If Footmen Tire You, What Will Horses Do?

 
  • Deutscher Titel: If Footmen Tire You, What Will Horses Do?
  • Original-Titel: If Footmen Tire You, What Will Horses Do?
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  • Regie: Ron Ormond
  • Land: USA
  • Jahr: 1971
  • Darsteller:

    Estus W. Pirkle (als er selbst), Judy Creech (Judy), Cecil Scaife (The Commissar), Gene McFall (Assistant Commissar), Wes Saunders (Comrade Teacher) u. a.


Vorwort

Es gibt fast nichts, was den US-Amerikanern im 20. Jahrhundert mehr Angst gemacht hätte als der schreckliche Kommunismus.

Konkret spricht man dabei von zwei mehrjährigen Phasen: Die Erste Rote Angst entwickelte sich ab 1917 durch die Machtübernahme der Bolschewiki in Russland, als die linken Parteien auch in den USA erstarkten und teilweise spektakuläre Streiks organisierten. Einhalt geboten wurde dem Treiben vorerst durch die auf Geheiß des damaligen Justizministers Alexander Mitchell Palmer bis heute größte vorgenommene Massenverhaftung in der US-Geschichte, durch die sich die einflussreiche Kommunistische Partei in den Untergrund zurückziehen musste und bis 1921 einen Rückgang von rund 90% innerhalb von nur zwei Jahren zu verzeichnen hatte.

Die Zweite Rote Angst entstand kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Fronten zwischen den Westmächten und dem Ostblock verhärteten sich zunehmend und lösten eine Hysterie aus, die auch vor der Filmindustrie nicht Halt machte und, wenn auch im kleineren Ausmaße, Gefängnisstrafen nach sich zog (die berühmten „Hollywood Ten“, um nur mal einen Begriff in den Raum zu werfen, denn ich will hier ja keine geschichtliche Abhandlung schreiben und bereits in der Einleitung all die Leser verlieren, die eigentlich etwas über das heute zu besprechende Objekt erfahren wollen).

Und auch wenn sich die aufgeregte Situation Mitte der 50er Jahre wieder legte, so blieben die Kommunisten auch in den folgenden Jahrzehnten immer noch das bevorzugte Feindbild für so manch stolzen US-Amerikaner – so auch für einen Mann namens Estus Washington Pirkle aus New Albany, Mississippi. Geboren im Jahr 1930 hatte er die zweite Hysteriewelle als junger Mann mit wachem Auge miterlebt, und seine Vorbehalte und Ängste gegen linke politische Umtriebe im Land wuchsen ins Unermessliche, sodass nur noch einer ihn retten konnte – und zwar Gott. Als Prediger tingelte er jahrzehntelang durch die Baptistengemeinden und brachte seinen Zuhörern das Einzige bei, was wirklich zählte: das Wort der Bibel. Er hatte sich so sehr dem Vater oben im Himmel verschrieben, dass er Bücher für und über ihn schrieb: „Preachers in Space“ beispielsweise oder eine Biografie über seinen Baptistenkollegen und den ehemaligen Pastor seiner Ehefrau, Percy Ray („A Ray for God“) – und nicht zuletzt „If Footmen Tire You, What Will Horses Do?“, die Verschriftlichung einer Predigt, die er gehalten hatte.

Diese Predigt hatte einen gewissen Monnie Stanfield so sehr beeindruckt, dass er an Pirkle herantrat und ihn fragte, ob er nicht das Medium Film nutzen wolle, um sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Pirkle konnte dem Vorschlag durchaus einiges abgewinnen. Da er aber keine Ahnung von Filmen hatte, bedurfte es externer Hilfe – und die vermittelte ihm Stanfield mit einem gewissen Ron Ormond. Der seinerzeit 60-jährige Ormond begann seine Karriere als Regisseur 1950 mit einer ganzen Reihe von hastig heruntergekurbelten Western und landete schon bald darauf im Exploitationfilm. So wurde er beauftragt, zusätzliche Szenen für den bizarren Zwerg-und-Spinnen-Schlonz „Mesa of Lost Women“ (1953) zu drehen, lange bevor Joseph Lai die Verhackstückung von Filmen unter Einbeziehung neu inszenierter Szenen zur eigenen Kunstform erhob, und schuf mit dem Film eine Nähe zu den klassischen Ed-Wood-Werken, nicht zuletzt weil darin neben Woods Ex Dolores Fuller („Glen or Glenda“) auch Mona McKinnon und Lyle Talbot („Plan 9 from Outer Space“) vorkommen. Sein letztes Werk vor dem Zusammentreffen mit Pirkle hieß „Monster and the Stripper“ (1968), eine sehr freie Neuauflage von „King Kong“ ohne King Kong, gewürzt mit zwei entscheidenden Elementen aus Filmen von Herschell Gordon Lewis (Blut!) und Russ Meyer (Titten!).

Man möchte also meinen, dass Ormond nur sehr bedingt zu einem erzkonservativen Bibelschwinger wie Pirkle passt, wenn er denn nicht eines Tages gerettet worden wäre – und zwar von Gott. 1967 verunglückte Ormond nämlich mit Frau June und Sohn Tim mit seinem Flugzeug. Wie durch ein Wunder überlebten alle. Diese Nahtoderfahrung war der Wendepunkt in seinem Leben, und für ihn stand fest, dass Gott ihm etwas sagen wollte. Ob es nun wirklich „Mach schlechte Filme mit Estus Pirkle“ war, ist nicht verifiziert, aber Tatsache ist, dass „Monster and the Stripper“ sein letzter Exploitation-Reißer war und er die letzten zehn Jahre seines Lebens damit verbrachte, Filme über Gott zu drehen. Oder eben über Gott UND die verfluchten Kommis wie in diesem Fall, zugleich die erste von drei Kollaborationen mit Pirkle. Danach folgte sein Himmel-und-Hölle-Double-Whopper „The Burning Hell“ (1974) und „The Believer’s Heaven“ (1977).

Der Titel dieses Films nimmt Bezug auf das Buch Jeremia aus dem Alten Testament. Genau genommen steht dort in Kapitel 12, Vers 5: „If you have run with footmen and they have tired you out, then how can you compete with horses?” (Auf Deutsch also in etwa: „Wie willst du mit Pferden konkurrieren, wenn dich schon Fußsoldaten, mit denen du gemeinsam gelaufen bist, müde gemacht haben?“) Das war aber Pirkle offenkundig zu sperrig, weshalb er auf das viel, viel knackigere „If Footmen Tire You, What Will Horses Do?“ verkürzte. Finanziert wurde der Streifen dabei mithilfe von Mitgliedern aus unterschiedlichen Kirchengemeinden. Als Belohnung bekamen sie Rollen in diesem Film zugeschanzt – einem Film, der – so viel sei verraten – selbst alteingesessenen Trashologen, die meinen, schon alles gesehen zu haben, mit Karacho in die Fresse tritt …


Inhalt

Zumindest eines fällt sofort auf: Pirkle und Ormond haben mit dem Titel nicht zu viel versprochen. Bereits während die Eröffnungstitel laufen, sind Pferde zu sehen, die im gemütlichen Schritttempo durch ein Waldstück trampeln. Auf ihren Rücken sitzen sie – die Feinde der Vereinigten Staaten: Kommis in ihren schwarzen Uniformen, wild entschlossen und zu allem bereit. Alle in den Eröffnungstiteln genannten Darsteller sind ein Who-is-Who des Kennt-man-nicht. Pirkles Sohn Greg spielt auch mit – „and a host of others too numerous to mention“. Es lohnt sich, Frau des Regisseurs zu sein, denn als Production Supervisor erscheint June Ormond mit einem „Mrs.“ in Klammern davor. Alle anderen Beteiligten haben dieses Privileg nicht. Dabei ist es doch sehr wichtig zu wissen, dass June ein Frauenname ist. Wer hätte das vermutet? Die Stock-Musik, die über den Vorspann spielt, habe ich schon in Ormonds „Monster and the Stripper“ gehört.

Die ersten Worte, die wir hören, richtet ein Off-Sprecher an Reverend Pirkle. Es ist die Frage, ob die Bilder, die wir gleich sehen werden, der Wahrheit entsprechen oder doch eher in den Bereich der alternativen Fakten gehören. Pirkle gibt (auch im Off) gleich offen zu, dass man sich an Ereignisse anlehnt, die in Russland, Korea, China und Kuba geschehen sind, wo die Kommunisten bereits die Herrschaft übernommen haben. Diese Ereignisse werden aber auch im schönen Amerika geschehen, sobald die erst mal hier an der Macht sind. Er hätte es also auch verkürzen können: alles Fiktion. Der Fragensteller hakt nicht weiter nach und fragt Pirke lieber nach der Zukunft der USA. Die Antwort bricht dieser auf ein einfaches Entweder-Oder herunter: Entweder stehen Jahre des Wohlstands bevor oder – „we will be trampled down in the feet of our enemies like the horses in the Book of Revelation trampled down God’s enemies“. Die ganz grobe Kelle also. Zur Differenzierung wird unser geschätzter Prediger auch in den kommenden 50 Minuten nicht fähig sein.

Nun, ich sagte ja eingangs, dass dieser Film auf einer gehaltenen Predigt von Estus W. Pirkle basiert. Und da Predigten in der Regel in der Kirche gehalten werden (wenn es nicht die der schimpfenden Ehefrau sind), werden sich auch die größten Teile des Films in einer Kirche abspielen, wo Pirkle eben diese Predigt seiner Zuhörerschaft näher bringt. Wir müssen also damit leben, dass wir fast den gesamten Film über nur Pirkle reden hören werden – eine One-Man-Show quasi, die noch anstrengender zu überstehen ist, weil er ohne Punkt und Komma Satz an Satz reiht. Er labert wirklich ohne Unterlass, und nach diesem Film wundert mich, dass nicht ein Verb „pirkle“ als Synonym für „sabbeln, ohne Luft zu holen“ Einzug in die US-amerikanischen Wörterbücher gehalten hat.

