Housebound

 
  • Original-Titel: Housebound
  •  
  • Regie: Gerard Johnstone
  • Land: Neuseeland
  • Jahr: 2013
  • Darsteller:

    Morgana O’Reilly (Kylie Bucknell), Rima Te Wiata (Miriam Bucknell), Glen-Paul Waru (Amos), Cameron Rhodes (Dennis), Millen Baird (Grayson), Ross Harper (Graeme)


Vorwort

Der Richter hat die Nase voll – nachdem Kylie bereits mehrere Alkohol- und Drogen-Therapien hinter sich hat und trotzdem noch mit dem womöglich dümmsten Komplizen aller Zeiten versucht hat, einen Geldautomaten zu knacken (mit erwartungsmäß peinlichem Ausgang) verdonnert er sie zu acht Monaten per elektronischer Fußfessel überwachtem Hausarrest bei Muttern. Das mag nun selbst dem liberalsten Gutmenschen als äußerst milde Bestrafung erscheinen, aber sie verfehlt nicht ihre Wirkung, denn die Rückkehr nach Hasue ist für Kylie nichts weniger als die in Haus-und-Mutter-Form gegossene Hölle. Damit ihr Zwangsaufenthalt für alle anderen Beteiligten dann wenigstens genauso fröhlich wird, ist es Kylies Bestreben, sich so arschlöchrig und asozial wie möglich zu verhalten. Als sie zufällig – sie hört mit, wie Mama in einer Call-in-Radioshow anruft – mitbekommt, dass Mutti daran glaubt, das Gemäuer werde aktiv bespukt, glaubt sie einen Hebel gefunden zu haben, aus der Nummer herauszukommen – eine offensichtlich bekloppte Mutter ist wohl kaum in der Lage, die richterlich verordnete „stabile Umgebung“ zu schaffen.

Die Umgebung ist allerdings noch wesentlich instabiler als Kylie denkt, denn eines schönen Abends im Keller IST da was. Kylie hält’s für einen schnöden weltlichen Einbrecher, aber Amos, ihr Security-Aufpasser, der von einem Signal ihrer Fußfessel herbeigerufen wurde, entpuppt sich, als Mama ihre Geister-Theorie vorträgt, zu allgemeiner Überraschung als begeisterter Hobby-Ghostbuster und zückt gleich mal sein Diktiergerät, um mit dem unruhigen Spirit zu kommunizieren… Das bringt kein unmittelbares Ergebnis, aber Amos ist willens, der Sache mit Kameras und Temperaturfühlern auf den Grund zu gehen.

Indes findet Kylie heraus, dass das Haus in seinem früheren Leben mitnichten und -neffen eine Frühstückspension war, sondern ein Sanatorium für psychisch kranke Jugendliche UND Schauplatz des brutalen und unaufgeklärten Mords an dem Teenagemädchen Elizabeth. Wenn’s einen guten Platz gibt, um bestens motivierten Spuk zu finden, dann offensichtlich hier. Kylie versucht, über ihren Psychologen und ihren Anwalt dem Haus zu entkommen, aber als Dennis, der Psychofuzzi, während eines Stromausfalls übel zugerichtet wird, glauben die Verantwortlichen, es sei Kylies Werk gewesen. Amos ist es, der Kylie überzeugt, dass sie versuchen muss, Elizabeths Geist Frieden zu bringen, idealerweise, indem man den Mörder überführt. Einen prima Verdächtigen gäbe es mit dem unheimlichen, fies aussehenden Messi-Nachbarn ja auch…


Inhalt

Mit recht beachtlichen Vorschusslorbeeren stellte „Housebound“ aus Neuseeland dem FFF-Publikum vor. Während Aussie-Streifen auf dem FantasyFilmFest ja mittlerweile so häufig sind, dass man meinen könnte, der komplette australische Filmoutput würde en bloc eingereicht, sind die Nachbarn aus dem Kiwiland Peter Jacksons Weltkarriere zum Trotz immer noch Zaungäste des internationalen Genre-Filmtreibens – ja, alle paar Jahre lang kommt ein bemerkenswerter Streifen aus der Ecke, aber überwiegend ist es doch so, dass neuseeländische Filmemacher erst dann auffallen, wenn sie’s geschafft haben, sich nach Hollywood zu mogeln (Geoff Murphy, Lee Tamahori), während der Aussie sich durchaus in eigenem Land eine Karriere aufbauen kann.

