High Tension (DVD)

 
  • Deutscher Titel: High Tension
  • Original-Titel: Haute Tension
  •  
  • Regie: Alexandre Aja
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Cécile de France (Marie), Maiwenn Le Besco (Alex), Philippe Nahon (Killer), Franck Khalfoun (Jimmy)


Vorwort

Marie und ihre Freundin Alex wollen eigentlich nur ein Wochenende mit Alex‘ Eltern in deren abgelegenen Ex-Bauernhof verbringen. Die Idylle wird aber schon in der ersten Nacht durch einen grausamen, pyschopathischen Killer gestört, der Alex‘ Familie brutal abschlachtet. Marie gelingt es, sich dem Zugriff des Killers zu entziehen – hilflos muss sie zusehen, wie er Alex in seinen Lieferwagen packt und entführt; sie schafft es allerdings, sich ebenfalls in den Wagen zu schleichen und versucht, Alex zu befreien. Doch die Nacht des Terrors beginnt für Marie erst..


Inhalt

Als ich „High Tension“ vor einigen Monaten beim Fantasy Film Fest 2004 sehen konnte (und, wie sich der hier auch zu findenden Kino-Kurzrezi zu entnehmen ist, angemessen begeistert war), stellte ich mir bereits die Frage, wie zum Geier mcOne, der DVD-Publisher, es schaffen wollte, den Streifen ungeschnitten an den einschlägigen Prüfungsgremien vorbeizuschleusen. Wie irgendwie nicht anders zu erwarten, gelang die Operation gar nicht – die Verleih-DVD wurde für ein JK-Siegel bereits um eine Minute erleichtert, die nun vorliegende Kauf-Version musste für eine KJ-Freigabe noch weiter Federn lassen – insgesamt entbehrt der Streifen in dieser Form also gut zwei Minuten gewalttätiger Eskapaden. Wer den Film also vollständig sehen will, wird wohl oder übel zu der von solchen jugendschützerischen Aktivitäten unbeeinträchtigen Veröffentlichung aus unserem alpinen Nachbarland greifen müssen.

Ungeachtet dessen ist „High Tension“ immer noch einer der herausragendsten Horrorfilme der letzten Jahre – auch wenn, wie zwischenzeitlich festzustellen war, das Kreativteam Alexandre Aja/Gregore Levasseur sich ungefragt und unkreditiert bei Dean Koontz‘ Thriller „Intensity“ bediente – wie Euer Doc durch kurzes Querlesen des Romans eruieren konnte, übernimmt „High Tension“ das Set-up sowie besonders in der ersten Filmhälfte komplette Szenen 1:1 aus dem Buch. Ich mag das aus ganz grundsätzlichen Erwägungen zwar verurteilen (schließlich wäre ich als Autor auch nicht unbedingt happy damit, so meines geistigen Eigentums verlustig zu gehen), muss aber konstatieren, dass „High Tension“ x-mal besser ist als das Koontz-Werk, denn die Franzosen reduzieren die Romanvorlage konsequent auf das Wesentliche – die Story „minimalistisch“ zu nennen, wäre fast noch eine Untertreibung. „High Tension“ stürzt seine Charakatere ohne großartige Exposition (braucht in dem Film kein Schwein) in die Situation und lässt sie, mehr oder weniger, aufeinander losgehen. Feinsininge psychologische Betrachtungen, innere Gefühlswelten, Subplots und Flashbacks wie bei Koontz bleiben außen vor. „High Tension“ konzentriert sich auf den greifbaren, physischen Horror und fährt gut damit. Es ist in vielerlei Hinsicht ein weiterer Vertreter der „old-school“-70er-Exploitation-Horror-Schule, die Rückkehr zum „namenlosen Grauen“, das keine Motivation für sein Handeln braucht als simples Vergnügen am brutalen Töten (auf den relativierenden Plot-Twist gehe ich an dieser Stelle mal nicht gesteigert ein). Klar, dass dieser Ansatz FSK und SPIO-Juristen nicht wirklich gefallen konnte

Das wirklich beeindruckende an „High Tension“ ist also nicht seine Story, auch wenn sie in ihrer humorlosen Konsequenz auch wieder bemerkenswert ist, es ist die Umsetzung. Aja und Levasseur gelingt eine wirklich zupackende, unheimliche, nervenzerfetzende Atmosphäre, in der sich die Hochspannung (selten war ein Titel mal treffender, den internationalen Verleihtitel „Switchblade Romance“ finde ich wesentlich platter und nicht unbedingt treffend) automatisch einstellt – die kompromißlos-harten Splattereffekte (Aja behauptet im Bonusmaterial, „High Tension“ wäre kein Splatterfilm. Äh, ja, sicher) wären in DIESER Härte sicher gar nicht notwendig gewesen, um den Film funktionieren zu lassen, aber die Kombination passt einfach, wobei die FX von Altmeister Giannetto de Rossi (Fulci-FX-Guru und Regisseur des hier besprochenen „Killer Crocodile II“) auch von ihrer technischen Umsetzung her keine Fragen offen lassen.
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Weitere Pluspunkte: großartige Farbkomposition, ausgezeichnete Kameraführung, perfekter Schnitt und eine angemessene akustische Untermalung.

Handwerklich sind die Zensurschnitte von unterschiedlicher Güte – manchmal ist’s etwas rumpelig, an anderen Stellen vergleichsweise unauffällig gelöst.

Schauspielerisch ist der Streifen perfekt besetzt: Cécile de France brilliert als Heldin Marie ebenso wie „Menschenfeind“ Phillipe Nahon mit einer minimalistischen, aber dafür umso effektiveren Vorstellung als der namenlose Killer. Auch Maiwenn Le Besco als Alex kann in den Momenten, in denen sie nicht gefesselt und geknebelt als Fußabtreter benutzt wird, überzeugen.

