Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut

 
  • Deutscher Titel: Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut
  • Original-Titel: Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut
  •  
  • Regie: Hans Billian
  • Land: BR Deutschland
  • Jahr: 1965
  • Darsteller:

    Manfred Schnelldorfer (Manfred Ratschenkofer), Hannelore Auer (Lucy Barner), Margitta Scherr (Evelyn Krempe), Maria Brockerhoff (Karin Leisner), Hubert von Meyerinck (Hubert Krempe), Barbara Gallauner (Trude Ratschenkofer), Christiane Rücker (Zenzi), Kurt Liederer (Gerd Raupach), Gus Backus (Günther Kleinhirsch), Billy Mo, Teddy Parker, Roy Etzel


Vorwort

Der Berliner Angestellte Gunther Kleinhirsch überzieht, nicht zuletzt aufgrund des Herumpoussierens mit der schönen Zenzi, seinen Urlaub im schönen Tiroler Kirchberg um zwei Tage. Als er wieder bei Hutfabrikant Krempe (Hut. Krempe. GET IT?) auf der Matte steht, ist der eh bereits allerbester Laune – die Umsatzzahlen sind mau, da die meisten Menschen nur einen Kopf haben und daher einen Hut auch für eine vollkommen ausreichende Anzahl an Kopfbedeckungen halten. Der Gunther von Zenzi verehrte Souvenir-Hut bringt Krempe-Tochter Evelyn auf eine Idee – falls man dem Norddeutschen an und für sich die Vorzüge eines feschen Tirolerhuts nahebringen könnte, könnte der Trend zum Zweithut gehen. Der gerade noch gefeuerte Gunther wird prompt zum Sonderbeauftragten ernannt, der im Dienst der Hutsache in Kirchberg eine Werbekampagne auf die Beine stellen soll.

Gunther kidnappt seinen Freund, den Komponisten Gert, direkt aus dem Tonstudio und düst mit ihm nach Tirol. Gert soll dort einen Tirolerhut-Schlager als Werbesong komponieren, dieweil Gunter versucht, Zenzi eine Karriere als internationales Hutmodel schmackhaft zu machen. Ein Schwung Probeabzüge findet aber nicht Evelyns Wohlgefallen – Tirolerinnen brauchen keine Tirolerhüte, es besteht also der schwere Verdacht, Gunther gehe hauptsächlich seinem Privatvergnügen nach. Flugs schnallt sich Evelyn mit Lucy zusammen, Freundin und Sangesschützling von Gert, die angesichts Gerts Ruf als Frauenheld das Schlimmste befürchtet. Nicht zu Unrecht, den Gert hat bereits mit Karin, der jungen Journalistin des Kirchberger Tagblatts, angebandelt.

Als Lucy die eifersüchtige Verlobte spielt, ist Karin sauer und fortan bestrebt, die Werbekampagne durch Schmähschriften zu sabotieren. Eine Verbündete ist Trude Ratschenkofer, die örtliche Filzfabrikantin, die den Ausverkauf schönen Tiroler Brauchtums (und mutmaßlich geschäftliche Nachteile) befürchtet. Da sie sich beim Bürgermeister und beim Gemeinderat nicht durchsetzen kann, mobilisiert sie die Frauen des Ortes. Schließlich ist Evelyns und Gunthers neuer Plan, internationale Schönheitsköniginnen im Bikini Tirolerhüte präsentieren zu lassen, und dass das den alten Knackern vor Ort gefällt, ist ja sonnenklar. Dass sich Lucy an Gunther ranschmeißt und sich Evelyn ausgerechnet in den Sohn der Ratschenkoferin verknallt, macht die Sache nicht weniger kompliziert. Und als die Dorffrauen die Schönheitsköniginnen direkt aus dem Hotel entführen, scheint der mittlerweile auch vor Ort eingetroffene Krempe vor den Trümmern seiner Kampagne zu stehen…


Inhalt

Man kann den Schlager- und Heimatfilm generell für den Nadir des deutschen Nachkriegskintopps halten, oder ihn einfach als das sehen, was er ist – lockerer Eskapismus für eine hart malochende Bevölkerung, die eben nicht NUR Old Shatterhand und Winnetou oder Blacky Fuchsberger beim Tappern durch den Londoner Nebel zukucken wollte. Und natürlich gibt es auch beim Schlager- und Heimatfilm solche und solche – solche, die gemacht wurden, weil sie ne schnelle Mark für geringen Aufwand versprachen und solche, die sicherlich auch keinen künstlerischen Anspruch hatten, zumindest aber den Willen mitbrachten, auf mehr als nur dem geringsten aller gemeinsamen Nenner-Level zu unterhalten.

Ich bin froh sagen zu können, dass „Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut“ in die zweite Kategorie fällt, obwohl man befürchten konnte, dass ein Film, der rund um einen – zur Filmpremiere auch schon wieder fast zwei Jahre alten – volkstümlichen Schlager gestrickt wird, nicht gerade mit dem allerdicksten Herzblut getränkt sein würde.

