Horror

 
  • Deutscher Titel: Horror
  • Original-Titel: Horror
  •  
  • Regie: Dante Tomaselli
  • Land: USA
  • Jahr: 2002
  • Darsteller:

    The Amazing Kreskin (Reverend Salo), Lizzy Mahon (Grace Salo), Danny Lopes (Luck), Vincent Lamberti (Reverend Salo jr.), Christie Sanford (Mrs. Salo), Jessica Pagan (Marisa), Raine Brown (Amanda), Kevin Kenny (Kevin), Chris Farabaugh (Fred), Felissa Rose (Art Therapist)


Vorwort

Heute noch weniger Haftung als sonst für die Inhaltsangabe, ich versuche mal einigermaßen zu rekapitulieren: Da gibt es also einen Reverend Salo, Prediger und Hypnotiseur, der, warum auch immer, im Rahmen seiner Gottesdienste praktische Vorführungen seiner Zweitkunst zelebriert. Dieser Geselle hat einen Sohn, der – obwohl uns dafür Augenscheinsbeweis weitgehend vorenthalten wird – ebenfalls die Predigerlaufbahn eingeschlagen hat, dies aber offenkundig auf autoditaktischer Basis. Der Junior-Reverend wiederum hat eine Tochter namens Grace, die er – aus unerfindlichen Gründen – mit Sedativa vollpumpt und in eine Drogenklinik abschieben will, obwohl das Gör im Vergleich zur Restfamilie verhältnismäßig normal wirkt. Dann gibt’s da noch eine Bande Teenager aus der erwähnten Drogenklinik, deren Anführer Luck ihnen den Weg aus der Institution freischießt und sie – auf Veranlassung irgendeines Salos, im Zweifel des Jüngeren – zur abgelegenen Salo-Hütte kutschiert. Auf dem Weg dorthin wird eifrig gekifft, gesoffen und vom Reverend geschenkte magic mushrooms gefuttert. Als die Drogenteenies bei Salos eingetroffen sind, hat sich einer von ihnen bereits in einen blauhäutigen Halbtoten verwandelt und Luck erschießt im Drogenrausch Graces Eltern, die dem armen Mädchen grad mal wieder eine Spritze verpassen wollen (scheinbar, weil sie ein Gespräch mit dem Senior-Reverend, der angeblich schon seit ’ner Woche in der Kiste liegt, halluziniert hat) und die Luck als dämonische freischwebende Kürbisköpfe sieht. Diverse mehr oder weniger spooky Ereignisse schließen sich an, in deren Verlauf der Cast dezimiert wird, Grace wohl herausfindet, dass ihr verstorbener Oheim praktizierender Satanist war, und das Haus von einer Horde Zombies belagert wird. Irgendwann sind dann alle tot und dann kommt das Twistende.


Inhalt

Mit dem Wichteln ist das so ’ne Sache. Einerseits sind diese Blindverschenkorgien zur Weihnachtszeit willkommene Gelegenheit, seine DVD-(wahlweise Buch-, Platten oder Nippes-)Sammlung von staubfangenden Ladenhütern zu befreien und sie arglosen Empfängern zuzuschanzen, andererseits machen das diejenigen, von denen man bewichtelt wird, genauso, so dass die ganze Angelegenheit letztlich auf ein Lose-Lose-Szenario hinausläuft.

Womit auch geklärt wäre, woher ich „Horror“ habe. Freiwillig gekauft hätte ich mir den Kram sonst vermutlich nicht (andererseits – wenn ich sehe, welchen Kram ich *tatsächlich* kaufe, sollte ich die Klappe nicht so weit aufreißen).

„Horror“ ist das Geisteskind des Independent-Filmes Dante Tomaselli (der offensichtlich nicht unter mangelndem Selbstbewusstsein leidet, wie seine ungefähr 2 Meter lange Latte „personal quotes“ auf seiner IMDb-Seite beweist. Kann mir keiner erzählen, dass die jemand anders als er selbst eingepflegt hat), ganz ersichtlich ein Kleveres Bürschchen. Ich meine, „Horror“ als Titel für einen Horrorfilm? Wieso ist da noch keiner drauf gekommen? (Um meine eigene rhetorische Frage zu beantworten: Erstens IST schon jemand drauf gekommen, und das war auch noch der Süddeutsche Rundfunkt bei seiner ’69er-TV-Verfilmung von „How Awful About Allan“, und zweitens, weil’s BLÖD ist. Sollte jemand Punkt Zwei bestreiten, ich hätte hier folgende spec scripts im Angebot: „Romantische Komödie“, „Western“, „Kriegsfilm“ und „Sinnloses Rumgesuppe im Wald“ – hach, ‚tschuldigung, das letzte ist ein unveröffentlichtes Timo-Rose-Buch).