Bildqualität: Bei mcOne braucht man bekanntlich keine Angst zu haben, bildtechnisch mit Durchschnittsware abgefrüchstückt zu werden. Das vermutlich beste deutsche unabhängige DVD-Label präsentiert den Film in perfektem anamorphen 2.35:1-Widescreen, das keine Wünsche übrig lässt (nun gut, mein Billigplayer hatte, wie öfter mal bei mcOne-Scheiben seine Probleme), zumal zugunsten einer wunschlos glücklich machenden Kompression das Bonusmaterial bei der Kauf-Scheibe auf eine zusätzliche Disc gepackt wurde. Ausgezeichnete Farben, frei von Rauschen oder Artefakten, ausgezeichnete Schärfe, eine Prise mehr Kontrast hätte nicht geschadet, aber arg viel besser geht’s nicht.

Tonqualität: mcOne liefert insgesamt vier Tonspuren, wobei neben der deutschen Synchro in Dolby 5.1 und Headphone Surround eine englische Synchrofassung sowie die (natürlich zu präferierende) französische O-Ton-Spur ebenfalls in Dolby 5.1 angeboten werden. Da der Film nicht wirklich dialoglastig ist, würde ich auch O-Ton-Abstinenzlern empfehlen, den Streifen auf Französisch mit Untertiteln (deutsch und deutsche für Hörgeschädigte stehen zur Auswahl) zu genießen.
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Extras: Auf DVD 1 finden sich der deutsche und der französische Trailer, Kurzbiographien der wesentlichen Beteiligten sowie mcOnes Trailershow. Die eigentlichen Extras finden sich auf Scheibe Nummer 2 und sind, leider, obwohl von den Fans sicherlich heftig antizipiert, insgesamt ein wenig enttäuschend ausgefallen. Das gut 36-minütige „Making-of“ besteht aus einem Interview mit Aja und Levasseur, die über die Story, das Casting und den Dreh an sich eingehen, jedoch selten tiefgründig genug, um wirklich Informationswert zu haben – mich hätten hier durchaus ein paar Einblicke mehr in den Dreh selbst (es gibt ein paar eingestreute Behind-the-scenes-Aufnahmen und Filmausschnitte), speziell zur Effektarbeit durchaus interessiert, zumal Aja, der ungefähr 85 % des Interviews bestreitet, in getreuer französischer Tradition mit vielen Worten relativ wenig aussagt. Nächster Punkt ist ein einundzwanzigminütiges Interview mit Cécile de France, die über ihre Rolle und ihr Verhältnis zum Regisseur und Co-Star Nahon spricht, auch hier finden sich zwar einzelne informative Tidbits, aber insgesamt nur wenig gehaltvolles. Ähnliches gilt für die jeweils gut fünfminütigen Interviews mit Maiwenn Le Besco und Philippe Nahon (vor allem sein Interview ist wirklich zu kurz, wobei es aber auch den Anschein macht, als wäre Nahon nicht unbedingt der redseligste aller Menschen dieser Welt). Gut sieben Minuten dauert das Interview mit FX-Artist de Rossi, das leider auch kaum auf den Film speziell eingeht und letztendlich außer einer lustigen Episode vom „Woodoo“-Dreh kaum gesteigerten Nutzwert hat. Abschließend gibt’s noch eine (dank sehr kleinen Bildausschnitts auch eher unbefriedigende) Fotogalerie mit diversen internationalen Filmpostern, ein paar Behind-the-Scenes-Fotos und einzelnen Filmfotos in teilweise eher ernüchternder (da verwischter) Qualität. Insgesamt knapp 80 Minuten an Extramaterial, das sich allerdings (da französisch mit optionalen deutschen Untertiteln) zeitsparend im schnellen Vorlauf absolvieren lässt. Übrigens – wie beinah nicht alles zu erwarten, finden sich praktisch alle dem Jugendschutz zuliebe im Hauptfilm geopferten Filme ausführlich im Making-of wieder…

Fazit: „High Tension“ ist gewiß kein Film für ein Gelegenheits-Horror-Publikum, auch nicht in seiner um die heftigsten zwei Minuten „gesäuberten“ nicht jugendfreien Kauf-Fassung – dafür ist der Streifen immer noch ein beinhartes, völlig humorfreies, kompromißloses Gewaltepos. Vielmehr empfiehlt sich „High Tension“ für diejenigen (moi inklusive), die der Ansicht sind, die meisten Horrorfilme (seit „Scream“ allemal) der letzten Jahre wären zu seicht, zu verweichlicht, zu „mainstream“. „High Tension“ geht – natürlich besonders in seiner uncut-Fassung – voll auf die Zwölf, schreckt nie zurück, blendet nie weg (zumindest in der uncut-Fassung…) und ist selbst für ein splattergewohntes Publikum ein ziemlicher Schlag in die Magengrube – ein hervorragend gefilmter, sauspannender und beeindruckend gespielter Alptraum, der ohne Zweifel schon bald seinen Platz unter den ganz großen Genreklassikern einnehmen wird. Trotz des extrem schicken Digipaks mit Pappschuber und der wohl exklusiv auf der deutschen Kauf-Fassung zu findenden Extras möchte ich Genrefreunden aber dringlich zur Anschaffung einer ungeschnittenen Version raten – der Film ist’s wert, komplett gesehen zu werden, die Extras sind trotz ihres vordergründigen Umfangs, nur von beschränktem Nutzen. Die Wertung bezieht sich auf das deutsche Kauf-Package.

4/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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