- Deutscher Titel: Ich kämpfe um dich
- Original-Titel: Spellbound
- Regie: Alfred Hitchcock
- Land: USA
- Jahr: 1945
- Darsteller:
Ingrid Bergman (Dr. Constance Petersen), Gregory Peck (John Ballantine), Michael Chekhov (Dr. Alexander Brulov), Leo G. Carroll (Dr. Murchison) u.a.
Vorwort
Die junge Psychiaterin Dr. Constance Petersen (Ingrid Bergman) hatte ob ihrer Leidenschaft für ihren Beruf nie die Zeit, richtige Liebe kennen zu lernen (was in ihrem Umfeld allgemein als schlimme Sache angesehen wird), verknallt sich dann aber Hals über Kopf in Dr. Anthony Edwardes (Gregory Peck), welcher Dr. Murchison nach einem Nervenzusammenbruch und der Pensionierung desselben als Leider der Nervenheilanstalt Green Manor ablösen soll.
Edwardes hegt für Constance ebenso starke romantische Gefühle, allerdings mehren sich schnell die Hinweise, dass mit ihm etwas nicht stimmt (so in psychischer Hinsicht), und tatsächlich: nach einem Zusammenbruch enttarnt Constance ihn als einen Kerl mit Amnesie, der bloss die Rolle des echten Dr. Edwardes übernommen hat. Der Kopist ist (trotz Mangels an entsprechenden Erinnerungen) überzeugt, das Original umgebracht zu haben, was Constance nicht glauben will. Ihre Kollegen und die Polizei aber sehr wohl, allerdings hat sich der mutmassliche Mörder vor einer möglichen Inhaftierung nach New York ins Empire State Hotel abgesetzt.
Constance, der er eine Nachricht hinterlassen hat, folgt ihm dorthin, dies mit dem Ziel, seine Amnesie sowie seinen Schuldkomplex zu heilen und so herauszufinden, was wirklich mit Dr. Edwardes passiert ist. Die Behörden auf den Fersen, flüchten sie zu Constances altem Mentor Dr. Brulov, der ihnen mit seinem Fachwissen helfend zur Seite steht…
Inhalt
Die psychoanalytischen Theorien (des 1939 verstorbenen) Sigmund Freuds waren in den USA in den 1940ern gerade so richtig hipp und so kommt es nicht von ungefähr, dass Filmproduzent David Selznik (nicht zuletzt inspiriert durch seine eigene Therapie) das Projekt eines psychoanalytischen Films an Alfred Hitchcock (den er für „Rebecca“ für dessen ersten Hollywood-Film in die Staaten geholt hatte) herantrug. (Die beiden grossen Männer gerieten sich dann in die Haare, zu einem guten Teil, weil Selznick dem dicken Engländer seinen Therapeuten als Berater aufdrängte. Tja.) „Spellbound“, die Verfilmung des Romans „The House Of Dr. Edwardes“ (geschrieben von Hilary Aidan St. George Saunders und John Leslie Palmer unter dem gemeinsamen Pseudonym Francis Beeding), wurde einer der ersten Streifen, die explizit auf das Freud’sche Zeugs Bezug nahmen – und nicht gerade Hitchocks bestes Werk.
Dreh- und Angelpunkt des Filmes (neben der, Überraschung, Psychoanalyse-Sache, zu der ich noch komme) ist die unvermeidliche Liebesgeschichte zwischen Constance und (wie wir schliesslich feststellen) John Brown – und bei Gott, mehr Sentimentalität und Kitsch auf einem Haufen findet man so schnell in keinem anderen Film. Unfassbar. Wenn Constance sich auf den ersten Blick in den angeblichen Dr. Edwardes verliebt, wird das so richtig derb mit glänzenden Äuglein und schwülstiger Mucke inszeniert, dass einem entweder das prustende Lachen oder das kalte Grausen kommt. Das melodramatische Moment des Films wird übertrieben bis zur Quasi-Parodierung.
Überhaupt, die Musik, die gottverdammte Musik! Was einem da (der 1995 verstorbene) Miklós Rózsa (mit etwas Unterstützung von Audrey Granville) – Komponist bei Filmen wie „The Thief of Bagdad“, „Quo Vadis“ oder „Ben Hur“ – aufs Trommelfell drückt, ist kaum auszuhalten: eine völlig ungeniessbare Melange aus in Töne gegossenem Zucker und brüllender Anti-Subtilität wird mit grober (sehr grober) Kelle über praktisch die gesamte Laufzeit geschmiert, bis auch die letzte erbarmenswerten Filmszene nach vergeblicher Gegenwehr unter der Last des Scores zusammenbricht und sich das stärkste Ohr in Weinkrämpfen windet. Okay, okay, ich melodramatisiere ein bisschen, aber meine Güte… Noch selten ist mir eine Filmmusik derart negativ aufgefallen. Wirklich gut wird diese dann allerdings plötzlich, wenn das Theremin zum Einsatz kommt (da war „Spellbound“ auch einer der ersten Streifen). Kontrastprogramm. Trotzdem, dass Rózsa hierfür einen seiner drei Komponisten-Oskars bekommen hat, ist ein schlechter Scherz der Filmgeschichte.