Nachdem wir ihn ja eben nur aus dem Off gehört haben, sehen wir Reverend Pirkle nun auch das erste Mal an seiner Kanzel stehen, und es fällt auf: Er richtet sich mit seiner Predigt weniger an die Leute, die seinetwegen in die Kirche gekommen sind, sondern an uns Zuschauer, denn er spricht sie direkt in die Kamera. Zum Einstieg fragt er uns direkt, was denn wir selbst über die Zukunft der USA denken. Dabei fällt (nicht zum letzten Mal) auf, dass er von uns eigentlich gar keine Antworten haben will, denn er antwortet sich selbst – mit weiteren Fragen: Machen Sie sich denn gar keine Sorgen über die steigende Kriminalitätsrate in allen Städten? Über die vielen Angriffe auf Polizisten und Richter mit Todesfolge? Und über die Sitten, die mittlerweile an den Campussen der Universitäten herrschen? Wir merken, es ist Alarmstufe Rot (mindestens!), aber Feuerwehrmann Pirkle wird uns schon den rechten Weg weisen.

Um Abwechslung in die Predigt zu bringen und uns nicht nur Pirkles strahlendes Antlitz zu zeigen, wird bis zum Ende auch immer wieder in das lauschende Publikum geschnitten. Wir werden Dutzende von in Großaufnahme gefilmten Gesichtern sehen – und ich sage euch: Was sich da auf den Kirchenbänken tummelt, ist eine derartige Ansammlung freudlos-verhärmter (Freak-)Gesichter, wie ich sie in der Häufigkeit vermutlich selbst am Hamburger Hauptbahnhof nicht sehen würde, wenn ich mich einen ganzen Tag lang dort aufhielte. Eine Auswahl findet sich in der Bilderleiste neben diesem Review. Im Vorspann wurde drei Baptistenkirchen besonderer Dank ausgesprochen – ich vermute auch deshalb, weil sie dort die Aufnahmen des Publikums gemacht haben, auch wenn der Film vorgibt, Pirkle würde seine Predigt nur in einer Kirche halten.

Nach den einleitenden Fragen zeigt sich, dass Pirkle für die unmittelbare Zukunft seines Landes doch eher schwarz denn Wohlstand sieht: Der Schrecken des Kommunismus wird sich innerhalb der nächsten 24(!) Monate ausbreiten und eine zweistellige Millionenanzahl von Amerikanern wie Fliegen niedergeschossen werden, wenn nicht rechtzeitig, das heißt: umgehend, gegengesteuert wird – eine Vision, die Ormond zusätzlich zu den dramatischen Worten des Predigers subtil mit mehreren Schwenks über auf dem Boden liegende Menschen visualisiert, denen die Macher in höchst verbesserungswürdiger Form an willkürlichen Stellen ihres Körpers rote Farbe auf Haut und Kleidung geträufelt haben. Glaubt ihr dem Mann jetzt, Ungläubige?

Pirkle geht in der Zeit 2.500 Jahre zurück, als Gott Menschen auserwählte, die nicht auf die wiederholten Warnungen der Propheten, dem Bösen zu widerstehen, hören und einfach die Freuden ihres Lebens genießen wollten, bis es schließlich zu spät war und die Babylonier alles zerstörten, was ihnen lieb und teuer war. Er schlägt die Brücke in die Gegenwart (also 1971, als der Film gedreht wurde), in der auch viele Menschen des heutigen Amerika ihr Leben zu sehr genießen und dabei die Gefahren übersehen, die direkt vor ihnen liegen – und das ist nun mal der Kommunismus. Und wenn der erst einmal da ist, werden die Amis um ihr Leben rennen, aber es wird vergeblich sein: „They are not able to defend themselves from these terrible ruthless killers who will not stop until they have trampled them down with their powerful heels.“

Illustriert wird diese Textstelle mit einem Segment, in dem Kinder und einige Erwachsene durch einen Wald schlendern und erst von durchsichtigen Reitern (= die Feinde vor 2.500 Jahren aka Babylonier) attackiert werden, bis sie plötzlich real sind (= die Feinde der Gegenwart aka Kommunisten) und sie mit ihren Pferden durch einen Tümpel treiben. Ich kriege Gänsehaut bei so viel schwerer Symbolik – oder sagen wir: Ich würde sie kriegen, wenn denn Ormond den Kinderdarstellern vorher gesagt hätte, dass es in dieser Szene laut Drehbuch für sie um Leben und Tod gehen soll. Viele der Kinder-Statisten aber haben sichtlich ihren Spaß und können ihre Freude darüber, an einem sonnigen Sommertag im Wasser planschen zu können, nicht verhehlen.

„Do these things seem far-fetched to you?“, fragt Pirkle uns. Kann man so sagen, alter Junge, aber ich habe natürlich auch den Vorteil, im 21. Jahrhundert zu leben und zum Zeitpunkt dieses Reviews einen US-Präsidenten an der Spitze zu wissen, der mit Kommunismus nicht gar so viel am Hut hat – und auch sonst ist mir von kommunistischen Präsidenten in den USA nichts bekannt. Im schönen Fantasie-Amerika aus Pirkles Erzählungen steht aber wie gesagt die Machtübernahme kurz bevor. Da ist bald Schluss mit easy-going, und 40 Arbeitsstunden pro Woche und zwei bis drei Wochen bezahlter Urlaub werden der Vergangenheit angehören:

„We too will be on the same schedule of every communist nation owners who will be at work at 5 o’clock in the morning. You’ll work until 9 o’clock in the night. You will be forced to work under armed guards continuously. You won’t work five days a week. You won’t work six days a week. Instead you’ll work seven days a week, 363 days out of a year. You’ll only have two days a year off. Those two days will be used to praise the communist takeover.“

Da wir gerade bewaffnete Kommunisten sehen, die Menschen durch die Straße treiben, wäre es an dieser Stelle einmal angebracht, darauf einzugehen, wie die Kommis in diesem Film dargestellt werden. Da scheint er sich nämlich selbst nicht ganz sicher zu sein. Manchmal sehen sie aus, wie du und ich sich den Klischee-Russen Vladimir in einem patriotischen Hollywood-Film halt vorstellen, manchmal aber auch wie der ungepflegte Kubaner Rico, der vor Schweiß und Dreck nur so trieft. Kommis dieser Welt, vereinigt euch.

Daraufhin wechselt der Film unversehens zu armen unschuldigen Kindern, die mit roter Farbe bespritzt „tot“ auf der Straße liegen. Und warum? Pirkle verrät es uns: weil sie sich geweigert haben, ihren christlichen Glauben aufzugeben. Und was geschieht, wenn sich auch die erwachsenen aufrechten Amis auflehnen, sehen wir gleich darauf ebenfalls: Die Kommunisten-Darsteller tun so, als würden sie mit ihren Maschinenpistolen auf sie schießen, und die Ami-Darsteller tun so, als wären sie getroffen worden und purzeln ganz vorsichtig auf den Boden, um sich beim Sturz bloß nicht noch irgendwas schmutzig zu machen. Wann, wenn nicht jetzt, sollte ich ernsthaft Angst vor den Kommis bekommen?

Dann kommt Judy ins Spiel. Wer ist Judy, mag man nun fragen. Judy leitet einen weiteren Handlungsstrang des Films ein und steht als dessen zentraler Charakter stellvertretend für die verdorbene Jugend, die sich schon zu weit von Gott entfernt hat und auf den richtigen Pfad zurückgeführt werden muss. Wie verdorben sie ist, erkennt man sofort daran, dass sie erstens einen Freund hat und zweitens zu spät zu Pirkles Gottesdienst erscheint. Sie, die sich eigentlich nur mal wieder pro forma in der Kirche sehen lassen will, fragt ihren Freund, ob er nicht mit reinkommen will, aber der verneint: „I’m a lover, not a Christian.“ Ja, da guckt ihr, was? Ich konnte mich auch nicht mehr daran erinnern, seinerzeit bei der Konfirmation gefragt worden zu sein, ob ich den richtigen Weg zum Christentum oder den falschen Weg zum Lovertum gehen will.

Judy setzt sich – immerhin das ist vorbildlich – auf eine der vorderen Bänke. Neben ihr sitzt ein kleiner Junge, den ich noch schwer dafür bewundern werde, dass er es schafft, seinen Blick bis zum Filmende starr geradeaus in Richtung Rednerpult zu richten, obwohl Judy, dieses Früchtchen, ständig unruhig auf ihrem Platz herumrutscht, ihr gekautes Kaugummi mit den Fingern lang zieht oder betont auffällig ihre Armbanduhr ans Ohr hält, um festzustellen, ob sie nicht stehen geblieben ist. Pirkle ignoriert ihr Gehabe ebenso nach Kräften und setzt seine Predigt unbeirrt fort, kommt dabei aber auf „some strange young people“ zu sprechen – und ja, Judy, ich bin überzeugt, dass er genau DICH damit meint. Hör also gut zu.

Pirkle bringt den titelgebenden Begriff der „footmen“ an, die Sturm gegen die Jugend laufen und sie daran hindern wollen, sich ganz Gott zu verschreiben. Das ist ihm so wichtig, dass er es fast wortgleich ein weiteres Mal wiederholt. Das zeigt erste Wirkung bei Judy. Sie fühlt sich blitzlichtartig an eine Situation zurückerinnert, in der sie mit ihrem Freund tanzt. Untermalt wird diese Erinnerung mit einem düsteren Musik-Cue, als wolle der Film uns damit sagen, es wäre eine sündhafte Erinnerung gewesen. Ich kann daran allerdings ehrlich gesagt nichts Sündhaftes erkennen, es sei denn, irgendjemand käme auf die Schnapsidee, Tanzen wäre etwas, vor dem man sich hüten müsste.