Egal. „Housebound“ ist ein Werk von Writer/Director Gerard Johnstone, der bislang nur durch eine hierzulande selbstverständlich völlig unbekannte Comedy-Serie namens „The Jaquie Brown Diaries“ Meriten in seiner Heimat verdiente. „Housebound“ ist nicht nur sein erster Kinofilm, sondern sein erster Ausflug in phantastische Genregefilde überhaupt. Und was er sich ausgesucht hat, ist dann gleich ein persönlicher Favorit von mir – der gute alte Spukhausfilm. Die Geschichte vom Geisterhaus-/-schloss/-wohnhöhle mag einer des ältesten Erzählmotive der Menschheitsgeschichte sein, aber es ist eins, das weitgehend unabhängig vom kulturellen Kontext universal funktioniert, denn es zielt auf eine der zentralen Urängste an – in seinen eigenen vier Wänden, dem apostrophierten Hort der Geborgenheit und Sicherheit – nicht sicher zu sein (weswegen z.B. auch home-invasion-Motive nicht totzukriegen sein sollen. Die sind sozusagen die extern motivierte Variante). Das Grundthema lässt sich variieren (es muss nicht unbedingt das eigene Haus sein, siehe „Bis das Blut gefriert“ oder Innkeepers, The, aber diese Varianten müssen dann eben auch Klimmzüge machen, um ihre Protagonisten am bespukten Ort zu halten). Kurz gesagt: I’m a sucker for a good haunted house movie und „Housebound“ scheint alles an Ansprüchen zu bedienen, die man an das Genre stellen kann.

Grundsätzlich sind die Zutaten, die Johnstone zusammenrührt, nicht neu – eine rebellische End-Teenage-Protagonistin, ein dysfunktionales Elternhaus, der unheimliche Nachbar, das Geheimnis aus der Vergangenheit, das es aufzuklären gilt, um den Spuk zu entschlüsseln (und das Fußfessel-Gimmick kennen wir noch aus Eric Reds „100 Feet“), das sind alles durchaus Standard-Bausteine, aber sie sind nunmal erprobt und ein gutes Gerüst, an dem man sich storytechnisch entlanghangeln kann. Den Umstand, dass Kylie über weite Strecken des Films ungefähr so sympathisch ist wie die Syphilis und selbst ein Rudel Friedensnobelpreisträger nach kurzer Beratung zu dem Ergebnis kommen, dass dem Gör nur mit ein paar Jahren schwerem Kerker und zwei-drei-viertausend Stunden gemeinnütziger Arbeit gedient wäre, ist freilich einerseits notwendig, weil ihr character arc letztendlich eine „redemption story“ ist, ergo die miese Kackbratze über den Filmverlauf lernt, dass es vielleicht doch nicht schlecht ist, sich ab und zu nicht wie das letzte Arschloch zu verhalten, und wird andererseits von Johnstone durch ein gerüttelt Maß schrägen Humor aufgelockert – „Housebound“ entwickelt sich dabei nie zur blanken Komödie, aber wo Johnstone die Gelegenheit für einen trockenen Gag wittert, lässt er sich nicht lumpen (was ihn beim ausnahmsweise mal recht gut gelaunten Nürnberger FFF-Publikum auch mehrfach Szenenapplaus einbrachte) – das geht schon mal mit dem spontanen Turn von Sicherheitsmann Amos zum engagierten Geisterjäger los und zieht sich in der Folge durch’s ganze weitere Prozedere. Der Humor hilft auch dabei, dass der große zentrale Twist des Films, der ansonsten etwas arg absurd und gezwungen daher kommen würde, funktioniert – wir sind durch die witzigen Einlagen darauf vorbereitet, dass das Unerwartete aus jeder erdenklichen Richtung kommen kann und so ein „out-of-left-field“-Plottwist nicht die bis dahin aufgebaute Stimmung und das Mystery zerstört.