Herr Tomaselli behauptet (laut der erwähnten „personal quotes“) steif und fest, keine Drogen zu konsumieren. Angesichts „Horror“ muss ich dann zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass er schon von Natur aus einen anner Klatsche hat (oder zumindest der Beweis dafür ist, dass man ohne einschlägige Erfahrung keine Drogentrips für’s Kino simulieren soll). „Horror“ ist wieder mal so ein wunderschöner Film, der kei-ner-lei Plot hat, von dem er wüsste. Vielmehr entpuppt sich der Streifen als weitgehend sinnfreie Anneinanderreihung irgendwelcher Szenen, die nicht mal notdürftig durch die Andeutung eines roten Fadens miteinander verbunden werden – ein Konstrukt, in dem Tomaselli wild durch Realitäts- und Zeitebenen springt, ohne dass sich die gezeigten Ereignisse in einen annähernden kausalen Zusammenhang bringen lassen. Es ist sicherlich in gewisser Weise das Konzept des Films, sich rationalen Denkmustern zu verschließen und die Surrealität eines (schlechten) Trips abzubilden, aber leider Gottes ist „Horror“ auch noch ein ziemlich langweiliger Trip. Wo die wirklich großen Geister (Großmeister Lynch an erster Stelle zu nennen) komplexe, interpretierbare Vexierspiele gestalten, die sich vielleicht auch nicht immer (oder gar selten) schlüssig auflösen, dafür aber eben immer interessant bleiben, bei denen es sich lohnt, auf Details zu achten, Hinweise zu sammeln etc., kloppt Tomaselli hilflos eine Szene an die nächste, ohne ein erkennbares Ziel vor Augen zu haben (außer irgendwie krampfhaft auf annähernd abendfüllende Länge zu kommen. Mit 76 Minuten inkl. Abspann kann man dieses Ziel als geraaaade eben so erreicht betrachten).

Charaktere? Pffz… Interessante Situationen? Ach woher denn. Dialoge, geschweige denn „gute“? Träumt weiter. Über weite Strecken kommt „Horror“ sogar völlig ohne Dialoge aus, was prinzipiell ja erlaubt wäre, hätten wir statt dessen irgendwas nettes (oder halt nicht völlig belangloses) zu kucken. Doch der komplette Film plätschert in seinem schlafwandlerischen Tempo am Zuschauer vorbei, nicht mal die aus dem Nichts hervorgezauberten Zombies noch der halbseidene Satanismus-Angle mit all seinem bedeutungsschwangeren Symbolismus (von der Wand fallende Kreuze, eine ständig herumlaufende Ziege u.ä. aufregende Dinge) können Interesse heischen. Und wenn dann alle tot sind, überrascht uns der Streifen mit dem dümmlichen und sogar richtiggehend ärgerlichen Twistende und reibt uns unter die Nase, dass mitnichten Grace, die wir in Ermangelung eines sich ernstlich aufdrängenden anderen Kandidaten für die Hauptperson gehalten haben, im „Mittelpunkt“ des „Plots“ steht, sondern Luck, der sich womöglich den ganzen Film im Drogenrausch nur eingebildet hat (oder in einer Art Zeitschleife steckt. Nach Dark Floors brauchte ich diese Interpretationsmöglichkeit un-be-dingt). Huch, hab ich jetzt gespoilert? Tut mir überhaupt nicht leid. Schließlich gibt’s keinerlei „incentive“, überhaupt so lange, also bis zum „Twist“, durchzuhalten, schließlich sehen wir nur unsympathische und undefinierbare Figuren dabei zu, wie sie magic mushrooms fressen, als wären’s Kartoffelchips, durch ein sprichwörtlich leeres Haus latschen, Türen aufmachen, hysterisch rumkreischen, sich hin und wieder in Flashbacks und Visionen der drögen Art verlieren und der ein oder anderen enorm aufregenden Vorführung grandioser „mentalistischer“ Fähigkeiten beiwohnen. Gähn. Ich sag ja nur… wenn mich nicht mal eine unmotiviert reingeschnittene Frauenfoltersequenz (Grace auf der Streckbank) aus dem Wachkoma weckt…