Aber nun mal Butter bei die Fische, Prediger, warum ist die Jugend für dich so „strange“? Er liefert ein Beispiel: Kürzlich hatte er vor einer Gemeinde gesprochen, in der eine junge Frau aufstand, um „I’ll Tell the World That I’m a Christian“ zu singen. Dabei trug sie jedoch allen Ernstes einen Minirock, der gerade mal bis 30 Zentimeter über ihre Knie reichte. Und im Minirock wollte die nun singen, dass sie eine Christin ist? So nicht, junge Dame. Allerdings sieht Pirkle die Schuld nicht allein bei der aufreizenden Jugend von heute. Auch die Eltern sind gefordert: „Mother and daddy, are you willing to let your children be destroyed in the midst of this generation when you could have done something about it?“

Als Nächstes nimmt Pirkle das Schulsystem ins Visier. Er berichtet von seinem Vater, der Anfang des 20. Jahrhunderts in der Schule noch so schöne Spiele wie „Drop the Handkerchief“ (ein Spiel, das ich als „Plumssack“ kenne) spielte und mit dem „MacGuffey Reader“ arbeitete, einem Lehrbuch für Kinder aus den Klassenstufen 1 bis 6. Heutzutage gäbe es so etwas nicht mehr. Das ist gelogen: „Plumssack“ haben wir in den 90er-Jahren noch im Sportunterricht gespielt. Stattdessen halten es die Lehrer für nötig, Schüler für so progressive Sachen wie den Sexualunterricht zu begeistern. Wir sehen dazu einen sehr schnauzbärtigen Lehrer vor einer Tafel stehen, der nicht nur die Meinung vertritt, dass vorehelicher Sex notwendig ist. Er will den Schülern auch noch etwas über die sieben erogenen Zonen der Frau erzählen. Da ich von diesen sieben erogenen Zonen noch nie etwas gehört habe, finde ich skandalöser als alles andere, dass Ormond diese Episode just in dem Moment abbricht, als der Lehrer „The first zone is –“ sagt. Was soll das? Ich korrigiere: Was ZUR HÖLLE soll das, Prediger? „And they’re going to teach worse things“, echauffiert sich Pirkle. Schlimmer als Sexualunterricht? Das glaube ich nicht.

Sein nächstes Opfer steht bereits Gewehr bei Fuß: das Fernsehen – und da vor allem die Samstagmorgen-Cartoons! „You said ‚cartoons‘? What can be wrong with that?“, stellt er sich bereits auf Gegenrede ein. „Have you seen these cartoons?“, hakt er nach. Ja, habe ich. Den Li-La-Launebären zum Beispiel. Und du, Pirkle? Welcher Zeichentrickfilm hat dich so nachhaltig verstört? Er nennt nicht ein einziges Beispiel. Wir sollen ihm einfach glauben, wenn er behauptet, dass Kinder durch Cartoons frühzeitig an brandgefährliche Themen wie Sex, Gewalt und Mord herangeführt werden, und das kann’s ja auch nicht sein. Die Kriminalitätsrate sei in einigen Regionen der USA um 1.000 Prozent gestiegen. In welchen denn, Pirkle? Er sagt es nicht. Als Priester ist er vermutlich von jeder Beweispflicht entbunden.

Stattdessen schenkt uns Ormond ein besonders hübsches Beispiel für die „Schauspiel“segmente in diesem Film. Vorhin sahen wir ja schon Kinder im Angesicht ihres Todes lachend vor bewaffneten Reitern durch einen Tümpel fliehen, jetzt soll eine typische Szene in einem amerikanischen Wohnzimmer Anfang der 70er-Jahre dargestellt werden. Wir nehmen die Sicht der Bildschirmröhre des Fernsehers ein, vor dem ein Junge und sein Vater sitzen. Der Junge schaut Fernsehen, und der Vater macht, was jeder vorbildliche Mensch an einem Samstagmorgen tun sollte: Er sitzt daneben und liest die Bibel. Aus Pirkles Sicht hat der Vater bei eingeschaltetem Fernseher nun zwei Optionen: Entweder er liest weiter die Bibel oder er schaut mit seinem Sohn Fernsehen. Mir fielen noch die Möglichkeiten „oder er setzt sich weg und liest seine Bibel woanders weiter“ oder „der Vater bittet seinen Sohn, den Fernseher auszumachen“ ein, aber da denke ich in komplizierteren Mustern als unser Schwarz-Weiß-Denker da vorn an seiner Kanzel. Der Vater entscheidet sich aber für Tor 2 und schaut lieber mit seinem Sohn in die Glotze. Was dieses Segment dabei besonders hübsch macht, sind die schauspielerischen Leistungen von Papa und Sohnemann, die offenbar noch nie in ihrem Leben vor einem richtigen Fernseher gesessen haben. Andernfalls würde der Junge nämlich nicht so verkrampft mit geballten Fäusten auf den Armlehnen da sitzen, als würde er gerade eine Runde „Super Mario Cart“ zocken. Gleichzeitig ist er die ganze Zeit am Lachen, als würde er Ormonds Regieanweisungen, doch endlich das Rumgealbere sein zu lassen und die Szene gefälligst ernsthaft zu spielen, geflissentlich ignorieren. Der Vater-Darsteller wiederum nimmt eine ähnliche Sitzposition wie der Junge ein und setzt einen Blick auf, der eher vermuten lässt, er würde in 100 Metern Entfernung gerade einen grün gefärbten Zwei-Meter-Schwan erspähen, anstatt nur drei Meter vor sich auf den Bildschirm zu gucken. Dazu kommt noch die Ausstattung der Szene, die nicht ganz an Ed Woods Cockpit in „Plan 9 from Outer Space“ heranreicht, aber trotzdem herzig ist: Eine Fernsehcouch stand dem Drehteam als Equipment nicht zur Verfügung. Deshalb müssen zwei nebeneinander gestellte Holzstühle reichen. Dahinter ein weißes Bettlaken an der Wand angebracht – voilà, Wohnzimmerecke.

Aber zurück zu Pirkles Kritikpunkten: Eines der Dinge, die nach seiner Meinung mindestens Tod und Verdammnis über das amerikanische Volk bringen, hat er noch nicht erwähnt: das Autokino. Das holt er aber jetzt nach. Das Autokino würde nur zu solch unappetitlichen Aktivitäten wie Sex führen, zumal auf der Leinwand lediglich grober Sex und rohe Gewalt gezeigt werden würden. Ebenfalls ein Minus: Weit und breit gibt es keine Aufsicht, die das unzüchtige Geschehen in den Wagen eindämmen würde.

Und dann wäre da noch das „dancing“. Ja, richtig gelesen. Erinnert ihr euch noch daran, wie ich oben meinte, dass ich nichts Sündhaftes an Judys Erinnerung an einen gemeinsamen Tanz mit ihrem Freund entdecken konnte? Nun, da habe ich die Rechnung ohne den Priester gemacht. Tanzen ist in Pirkles Augen so falsch, wie es das schon immer gewesen ist, weil es – alle Tänzer aufgemerkt – zum Ehebruch verleitet! Wer hätte das gedacht, aber vielleicht spricht Pirkle ja auch aus Erfahrung? Seiner Meinung nach beginnt Tanzen – wo auch sonst? – harmlos auf der Tanzfläche und endet in einem geparkten Wagen oder Hotelzimmer beim Fummeln. Das kann ich so nicht unbedingt bestätigen, aber ich war ja auch noch nie verheiratet.

Es gibt noch mehr anzuprangern. Als da wäre: der Alkoholkonsum der Jugendlichen! 75 Prozent der jungen Menschen trinken bereits, bevor sie die Highschool beenden. Damit trifft er wieder einen wunden Punkt bei der frivolen Judy, die wie vorhin bei ihrer Tanzerinnerung kurz die Augen schließt, um sich – begleitet von bereits angesprochenem düsteren Musik-Cue – daran zu erinnern, wie sie kürzlich mit ihrem Freund eine Zigarette rauchte und – jetzt kommt’s! – Bier aus Pappbechern trank. Ich überlege hin und her, aber ich frage mich ernsthaft, wie Judy überhaupt noch gerettet werden will. Pirkle hat neben seinem Priesterdiplom augenscheinlich auch Mathematik im Nebenfach studiert, denn er liefert neue Zahlen: 47 Prozent der jungen Amerikaner seien von irgendeiner Droge abhängig – und in New York City würde täglich ein Mensch an den Folgen seines Drogenkonsums sterben. Mal ehrlich – wie könne es bei solchen Zahlen allen Ernstes Leute geben, die Marihuana legalisieren wollen? „Don’t tell me, the horsemen are not already running, and they are running just as hard to break up our homes“, warnt er.

Sollte Pirkles Predigt einen roten Faden besessen haben, so entgleitet er dem Redner in diesem Moment, als er nach dem unerfreulichen Thema des maßlosen Alkohol- und Drogenkonsums wieder bei außerehelichen Beziehungen landet. Zeitungen, Magazine und das Fernsehen würden ihren Teil dazu beitragen, dass Mehrfachehen von der breiten Öffentlichkeit akzeptiert werden würden. Jetzt auch noch die Zeitungen und die Magazine – puh, dürfen wir denn überhaupt noch irgendetwas lesen? Zum Glück waren zum Zeitpunkt des Films die Computerspiele noch nicht erfunden, sonst hätte er die uns auch noch madig gemacht.

Damit schließt Pirkle den Teil über die verkommene Jugend. Am meisten wundert mich dabei, dass er nicht noch das Thema Musik mit ihren grauenvollen Boygroups wie den Beatles auf den Tisch bringt, aber nun ja: Man kann dennoch zusammenfassend sagen, dass er hier mit vielen Worten eigentlich nur ausdrückt, man solle den Spaß am besten gleich ganz aus dem Alltag tilgen, dann kann man auch nichts falsch machen. „Never have any fun!“, so das Motto.

Pirkle beklagt, dass zu viele Amerikaner inzwischen keine Zeit mehr für die Kirche hätten, dafür aber genug für so ganz und gar unwichtige Dinge wie Ausflüge, Reisen und – mit Abstand am empörendsten von allem – Unterhaltungen mit ihren Freunden. Ganz schlimme Finger sind vor allem die Familienväter, die Frau und Kind(er) womöglich noch mit ihrem Wagen vor der Kirche absetzen, selbst aber nicht mit zum Gottesdienst kommen, nicht einmal eine läppische Stunde lang. Warum dieses Phänomen ausgerechnet bei der Männerwelt so ausgeprägt sein soll, erklärt er nicht, aber vermutlich sind die in seinen Augen die hauptsächlichen Fremdgänger, die die Zeit nutzen, um mit der gut gebauten leichtlebigen Nachbarin in die Kiste zu hüpfen – oder gar ins Autokino zu fahren. Seiner Meinung nach werden diejenigen, die keine Zeit für Gebete haben, zu spät aufwachen, und wenn sie es endlich tun, ist längst der Kommunismus über Amerika gekommen. Etwaige Einwände gegen diese Behauptung wischt er wie immer resolut mit einer weiteren Behauptung weg, und so folgt auf sein „But you say, preacher, that could never happen“ gewohnt belegfrei: „It not only can happen but it will happen with jet air speed.“ Ende der Diskussion. Die Kamera fängt ein vereinzeltes zustimmendes Nicken im Zombie-Publikum ein.

