Hotel der toten Gäste

 
  • Deutscher Titel: Hotel der toten Gäste
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  • Regie: Dr. Eberhard Itzenplitz
  • Land: BR Deutschland/Spanien
  • Jahr: 1965
  • Darsteller:

    Joachim Fuchsberger (Barney Blair), Karin Dor (Gilly Powell), Frank Latimore (Larry Cornell), Hans Nielsen (Inspektor Forbesa), Renate Ewert (Lucy Balmore), Gisela Uhlen (Ruth Cornell), Claus Biederstaedt (Morton Marlowe), Monika Peitsch (Alice Creusot), Ady Berber (Teddy), Enrique Guitart (J.J. Frank), Wolfgang Kieling (Jack Courtney), Gus Backus (Bucci), Elke Sommer (als sie selbst), Hannelore Auer (als sie selbst)


Vorwort

Kriminalreporter Barney Blair bekommt Besuch von Janos Kovacs, einem ungarischen Informanten – bevor Kovacs allerdings tatsächlich unter Blairs Augen treten kann, liegt er mit einem Messer im Kreuz tot in Barneys Büro. Da Barney nicht mal ein schlechtes Alibi hat, ist er erst mal prophylaktisch verdächtig; sein Chefredakteur schickt ihn trotzdem nach San Remo, wo Kovacs her kam, um dort nach Spuren zu suchen. In San Remo ist Schlagerfestival-Zeit, und Klatschkolumnistin Gilly Powell, durchaus eine Flamme Barneys, ist bereits vor Ort und kann den Kollegen über die wichtigen Entwicklungen instruieren. Tagesgespräch ist die Plattenfirma Phonomac bzw. deren Chefin Ruth Cornell, die gerade den Vertrag ihres spielsüchtigen Vorzeigestars Lucy Balmore gekündigt hat (mit Hannelore Auer hat sie schon eine Nachfolgerin am Start). Ruth ist verheiratet mit Playboy Larry Cornell, Gillys Ex-Verlobtem, der nun aber eigentlich gerne mit der jüngeren und hübscheren Alice Creusot einfädeln möchte, aber ungern die Millionen seiner Gattin missen möchte. Während Lucys Manager Jack Courtney im Hintergrund herumschleicht und Ruths Bruder Morton verspätet aus London eintrifft, scheint Barney zunächst stärker daran interessiert zu sein, mit Gilly abzuhängen, als Hinweise zu suchen – zumal niemand eine Idee hat, welche kriminalistisch interessanten Informationen Kovacs hätte abliefern können. Bis Ruth Cornell in der Nacht nach ihrer großen Pressekonferenz Opfer eines Würgers – oder einer Würgerin – wird.

Inspektor Forbesa kann sich über mangelnde Auswahl an Verdächtigen wahrlich nicht beklagen – praktisch jeder Hotelgast hat ein brauchbares Motiv. Lucy ist ihre Schulden bei Ruth los, Larry wäre jetzt frei für Alice – die im Übrigen nicht ist, wer sie behauptet, und Jack Courtney weiß das -, Gilly könnte sich für’s Ausspannen Larry gerächt haben, Morton könnte die Firma übernehmen usw. Und da gibt’s noch die Hoteldiener Teddy und Bucci, die augenscheinlich auch mehr wissen, als sie zugeben. Forbesa verdonnert die ganze Blase erst mal zu Haus- bzw. Hotelarrest, während er versucht, das komplexe Geflecht diverser gegenseitiger Abhängigkeiten aufzudröseln. Der geheimnisvolle Killer jedoch ist mit seiner Arbeit noch lange nicht fertig, erst recht, weil ein wertvolles Diamanthalsband aus Ruths Besitz erst verschwunden ist und dann bei Gilly wieder auftaucht…


Inhalt

Manchmal kann man sich förmlich vorstellen, wie Filmproduzenten auf ihre mehr oder weniger einträglichen Ideen kommen – 1965 standen die Edgar-Wallace-Mördersuchspiele hoch im Kurs und im Kino nebenan machten Schlagerfilme Kasse. Keine Frage, irgendwann *musste* ein findiger Produzent ja auf die Idee kommen, die beiden kassenträchtigen Genres zu vermengen. Leider (?) war derjenige, der schließlich den zündenden Einfall hatte, aus der Schlagerfilmecke; Johannes J. Frank (der sich unbescheiden in Person von Barneys Chef im Drehbuch verewigen ließ) hatte so großartige Lichtspiele wie „Unter Palmen am blauen Meer“, „Gruß und Kuß vom Tegernsee“, „Wenn die Musik spielt am Wörthersee“, „…denn die Musik und die Liebe in Tirol“ oder „Ich kauf‘ mir lieber einen Tirolerhut“ verantwortet, die letzten drei bereits im Auftrag der Produktionsfirma „Music House“ (was auch schon andeutet, dass der Laden sich der Filmthematik auch eher aus der musikalischen Richtung annäherte).

