspiel bietet allerdings einzig Charles Dance („Alien 3“), der seine Psychopathenrolle – wenn man vom Showdown absieht – relativ klischeebefreit und zurückhaltend absolviert – er kann zwischendurch richtig charmant sein, ohne zu überziehen, und hat’s daher auch nicht nötig, in den totalen over-the-top-Modus zu schalten, um dämonisch und bedrohlich zu wirken. Das ist wirklich eine der besseren Psycho-Darstellungen der letzten Zeit und nötigt mir allen Respekt ab.
Bildqualität: VCL kommt uns hier mit einem alles in allem zufriedenstellenden Vollbildtransfer, der in keiner Hinsicht voll überzeugen kann, aber auch keinen Totalausfall in einer Einzeldisziplin zu verzeichnen hat. Einige wenige Male fiel mir ein leichtes Ruckeln auf, Kontrast- und Schärfewerte liegen im Durchschnittsbereich, in Punkto Kompression hätte man vielleicht ein wenig verbessern sollen, schon bei mittleren Zoomfaktoren bilden sich Klötzchen. Alles in allem aber brauchbar.
Tonqualität: Leider muß man einmal mehr auf Originalton verzichten, dafür gibt’s die auch schon üblichen deutschen 5.1- und 2.0-Dolby-Spuren, die sich qualitativ nicht viel nehmen. Als verhältnismäßig „kleiner“ Film lebt „Im Auge des Hurricane“ nicht von voluminösen Klangeffekten, wobei aber beide Spuren die permanente Regen-Geräuschkulisse recht lebendig vermelden und Dialoge und Score in angemessenem Verhältnis stehen. Leider hat die 5.1er-Spur ein leichtes Grundrauschen.
Extras: „Im Auge des Hurricane“ zählt zu den schon etwas betagteren VCL-Veröffentlichungen, die ganz ohne Extras auskommen müssen. Die Scheibe startet nach den Label-Logos direkt mit dem Film, das Menü gibt’s erst am Schluß und das hat nicht mal einen Punkt zur Kapitelauswahl zu bieten.
Fazit: Mit „Im Auge des Hurricane“ legt Eric Red in Zusammenarbeit mit Kathryn Bigelow einen soliden B-Thriller hin, der aus seinen Voraussetzungen vielleicht etwas zu wenig macht. Insgesamt wird man aber als Genre-Fan recht gut unterhalten, gute und weniger gute Ideen halten sich in etwa die Waage und die schauspielerische Glanzvorstellung von Charles Dance sollte man sich eigentlich nicht entgehen lassen. Wenn man wie ich in letzter Zeit zu viele Tarantino-Plagiate gesehen hat, tut einem ein relativ altmodischer Psychothriller wie dieser ganz gut – es ist nicht der absolute Reißer, aber ein idealer Film für einen verregneten Nachmittag oder Abend. Eine etwas bessere DVD-Umsetzung wäre allerdings wünschenswert gewesen.
3/5
(c) 2005 Dr. Acula