Dann endlich – juhu – neue Zahlen! Pirkle sagt, vor 60 Jahren hätte es noch nicht einen einzigen Kommunisten auf der Welt gegeben. Das hätte Karl Marx sicherlich brennend interessiert, wenn er denn 1910 noch gelebt hätte. Weiter rechnet er vor, dass der Kommunismus heute 1,1 Milliarde Menschen kontrollieren würde und somit rund die Hälfte der Weltbevölkerung. Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber ich möchte dezent anzweifeln, dass sich die Mathematik im vergangenen halben Jahrhundert so weiterentwickelt hat, dass die 3,7 Milliarden Gesamtbevölkerung von 1970 seinerzeit noch bedenkenlos als das Doppelte von 1,1 Milliarde bezeichnet werden durften. Kommt aber noch besser: Laut einer weiteren abstrusen Rechnung hätte es damals nur eine Woche gedauert, ein Land wie China mit seinen 600 Millionen Menschen in den Kommunismus zu stürzen. In den USA hingegen planen die Kommunisten die Machtübernahme in gerade einmal 15 Minuten(!). Die Vermutung liegt nahe, dass Pirkle vor seiner Predigt wohl selbst eine Marihuana-Zigarette inhaliert hat, auch wenn er es nie zugeben würde. Ich meine, selbst wenn die 600 Millionen in einer Woche in China stimmen sollten – 1970 hatte die USA 200 Millionen Einwohner. Das ist ein Drittel der Gesamtbevölkerung Chinas. Folglich würde es nach meiner Berechnung eher zweieinhalb Tage dauern, bis der Kommunismus um sich greift. Oder meinetwegen zwei oder anderthalb Tage, wenn wir davon ausgehen, dass kommunistische Armeen sich im Vergleich zu den US-Armeen um ein Zigfaches weiterentwickelt haben. Aber 15 Minuten? Klopft der Kommunismus kurz an den Ländergrenzen an die Tür und sagt: „Hi, USA, I’m Communism and I’m ready to take over“, und prompt lassen sich alle Grenzposten von ihm widerstandslos über den Haufen schießen, oder wie?

In einem weiteren kurzen Segment zeigt Ormond uns, wie die Nachrichten aussehen würden, sobald die Kommunisten die Macht an sich gerissen haben. Dafür platziert er einen seiner Profi-Darsteller (prust) vor einer Bretterwand, an der er hastig eine aus einem alten Schulatlas gerissene Karte festgeklebt hat, und lässt diesen auf einem Stuhl sitzend einen Nachrichtensprecher imitieren. Dieser Nachrichtensprecher berichtet in todernster Tonlage und mit finsterer Miene über den Tod des Präsidenten, dessen Stabs und die Ermordung weiterer Gouverneure aus anderen US-Staaten und schließt hochdramatisch: „Ladies and Gentlemen, this is the communist takeover of the United States. This is the end of democracy as you and I know it.“ Pirkle nimmt den letzten Satz dieser (noch) imaginären Szene dankbar auf und ergänzt: „And it will be the end of your freedom.“ Bis ans Ende unserer Tage werden die Aktivitäten von Kommunisten mit Maschinengewehren kontrolliert – „in the hands of men who’ve been told to hate Christians.“ In gewohnter Zurückhaltung werden diese markigen Worte gleich mal mit einem weiteren Segment unterstützt, in dem unschuldige Menschen von Maschinengewehrfeuer zersiebt werden – und wenn ich von „zersiebt“ rede, meine ich natürlich, dass im nächsten Moment Laiendarsteller mit willkürlich gesetzten roten Farbklecksen auf dem Boden rumliegen.

Unser Prediger, den wir mit seiner punktgenauen Ist-Beschreibung längst in unser Herz geschlossen haben, fragt seine Gemeinde, wer denn 30 oder älter sei. Als sich daraufhin fast alle melden, stellt Pirkle klar, dass Kommunisten es auf diejenigen abgesehen hätten, die 29 oder jünger seien – so auch in dem folgenden Segment. Darin kommen zwei Typen auf ihren Pferden angeritten. Und da es hier ausschließlich die Kommis sind, die mit einfacher Pferdestärke unterwegs sind, was im Übrigen Pirkles Behauptung, der Kommunismus würde in 15 Minuten über die Amis hereinbrechen, noch absurder macht, kann das nichts Gutes bedeuten – und tut es natürlich auch nicht. Das Opfer: eine gemütlich auf der Veranda ihres Hauses sitzende Familie (Vater, Mutter, zwei Kinder). Die Elterndarsteller blicken sich ob des ebenso unerwarteten wie unerfreulichen Besuches herrlich hölzern an – so hölzern, dass man förmlich die Regieanweisung „Action!“ zu hören glaubt. Viel energischer als hölzern wird das Ehepaar nicht einmal, als ein dritter Kommi mit seinem Lieferwagen vorfährt und die Kinder gewaltsam von der Veranda zerrt, um sie auf die Ladefläche des Lieferwagens zu hieven: Papa hebt nur kurz protestierend die Hand, und Mama bricht umgehend heulend in den Armen ihres Mannes zusammen. Für so wenig Einsatz für die eigenen Kinder folgt die Strafe auf dem Fuß: Der Vater wird von einem der beiden anderen Kommis weggezogen und die Mutter von dem verbliebenen Anführer-Kommi dreckig grinsend erschossen. Sein diabolischer Blick in extremer Großaufnahme hat es Ormond so angetan, dass er ihn bis zum Ende noch drei weitere Male in anderen Situationen einspielen wird, denn dieser Kommi wird uns in den folgenden Szenen noch öfter über den Weg laufen (in den Credits wird er schlicht als „The Commissar“ bezeichnet).

Kommunisten sind allerdings nicht nur großartig darin, bibeltreue Amerikaner zu erschießen – sie sind auch „masters of brainwashing“, wie Pirkle zu berichten weiß. Das führt am Ende dazu, dass die entführten Kinder Jesus Christus hassen. Ihre Vorgehensweise sei dabei subtil. Wie subtil, das zeigt das nächste Segment, das nun wirklich ein wortwörtliches Zitat verdient hat.

Zur Ausgangslage: Wir befinden uns in einem Klassenraum, in dem einer dieser furchterregenden Kommunisten hinter einem Lehrerpult sitzt und lobotomisierten Kinderdarstellern Schulunterricht gibt, die man – den Gesichtsausdrücken nach – offensichtlich unter Zwang vor die Kamera geprügelt hat. Dass er dabei mit dem Teufel paktiert, sieht man nicht nur an seiner schicken schwarzen Uniform mit dem Hammer-und-Sichel-Symbol (nicht mal seine Mütze nimmt er für den Unterricht ab), sondern auch an seinem fetten schwarzen (deutlich angeklebten) Schnauzbart, der geradezu nach Kuba schreit. Und er führt mit gekünstelt-fettem Akzent wahrhaft Böses im Schilde:

„Today, my young camarades, we will discuss some other matter. We’ll not talk about our glorious communist state but instead we will talk about your Jesus Christ. Now, how many of you believe in Jesus?“
Niemand meldet sich.
„Come! Come now! Don’t be bashful! We know that your parents have told you about Jesus. Come on! Raise your hands!“
Zaghaft gehen die Hände hoch.
„That’s better. How many of you now still believe that Jesus answers prayers?“
Diesmal heben die Schüler die Hände entschlossener.
„Now, how many of you would like to have some candy?“
Die Schüler heben die Hand.
„That’s better. Since you believe that Jesus answers prayers, let’s see if your Jesus will bring you some candy now and produce some miracle.“
Zweisekündiges Warten.
„I don’t see any candy. I don’t taste any candy. There is no candy. Your Jesus didn’t bring us any candy. The reason why: Your Jesus Christ can’t do it! But I can tell you who can do it. We will pray to our glorious leader Fidel Castro.“
Großaufnahme eines Bildes von Fidel Castro, das direkt hinter dem Kommi-Lehrer an der Tafel hängt. (Vorher haben wir an einer weiteren Tafel schon in Großbuchstaben den Satz „Communism is good“ gelesen.)
„And our glorious Fidel will bring us all of the candy that we can eat. I will show you a miracle. – Come in! Come in, camarad!“
Besagter „camarad“ ist nicht etwa Fidel Castro persönlich, sondern nur einer der Genossen des Lehrers, der mit einer Papiertüte in der Hand in die Klasse kommt und deren Inhalt auf dem Pult verteilt – ganz viel „candy“!
„This is a miracle from our glorious Fidel. All of the candy that we can eat.“
Der Lehrer wirft die Süßigkeiten in Richtung der Kinder.
„Here! Take all that you want! This is a miracle not from your Jesus Christ but from our glorious Fidel Castro.“

Da die Kinder begierig danach greifen, wären sie wohl bereits überzeugt. Alles, was die Kommis dafür benötigten, war ein Genosse, der eine Tüte voller Süßigkeiten auf seinem Pult ausschüttet. „Masters of brainwashing“ – fürwahr, fürwahr!

Es schließt sich unmittelbar eine weitere Szene an, in der Kinder unter kommunistischer Aufsicht auf einem Feld schuften. Pirkle unterfüttert diese Bilder mit weiteren Informationen: Diese körperlichen Höchstleistungen haben Kinder 16 Stunden pro Tag zu vollbringen, selbst während der Schulzeit. Das ist für ihn „cruel slavery“. Gut, dass du uns das so deutlich sagst, alter Junge. Ich denke mal, das sieht wirklich jeder so. Also außer die Kommis halt. (Und außer die Kinderdarsteller, die mit lachenden Gesichtern ihrer Sklavenarbeit nachgehen.)

Im nächsten Moment sitzen die Kinder vor einem Waldstück, und ein US-Mann im weißen Hemd liest ihnen aus der Bibel vor. Die Kommunisten genehmigen also offenbar sogar Pausen. „Cruel slavery“? Na, ich weiß nicht. So schlimm sieht mir das alles gar nicht aus. Warum der US-Mann allerdings aus der Bibel vorliest, ist mir angesichts der Tatsache, dass überall kommunistische Wachposten herumstehen, ein Rätsel. Ich meine, dann kann er auch gleich zu den Kommis gehen und sagen: „Schaut her, eine Bibel! Erschießt mich!“ Diese Missetat bleibt folglich von „The Commissar“ nicht unentdeckt, und er gibt einen Warnschuss ab, um die ganze Gruppe zu sich zu zitieren. Übertrieben freundlich fragt er, wer denn da eben gerade den Kindern „Christianity“ beigebracht hätte. Vorhin hatte uns der Film noch Leichenberge von Kindern gezeigt, von Kommunisten niedergestreckt, weil sie ihren christlichen Glauben verteidigten. Dem US-Mann hingegen ist sein weißes Hemd näher als die Hose, und er schweigt beharrlich. Sein Versuch, sich so unverdächtig wie möglich zu geben, scheitert jedoch daran, dass er sich so verdächtig wie möglich gibt (ein weiterer großer Mime!). Der Kommissar erschießt ihn deshalb vor aller Augen.

