- Deutscher Titel: Horton hört ein Hu
- Original-Titel: Horton Hears A Who!
- Regie: Jimmy Hayward, Steve Martino
- Land: USA
- Jahr: 2008
- Darsteller:
Sprecher: Christoph Maria Herbst (Horton), Anke Engelke (Känguru)
Vorwort
Im Dschungel von Nümpels lebt Horton, ein lebenslustiger, etwas tolpatschiger Elefant, der speziell bei den Kindern sehr beliebt ist. Eines Tages hört Horton einen leisen Hilfe-„Schrei“ – von einem vorbeifliegenden Staubkörnchen. Der fantasievolle Elefant versteift sich sofort in die Vorstellung, auf dem Staubkorn lebten „Menschen“ (der Film bezeichnet tatsächlich alle Lebewesen als „Menschen“, was wohl einer, eh, freien Übersetzung des englischen Worts „person“ zu verdanken ist) und legt sich, nachdem es ihm gelungen ist, das Körnchen auf einem Stengel Klee zu deponieren, die feierliche Mission auf, das Staubkorn und mithin seine Bewohner zu schützen… Und Horton hat völlig Recht, denn auf dem Staubkorn leben die Hus in ihrer Stadt Huheim und gehen ihren alltäglichen Beschäftigungen nach, ohne die leiseste Ahnung, dass ihre Welt eben nur ein mikroskopisch kleines Staubkörnchen ist. Horton gelingt es, Kontakt mit dem Bürgermeister der Hus aufzunehmen. Der ist leider ein ziemlicher Trottel, der zwar eine große Familie (Frau, einen Sohn und 96 Töchter), aber leider nicht viel zu sagen hat – der Stadtrat, der eigentlich die Fäden zieht, hält sein Gerede über die „Stimme aus dem Himmel“ für nur ein weiteres Produkt des überspannt-durchgeknallten Brägens des Bürgermeisters. Dabei schwebt Huheim tatsächlich in großer Gefahr! Das böse Känguru, sort-of Anführerin der Dschungelgemeinschaft, hält nämlich seinerseits Hortons Beteuerungen, auf dem Staubkorn lebten Menschen, für gefährlich und dazu geeignet, die Kinder negativ zu beeinflussen (tatsächlich haben sich schon einige Kids eigene Kleestengel organisiert und fantasieren die dazu passenden Welten) – der Stengel muss weg! Horton entscheidet sich für die Flucht nach vorn und will Huheim in einer Höhle auf dem Nümpelsberg, dem einzig denkbar sicheren Platz, verstecken. Doch die Reise dorthin ist gefährlich und für die Hus, in deren Welt jeder Sprung des Elefanten ein mittleres Erdbeben auslöst, potentiell tödlich, doch natürlich glaubt niemand dem Bürgermeister. Das Känguru indes will, dass das Übel komplett ausradiert will – sie heuert den heruntergekommenen fiesen Adler Vlad als „Auftragskiller“ an, damit der den Klee samt Staubkorn ein für alle Mal aus der Welt schafft…
Inhalt
Und wieder mal ein neuer CGI-Animationsfilm, diesmal aus der Werkstatt von Fox und damit als „von den Machern von „Ice Age“ vermarktbar, obwohl die Regisseure Hayward und Martino mit den Eiszeit-Späßen nichts zu tun hatten. Martino co-inszenierte bislang den hierzulande recht gefloppten „Robots“, Hayward, ein Pixar-Abtrünniger, der von „Toy Story“ bis „Findet Nemo“ an jedem Pixar-Werk mitschraubte, hat ebenfalls zuvor nur an „Robots“ ein wenig mit-regiegeführt.