Aber so schwer konnte das ja nicht sein – man nehme einen halbwegs bekannten Krimi aus englischer Fertigung, in dem Fall „Die rote Vase“ von Heather Gardiner, engagiere die üblichen Verdächtigen aus den Wallace-Filmchen, ein paar Schlagersternchen und einen erprobten Fernsehregisseur, der Rest (also so das Zeug mit Spannung und so) wird sich dann schon ergeben, hoffentlich. Oder auch nicht, denn die angeheuerten Autoren, die die Romanvorlage auf Schlagertauglichkeit (auch wenn erfreulicherweise nur zwei Lieder geträllert werden) herunterbrechen sollten, sind nicht gerade Leuchten ihres Fachs – für Michael Dreesen blieb es der einzige Credit, und Hannes-Karl Kubiak hatte sich mit den Büchern von „Bunte Welt am großen Strom“ (eine Doku) und „Aktion Brieftaube – Schicksale im geteilten Berlin“ nun auch nicht gerade direkt für einen Krimi aufgedrängt (im gleichen Jahr schrob er noch die Stewart-Granger-Abenteuerkrimiplotte; zudem versicherte man sich noch der Mithilfe zweier spanischer Produktionsfirmen, die ihre eigenen Autoren mitbrachten – darunter Joaquin Luis Romero Marchent, der uns ein paar Jahre später als Regisseur mit dem § 131er Todesmarsch der Bestien auf die Nerven gehen sollte – und unkreditiert an der Chose herumwerkeln ließen. Bei insgesamt einem halben Dutzend Autoren (Max Rottmann, der für Frank schon an einigen Schlagerfilmen gearbeitet hatte, steuerte auch noch ein paar Zeilen bei) ist’s ja fast schon überraschend, dass zumindest eine nachvollziehbare Geschichte ‚bei rumkam.

Und eine, die prinzipiell gar nicht mal SO schlecht wäre. Mal ganz vom recht unverbrauchten Setting abgesehen (Mord und Totschlag in der Schlagerbranche gehört nun nicht gerade zu den ständig verfilmten Themen) ist das eigentlich ein ganz hübsches whodunit, bei dem man, ist man einer von der Mitrate-Fraktion, durchaus ein paar Mal seine Meinung ändert (SPOILER ich war irgendwann soweit, dass ich tatsächlich glaubte, Barney müsste der Killer sein, weil er als einziger *kein* klares Motiv hatte). Der Umkehrschluss liegt allerdings auf der Hand – wenn man prinzipiell jede Figur (mit Ausnahme des ermittelnden Inspektors freilich) für den Täter halten kann, sieht’s vermutlich mit sympathischen Identifikationsfiguren wohl mau aus. Das ist dann auch eines der Hauptprobleme des Streifens – nicht nur, dass sich aufgrund der Vielzahl wichtiger Charaktere kaum einer als echte Hauptfigur aufdrängt (auch nicht Barney Blair), es sind halt alles eher unerfreuliche Gesellinnen und Gesellen, mit denen man nur im Notfall an der Hotelbar ein Glas Schampus schlürfen möchte; und da uns überdies auch das erste Opfer, Ruth Cornell, nicht sonderlich nahe geht (sie ist letztlich eine knallharte Geschäftsfrau, die kein Problem damit hat, ihren langjährigen Goldesel abzuservieren, wo sich ein neuer, goldigerer anbietet), entwickelt man (also, ich jetzt zumindest) ein vergleichsweise akademisches Interesse an der Auflösung – emotionale Beteiligung sieht anders aus.