Das könnte Abschreckung genug sein, aber den Kommunisten reicht das nicht, vertreten sie doch die Ansicht, dass die Kinder durch die soeben vermittelten Bibelinhalte für ihr Leben christlich verseucht sind. Das hat zur Folge, dass der Kommi-Trupp sich mehrere von den Kindern greift und sie fesselt. Einen Jungen allerdings erwischt es besonders schlimm, da hilft auch kein Jammern und kein Klagen mehr: Ihm wird ein Bambusrohr quer durch die Ohren geschoben, bis es ihm links und rechts aus den Ohren heraus schaut(!). Als Höhepunkt kommt dem Jungen zweimal die Kotze hoch, und zu meiner eigenen Fassungslosigkeit ist das offenbar kein Trick – der Kinderdarsteller kotzt wirklich! Nur die Würgelaute wurden hinterher im Tonstudio von einem Erwachsenen nachsynchronisiert. Alter, Ormond, du hast echt ein Rad ab. Einer der Soldaten findet das alles lustig und lacht – ebenfalls mies nachsynchronisiert – höhnisch: „We puncture your ears, so you cannot hear the word of God!“ Zum Abschluss dieser Szene wird dann auch noch eine anwesende Frau von den Kommunisten in die Büsche gezerrt.

„You find this shocking?“, fragt Pirkle unschuldig, und für einen kurzen Moment dachte ich, er würde damit die Qualität dieses Films meinen. Dann aber präzisiert er: „There are things more shocking to come. The communist treatment of Christian women is horrible to imagine.“ Eine kleine Zuhörerin in der Kirchengemeinde kann sich das nur schlecht vorstellen. Sie lächelt bei diesen Worten nämlich groß und breit in die Kamera. Der kleine sadistische Prediger nennt dann auch zwei Beispiele für die schlechte Behandlung der Frauen: Die Kommis zwingen sie dazu, sich nackt vor ihnen auszuziehen – und in manchen Fällen binden sie sogar ihre Beine an zwei verschiedene Jeeps und lassen die dann in unterschiedliche Richtungen fahren.

Daraufhin kann nur ein weiterer „dokumentierter Vorfall“ (klar doch!) folgen. Eine junge blonde Frau näht. Nähen dürfte eines der wenigen Dinge sein, die eine gottestreue Frau nach Pirkles Vorstellung noch tun darf. Ihr Mann holt ihr freundlicherweise eine Schere und gesellt sich dazu. Im Hintergrund spielt Sirtaki-Musik, die nichts Gutes bedeuten kann, weil fremd. Und so ist es auch: Der stockbesoffene Kommi-Kommissar klopft – noch mit einer Schnapsflasche in der Hand – an der Haustür, benimmt sich nach Einlass gleich mal daneben (wie die Kommunisten nun mal sind) und fordert ein kleines Schäferstündchen mit der Frau. Die ist empört: „What kind of man are you?“ Ihr Gatte klopft ihr beruhigend auf die Schulter: „Oh, relax, honey, I’ll take care of this.“ Dafür nimmt er sogar seine Brille ab. Das „sich drum kümmern“ sieht bei ihm so aus, dass er sich durch einen sanften Kopfstreichler des Kommissars bewusstlos zu Boden schicken lässt. Der rotzevolle Kommi packt ihn und schleudert ihn aus dem Haus, um in aller Ruhe zur zünftigen Vergewaltigung zu schreiten. Unbarmherzig nähert er sich mit seiner prächtigen, aus der Uniform herausragenden behaarten Männerbrust der Frau, die sich ängstlich wimmernd in die Ecke zurückdrängen lässt. Aus Sicht eines ultrakonservativen Predigers leistet die Frau in einer funktionierenden klassischen Familie nämlich nichts, was irgendwie nach Widerstand aussehen könnte.

Kommunismus und Christentum können nicht Seite an Seite existieren, sagt Pirkle – nicht weil die Christen nicht wollten, sondern weil die Kommis das so lehren: „Either Christianity will win or we will win.“ Aus dem Grund werden Christen verfolgt, verhaftet und getötet. Wer glaubt denn alles an die Unsterblichkeit der Seele, fragt Pirkle in die Runde. Bei den treuen Christen schnellen natürlich sofort die Finger nach oben. Schön für sie, aber im Kommunismus sieht die Sache anders aus: Dort besitzt der Mensch keine Seele, sondern nur einen Körper, und es gibt kein Leben nach dem Tod. Schlimmer noch: Kommunisten glauben, dass Menschen, die von der Unsterblichkeit der Seele ausgehen, „deceased animals“ sind: „The sooner they kill you, the better they like it.“

Diese Mordlust spiegelt sich auch in den Zahlen wider, die Pirkle mal wieder exklusiv für uns hat. Als die Kommis nach Korea kamen, töteten sie 3 Millionen Christen. Als sie nach Russland kamen, waren es sogar 20 Millionen Christen. Und als sie nach China kamen, gab es 50 Millionen Tote. Happige Zahlen, die nur noch übertroffen werden, sobald die Kommis erst einmal in den USA wüten – da planen sie stolze 67 Millionen Tote! Quellenangaben? Braucht kein Mensch – zumindest kein Priester, der den Schutz Gottes hinter sich weiß. Das wäre auch gar nicht im Interesse eines Mannes, der seine Schreckensvision von einem kommunistischen Amerika so klar wie möglich an den Mann bringen möchte.

Dann zitiert er einen führenden Kommunisten:

„I dream of the hour when the last congressman is strangled to death on the guts of the last preacher and since the Christians love to sing about the blood, let’s give them a little of it. Let’s cut the throats of the children and let them drown in the own blood on the altar – and then we’ll see whether they enjoying those hymns or not.“

Ehrensache, dass er den Namen verschweigt beziehungsweise vermutlich gar nicht kennt. Ich war aber neugierig und habe das Zitat in die Suchmaschine geschmissen. Die größte Überraschung für mich: Es gibt dieses Zitat tatsächlich! Zugeschrieben wird es einem gewissen Gus Hall, seinerzeit Vorsitzender der Communist Party USA (CPUSA), allerdings – und auch das darf nicht verschwiegen werden – fälschlicherweise. Egal – es passt Pirkle gut in den Kram, und Ormond auch. Der zeigt unterstützend mal wieder tote blutverschmierte Kinder, diesmal auf dem Altar ausgebreitet, eines davon sogar mit dem Kopf direkt auf einer aufgeschlagenen Bibel drapiert. Laut eines Interviews mit Pirkles Ehefrau Ann, das auf dem Blog „Archival Revival“ veröffentlicht wurde, soll eines dieser Kinder übrigens ihr eigener Sohn Greg sein.

„Does this turn your stomach?“, fragt der Priester. Nichts kann er besser als diese direkt ans Publikum gerichteten Fragen. Erst uns Bilder von blutverschmierten Kindern präsentieren und dann blöd in die Runde fragen, ob uns auch wirklich schlecht geworden ist. Er könnte genauso gut sagen: „You want more? You get more!“ Und wir kriegen mehr: Nachdem er uns darüber aufgeklärt hat, dass Kommunisten alles wissen wollen, was die Christen seit ihrem 5. Lebensjahr getan haben, wohnen wir einer solchen Befragung bei. Die Befragten: Mutter, Tochter und Sohn (letzterer gespielt von Ron Ormonds Sohn Tim, zweitere gespielt von derselben Frau, die eben schon vom besoffenen Kommi vergewaltigt wurde). Die Fragensteller: der Kommissar und einer seiner Untergebenen. Der untergebene Kommi redet in gebrochenem Englisch auf den Sohn der Familie ein: Von besonderem Interesse seien dessen religiöse Ansichten und wie viel Geld er denn so an die Kirche gespendet hätte. Mama und Schwester reden auf ihn ein. „Tommy, tell them the truth. Tell them that you are a Christian“, fleht Mama. „I would never deny my Lord“, sagt Schwesterherz. Für mich ist das in dieser Verhörsituation eine äußerst bekloppte Idee, aber nun ja – soll jeder selbst wissen, wo er bleibt.

Tommy sieht das ähnlich wie ich und sagt den Kommis schließlich genau das, was sie hören wollen – nämlich dass er „non-Christian“ und „non-capitalist“ ist. So leicht kommt er aber nicht davon, zumal ja die Mutter gerade eben noch behauptet hat, er sei Christ. Die einzige Möglichkeit, ihm zu beweisen, dass er die kommunistische Lehre bereits verinnerlicht hat, ist – „Take my gun! Shoot her!“ Das will Tommy nun aber auch wieder nicht. Doch der untergebene Kommi bleibt beharrlich: „Mother or not, she is a deceased animal and she must be slaughtered as a deceased animal. Now kill her or we kill you.“ Irritierenderweise beweist der Film, der vorher nicht davor zurückschreckte, Dutzende von blutigen Toten abzufilmen, ausgerechnet in dieser Szene Zurückhaltung und lässt sie enden, bevor wir erfahren, wie er sich letztendlich entschieden hat. Aber ist ja auch egal – Tote wird es auf jeden Fall gegeben haben.

Eigentlich haben wir ja längst kapiert, was für Schweine diese Kommunisten sind. Pirkle aber reicht das nicht: Er betont, dass die Kommis Menschen genauso gern töten, wie sie sie quälen. Auch der Führer höchstpersönlich, Adolf Hitler, erhält eine kurze Erwähnung: „In fact they say we’re not like Hitler.“ Das entspricht allerdings nicht ganz der Wahrheit. Im Gegenteil: „Communist torture methods are slow and deliberate.“ Schonungslos liefert der Film uns auch dafür Beispiele: „You think you’ve known cruelty? Watch!“, fordert Pirkle uns auf und zwingt uns in seine ganz persönliche Ludovico-Therapie. Ich spüre seinen Hauch bereits unmittelbar hinter mir, wie er Klammern an meinen Augenlidern anbringen und mich zwangsfixieren will.

