House of Flying Daggers

 
  • Deutscher Titel: House of Flying Daggers
  • Original-Titel: Shi mian mai fu
  •  
  • Regie: Zhang Yimou
  • Land: China/Hongkong
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Takeshi Kaneshiro (Jin), Andy Lau (Leo), Zhang Ziyi (Mei), Dandan Song (Yee)


Vorwort

China im 9. Jahrhundert – da die Tang-Dynastie bzw. ihre ausführenden Exekutiv-Organe der Korruption anheim gefallen sind, wird sie von der Untergrundorganisation „Flying Daggers“ bekämpft. Eine lokale Polizeieinheit bekommt den Auftrag, den neuen Führer der Flying Daggers zu eliminieren. Polizist Jin geht undercover – eine blinde Tänzerin, vielleicht die Tochter des ermordeten Ex-Dagger-Chefs, im neu eröffneten Freudenhaus soll den Flying Daggers angehören. Das Mädchen wird festgenommen – der perfide Plan der Staatsmacht: Jin befreit sie und „flüchtet“ mit ihr. Sie soll ihn zum Hauptquartier der Rebellen führen. Die eh schon nicht ganz einfache Aufgabe wird dadurch erschwert, dass Jin unerwarterweise Gefühle für das Mädchen Mei entwickelt, andererseits ein General zwecks Steigerung des Realitätslevels der „Flucht“ ein Rudel Soldaten auf die Fersen der Flüchtigen gehetzt hat, die von der wahren Identität Jins nichts wissen…


Inhalt

Seit Zhang Yimou keine sozial- und gesellschaftskritischen Dramen mehr dreht (die allesamt in der Volksrepublik China auf der schwarzen Liste landete), sondern die chinesische Vergangenheit glorifizierende Martial-Arts-Epen auf die Leinwand bannt, feiert der Mann nicht mehr nur Kritiker-, sondern auch weltweite Publikumserfolge. Nicht zu Unrecht, denn seinen Hero würde ich jederzeit in eine Liste der vielleicht fünfzig besten Filme aller Zeiten aufnehmen (und ihn um Lichtjahre über Ang Lees vergleichsweise lahmen Crouching Tiger, Hidden Dragon stellen). Vom dort ausgiebig zelebrierten nationalchinesischen Pathos abgesehen, erwies sich Hero bekanntlich als filmische Offenbarung, visueller Hochgenuss und kaum topp-bares Martial-Arts-Spektakel. Demzufolge sind die Erwartungen an das Nachfolgewerk verdammt hoch und, wie so oft, der Regisseur kann die Meßlatte nicht ganz überspringen.

Selbstverständlich ist auch House of Flying Daggers wunderschön anzusehen. Zwar verzichtet Yimou weitestgehend auf konzeptionelle Farbenspielerei wie in Hero (weitestgehend, aber nicht ganz), stellt aber auch hier die Form klar über den Inhalt. Yimou zeigt hier eine Vorliebe für regelrecht geometrisch angelegte Shots, speziell in den Actionszenen, baut Zeitlupen, Matrix-like zeitverzögerte Shots, Geschoß-POV etc. ein, alles, was des Actionfilmfreundes Herz begehrt. Obwohl die Martial-Arts-Einlagen zahlreich, für eine FSK-12-Freigabe verhältnismäßig blutig und durchgestylt ohne Ende sind, kommen sie IMHO nicht an diejenigen aus Hero heran, was für meinen Geschmack daran liegt, dass das obligatorische Wire-Fu manchmal etwas ZU leichtfüßig wirkt und Yimou sich oft und gern auf (technisch nicht immer übereugende) CGI-Einlagen verlässt (Pfeile, Dolche, Bambus-Speere, Blätter, Blut, keine „Gefechtszugabe“, die nicht dem Computer entspringt – und leider könnten die beteiligten VFX-Schmieden von den Großen ihrer Zunft sicher noch was lernen).