Als Geschichte dient dem Streifen ein Werk des hierzulande praktisch unbekannten, aber jenseits des großen Wassers kultisch verehrten Kinderbuchautors Dr. Seuss („Der Grinch“, „Ein Kater macht Theater“), kurioserweise ein Werk, das von Abtreibungsgegnern wegen der Schlussmoral „ein Mensch ist ein Mensch, egal wie klein er ist“ vereinnahmt wurde (sehr zum Missfallen des Seuss-Clans, der mindestens eine Klage anstrengte, Anti-Abtreibungsgruppen die Benutzung dieser catchphrase zu untersagen). Ein Einfluss auf das Werk sollen übrigens auch die McCarthy-Anhörungen gewesen sein. Egal. Die Story wurde jedenfalls, so sagen diejenigen, die’s wissen müssen, recht originalgetreu verfilmt (im Gegensatz zum „Grinch“ und dem Mike-Myers-Fiasko „Ein Kater macht Theater“) und bedient sich grundsätzlich der üblichen Mechanismen einer lustigen Moral-Geschichte für ein kindliches Publikum; ein paar Identifikationsfiguren, klar definierte Gut-Böse-Konflikte, wobei die „Bösen“ nie SO „böse“ sind, dass sie nicht letztlich mit ein paar salbungsvollen Worten auf den rechten Weg geführt werden können; dazu noch eine ebenfalls klare, unkomplizierte Mission (Horton muss zum Nümpelsberg… übrigens heißt der Dschungel nur deswegen „Nümpels“, damit es sich im gereimten voice-over auf „Tümpel“ reimen kann). Garniert wird das ganze mit einigen rasanten Action-Sequenzen, knuddligen und skurrilen Nebencharakteren – fertig ist ein launemachender Popcorn-Film, der Kindern gefällt und so flott und witzig genug ist, um auch Erwachsene gut zu unterhalten. Selbstverständlich hat der Streifen das ein oder andere Logikproblem (zwei der „schwerwiegenden“: Wen HÖRT Horton ursprünglich eigentlich? Bis Horton mit dem Bürgermeister von Huheim in Kontakt tritt, wissen die Hus ja nicht, dass sie in Gefahr sind und können daher wohl kaum um Hilfe schreien… Und: Auf dem Weg zum Nümpelsberg muss Horton eine wacklige Hängebrücke – die einzige Brücke über einen gähnenden Abgrund – überqueren und zerstört sie dabei vollständig. Was Böses Känguru und ihren wütenden Mob nicht daran hindert, zum Showdown ohne Probleme [und innerhalb weniger Minuten eine Strecke, für die Horton mindestens zwei Tage gebraucht hat, zurücklegen] anwesend zu sein) – aber es sind „Probleme“, wie sie in einem für Kinder und nicht für Nitpicker wie den Doc konzipierten Film natürlich immer vorkommen und auch nicht weiter stören.
Die CGI sind superb – ich habe kaum flüssigere Animation gesehen, wobei dem Film natürlich zupass kommt, dass Realismus nicht ganz oben auf der Prioritätenliste steht. Die Charaktere sind cartoonish, farbenfroh-bunt und (mit Ausnahme des hinreißend detailliert animierten Adlers Vlad) nicht auf übertriebene Realitätsnähe ausgelegt (hauptsache bunt, und, wenn nominell „guter“ Charakter, wuschelig genug, um ein hübsches Merchandising-Plüschvieh abzugeben). Die Actionszenen zeigen denen aus „Ice Age“, die schon ausgesprochen flott unterwegs waren, ordentlich, wo der Hammer hängt, ohne unübersichtlich oder – für’s junge Publikum – überfordernd zu sein. Ein Highlight ist sicherlich auch eine kurze „normal“ 2D-animierte Anime-Sequenz (die sich allerdings in Hortons blühender Fantasie abspielt). Die „technische“ Welt der Hus ist, wenn man mich fragt, deutlich vom Design aus „Robots“ inspiriert – aber das muss ja nicht automatisch schlecht sein.
Erfreulicherweise wird bis auf die Schluss-Szene nicht gesungen. Der Abschlusssong ist erträglich, aber nicht wirklich memorabel, der reguläre Score von John Powell angemessen.
Im Original sind die Stars unter den Sprechern Jim Carrey (Horton) und Steve Carell (Bürgermeister); in der deutschen Fassung hat man erfreulicherweise auf das in letzter Zeit viel zu übliche „spot-the-star“-voice-Cameo-Ding verzichtet und lieber * passende * Sprecher besetzt. Den Horton spricht Christoph Maria Herbst („Stromberg“) nuanciert und gefühlvoll, Anke Engelke lässt als Känguru mal ihrer bösartige Seite raus und erledigt den Job auch ehrenvoll.