Die Foltermethoden der Kommis, die uns nun nacheinander vorgestellt werden, haben es in sich. Wer also plant, sein Volk unterdrücken zu wollen, nehme sich nun Zettel und Stift zur Hand. Im ersten Segment sehen wir einen Mann an der Decke seiner Veranda hängen, geschunden und blutig geschlagen. Laut Pirkle hängt er da schon seit Stunden rum und wird es noch mehrere Stunden tun. Damit es ihm nicht zu gut dabei geht, steht ein Wächter daneben und schlägt ihn regelmäßig. Im zweiten Segment stehen drei Männer mit schweißnassem Rücken mit dem Gesicht zur Wand. Dort stehen sie Nacht für Nacht und dürfen nicht einschlafen – jedenfalls so lange nicht, bis ihr Wille gebrochen ist und sie nur noch kommunistenhörige Roboter sind. Tja, und dann wäre da noch Segment drei, in dem ein Kommi einem Christen gewaltsam Salz in den Rachen schaufelt, nachdem der zuvor schon zwei oder drei Tage lang ohne jegliches Wasser auskommen musste. Es entscheide bitte jeder für sich, welche der vorgestellten Foltertechniken im Falle einer Übernahme die schönste und beste ist.

Pirkle fragt vorsichtshalber nach, ob wir das, was er uns hier erzählt, für Quatsch halten. Wenn ja, läge das daran, dass die Kommunisten es uns glauben machen wollen. Diese Information hat er aus erster Hand, denn ein Freund von ihm wurde nach 14 Jahren Folter aus einem kommunistischen Gefängnis entlassen. Diesem hätten die Wärter nach der Entlassung gesagt, er solle allen Leuten ruhig von all den schrecklichen Dingen berichten, die man ihm angetan hätte, das würde ihm eh keiner glauben. Was für ein Glück, dass er an einen Zuhörer wie Pirkle geraten ist, der uns nun vollumfänglich darüber aufklären kann.

Davon ausgehend, dass nun auch die Letzten kapiert haben, dass das hier keine Fantasiegebilde eines durchgeknallten Priesters sind, meint er inzwischen, uns wirklich jeden Blödsinn auftischen zu können – oder, wie er sagt: „a documented incident of sheer horror“. Wir sehen jetzt nämlich einen bedauernswerten Typen, der an einem an Händen und Beinen zusammengebundenen Seil hängt, während vier verzweifelte Jungen am anderen Ende des Seils ziehen und den Typen so in der Luft halten. Das ist für den auch besser so, denn unter ihm haben die Kommunisten mehrere Forken in den Sandboden gebuddelt, die ihn durchbohren würden, sobald die Kraft der Kinder nachlässt. So lange will der aufpassende Kommi nicht warten, und so fordert er die Kinder gleich dreimal hintereinander auf, das Seil loszulassen – und alles nur für sein persönliches Amüsement, damit er sich bei jedem Piekser scheckig lachen kann, selbst dann noch, als der bös Gepiekste schließlich tot am Boden liegt. Die Wirkung der Szene wird dadurch abgeschwächt, dass das Opfer immer sichtbar neben den Forken landet, wenn er losgelassen wird.

Geradezu entspannend dafür die folgende Szene, obwohl Pirkle auch die zu einer Tortur unvorstellbaren Ausmaßes hochstilisieren will. Mehrere Menschen sitzen dort in stockfinsterer Nacht auf mehreren Bankreihen vor einem Lagerfeuer – und das auch noch ohne Kissen und Rückenlehnen! Dies müssen sie laut Pirkle von 5 Uhr morgens bis 22 Uhr abends tun. Als wäre das nicht schlimm genug, werden sie zusätzlich auditiv gefoltert. 17 Stunden lang müssen sie sich die immergleichen Worte anhören: „Communism is good! Communism is good! Communism is good! Christianity is stupid! Christianity is stupid! Christianity is stupid! Give up! Give up! Give up!“ Es muss die Hölle sein. Bringt aber den Kommis sicherlich viel mehr Spaß, als sie bloß mit dem Maschinengewehr über den Haufen zu schießen. Dann doch lieber dabei zusehen, wie sie sich sekündlich mehr zu emotionalen Vollwracks entwickeln.

Pirkle kritisiert, dass zu viele Menschen sich auf eine Rückkehr von Jesus Christus verlassen würden, dass er rechtzeitig auf die Erde kommen würde, ehe all diese Dinge auch in den USA geschehen. Damit sind sie jedoch auf dem Holzweg: All diese Dinge haben schließlich schon in anderen Ländern stattgefunden – in Kuba und auch in Russland etwa, und Jesus ist dennoch nicht erschienen. Wie können sich die US-Bürger also so sicher sein, dass er wiederkommt, wenn erst einmal die Vereinigten Staaten vom Kommunismus überzogen sind? Sollten die Christen in den USA so nachlässig weitermachen wie aktuell, könne es sein, dass Gott sie verlassen und sich lieber anderen Nationen zuwenden werde, zum Beispiel Brasilien – oder Indonesien! Was Gott für ein Interesse daran haben sollte, eine Stippvisite in ein muslimisch geprägtes Land zu machen, weiß vermutlich nicht mal Pirkle selbst. Doch er, der bisher nichts unversucht gelassen hat, Beispiele über Beispiele über Beispiele zu nennen, ohne Lösungsansätze zu bieten, wie sich die USA aus dem Klammergriff des drohenden Kommunismus befreien könne, sieht noch eine Chance, die einzige: „You and I must come back to our churches. We must come back to the preach in the word of God or it’s over in our nation.“

Ganz genauso ist es. Lasst das Tanzen sein, verbannt die Fernseher aus euren Wohnzimmern, ersetzt den Sexualunterricht wieder durch Fangspiele, schmeißt Kippen weg und kippt alkoholische Getränke aus, hört endlich auf, Spaß zu haben – Beten ist das Gebot der Stunde! Denn mit Gottes Hilfe kann alles gelingen.

Das ist Judys Stichwort. Ja genau, Judy gibt es auch noch. Habt ihr die vergessen? Die hat schon in den vergangenen Minuten immer wieder mit großen Kulleraugen zugehört und mit den Protagonisten der Geschichten … äh … ich meine, wahren Ereignissen mitgelitten, aber nun ist der Zeitpunkt gekommen, sich endgültig selbst zu hinterfragen. Und so erinnert sie sich an eine Situation zurück, in der sie sich für eine Verabredung schminkt – und das ganz bestimmt nicht für Gott, sondern für jemand anderen! Völlig zu Recht wird sie für diese Untreue dem großen Herrn gegenüber von Gewissensbissen geplagt, noch verstärkt dadurch, dass sie die Nötigungen ihrer Mutter – der vermutlich ältesten Mutter aller Zeiten, mit ihren geschätzten 112 Jahren ist sie schon mehr tot als lebendig –, doch endlich in der Bibel zu lesen, ignoriert und eine Verabredung mit ihrem Freund vorzieht. In der Bibel zu lesen, geht schließlich auch später noch.

Pirkle, selbst ein „master of brainwashing“, macht ungeachtet Judys innerer Qualen, derer sie sich zunehmend ausgesetzt sieht, mit seiner Predigt weiter und appelliert an seine Zuhörer: Es brauche mehr Gebete – und es brauche mehr Priester, die Gottes Wort verkünden. Wir sehen die eingespielte Szene eines Menschenauflaufs, der in die Kirche strömt. Wir sehen einen trällernden Kinderchor. Dann sehen wir nacheinander Ausschnitte von Predigten anderer Priester. Grauenvoller als die Christian-Propaganda-Maschinerie, die Ormond hier mittlerweile in einem schwer erträglichen Maße losgetreten hat, ist nur noch das Sakko, das einer der beiden Priester trägt. „We must seek God’s face in public worship, in private devotion and in daily living“, redet sich Pirkle regelrecht in Rage und fordert alle auf, von ihren Irrwegen abzukommen. Judy hat er damit schon weichgeklopft: Sie erinnert sich daran, wie sie mit ihrem Freund tanzt. Sie erinnert sich daran, wie sie mit ihm raucht und trinkt. Sie erinnert sich daran, wie sie sich schminkt. Pirkle stellt klar, dass die Sünden der Christen nicht einfache Fehler oder sonstige Unzulänglichkeiten seien – sondern eben Sündhaftigkeit. Und eben deshalb müsse man sich Gott ganz unterordnen, denn jede Nation, die sich von ihm abgewendet habe, wurde zerstört.

Judy kommen weitere Bilder in den Sinn, so auch ein Gespräch mit ihrer Mutter, die ihr Vorwürfe macht, schon wieder nicht ihre Bibelverse gelesen zu haben. „You will be the death of me“, jammert die Mutter ihrer Tochter die Ohren voll. Gegen so viel religiösen Fanatismus könnte selbst Carrie Whites Mutter nicht anstinken. Aber sie soll Recht behalten: In der nächsten Szene fasst sie sich an die Brust, nur um eine Szene später in ihrem Bett von einem Arzt untersucht zu werden, der nur noch ihren Tod feststellen kann und ihr abschließend zärtlich die Decke über den Kopf zieht. Judy ist untröstlich, kniet sich vors Bett und heult. Während sie in der Gegenwart ihr Trauma aufarbeitet, ist Pirkle schon bei den Zehn Geboten angekommen, mit denen mittlerweile sehr nachlässig umgegangen werde – zu nachlässig: „You say, preacher, I’m willing to try. You must do more than try. You must do it.“

Und kaum dachte ich, das Thema Kommunismus wäre längst zugunsten Judys Selbstfindung und zugunsten Pirkles Appell für den ganz großen Gebetsorkan aufgegeben worden, kommt Pirkle mit einem allerletzten Beispiel daher: „This actually happened in another country but it could happen here.“ Ich muss sagen, eine etwas weniger merkwürdige Struktur hätte seiner Predigt schon ganz gut getan. Nun gut, wenn’s denn so sein soll, hier halt das nächste Segment, das sich vor einer Kirche abspielt. Dort stehen mehrere Menschen und unterhalten sich, als plötzlich der Kommi-Kommissar mit seinen Getreuen des Weges kommt und die Lage checkt. Sofort ändert sich die Stimmung, als der den Priester fragt: „Did you convert any souls today?“ Ähnlich wie Mutter und Tochter im „Shoot momma!“-Segment von vorhin scheitert dieser Priester an seiner zwar irgendwie grundsympathischen, aber in diesem Fall eher hinderlichen Ehrlichkeit, indem er frei herausplaudert, dass das junge Paar, das neben ihm steht, gerade Gott als seinen Erlöser akzeptiert hätte. So ruft der Kommissar seinen Genossen Nicolai herbei, lässt das junge Paar abführen – und off-screen exekutieren. Die anderen Kirchengänger schauen sich das blutige Resultat aus der Nähe an. So schön, wie die sich da nebeneinander aufgereiht hinstellen, haben die Kommis leichtes Spiel und ballern der Einfachheit halber gleich alle inklusive des Priesters tot – in bewährter Manier, dass sich die Niedergeschossenen ganz vorsichtig auf den Boden fallen lassen, damit sie wenigstens im Tod schick aussehen, versteht sich.