Was sicherlich auch daran liegt, dass das Autorenkollektiv in Sachen Dialoge nicht gerade die allerfeinste Klinge schwingt; man kann sicherlich lange und ausgiebig debattieren, inwieweit die komödiantischen Aspekte der Wallace-Filme nun sinn- und dramaturgisch wertvoll waren, aber ein kleiner Spaß, ein Gag am Rande, ein lustiger Spruch kann ein vergleichsweise dröges Spiel auf alle Fälle aufwerten – „Hotel der toten Gäste“ bleibt leider ziemlich trocken und lässt seinen durchaus begabten Darstellern wenig Raum zur Entfaltung ihrer meist auf ihre blanken Motive reduzierten Charaktere.

Itzenplitz (der allerdings einen extrem coolen Namen hat, muss mal gesagt werden), ist dann auch nicht der Regisseur, der einer Plotte wie dieser Beine machen kann. Ja, das ist alles durchaus ordentlich und professionell gefilmt, aber auch wenig einfallsreich. Die einzige richtig stimmungsvolle Sequenz ist der Mord an Ruth, der mit seinem schwarz-behandschuhten Killer, der sich in POV-Perspektive an sein Opfer heranschleicht, in der Tat Stilmittel des Giallos vorwegnimmt, aber die drei Minuten reißen’s halt auch nicht allein raus; auch weil der Film leider sehr, hm, fernsehspielmäßig daher kommt. Da spielt die Plotte nun in San Remo, das zweifellos ein unterhaltsam-buntes (auch, wenn’s ein s/w-Film ist) backdrop abgeben könnte, und dann halten Itzenplitz und Co. den Streifen komplett im Hotel – klar, location shoots kosten Geld, und als unabhängiges Studio, das ein Rudel Stars eingekauft hat, kann man die Kohle nicht mit beiden Händen zum Fenster rauswerfen, aber dem Film fehlt einfach eine gewisse kinematische Dimension durch sein vergleichsweise klaustrophobisches Setting, das nur aus Hotelzimmern, -korridoren und -sälen besteht, auch wenn diese Sets detailfreudig ausgestattet sind. Dieter Wedekind, der mit (unkreditierter) spanischer Untersützung die Kamera schwang (und sowohl mit Schlagern – ausgiebig – und Thrillern bereits Erfahrung hatte; später verschlug’s ihn wie so viele Kollegen noch ins gar lustige Sexfilmfach), fällt jetzt auch nicht unbedingt sonderlich Gewinnbringendes ein, und das Tempo des Streifens ist jetzt nicht gerade gletscherverdächtig, dürfte aber auch keinen Sprint gewinnen; trotz der Unmengen red herrings kommt kein echter Spannungsboden auf, zieht der Streifen bis zum (dann wieder beinahe überhastet daherkommenden und, wie sich das für einen anständigen 60er-Jahre-Krimi gehört, durch einen Faustkampf gelösten) Showdown nicht wirklich an.

Den Score besorgt „Schulmädchenreport“-Maestro Gert Wilden, der sich nicht gerade verausgabt (und jedenfalls nicht an die memorablen und heute noch gern aufgelegten Klänge aus den Reports herankommt), dafür aber immerhin Elke Sommer, die mit seiner Hilfe versuchte, zusätzlich zu ihrer schauspielerischen Karriere auch noch eine solche als Sängerin aufzubauen (und hier die deutsche Version eines italienischen canzone darbietet), einbrachte (die Sommer schaut übrigens *nur* für ihre Gesangsnummer vorbei, die irgendwie charmant unperfekt von ihr vorgetragen wird). Den zweiten on-screen gesungenen Schlager (die deutsche Version eines Mikis-Theodorakis-Titels) performt Hannelore Auer, der kulturlosen heutigen Welt wahrscheinlich bekannter als Hannelore Kramm und langjährige Ehefrau des blonden Barden Heino.