Tomaselli, der sich zum Regisseur berufen fühlt, seit sein erster Kurzfilm „Desecration“ gut ankam (er befindet sich als Bonusmaterial auf der DVD, aber ich hatte keinerlei Motivation, mit den zu gemüte zuf ühren) und den er zum Langfilm ausbaute und dafür von den üblichen Torfnasen gefeiert wurde, verbriet für „Horror“ stolze 250.000 Dollar – für einen Independent-Horrorfilm der unabhängigsten Sorte eine ordentliche Hausnummer, und doch sieht „Horror“ billig aus. Die Sets sind leer, die Masken knapp über Halloween-Kostümniveau (ein paar hingehuschte Freddy-Krüger-Gedächtnispizzafressen sind erträglich, die „verbrannten“ Beine Graces im Twistende dagegen eher lachhaft), nichts sieht so aus, als hätte es wirklich ernsthaft Geld gekostet. Für seine Scares bedient Tomaselli sich einer inflationären Anzahl „von Geisterhand“ zufallender Türen und ein oder zwei halbseidenen Splattereffekten, das war’s dann auch schon. Atmosphäre? Jaa, das Ding ist für Indie-Verhältnisse halbwegs hübsch fotografiert und weist ein paar recht gelungene Kamerafahrten auf, das wird durch lange Passagen mit statischen Shots wieder k.o. geschlagen, auf eine passable Kameraeinstellung, die ein bisschen optisch was hermacht, folgt meist auf dem Fuße ein langweiliger 08/15-Shot.

Einigermaßen gelungen ist Tomaselli zumindest die musikalische Untermalung, die weniger aus echten „Musikstücken“, sondern „eerie“ Loops und Ambient-Sounds zusammengesetzt ist und theoretisch einen „drogigen“ Film gut unterstüzten könnte. Ist halt nur leider bei der versammelten Schwachmatigkeit des Streifens ziemlich verschenkt.

An der Darstellerfront wird fröhlich dilettiert. Der selbsternannte Mentalist „The Amazing Kreskin“, seit Ende der 60er Jahre Stammgast in den Late-Night-Shows von Jimmy Carson bis Letterman, ist eine schauspielerische Gesamtkatastrophe an sich, aber sein Filmsohn Vincent Lamberti („Hot Ice“, „Desecration“) schlägt ihn sogar noch um Längen – und Christie Sanford („Satan’s Playground“ – des Tomasellis nächster Streich, „Pigs“) als überschminkte Karen-Black-Kopie ist auch nicht viel besser. Danny Lopes (Nikos the Impaler – hach, wie sich alles zusammenfügt) gibt sich wenigstens Mühe, ist aber untalentiert, einzig Lizzy Mahon (die dafür aber konsequenterweise seither nichts mehr gedreht hat) behält als Grace einigermaßen ihre Würde. Völlig für die Katz ist der cameo-Auftritt von „Sleepaway Camp“-„Star“ Felissa Rose.

Bildqualität: Die Elite-Entertainment-DVD (boah, früher mal brachte Elite RICHTIGE Filme raus. Den Director’s Cut von „Dawn of the Dead“ z.B.) kommt in 1.85:1-Letterbox (non-anamorph. Die Bildqualität ist ziemlich gruselig und grieselig – helle Flächen sehen aus wie das statische Rauschen in den Zeiten, als die TV-Sender nachts noch abschalteten… Schärfe mittelmäßig, dito Kontrast.

Tonqualität: Ausschließlich englischer O-Ton in Dolby 2.0. Leidet ein bisschen darunter, dass offenbar nur der Live-Dreh-Ton vorhanden ist und der nicht immer optimal aufgenommen wurde, ist aber insgesamt noch erträglich.

Extras: Gibt’s zuhauf, ohne dass sie mich interessieren würden. Audiokommentar, Behind-the-Scenes, die Kurzfilmfassung von „Desecration“, Trailer, „extended“ Trailer etc. pp.

Fazit: Hirnloser Quark der unhumorigen Sorte, konfus, konzeptionslos, erdacht von einem Writer/Director, der an maßloser Selbstüberschätzung leidet, selbige aber nicht mal unfreiwillig unterhaltsam umsetzen kann. Als „Horrorfilm“ ein Totalausfall (trotz Zombies), als „Drogenmetapher“ verblödet, als Erzählkino nicht mal auf dem Niveau der „1000 Langweiligsten Bahnstrecken“. Props an Kameramann Tim Naylor, der zumindest ab und an sein Können andeutet, sich aber einen Regisseur suchen sollte, der eine Vision hat, die über „ich sehe seltsame Sachen“ hinausgeht. Bäh. Zeitverschwendung. Allerdings – irgendwo lügt der Titel nicht: sich diesem Film auszusetzen, ist der reine Horror…

1/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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