Was womöglich daran liegt, dass das Interesse in diesem Falle mal wieder nicht von der Filmseite, sondern von der musikalischen Seite ausging. Wie beim Pseudo-Wallace-Krimi „Hotel der toten Gäste“ produzierte hier MusicHouse, dem Namen nach klar ersichtlich eine Firma, die sich hauptamtlich der musikalischen Unterhaltung widmete und in Filmen in Zeiten vor Musikvideos eine praktische Möglichkeit zur zusätzlichen Vermarktung der unter Vertrag stehenden Künstler sah – so ist auch der „Tirolerhut“ gespickt mit dramaturgisch nicht weiter gedeckten Gastauftritten diverser mehr oder weniger populärer Schlager- und Musiksternchen (in für den Film nicht weiter relevanten Auftritten geben sich u.a. die junge Peggy March, Trompetenkönig Roy Etzel, der spätere Radio-DJ Teddy Parker und Peppino di Capri die Ehre).

Autor und Regisseur Hans Billian sorgt aber dafür, dass der Film nicht zur Schlagernummernrevue verkommt. Klar, das ist alles Lustspiel aus dem Lehrbuch, mit Verwechslungen, Verirrungen und-wirrungen, Kreuz- und Quer-Liebeleien, aber Billian, der mit Beginn der 70er ins Hardcore-Fach rutschte und dem dann bis zum Ende seiner Regiekarriere Mitte der 90er treu blieb, treibt alles flott voran, hat ein gutes Gespür für’s komödiantische Timing und für die Chemie seines sympathischen Ensembles. Er kriegt sogar ziemlich erfolgreich die Kurve, als dem Film nach einer knappen Stunde der Plot auszugehen scheint, weil die diversen Liebesproblematiken eigentlich zufriedenstellend aufgedröselt sind, doch mit der Schönheitsköniginnen-Entführung und dem Eintreffen Krempes bekommt der Film die notwendige zweite Luft, um die Strecke bis zum unvermeidlichen Happy End in allen Belangen noch mit Leben (und ein paar schmucken hübschen Käfern in knappen Klamotten) zu füllen.

Dass der Film hübsch aussieht, ist bei der grandiosen Naturkulisse und den schön eingefangenen Bildern aus Kirchberg und Kitzbühl, für die sich die jeweiligen Fremdenverkehrsämter bedanken, beinahe selbstverständlich.

Gewisse Affinität zum Schlager (nicht unbedingt dem volkstümlichen, außer dem Titelsong ist der Rest des zahlenmäßig starken Songmaterials konventioneller „Pop“-Schlager des typischen 60er-Jahre-Stils) ist natürlich mitzubringen (ebenso wie eine Resistenz gegen den Erzherzog-Johann-Jodler, der dem Score als Leitmotiv dient).

Der Cast ist, wie erwähnt, sympathisch bis ins Mark. Gus Backus und Hannelore Auer (die spätere Frau Heino) sind selbst Schlagersänger und dürfen natürlich auch ein-zwei Weisen trällern, Kurt Liederer, eigentlich ein Bühnen-Operettenschauspieler, u.a. an der Seite von Marika Rökk, zieht sich ebenfalls gut aus der Affäre, wie auch seine Partnerin Maria Brockerhoff, die als Schlagersängerin debütierte und in den 70ern dann in einigen Softcore-Komödien spielte. Margitta Scherr (ebenfalls sehr sympathisch) agierte später in der wohlgelittenen Zirkusserie „Salto Mortale“.

Die missgünstige Frau Ratschenkofer spielt Barbara Gallauner, die 1949 neben Paul Hörbiger im „Brandner Kasper“ debütierte, in den 70ern Gast in vielen Fernsehserien (u.a. in „Die schnelle Gerdi“) war und noch 1990 von Michael Verhoeven für „Das schreckliche Mädchen“ engagiert wurde. Ihren Filmsohn spielt der vormalige Weltklasse-Eiskunstläufer Manfred Schnelldorfer, der wie Sportskamerad Hans-Jürgen Bäumler versuchte, auch in Film- und Schlagermetier einen Fuß in die Tür zu bekommen, im Vergleich zu Bäumler aber mit überschaubarem Erfolg.

Jeder Film wird aufgewertet durch eine hysterische Performance von Hubert von Meyerinck („Spessart“-Trilogie, zack-zack!), so auch dieser. In einer Tanzszene kann der geneigte Filmfan eine unkreditierte Gila von Weitershausen als Tänzerin sehen. Tja, und natürlich kommt Billy Mo, der Interpret des titelgebenden Schlagers, auch nicht zu kurz – er darf seinen Hit mit zwei entzückenden kleinen Negerkindern (the film’s terminology, not mine) vortragen (und gleich anschließend wird das Lied noch mal voll ausgespielt).

„Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut“ ist keine Filmkunst, aber es ist ehrliches Handwerk, lustig, unterhaltsam, eskapistisch. Also genau das, was er sein wollte – und dank seines Tempos und motivierten Ensembles auch heute noch sehenswert.

3,5/5
(c) 2017 Dr. Acula


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