Wo waren wir? Ach ja, Kitsch und Sentimentalität. Davon hat „Spellbound“ mehr als genug. An einigen Stellen (beispielsweise an der erwähnten oben; lustig auch, wenn sich beim ersten Kuss der beiden in einem symbolischen Zwischenschnitt mehrere Türen öffnen) kann man wenigstens noch drüber lachen, meist schlägt bloss das Nerv-O-Meter an. Besonders dann, wenn Dr. Brulov der blind verliebten Constance auseinandersetzen will, dass ihr „J.B.“ (immerhin die Initialen des Unbekannten sind aufgrund eines signierten Dingenskirchen in dessen Besitz – war’s ein Feuerzeug? Egal – bekannt) nach allem, was man weiss, wohl gefährlich ist, sie aber dagegen hält, weil, weil… naja, weil sie es halt im Gefühl hat (*stirnklatsch*). (Wie sagt der alte Prof ganz richtig? „We both know that the mind of a woman in love is operating on the lowest level of intellect.“)
Das Frauenbild von “Spellbound” ist schon etwas seltsam. Einerseits ist bemerkenswert, dass Constante hier den Part der aktiven Protagonistin einnimmt, welche die passive männliche Hauptfigur rettet, und das gefühlvolle Wesen der Frau als dem kalten wissenschaftlichen Wesen des Mannes als überlegen dargestellt wird (der Seitenhieb auf Rationalität, der damit zugunsten einer „ganzheitlichen“ Weltanschauung ausgedrückt wird, stösst mich schon ziemlich ab). Andererseits wird damit zugleich das Stereotyp der gefühligen, intuitiven, fürsorglichen und leidenden Frau (deren Leben nicht vollwertig ist, solange sie nicht in einer Beziehung lebt) in Stahlbeton zementiert und ins richtiggehend unangenehm anzuschauende Extrem gesteigert. (Kommen lustige Sprüchlein wie das oben erwähnte hinzu. Noch eins von Brulov: „Women make the best psychoanalysts until they fall in love. After that they make the best patients.“)
Jedenfalls eine zwiespältige Rolle für die 1982 verstorbene Ingrid Bergman („Casablanca“, „Stromboli“, „Murder on the Orient Express“; nach „Spellbound“ spielte sie noch in zwei weiteren Filmen des sie verehrenden Hitchcocks). In der Rolle der Constance ist sie dann am besten, wenn sie eine gewisse Stärke und Selbstvertrauen ausstrahlt, nicht, wenn sie emotional aus dem Ruder läuft. (Ihre stereotypische Psychologinnen-Verkleidung mit Brille und Arztkittel ist übrigens eher… unüberzeugend.)
Gregory Peck (hier noch blutjung, 2003 verstorben), Schauspielerlegende aus Filmen wie „Moby Dick“, „Cape Fear“ oder „The Omen“, spielt dann eben den männlichen, hier zur Abwechslung mal schwächeren Teil. Bei ihm liegt das Problem vor, dass seine Erinnerungsschübe im Laufe seiner Therapie extrem gekünstelt wirken (expressive „Ich erinnere mich, dass… und dass…“-Dialoge, Ohnmächtigwerden und so was), wie hier überhaupt die Darstellung der Psychoanalyse zweifelhaft ist. „Spellbound“ wirkt öfters mal wie ein Lehrfilm über Freuds Methoden und versprüht dabei gern den feinen Charme eines apologetischen Propaganda-Streifens (Dialogbeispiel: „You have a guilt complex and amnesia and you don’t know if you are coming or going from somewhere, but Freud is hooey!“), der didaktische Anstrich ist unverkennbar (der Film beginnt ja schon mit einer Texttafel, mit der wir an das Thema herangeführt werden, danach wird uns in den Dialogen immer wieder die Funktionsweise der psychoanalytischen Methoden vorgekäut).
Dabei vermittelt der Film kein realistisches Bild (war auch gar nicht Hitchcocks Ziel, was übrigens Selznicks Missfallen erregte), sondern vereinfacht und passt nach Gutdünken an, natürlich immer im Dienste der Dramaturgie. Traumdeutung und Aufdröselung von Johns Kindheitstrauma nehmen sich mechanisch aus, jedes Traum- oder Wahnbild lässt sich streng kausal und relativ unkompliziert interpretieren, womit sich dann auch die psychischen Störungen und die Amnesie in Wohlgefallen auflösen. Der Psychiater ist hier ein moderner Wunderheiler, der zwar nicht mit einem Zaubertrank, aber mit seinen medizinischen Methoden jedes Problem restlos lösen kann. (Zur verfälschenden Darstellung der Psychoanalyse trägt zudem bei, dass gewisse böse Worte wie „Libido“ von der Production Code Administration unter Joseph Breen verboten, das Ganze also entschärft wurde, aber dafür können schliesslich die Macher nichts.)