Damit ist die Szene aber noch nicht beendet. Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss. So ist es auch hier, weshalb ich auch dieses Segment ungekürzt wiedergebe. Zur Einordnung: Nach diesem schauerlichen Massaker stellt ein überlebender Junge – derselbe übrigens, der während Pirkles Predigt neben Judy in der Kirchengemeinde sitzt – den fiesen Kommissar aufgebracht zur Rede.

Kommissar: „What’s the matter, little boy?“
Junge: „Where’s my momma and my daddy? … You’ve killed them, haven’t you?“
Kommissar: „Yes. Think of how much better off you will be. The state will provide for you, take care of your every need. Much better than your mother of father, either.“
Junge: „I don’t want your state. I want my momma and my daddy!“
Der Junge schlägt sehr theatralisch nach dem Kommissar.
Kommissar: „Now you listen to me, little boy. What is done is done. You now belong to the state. Now you listen very carefully to what I have to say. We do not want to kill you. But we will – unless you cooperate.“
Der Kommissar greift sich das Jesus-Bild, das der Junge in seiner Hand hält.
Kommissar: „Now then … Now, if you will step on this picture of your Jesus with your heel we will let you go free.“
Der Kommissar wirft das Jesus-Bild zu Boden und wischt mit seiner Schuhsohle darüber.
Kommissar: „But if you don’t we will cut your head off.“
Er zeigt ihm sein großes Messer.
Der Junge aber sieht gar nicht ein, hier klein beizugeben, schaut entschlossen zum Himmel und sagt mit klarer Stimme: „Jesus, one day you died for me and I’m willing to die for you.“

Mit dem zweifellos überzeugendsten mimischen Ausdruck, den im gesamten Film ein Schauspieler hinbekommt, funkelt der Junge den Kommissar herausfordernd an – woraufhin der seinen Worten Taten folgen lässt, mit seinem Messer ausholt und dem Jungen wutentbrannt den Kopf abschlägt! Das heißt, er hat einen Puppenkopf in der Hand und schleudert ihn angewidert aus dem Bild. Dann sehen wir den abgetrennten Kopf für einige Augenblicke draußen über den Rasen kullern.

Diese ganz bestimmt ganz und gar wahre Geschichte bringt bei Judy endgültig das emotionale Fass zum Überlaufen. Sie springt auf und kreischt laut ein langgezogenes „Nooo!“ durch die Kirchengemeinde. Pirkle hätte allen Grund, aufgebracht zu sein, weil die junge Frau seine voller wichtiger Botschaften steckende Predigt so rabiat unterbricht, doch er spricht zu ihr mit einfühlsamer Stimme: „I know that this tragedy shocks you, Judy, even as it shocks the rest of us.“ Er stellt klar, dass die Qualen, die die Kommunisten über die Bevölkerung bringen werden, nichts sind im Vergleich zu den Qualen, die den Sündern in der brennenden Hölle widerfahren werden. Daher fragt er sie ganz aufgeregt: „Will you make your decision for Christ then? Will you get up from where you are right now and come to Jesus?“

Und Judy trifft eine Entscheidung – für Gott. Sie nähert sich dem Altar. Wie oft hätte ihre Mutter dafür gebetet, dass sich Judy zu Jesus bekennt und ihn endlich als ihren Erlöser betrachtet, fragt Pirkle erleichtert und provoziert damit eine Wahnvorstellung der jungen Frau, die nun aufgrund dieser emotionalen Vergewaltigung völlig durch den Wind ist. Vor ihr taucht nämlich plötzlich ein Sarg auf, in dem ihre tote Mutter liegt. Sie hört sie flüstern: „Judy, my little girl! How long I have prayed that one day you would come to God’s altar and surrender your soul to him?“ Als könnte auch Pirkle die Worte von Judys Mutter hören, ergänzt er: „Oh, how your mother wanted you to know salvation!“ Die Mutter redet aus dem Jenseits weiter auf Judy ein: „I knew that God will answer my prayers some day so that you will come to know. The only way is a pure Christian life.“ Auch das wiederholt Pirkle vorsichtshalber noch einmal. Im Hintergrund hören wir die ganze Szene schon einen Chor vor sich hinwimmern. Ja, wir merken: Gott ist ganz nah. „Judy, I prayed for this! I know I am dying and I will die happy knowing that I have found a way to eternal life for our Lord und Savior Jesus“, labert die Mutter in einem jammernden Tonfall weiter und weiter. Pirkle erklärt, dass Judys Mutter einen Weg zu Jesus gefunden hätte (ja doch, hat sie doch eben selbst gesagt). Wie aber sähe es mit Judy selbst aus? „God blesses you, sweetheart, God loves you“, schließt die Mutter endlich ihre eigene Predigt. Das war ja nicht mehr auszuhalten. Judy, sei bloß froh, dass du die alte Schachtel los bist!

Dann löst sich der Sarg in Luft auf. Pirkle erscheint dahinter und bittet Judy, mit ihm zusammen vor dem Altar zu knien. Sie tut ihm den Gefallen und sieht ein, dass sie falsch gehandelt hat. „Please take me back and forgive me all my sins“, weint sie. Pirkle fragt sie: „Do you have peace?“ Judy nickt. „Do you have joy?“ Judy nickt. „Can you thank him for saving you?“ Judy nickt. Und sie erwidert: „I go straight to God.“ Genau das wollte Pirkle hören. Jetzt, da er sie seelisch mürbe gemacht hat, weiß er, dass er alles von ihr verlangen kann, so auch, Gott ein weiteres Mal zu danken und zu ihm zu beten. „Thank you for saving Judy“, schließt Pirkle das Gebet. Und dir, werter Estus W. Pirkle, ein fettes Dankeschön dafür, dass du aus einer jungen selbstbewussten Frau ein gottesfürchtiges trauriges Wesen gemacht hast. Während dieses Bekenntnisses zu Gott lohnt sich ein Blick in die vordere Reihe des Publikums unmittelbar hinter Judy. Dort sitzt eine korpulente Frau, und die ist einfach weggenickt – und so verschläft sie dieses hochdramatische und so wunderwundervolle Ereignis. Ich vermute, da hat wer bei der Post-Production nicht aufgepasst. Oder es war egal, und man war zu faul, die ganze Szene noch einmal mit wachem Publikum zu drehen.

Zur Feier des Tages wird noch auf der Zither gespielt und gesungen, bis Pirkle uns wieder seine volle Aufmerksamkeit zukommen lässt. Mit aufmerksamem Blick fordert er uns auf, ihm zu schreiben, wenn wir noch weitere heiße Gott-Infos von ihm benötigen. Schließlich macht er noch einmal das, was er schon die ganze Zeit getan hat – jede Menge Fragen stellen: „But right now, in this very moment, wouldn’t you like to receive Jesus as your own personal savior? Will you get up and come to the altar? This could be the most important decision of your lifetime.“ Und dann bekomme ich es auf den letzten Metern so richtig mit der Angst zu tun, denn es scheint ganz so, als wolle er es bei mir mit einer Art Hypnose probieren – und zwar mit den wiederholten Worten: „Will you come? Will you come? Will you come?“ Doch bevor er so weitermachen kann und seine Versuche letztlich noch Erfolg haben könnten, endet der Film zum Glück …

Wow. Exploitation-Regisseur Ron Ormond wendet sich vom Exploitation-Film ab – und dreht einen Christploitation-Film.

Ich hatte es ja in der Einleitung gesagt: „If Footmen Tire You, What Will Horses Do?“ kommt selbst bei einem alteingesessenen Trashologen wie mir – wenn ich mal ganz unbescheiden sagen darf, dass ich einer bin – einem gewaltigen Tritt in die Fresse gleich. Dieses Werk ist nicht einfach eine absurde Fußnote in der Filmgeschichte. Es ist eine bizarre Mischung aus erzkonservativer Gotteshörigkeit und gnadenloser Angstmacherei – und in der hier präsentierten filmischen Aufbereitung (eine Predigt mit eingebauten „Fallbeispielen“) wahrscheinlich ziemlich einzigartig.

Man kann für die Macher – und damit meine ich vor allem Estus Pirkle als Autoren und Ron Ormond als Regisseur – nur hoffen, dass der Film aus reiner Unkenntnis über die wahre Lage in den Vereinigten Staaten von Amerika Anfang der 70er-Jahre entstanden ist. Pirkle würde ich es glatt noch abnehmen, dass er es einfach selbst nicht besser wusste, zumal ich ihm aufgrund seiner hier ausgebreiteten schrägen Schlussfolgerungen mehr als nur ein wenig Weltfremdheit unterstellen möchte. Ich meine, nach den Aussagen seiner Frau in dem oben einmal erwähnten Interview ist Gott ihrem Gatten im Alter von 18 Jahren erschienen und hat ihm befohlen, Prediger zu werden. Vor dem Hintergrund ist es verständlich, dass er sein Leben nach der Bibel ausgerichtet hat und vermutlich in der Vergangenheit stecken geblieben ist, anstatt den aktuellen Zeitgeist zu atmen und ihn mehr als Chance denn als Gefahr zu begreifen. Ron Ormond hingegen traue ich bei seiner Vorgeschichte als Exploitation-Filmer durchaus zu, dass für ihn die Predigt und das darin enthaltene Angstschüren vor den Feinden des Kommunismus ein willkommenes Feigenblatt war, um mittelmäßig bis schlecht kaschierte Grausamkeiten und viel Kunstblut vor den Zuschauern auszubreiten und sie damit schocken zu wollen. Vielleicht täusche ich mich aber auch, und beide waren einfach nur ahnungslos, als sie dieses Werk auf die Zielgruppe der Gläubigen losließen, die sie nur mit besten Absichten warnen wollten. Letztlich macht es die Angelegenheit auch nicht besser, aber – und das ist auf einer Filmseite wie dieser doch die Hauptsache – durchgängig unfreiwillig und teilweise gar hysterisch komisch, denn, wie man ja oben hoffentlich deutlich herauslesen konnte, ernst kann man an „If Footmen Tire You, What Will Horses Do?“ so gar nichts nehmen. Ich behaupte mal, da werden mir auch wesentlich gläubigere Menschen, als ich es bin, zustimmen.