Da ich den Twist oben in der Inhaltsangabe nicht erwähnt habe, ihn aber trotzdem kurz ansprechen möchte, eine dicke fette SPOILER-Warnung (und ein paar Sicherheits-Leerzeilen)…

Zum Schlussakt hin nämlich nimmt „Housebound“ einen radikalen Kurswechsel vor und offenbart, dass wir es nicht mit einem Spukhaus zu tun haben, sondern vollkommen un-übernatürlichen, deswegen aber nicht minder seltsamen Vorfällen zu tun haben. Selbstverständlich ist unser creepy neighbour als einziger echter Verdächtiger nur ein red herring aus dem Bilderbuch, aber er hat Hinweise, die darauf hinauslaufen, dass *in den Wänden* von Kylies Haus jemand lebt, der für die vermeintlichen Geistererscheinungen und -attacken zuständig ist. Bleibt die Frage, ob dieser Wandler hinter den Wänden auch der Mörder von Elizabeth ist oder es noch jemanden gibt, der dafür in Frage kommt… Wenn man so will, kriegt Johnstone mit diesem turn of events sogar die Kurve zum oben kurz angedeutete zweiten Teil meiner „Urangst“-Theorie, da „Housebound“ da streng genommen vom haunted-house-Film zum home-invasion-Thriller mutiert. Das Einzige, was mich in dieser Phase des Films stört, ist das Design unseres Amateur-Herrn-Riebmanns (Nichtlustig-Gedächtnis-Gag) – der sieht mir ein bissl zu sehr nach albernem Cartoon-Rübezahl-Waldmenschen aus (und erinnert mich irgendwie frappierend an den gealterten Will Robinson aus dem „Lost in Space“-Film) und raubt dem Showdown damit ein wenig die Intensität. Aber das ist nitpicking… (SPOILERENDE)

Mit fast 110 Minuten gehört „Housebound“ schon eher zu den epischen Genrefilmen, doch unser Regisseur kommt deswegen nicht in Erklärungsnöte. „Housebound“ hat ein gutes Gespür für das anzuschlagende Tempo, beginnt recht bedächtig, steigert sich langsam, aber stetig, und wird am Ende dann richtig spannend. Dafür braucht Johnstone nur relativ einfache Mittel – größtenteils klebt der Streifen dem Gimmick entsprechend an einer Location (es gibt nur einen kurzen Ausflug ins Nachbarhaus) und auch da reicht ihm im Endeffekt ein düsteres Kellergewölbe für die Atmosphäre. Die Spukerscheinungen sind teilweise richtig creepy, ohne dabei ganz auf den erwähnten mal staubtrockenen, mal absurden Humor zu verzichten. Splatterenthusiasten sitzen nicht unbedingt in der ersten Reihe – es gibt nur eine sehr überschaubare Anzahl blutiger Effekte. Was an FX gebracht wird, ist sauber gearbeitet, aber, I repeat, „Housebound“ ist kein Splatterfilm, sondern ein Vertreter des in Sachen expliziter FX „sanften Horrors“ (was im Umkehrschluss natürlich bedeutet, dass es, wenn’s denn mal ein wenig blutiger wird, stärker wirkt).

Kameraarbeit und Schnitt bewegen sich auf solidem Niveau – die Sache schreit nicht unbedingt GROSSES KINO und muss vermutlich nicht zwingend auf der großen Leinwand gesehen werden, es schadet allerdings nicht…

Das Schauspielerensemble wird den wenigsten Zuschauern aus unseren Gefilden bekannt sein – Morgana O’Reilly, die sowohl die hassenswerte bitch als auch später die sympathischeren Züge ihres Charakters gut hinbekommt, verdingt sich derzeit in der australischen Seifenoper „Neighbours“ (mal was ganz neues…), ihre Filmmutter Rima Te Wiata verdiente sich ihre Sporen in der Soap „Sons and Daughters“ sowie in der Comedy-Show „Full Frontal“. Wenn die Welt gerecht wäre, bekäme „Amos“ Glen-Paul Waru bald größere Rollen (ich würd ihn gern mal in einer „richtigen“ Komödie sehen). Cameron Rhodes (Dennis, der Therapeut) ist als voice actor gut beschäftigt (u.a. für unterschiedlichste „Power Ranger“-Inkarnationen), hatte aber auch eine kleine Rolle in „Der Herr der Ringe – Die Gefährten“. Den dezidiert nicht hilfreichen Psychoklempner hat er hier exzellent drauf. Ross Harper (Graeme) kennt der Vielseher vielleicht aus „The Devil Dared Me To“, dessen deutschen Titel ich aus Pietätsgründen verschweige.

Fazit: Hat man sich erst mal damit arrangiert, dass die Hauptfigur ziemlich lange eine völlig unlikeable Kuh ist, der man alles Elend dieser Welt mit Freuden an den Hals wünscht, packt einen „Housebound“ – ein spannender Spukhausfilm mit einem gekonnten Twist und genau dem nötigen Anteil Humor. Das haben die Kiwis gut hinbekommen!

4/5

(c) 2014 Dr. Acula


mm
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