Action ist natürlich nicht alles – im Gegensatz zu Hero handelt es sich um eine intimere Geschichte (Spoiler: die große Entscheidungsschlacht, auf die der Film eigentlich zusteuert, bleibt letztendlich außen vor), auch wenn man, genügend guten Willen vorausgesetzt, einige politische Anspielungen finden kann; praktisch vollziehen sich die „große“ Handlung (also die diversen Ränkespiele der Rebellen und der Regierungstruppen) und die „kleine“ Handlung (die Beziehung zwischen Jin, Mei und Jins Vorgesetztem Leo) parallel – in beiden Plotlines wird mit vielfach verdeckten Karten operiert, hintergeht jeder jeden, dass es eine wahre Freude ist, schlußendlich aber keinen gesteigerten Sinn ergibt (weder hie noch da – wer sich solche Pläne ausdenkt wie BEIDE Seiten in diesem Film, der hat’s nicht besser verdient, als dass es mit dem üblichen tragic bloodshed endet. Huch, war das ’n Spoiler? Gebt’s zu, das überrascht doch keinen wirklich…). Nun ist ein komplizierter Plot ja nichts grundsätzlich schlimmes, aber hier ist’s halt mehr oder weniger kompliziert um der Komplikation willens und dröselt sich schlußendlich nicht befriedigend auf. Wie schon des öfteren an dieser Stelle geklagt: WORAN liegt es nur, dass die Asiaten einfach keine plausiblen Drehbücher zusammenschustern könne. Muss ich doch noch eine Asien-Tour mit den Stationen Hongkong, Peking, Tokio machen und dort Workshops abhalten?

Problematisch ist auch das zu breit ausgewalzte Finale des Films (nicht im Sinne von „zu breit ausgewalzte Action“, sondern von „einfach zu lang“) – hier hätte man straffen können und eigentlich auch müssen.

House of Flying Daggers ist also, wie grundsätzlich kaum anders zu erwarten, kein Film, den man sich wegen seines sinnigen Plots ansehen sollte – er bedient die notwendigen Klischees, legt im Vergleich zu Hero mehr Wert auf Gefühle und, hüstel, Romantik, brilliert ansonsten aber hauptsächlich durch seine Optik (wenngleich die Production Values nicht so der Rede wert sind, als der Film so zu ca. 80 % im Wald spielt) und durch die durchaus mitreißend inszenierten Fight-Szenen (Durch-die-Baumwipfel-Hüpf-Allergiker sollten aber auch um diesen Film einen weiten Bogen machen). Perfekt eingesetzt (zumindest sehe ich das so, der werte Forumsmod razor sah das ein wenig anders) ist die großartige Filmmusik.
Schauspielerisch geben sich die drei Hauptakteure keine Blöße – Takeshi Kaneshiro (The Returner“), mausert sich in meinen Augen immer weiter Richtung kompletter Action-plus-Charakter-Darsteller, Andy Lau macht ebenfalls einen guten Job und, mein Gott, was soll man zu Zhang Ziyi schon großartig sagen? Sie ist mal wieder großartig.

House of Flying Daggers erweist sich also letztlich zwar durchaus als würdiger Nachfolger von Hero, erreicht dessen Klasse aber dank eines wirren Scripts, der verbesserungsfähigen CGI-Effekte und dem insgesamt ein wenig, hm, langweiligeren Look (Bäume unterscheiden sich halt nicht so großartig voneinander, egal ob’s nun Birken oder Bambus ist – ich bitte das „langweilig“ aber ausdrücklich als sehr relativ zu verstehen) nicht ganz. Wer klassische Martial-Arts-Epen mit einem Schuß tragischer Liebesgeschichte mag, kommt aber an Zhang Yimous neuem Werk nicht vorbei – der ganz große Hammer und das erste wirklich große Highlight 2005 ist der Film aber nicht.


mm
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