Dieser mit 52 Minuten sehr kurze, dafür aber bis zum Bersten mit unglaublichen Momenten gefüllte Film ist ein einziges Schwarz und Weiß ohne Grauabstufungen, ein Alles für Gott und ein Nichts für alles andere. Entweder haben wir die Wahl, uns Gott unterzuordnen und ihn als unseren Erlöser anzusehen, oder wir werden fürchterlich leiden müssen. Entweder richten wir unser Leben vollständig nach der Bibel aus oder der Kommunismus wird kommen und alles vernichten. Christentum ist leuchtend gut und bringt uns in den Himmel, Kommunismus ist abgrundtief böse und kommt direkt aus der Hölle. Für den über den Tellerrand hinaus schauenden Zuschauer ist das in seiner Einfachheit schon eine Beleidigung: Wir müssen nur alle wieder regelmäßiger beten, dann wird schon alles gut.

Immerhin – Pirkle plädiert wenigstens nur für völlige Passivität und nicht dafür, auf Gewalt mit Gegengewalt zu antworten, was natürlich auch unchristlich gewesen wäre, aber es soll ja wie bei jeder anderen religiösen Gruppe auch schon so manch fanatischen Christen gegeben haben, der seine Toleranz sofort vergessen hat, sobald er sich mit Andersgläubigen konfrontiert sah. Trotzdem halte ich die in dem Film verbreitete Botschaft nicht für ungefährlich: Die Angst vor dem Kommunismus ist zugleich auch die Angst vor dem Fremden, und es kann einfach nicht gut sein, wenn sich die Menschen lieber in ihr Schneckenhaus zurückziehen, weil die Drecksarbeit schon jemand anderes tun wird – und der sitzt oben irgendwo in den Wolken. Da der Film seinerzeit fast ausschließlich in den Kirchengemeinden die Runde machte, ist davon auszugehen, dass er so manchen Zuschauer nur noch in seinem diffusen Gefühl bestärkte, dass die Feinde unmittelbar vor den Toren stehen und alles niederwalzen werden.

Und das ist eben ein anderer wichtiger Faktor. Es kommt ja auch auf das Wie an: Wie warnt der Film? Es ist ja erst einmal nichts Verkehrtes daran, Menschen für anstehende Gefahren zu sensibilisieren, aber der ganze Film strotzt nur so vor Halb-bis-Nichtwissen und baut die Kommunisten zu einer alle Grenzen sprengenden Übermacht auf, die Dinge bewerkstelligen soll, die unter menschlichen Gesichtspunkten gar nicht möglich sind. Die Kommunisten werden als so perfekt durchorganisiert dargestellt, dass sie nur aus aller Herren Länder mit ihren Pferden ausschwärmen müssen und in Sekundenbruchteilen die komplette USA unter ihre Kontrolle bringen können. Ein Fingerschnippen – zack, Kommunismus da. Pirkles Vertrauen in die Manpower seines Landes, in dem er lebt, ist auf dem Nullpunkt, und er blendet in seiner simplen Denkweise komplett aus, welcher Aufwand nötig wäre, um derartig weitgreifende Umwälzungen durchführen zu können. In nur 15 Minuten zum Kommunismus? Das kann doch unmöglich Pirkles Ernst sein. Will man meinen.

Diese sehr vereinfachte Weltsicht führt letztlich dann auch zu etwas, was von Priester und Regisseur so bestimmt nicht beabsichtigt war: Dieser Film ist ein Plädoyer gegen Gott, nicht für ihn. Das hängt vor allem mit dem Handlungsstrang rund um Judy zusammen. Der Film gibt sich am Anfang alle Mühe, sie als eine dieser „strange young people“ vorzuführen, von denen Pirkle zwischenzeitlich spricht. Dabei übersieht er, dass Judy eigentlich die Jugend verkörpert, wie sie nun mal ist – und eben nicht, wie „strange old Christians“ wie er sie haben wollen. (Wobei – so alt war Pirkle in dem Film gar nicht. Er sieht darin zwar aus wie mindestens 50, ist aber erst 41.) Ihr Wandel von einer selbstbewussten jungen Frau, die sich für ihren Freund schick macht und auch mal Zigaretten und Alkohol ausprobiert, zu einem frühen Ebenbild ihrer freudlosen und vom Leben gezeichneten Mutter, für die es nur die Bibel gibt, schreckt ab und sorgt bei mir eher für den Reflex, bloß nichts mit solchen Leuten zu tun haben zu müssen. Andererseits sitzen in den Zuhörerreihen ohnehin so viele Zombies herum, dass ich mir vermutlich eher einen Zehennagel ausreißen würde, als mit denen auf einer Bank sitzen zu müssen. Die Selbstverständlichkeit, mit der hier propagiert wird, Gott möge auch unser Erlöser werden, bei gleichzeitiger Betriebsblindheit, dass eher Pirkle und seine Zuhörer wie Aliens rüberkommen und nicht die zunächst völlig normale Jugendliche Judy, ist für amüsiertes Schmunzeln gut. Das hat dann tatsächlich Sektencharakter, wie hier schließlich sogar mit dem aus dem Nichts auftauchenden Sarg mit der toten Mutter, die unentwegt auf Judy einredet, versucht wird, auch dem Zuschauer ein Bekenntnis zu Gott abzuringen. Das ist aber für den überwiegenden Teil des Publikum zum Glück sehr leicht zu durchschauen. Hoffe ich doch.

Den Vogel – streng genommen sogar mehrere Vögel, weil das alles so bekloppt ist – schießen aber in der Tat die Schauspielsegmente ab, in denen das Feindbild Kommunismus in einer derart aggressiven Form ausgelebt wird, dass man es nicht glauben will. Man kann den Kommunismus natürlich als böse hinstellen, aber doch nicht so unendlich plump wie hier: Kommunisten indoktrinieren, vergewaltigen, foltern und vor allem töten alles, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist. Demgegenüber stehen die herzensguten US-Amerikaner, die offensichtlich alle immer eine Bibel mit sich herumtragen und sich vehement weigern, ihren Glauben aufzugeben, ohne zu berücksichtigen, dass sie dafür mit dem Leben werden bezahlen müssen. Besonders manipulativ geht Ormond vor, wenn er auch Kinder für seine Botschaft instrumentalisiert, wohlwissend, dass das vorwiegend ältere Publikum besonders darauf anspringt, wenn Leichenberge von blutüberströmten Jungen und Mädchen gezeigt werden. Besonders absurd wird es natürlich, wenn sich sogar diese lieber im Namen Jesu bereitwillig köpfen lassen, als ihre eigene Haut zu retten.

Diese Diskrepanz zwischen den lieben Amis hier und den sadistischen Kommis da zeigt sich auch in den Darbietungen der Laienschauspieler. Gut, eines haben sie gemein: Sie sind durchweg unterirdisch, und das wirklich so sehr, dass auch hier ein Dauergrinsen vorprogrammiert ist. Doch sie unterscheiden sich in einem entscheidenden Punkt: Wo die Kommunisten-Darsteller diabolisch wirken sollen, dabei allerdings um ihr Leben chargieren, als gelte es, eine Wette zu gewinnen, wer die meisten Gesichtsmuskeln gleichzeitig bewegen kann, und mit ihren Akzenten dicker auftragen, als Ottfried Fischer es je in seinem Leben gewesen ist, kommen die US-Amerikaner unbeholfen und stocksteif daher. Einige wirken dabei so, als wüssten sie gar nicht, was sie tun sollen – ganz so, als hätte Ormond sie, unmittelbar bevor die Kamera eingeschaltet wurde, ins Bild geschubst und „Action!“ gerufen, ohne ihnen vorher zu erzählen, worum es überhaupt geht. Das betrifft insbesondere die erwachsenen Darsteller, die Kinder wiederum hatten ihren Spaß und lachen selbst in ernsthaften Situationen in die Kamera. Ausnehmen möchte ich ausdrücklich den Jungen, dem der Kopf abgeschlagen wird: Als der sich dem Kommissar widersetzt und ihn mit herausforderndem Blick provoziert, bin ich fast zur Salzsäule erstarrt. Naja, fast. Trotzdem das Überzeugendste, was man darstellerisch hier zu sehen bekommt.

Das geballte Versagen auf allen Ebenen macht „If Footmen Tire You, What Will Horses Do?“ dann auch zu einem beträchtlichen Vergnügen. Sein hehres Ziel, Menschen wieder zu mehr Gebeten und regelmäßigen Kirchenbesuchen zu bewegen, um den eigenen Sünden und dem Kommunismus zu trotzen, scheitert nicht nur auf ganzer Linie daran, dass im Rückblick nicht eine der von Pirkle genannten Prognosen, die er gern mit falschen oder nicht belegbaren Zahlen und sonstigen Behauptungen unterfüttert, eingetroffen ist (andererseits: Vielleicht liegt’s ja auch daran, dass die Leute nach dem Film wieder ausreichend gebetet haben – weiß man’s?), sondern insbesondere daran, dass der Prediger als hoffnungslos rückständiger Mensch erscheint, der mit seinem Gedankengut irgendwo in den 50er-Jahren stecken geblieben ist und dabei versäumt hat, irgendwann auch mal im Hier und Jetzt anzukommen. Dahingegen sind die auf den Film verteilten episodenhaften Utopien eines unter kommunistischer Fuchtel stehenden Amerikas so lachhaft übertrieben, dass sie wohl seinerzeit nur die Konservativsten unter den konservativen US-Bürgern erreicht haben dürften – und heute hoffentlich nur noch als das rüberkommen, was sie in Wirklichkeit sind: reiner Trash. Und schöner Trash. Wie der gesamte Film.


BOMBEN-Skala: 9

BIER-Skala: 7


mm
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