I.K.U.

 
  • Deutscher Titel: I.K.U.
  • Original-Titel: I.K.U.
  •  
  • Regie: Shu Lea Cheang
  • Land: Japan
  • Jahr: 2000
  • Darsteller:

    Ayumu Tokitô (Reiko 1), Maria Yumeno (Reiko 2), Yumeko Sasaki (Reiko 3), Miho Ariga (Reiko 4), Myuu Asô (Reiko 5), Etsuyo Tsuchida (Reiko 6), Tsousie (Reiko 7), Aja (Tokyo Rose), Akira (Akira), Mash (Mash), Zachery Nataf (Dizzy), Emi (London)


Vorwort

Japan im 21. Jahrhundert – eher durch Zufall ist die Genom Corporation auf ein lukratives Geschäftsfeld gestoßen; ihre recycleten Replikanten wurden zu Porno-Stars. Die neueste Generation künstlicher Menschen, IKU-Coder genannt, gestaltwandlerisch begabt, streift nun durch’s nächtliche Tokio, immer auf der Suche nach neuen sexuellen Ekstasen, die sie auf einer „Bio-Disk“ abspeichern. Sogenannte „Runner“ können diese Daten später extrahieren, in Mikrochip-Form kann dann jedermann solche Erfahrungen am Automaten kaufen und selbst nacherleben. In Konkurrenz dazu steht eine eher herkömmliche Modedroge, die es dem Konsumenten erlaubt, sein intensivstes Sex-Erlebnis noch einmal zu erleben. Außerdem gibt es noch eine rivalisierende Company, die ihrerseits eine Replikantin, Tokyo Rose, darauf programmiert hat, die Genom-Coder mit einem Computervirus zu verseuchen. Dürfte also für das neueste Coder-Modell Reiko eine interessante Dienst-Nacht werden…


Inhalt

Ächz. Ich geb’s ja zu – ich war über jahre Hinweg auf „I.K.U.“ (was übrigens ausgesprochen soviel wie „Orgasmus“ auf Japanisch heißt) latent neugierig, aber nie so neugierig genug, dafür dicke Kohle springen zu lassen. Nun gilt der Dank einem Forumsmitglied und seinem Drang dazu, seine Sammlung auszudünnen…

Obwohl, „Dank“? „I.K.U.“ ist ein sehr seltsamer Film, was aber irgendwie zu erwarten ist, wenn wir es mit einem Cyber-SciFi-Rave-Porno zu tun haben, der von einer Frau, namentlich der Koreanerin Shu Lea Cheang erdacht und inszeniert wurde. Ich will nicht sagen, dass Frauen grundsätzlich nicht dazu in der Lage sind, pornographische Filme zu drehen, aber ganz offensichtlich haben die Damen der Schöpfung an dieses Genre eine grundsätzlich andere Herangehensweise. Und, ja, „I.K.U.“ ist ein pornographischer Film, in diesem Fall ist das nicht nur Marketinggedöns eines Publishers, der irgendwie schauen muss, wie er einen versehentlich eingekauften Rotzfilm verlustneutral unter’s Volk bringt.

Doch der Reihe nach – Cheang hat sich für ihren Film eine komplexe Backstory erdacht, nur leider ist das völlig überflüssig, weil diese Geschichte aus dem Film heraus überhaupt nicht klar wird. Wer vor der Filmbetrachtung nicht das DVD-Booklet studiert, in dem dankenswerterweise die Hintergründe ein wenig näher erläutert werden, dürfte keinen Plan haben, worum’s in dem Streifen überhaupt geht; und da „I.K.U.“ doch ein wenig „mehr“ sein möchte als nur ein Gonzo-Movie, der ein halbes Dutzend mehr oder weniger erregender Pornoszenen aneinander montiert, ohne sich des Deckmäntelchens einer Story zu bedienen, darf man hier schon mit Fug und Recht davon reden, dass Mademoiselle Cheang sich hier, foul language voraus, doch ziemlich heftig ins eigene Knie gefickt hat. Wer im Film was warum treibt, erschließt sich nicht aus dem Narrative; ein paar halbherzige Einblendungen, die zumindest den ein oder anderen Protagonisten notdürftig identifizieren, reichen bei weitem nicht aus, um die nicht uninteressante Mythologie des Films, die ein wenig wie eine Adult-Variante von „Strange Days“ riecht, aus sich heraus zu erklären.