Wie gesagt, im Sinne der Dramaturgie macht das natürlich Sinn und es ist durchaus spannend, wie eine verdrängte Erinnerung nach der anderen, ein Traumbild nach dem anderen hervorgeholt, bzw. enträtselt wird. Dies ganz nach dem Vorbild der Detektivgeschichte, bloss dass es jetzt nicht mehr um Indizien und Beweise, sondern um Geistesbilder geht, um die sich folgerichtig auch nicht der Detektiv, sondern der Psychiater kümmert. (Daneben gibt es diverse „normale“ Suspense-Szenen, wie z.B. die, in der man schon fast glauben möchte, dass John Brulov mit dem Rasiermesser umgebracht hat, der aber bloss schläft).
Toll ist die berühmte Traumsequenz, für deren Gestaltung Hitchock (gegen den anfänglichen, von der Kostenfrage herrührenden Widerwillen Selznicks) Salvador Dalí ins Boot holte. Im Film ist sie schliesslich etwas kürzer als ursprünglich geplant (Selznick soll eine ganze Menge weggeschnitten haben, wie er den Film insgesamt sowieso etwas getrimmt hat) und zeigt bekannte Elemente aus Dalís surrealistischen Bildern (schräge Flächen, weiter Horizont, zerfliessende Gegenstände, etc.). So was wie „Un chien andalou“ in der Light-Version.
Probleme hab ich aber mit der Darstellung des Arzt/Patient-Verhältnis, das sich hier mit einer Liebesbeziehung kreuzt (immerhin sucht Constance Hilfe bei Brulov, der eine objektivere Sichtweise mit einbringen kann als sie, lässt aber auch danach nicht die Hände von Johns Oberstübchen). Man kann sich vorstellen, wie heikel das in einer realen Therapie wäre, und das Motiv der Liebe, alle Schwierigkeiten überwindet (hier halt die psychischen Probleme des Geliebten), ist schon unheimlich platt.
Was gibt es noch… Der Film ist von der eher statisch gefilmten (es gibt immerhin einige coole Kamerafahrten, wenn auch eher im „Kurzstreckenbereich“) und gesprächigen Sorte, so richtig actionreich (was man halt so nennt) ist einzig die lachhafte Ski-Szene. Lachhaft deswegen, weil Peck und Bergman da in einer unfassbar anzuschauenden Rückprojektion agieren. Klar, 1945 und so, aber… Naja.
Achtet man drauf, bemerkt man, dass distanziert gefilmten Szenen, die von den „normalen“, rationalen Protagonisten beherrscht werden, subjektiv gefilmten Szenen aus der Perspektive des Wahnsinns (wenn z.B. aus einer Blickpunkteinstellung gezeigt wird, wie John während eines Anfalles ein Glas Milch austrinkt) gegenübergestellt sind. Eher erheiternd ist da die Egoperspektiven-Selbstmordszene (immerhin, das ist mal eine originelle Idee) zum Schluss, für die eine Hand aus Holz (?) nachgebaut wurde, die den Revolver hält. (Der ansonsten streng schwarzweiss gehaltene Film wird bei Abgabe des Schusses – in die Kamera – dann kurz mal rot.) Oh, die (herbstliche) Gestaltung des Vorspanns gefiel mir.
Die DVD von Anchor Bay ist in Sachen Bild- und Ton-Qualität nicht zu beanstanden (abgesehen von einigen sehr kurzen Aussetzern), dafür gibt’s keine, aber auch gar keine Extras. Nicht einmal Untertitel irgendwelcher Art.
Interessant immerhin, dass der Film auf der Scheibe mit einer „Overture“, bzw. einem „Exit“ in rein musikalischer Form eröffnet wird, bzw. ausklingt (jeweils unterlegt von einem Screenshot aus dem Film). Man stelle sich vor, Filmkomponisten würden heute noch so was machen, statt dass man im Kino das blöde Hitparaden-Gedüdel vor der Werbung und den Filmtrailern ertragen müsste.
Letzte Worte. „Spellbound“ leidet unter einer Kitsch- sowie Sentimentalitäts-Offensive inklusive einer unerträglichen musikalischen Untermalung und überzeugt in seiner mechanistischen und schematischen Darstellung der Theorien und Methoden der Psychoanalyse eher weniger. Der Film unterhält trotzdem ganz gut, aber Begeisterung will nicht aufkommen. Einzig die Traumsequenz ist wirklich mal einen Blick wert. Tja. Es gibt lohnenswertere Hitchcock-Filme.
3/5
(c) 2009 Gregor Schenker