Damit wären wir nahtlos beim Cast angekommen. Blacky Fuchsberger, Star zahlloser Wallace-Filme, ist sträflich unbeschäftigt und versucht sich durch schiere charismatische Präsenz über die Zeit zu retten, was ihm auch halbwegs gelingt, im Gegensatz zum späteren Bond-Girl Karin Dor („Man lebt nur zweimal“, außerdem bekannt und beliebt aus „Winnetou, 2. Teil“, „Der grüne Bogenschütze“, „Die Schlangengrube und das Pendel“ etc.), das sich hier auch arg zugeknöpft geben muss (die Rolle der – jugendfrei – sexuell aufgeladenen femme fatale übernehmen andere Figuren). Der Amerikaner Frank Latimore (der seit den 50ern in Europa drehte und erst 1970 anfing, auch in den USA zu drehen, dafür aber immerhin gleich eine wichtige Rolle im Oscar-prämierten Heldenepos „Patton“ abstaubte; später spielte er noch einen kleinen Part in „Die Unbestechlichen“) zieht aus der Rolle des Larry auch keinen besonderen Nutzen, in Tradition der meisten amerikanisch importierten Eurotrash-Helden agiert er reichlich steif. Gut aufgelegt ist Hans Nielsen (Veteran aus der 43er-„Titanic“, der bis zu seinem Tod noch 1965 durch die üblichen deutschen Genres von Heimatfilm bis Krimi tingelte und 1964 auch eine Nebenrolle in „Das siebente Opfer“ übernahm) als mehr oder minder dank Verdächtigenüberschusses aufgeschmissenen Inspektors. Renate Ewert (debütierte einst in der „08/15“-Reihe, wurde zumeist als Verführerin eingesetzt, verfiel der Alkohol- und Tablettensucht und starb 1966 in ihrer Wohnung, vermutlich [festhalten] verhungert) und Monika Peitsch („Die Unverbesserlichen“, „Das Erbe der Guldenburgs“) teilen sich die angesprochene femme-fatale-Rolle, wobei Ewert mehr zu tun hat und sich ganz anständig schlägt, während Peitsch vom Script weitgehend im Stich gelassen wird. Claus Biederstaedt, quasi unvermeidliches TV-Gesicht der 70er, der sich in den 60ern allerdings durch ein ganzes Rudel Heimat- und Schlagerfilme spielte) und der (ebenfalls arg unterforderte) Wolfgang Kieling („Der zerrissene Vorhang“) komplettieren den Reigen der hauptamtlich Verdächtigen, ohne sonderlichen Nutzen aus dem Unterfangen ziehen zu können (Kieling müht sich aber redlich). In einem Anfall leichten stunt-castings ergänzen der ehemalige Catcher Ady Berber („Scotland Yard jagt Dr. Mabuse“) und der gar lustige Schlagerkomiker Gus Backus („Da sprach der alte Häuptling der Indianer“, „Sauerkraut-Polka“) den Cast. Die beiden sind sichtlich als comic-relief gedacht, übernehmen aber beide durchaus auch handlungsrelevante Parts; Berber ist dabei (kein Wunder, er wiegt ungefähr das vierfache) beeindruckender als der nicht gerade treffend besetzte Backus (der aber wenigstens nicht singt).

Bildqualität: Respekt einmal wieder an Pidax – der Print, den das Label aufgetrieben hat (1.66:1 anamorph) ist famos, praktisch völlig frei von Verschmutzungen oder Defekten, überraschen scharf und bis auf wenige Ausnahmen mit gutem bis sehr gutem Kontrast.

Tonqualität: Deutscher Ton (Dolby 2.0) mit leichtem Grundrauschen, das aber durchaus zu verschmerzen ist. Ansonsten – erwartet man kein Surround-Feuerwerk, ist’s allemal zufriedenstellend.

Extras: Nur ein diesmal etwas knapper ausgefallenes Booklet (ein Reprint des „Illustrierten Filmbühne“-Programmhefts).

Fazit: Naja, es musste früher oder später wieder passieren – ein Pidax-Release, mit dem ich nicht all zu viel anfangen konnte. Nicht der Fehler des Labels, sicherlich, das hier wirklich eine sehr gute DVD hingelegt hat, sondern ein Problem des schlaffen Films, der’s einfach nicht schafft, sein grundsätzlich taugliches Mystery in einen spannenden Krimi umzusetzen. Der prominente Cast macht, auch wenn er kaum gefordert wird, die Sache sicherlich für Freunde deutschen 60er-Jahre- (und speziell Wallace-)Kintopps interessant; auf jeden Fall macht das „Hotel der toten Gäste“ deutlich, was man an einem soliden Vohrer-Wallace hat, der spielt dann nämlich schon in einer anderen Liga. Empfehlenswert für Genre-Komplettisten, als Spannungsfilm für sich allein genommen aber eine vergessenswerte Randerscheinung.

2/5
(c) 2011 Dr. Acula


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