Ich erwarte ja nicht, dass mir ein Porno aufdröselt, wie seine Technologie funktioniert (z.B. wie genau Reiko ihre Gestaltwandlungen bewerkstelligt – ihre „wahre Erscheinungsform“ ist offensichtlich keiner der weiblichen Körper, derer sie sich bedient), aber auch ein Porno sollte zumindest versuchen, das „wer“, „warum“ und „wie“ halbwegs plausibel darzulegen; wenn nicht, sollte er tunlichst gar nicht erst eine Handlung vortäuschen. So bleibt nämlich auch „I.K.U.“ letztlich nichts als eine recht wahllos wirkende Montage von zusammenhanglosen Sexszenen, die trotz des gelegentlichen Wiederauftauchens von Charakteren keiner inhaltlichen Schlüssigkeit folgen, unverständlich bleiben und auch von den Dialogen im Stich gelassen werden. Die sind nämlich äußerst knapp und lakonisch gehalten und, da größtenteils in Englisch dargeboten, auch nicht gerade von sprachlicher Finesse; da gibt’s selten einen Satz, der mehr als fünf Worte hat (und auch für Japaner gilt, was ich für Deutsche z.B. bei Virus Undead schrieb – wer nicht englischer Muttersprachler ist und kein begnadeter Schauspieler, tut sich schwer, auf Englisch zu „spielen“, wenn er offensichtlich keine Ahnung hat, was er gerade aufsagen muss und wie man das jetzt richtig betont).

Was bleibt, sind ein paar nette Cyberpunk-angehauchte Ideen wie die aus dem Automaten zu ziehenden IKU-Chips (und keine Frage, wir schaffen es auch, einen Automaten für Unterwäsche, allerdings nicht für gebrauchte, ins rechte Bild zu setzen) und „Dildo Guns“, mit denen die Daten von den „Runnern“ wieder aus den „Codern“ „heruntergeladen“ werden, einige Einfälle aus Bizarro-Land (Reiko holt sich die Daten nämlich per in einen Penis verwandelten Unterarm, mit dem sie ihren Sexpartner penetriert…) und der sich aufdrängende Verdacht, dass „I.K.U.“ möglicherweise als, ähm, „Kunst“ gedacht ist (gibt ja nach landläufiger Meinung nur zwei wirkliche Gründe, warum Frauen Porn inszenieren – entweder als feministisches Statement oder eben als „Kunst“). Zumindest kommt’s einem der Präsentation wegen so vor – der Streifen zitiert grundsätzlich von der Optik her Neo-Noir-Einflüsse a la „Blade Runner“ oder entsprechend angehauchter Animes; kalt, düster, abweisend. Der Sex-Akt selbst wird ebenfalls nach allen Regeln der, äh, Kunst, emotionslos, mechanisiert, steril gezeigt (und dann natürlich auch so, dass man möglichst wenig, eh, sieht). Die Soundspur mit ihren schon ans Eklige grenzenden Saug- und Lutschgeräuschen tut ihr übriges dazu, jegliche Erotik aus den Bildern zu vertreiben (das hört sich dann weniger so an, als würde jemand an den Brüsten einer Frau lecken als vielmehr wie das Abnagen eines Grillhendlschlegels) – all dies spricht dafür, als wäre es eine bewusste Entscheidung der Regisseurin gewesen, alles, was am Geschlechtsakt sinnlich sein könnte, auf möglichst un-sinnliche Weise darzustellen. Möglicherweise ist es durchaus die Absicht Cheangs, Sex als einen ent-emotionalisierten, automatisierten Akt zu zeigen (wozu auch die übel auf Englisch radegebrochenen Dialoge beitragen) und damit das ein oder andere hochgradig gesellschaftlich relevante Statement zu machen (andererseits labert Cheang im Bonusmaterial davon, dass „I.K.U.“ „nicht für Masturbation, sondern als kollektiver Orgasmus“ gedacht sei…), aber dazu fehlt jeglicher Kontext, jeglicher Kommentar, Fakt ist allerdings, dass „I.K.U.“ einer der unerotischten Sexfilme ist, die ich bislang gesehen habe, technisch aber nichts auslässt – ungewöhnliche Kameraeinstellungen, ablenkende Zwischenschnitte, ein kurioser Soundtrack, der zwischen Techno und NDW-artigen Klängen pendelt, das alles müffelt irgendwie nach künstlerischer Ambition.