So, und weil bekanntlich nichts mehr Spaß macht, als in harmlos gemeinte Kinderfilme den Untergang des Abendlandes hineinzuinterpretieren, darf ich mich jetzt ein oder zwei Absätze lang dahingehend austoben – vorangeschickt sei, dass nachfolgende mir ein wenig sauer aufstossende Elemente den Fun am Film nicht wirklich stören, mir jedoch schon BEIM Kucken massiv aufgefallen sind, weswegen ich mir erlaube, hierauf mal etwas ausführlicher einzugehen. Was nämlich auf den ersten Blick „harmlos gemeinter Kinderfilm“ ist, KANN bei entsprechend böswilliger Betrachtungsweise auch als reaktionäre, fortschritts- und demokratiefeindliche und pro-religiöse Propaganda verstenden werden. Das fängt schon allein bei der Prämisse an, dass die „Natur“ (in Form der Tiere des Urwalds) eine wissenschaftlich-technische Welt (Huheim ist voll technisiert, verfügt über alle zivilisatorischen Annehmlichkeiten, wobei die Wissenschaftler – bzw. die einzige gezeigte Wissenschaftlerin – nur dazu geeignet sind, unnützen technobabble abzusondern und ansonsten der Krise ratlos gegenüber stehen) retten muss. Prägnant ausgedrückt lautet das Credo des Films „Gefühl/Glauben besiegt Ratio“. In beiden Handlungsebenen läuft es darauf hinaus, dass der jeweilige Protagonist keine Beweise für seine Thesen vorlegen kann (Horton ist aufgrund seiner Elefantenohren das einzige Tier, dass die Hus hören kann; der Bürgermeister wird eh schon für einen Spinner gehalten und als er verzweifelt versucht, eine Hu-Menge von Hortons Existenz zu überzeugen, ist der Elefant grad unabkömmlich und kann nicht antworten); ihr von der Ratio (in Form einerseits des Stadtrats und andererseits der erwachsenen Tiere) angegriffener *Glaube* erweist sich allerdings schlussendlich als richtig (speziell auf der Hu-Ebene ist die Allegorie sogar überwältigend, weil Horton für den Bürgermeister sprichwörtlich „eine Stimme aus dem Himmel“ ist, zumal Horton auch gerne die Rolle des „Gottes“ übernimmt). Natürlich ist der ursprüngliche Kontext der Geschichte (eben die oben angesprochene McCarthy-Connection) ein anderer, alldieweil anno 1954 „Fremdartigkeit“ angefeindet wurde und Dr. Seuss eben gerade die Toleranz für Andersdenkende fördern wollte. Mittlerweile sind wir aber halt über 50 Jahre weiter und die Gesellschaft hat sich verändert. Was seinerzeit ein leidenschaftlicher Appell dafür war, Nonkonformität zu akzeptieren, kann heutzutage eben – das gesellschaftliche Klima vor allem in den USA eben mitberücksichtigt – auch so verstanden werden, dass Glaube über Ratio gesetzt wird, dass das „Unfassbare“ richtigere Antworten hat als der Verstand und die Wissenschaft. Die „Demokratiefeindlichkeit“ resultiert daraus, dass in beiden Handlungsebenen die nominell „Bösen“ die Menge in ihrem Sinne gegen die Protagonisten abstimmen lassen. Natürlich hat die demokratische Mehrheit Unrecht – im Gegensatz zum Einzelnen mit seiner „Vision“. Ein Schelm, wer böses dabei denken mag…
Ich weiß, ich interpretiere da viel hinein, aber es fällt *mir* eben auf. Ob’s die Intention war – man weiß es nicht, aber schon allein die Vereinnahmung des Toleranzappells „Menschen sind Menschen, egal, wie groß sie sind“ durch Pro-Life-Gruppen spricht ja schon eine gewisse Sprache.
Gegen den Film als Unterhaltungskino spricht das aber nicht wirklich – er ist in seinen Actionszenen rasant, in seinen „langsameren“ Parts nicht langweilig, hat eine ziemlich hohe Gag-Treffsicherheit und ist trotz seiner genrebedingten Vorhersehbarkeit absolut in der Lage, auch ein erwachsenes Publikum eineinhalb Stunden bestens zu amüsieren. Dass allerdings „mein“ Kino den angekündigten neuen Scrat-Vorfilm nicht zeigte, das sollte eigentlich ein Nachspiel haben…
(c) 2008 Dr. Acula