Hexenjagd in L.A.

 
  • Deutscher Titel: Hexenjagd in L.A.
  • Original-Titel: Cast a Deadly Spell
  •  
  • Regie: Martin Campbell
  • Land: USA
  • Jahr: 1991
  • Darsteller:

    Fred Ward (Harry Philip Lovecraft), David Warner (Amos Hackshaw), Julianne Moore (Connie Stone), Clancy Brown (Harry Bordon), Alexandra Powers (Olivia Hackshaw), Charles Hallahan (Det. Morris Bradbury), Arnetia Walker (Hypolite Kropotkin), Raymond O’Connor (Tugwell)


Vorwort

Los Angeles, 1948 – eine Zeit der Magie. Vampire, Werwölfe und Zombies gehören zum Alltag und machen der Polizei das Leben schwer. Jeder benutzt Magie – für’s berufliche oder persönliche Fortkommen, oder nur zum Schutz. Jeder – bis auf einen. Privatdetektiv Harry Phillip Lovecraft ist strikter Magieverweigerer, auch zur Irritation seiner Nachbarin und Vermieterin, der lizenzierten Hexe Hypolite Kropotkin.

Diese freiwillige Selbstverpflichtung bringt Harry allerdings einen Auftrag ein, denn der reiche Gelehrte Amos Hackshaw braucht einen dezidiert un-magischen Ermittler. Ihm wurde ein Buch gestohlen, und nicht nur das Telefonbuch, sondern ein ganz besonderer magischer Schinken namens „Necronomicon“ (uaah!). Er bräuchte dieses Buch bis nächsten Donnerstag, bitteschön, zurück, weil er es für einen Vortrag braucht. Harry braucht Kohle und Amos hat ’ne hübsche und sehr behütete Tochter, also willigt der Privatschnüffler ein.

Geklaut wurde das Buch von einem Angestellten namens Larry, und der hat es wohl einem gewissen Mickey übergeben und dieser Mickey ist nunmehr verschwunden bis tot. Was daran liegt, dass Mickey das Buch der lokalen Gangstergröße Bordon übergeben sollte, dem allerdings ein Exemplar mit leeren Seiten übergab und desewgen auf der Popularitätshitparade Bordons deutlich abrutschte. Gut, dass sein Henchman Tugwell Mickey mit magischen Mitteln abgemurkst hat, bevor er rausrücken konnte, wo das richtige Buch versteckt ist, war jetzt ein taktischer Fehler, aber der sorgt wenigstens dafür, dass Bordon und Harry ungefähr die gleichen Voraussetzungen haben. Mickey hatte eine Freundin namens Lily – wenn jemand wissen könnte, wo das Buch geblieben ist, dann sie. Nur weiß keiner, wo sie ist. Außer vielleicht Connie, Sängerin in Bordens Club und ehemalige Freundin Harrys…

Von dem ganzen Job wenig begeistert ist Hypolite, denn die weiß, dass das Necronomicon nicht nur irgendein weiterer Zauberschmöker ist. Das Buch beschreibt die Öffnung eines Portals, die nichts geringeres als das Ende der Welt nach sich ziehen würde, und gaaanz zufälligerweise steht die dafür notwendige Planetenkonstellation kurz bevor, Donnerstag, genauer gesagt. Kann also gut sein, dass Harry nicht nur schlicht ein Buch wiederfinden, sondern ganz nebenbei noch die ganze Welt retten muss, bevor die Großen Alten zurückkehren…