Die dargestellten sexuellen Spielarten lassen auch nichts aus – wir haben Hetero-Sex, Lesben-Sex, Schwulen-Sex, (this being a japanese movie selbstverständlich auch) Bondage-Sex, Transsexuellensex, Schulmädchenfetisch, Selbstbefriedigung, da ist für jeden Geschmack etwas dabei (theoretisch; praktisch s.o.). Die kuriosen japanischen Zensurbestimmungen sorgen für etwas unfreiwillige Unterhaltung – während Oralsex den japanischen Sittenwächtern voll okay geht (sowohl Hetero als auch Gay), dito ein cumshot, ist die Vagina natürlich böse und wird verpixelt (man könnte jetzt schon meckern, dass REM für eine „uncut“-Version sich auch ein unverpixeltes Master hätte beschaffen können), selbst bei eher harmlosen upskirt-Shots. Man muss Japaner nicht verstehen…

Garniert wird der ganze Nonsens mit etlichen CGI-Effekten (neben diversen Genom-Logos, Überleitungen, dem eher unbeholfenen Effekt, mit dem der unförmige Replikanten-Körper unter der menschlichen Hülle „sichtbar“ gemacht wird und dem Morphen des Replikanten-Unterarms in den penetrierenden Penis vor allem einige „Innenaufnahmen“ der Penetration), die für Alter und vermutetes Budget des Streifens zwischen „ok“ und „auf mid-90-Musikvideo-Niveau“ (bei einigen Szenen fühlte ich mich an das alte Latour-Video „People are still having sex“ erinnert) schwanken.

Das Darstellerensemble, auf das es sich namentlich kaum näher einzugehen lohnt, rekrutiert sich hauptsächlich aus zumeist wirklich schnucklig anzusehenden Adult-Models und Porno-Starlets (lediglich Aja, „Tokyo Rose“, wurde 2003 in „Battle Royale II“ auffällig. Noch erstaunlicher als das ist aber, dass sie zum „I.K.U.“-Drehzeitpunkt mit Mühe und Not gerade eben 18 sein konnte). In einer Nebenrolle als „Runner“ Dizzy gibt’s mit Zachery Nataf auch eine/n echte/n Transsexuelle/n.

Bildqualität: REM bringt den Film in hübscher Aufmachung und praktikablem, aber nicht herausragendem 4:3-Letterbox. Die Schärfewerte sind in Ordnung, dito Kontrast und Kompression, aber ein paar Grieseligkeiten sind zu verzeichnen.

Tonqualität: Da lässt man uns keine Wahl – den Originalton (hauptsächlich Englisch, mit ein paar japanischen Sprachfetzen) haben wir, in Dolby Digital 2.0, gefälligst gut zu finden. Der Musikmix könnte ein wenig druckvoller sein, die Dialoge sind klar, Störgeräusche sind nicht zu bemerken. Untertitel werden mitgeliefert (die aber scheinen, weil es zwei Untertiteltracks für 4:3- und 16:9-Geräte gibt, manchmal das falsche Flag zu setzen, was zu Verschiebungen des Bildformats führt).

Extras: Wer will, kann sich vier „Bonusszenen“ (wohl eher deleted scenes) ansehen, davon sind drei lediglich Erweiterungen von im Film vorhandenen Szenen, ein Dreier mit male bondage fiel aber im Endschnitt total unter den Tisch. Ein making-of sowie einige Texttafeln mit Informationen zu den wesentlichen Darstellerinnen, verschiedene „I.K.U.“-Trailer in unterschiedlichen „Härtegraden“ und eine REM-Trailershow runden das Package ab.

Fazit: Ich weiß nicht recht, *was* genau ich mir von „I.K.U.“ versprochen habe, was immer es aber auch war, der Film hat’s nicht geliefert. Ich bin recht zuversichtlich, dass man aus der für die Verhältnisse eines Pornos (und nichts anderes ist „I.K.U.“, wie gesagt, letztlich, nur halt einer, der sich ein Kunst-Mäntelchen umgehängt hat und deswegen von regulären Publishern vertrieben werden kann, ohne dass die sich schämen müssten) ziemlich ausgefuchsten Hintergrundstory einen zünftigen Erotik-Reißer stricken könnte, der fertige Film allerdings scheitert brutal an seinem eigenen Anspruch und kann am Ende sicher niemanden zufriedenstellen – SF-/Cyberfans dürften das Fehlen einer durchdachten Handlung und die drucklose Inszenierung bemängeln, Pornofreunden wird alles viel zu wenig sexy und anregend sein und Arthouse-Fuzzis, naja, da gibt’s ja immer welche, die grundsätzlich alles abfeiern. Nehmen wir’s denen also nicht zu krumm, dass sie auf einen echten Blender reingefallen sind.

2/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
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