Inhalt

Lovecraft on film ist so’n Thema für sich. Klar, wer schon mal selbst Lovecraftsche Prosa genossen hat, der ahnt, dass seine Geschichten, speziell, wenn sie sich um sein großes Thema, den Cthulhu-Mythos, drehen, verdammt schwer filmisch umzusetzen sind. Oft aus Ich-Perspektive erzählt, mit langen internen Monologen, die den fortschreitenden Verfall der geistigen Gesundheit des Protagonisten beschreiben, Dimensionen, die sich nicht unserer bekannten Physik und Mathematik unterordnen – da hat sich schon so mancher Filmemacher ’ne Bruch gehoben. Kein Zufall also, wenn die Filme, die Lovecrafts Schreibe von Stimmung und Atmosphäre her am nächsten kommen, entweder auf vergleichsweise simplen und allerhöchstens ganz am Rande dem Mythos zuzurechnenden Kurzgeschichten („Re-Animator“, „From Beyond“) basieren oder sich gar nicht speziell auf eine Lovecraft-Vorlage beziehen, sondern sich nur an Motiven und Themen orientieren, die der Maestro aus New Jersey einst nutzte („Die Mächte des Wahnsinns“, „The Valdemar Legacy II“).

„Cast a Deadly Spell“, ein (leider fast völlig) vergessener HBO-TV-Film, fällt in die zweite Kategorie und führt dazu noch eine weitere Meta-Ebene ein – Humor, ein Sujet, das Lovecraft nun völlig fremd war.

Aber zunächst mal verbindet die Geschichte von Joseph Dougherty („Angriff der 20-Meter-Frau“, „Final Exterminator“, und mittlerweile gut im TV-Geschäft, nicht zuletzt als Produzent und Head Writer der Teen-Mystery-Serie „Pretty Little Liars“) natürlich Magie und Fantasy mit dem guten alten Hardboiled-Detective-Film-Noir-Topos. Das fügt sich besser zusammen als man auf Anhieb meinen könnte, zumal Dougherty beiläufig anspricht, dass das alles nicht *immer* so war, sondern das Auftreten der Magie (ähnlich wie im Szenario von „Shadowrun“) ein noch nicht so lange zurückliegendes Ereignis ist (sowohl Harry als auch seiner früherer Cop-Partner Bradbury erinnern sich noch an die Zeiten, in denen die Welt noch „normal“ war). Dougherty und Regisseur Martin Campbell, der später unter die Bond-Regisseure ging, bauen eine schöne, detaillierte Welt auf, in der Magie sich als Bestandteil des täglichen Lebens etabliert hat – so hält sich Bordon nicht nur einen erstklassigen Magier als Handlanger, sondern auch einen Zombie-Schläger für die eher gröberen Momente im Leben -, aber auch nicht immer so funktioniert, wie sich ihre Praktiker das vorstellen (wenn z.B. die neue Luxus-Siedlung „Vista Bonita“ mit eher überschaubarem Erfolg von Zombie-Arbeitern errichtet werden soll).

Es ist eine Welt, in der Gargoyles existieren und Beschattungsaufträge übernehmen, in der „gremlins“ im Automotor wortwörtlich Gremlins im Automotor sind und man Magie selbst für profanste Dinge, wie das Tippen von langweiligen Berichten auf der Schreibmaschine, benutzt.

Das ist insoweit zwar amüsant und gut gemacht, erst recht, wenn man in das Szenario einen Fred Ward setzt, der schlicht dafür geboren wurde, zerknitterte hardboiled-40er-Jahre-Detektive mit schlechten Manieren, aber cleveren one-linern in petto, zu spielen, hat aber jetzt noch nicht direkt viel mit Lovecraft zu tun, außer dass Wards Charakter nun mal so heißt.

Und dann bringt Hackshaw das Necronomicon ins Spiel (das von Hypolite auch gleich mit den Prophezeihungen der Offenbarung in Verbindung gebracht wird) und über kurz oder lang reden wir dann offen über die Großen Alten, Cthulhu und Nyarlathotep, Azathoth und Yog-Sototh und wissen, yep, this is the real deal.

Campbell inszeniert den Streifen konsequent als Noir, aus der Sicht seines Helden, vergisst aber nicht die Absurdität der Situation für Humor zu nutzen, der nicht nur aus der Schnoddrigkeit seine Protagonisten entsteht; da darf auch schon mal eine Slapstick-Jagd mit der Schrotflinte auf einen Gremlin passieren, oder man kann mal einem steinernen Gargoyle mit Erfolg in die Klöten treten. Der Influx der Magie sorgt für anything-goes-Momente (wie oft haben wir schon erlebt, dass jemand von Geldscheinen getötet wurde?), und natürlich gibt’s eine undurchsichtige femme fatale, die mit verdeckten Karten spielt, und eine unschuldige damsel-in-distress zu retten (und, SPOILER voran, Hand aufs Herz, wie viele Filme kennen wir, in denen „statutory rape“ letztendlich ’ne ganz prima Sache ist? Muss man sich auch erst mal trauen).

Das ist alles mit ungeheuer viel Liebe erdacht und umgesetzt – und auch, wenn der mit 6 Mio. Dollar sehr moderat budgetierte Streifen gerade im FX-Department gerne mal mehr abbeißt als er schlucken kann (und deswegen seine Monster als man-in-suits realisieren muss, bei den durchschaubaren matte paintings ein wenig schwächelt, und es hinsichtlich des in voller Glorie auftretenden Großen Alten im Showdown eher beim Versuch bleibt, diesen adäquat darzustellen), ist es unmöglich, dem Film böse zu sein. Man merkt eben jede Sekunde, dass den Machern etwas am Film, seiner Geschichte und seiner Umsetzung *lag*, sie’s eben nicht nur als Projekt betrachteten, mit dem für die nächsten zwei Monate die Miete zahlt.

Dem können sich auch die Schauspieler nicht entziehen. Wie schon gesagt, wenn’s eine Rolle gibt, die Fred Ward auf den kantigen Leib geschrieben ist, dann die des Detektivs, der im Zweifel immer etwas mehr auf die Mütze kriegt als er selbst austeilen kann, und doch im Augenblick der höchsten Not gern zu seinem Nachteil noch nen dummen Spruch raushauen muss. Als Amos Hackshaw brilliert David Warner, der’s ein paar Jahre später in „Die Mächte des Wahnsinns“ erneut mit Lovecraft-Kreaturen zu tun hatte, mit Clancy Brown (Bordon) macht man auch selten was falsch, wenn’s um überspannte Bösewichter geht. Julianne Moore („Children of Men“) zieht die femme-fatale-Nummer ganz entspannt durch und auch Alexandra Powers („Last Man Standing“) erfüllt die Rolle des ausgekuckten Jungfrauen-Opfers mit Leben. Routinierte Nebendarstleler wie Charles Hallahan („Das Ding aus einer anderen Welt“) oder Ametia Walker („Hallo Schwester“) tun ihr Übriges, um die seltsame Welt des Films glaubhaft erscheinen zu lassen.

Es ist wirklich eine Schande, dass „Cast a Deadly Spell“ von Fans und Industrie gleichermaßen vergessen wurde – es gibt bis heute keinen vernünftigen DVD-Release, und sich für einen amerikanischen Film aus dem Jahr 1991 auf dem Bootleg-Sektor umsehen zu müssen, wird diesem Streifen absolut nicht gerecht.

Egal, ob man nun auf Film-Noir-Detektivgeschichten oder die phantastischen Horrorwelten von H.P. Lovecraft steht, „Cast a Deadly Spell“ sollte man gesehen haben!

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 8


mm
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DMJ
DMJ
10. Juni 2017 18:38

Kurioser Zufall!
Vor Jahrhunderten las ich in der Fernsehzeitung von diesem Film und wollte ihn unbedingt sehen (damals leider unmöglich), jetzt vor wenigen Wochen habe ich es nachgeholt und nun wird er hier besprochen.

Doch, doch. EIn ganz sympathisches Ding. Zwischendurch entglitt leider meine Aufmerksamkeit etwas, so dass ich den „statutory rape“ gar nicht mitbekommen habe, aber die Monster fand ich doch sehr charmant und mochte auch, dass das Ende so offen groschenromanmäßig aufgezogen wurde.