- Deutscher Titel: Heroes & Demons
- Regie: v.a.
- Land: v.a.
- Jahr: v.a.
Vorwort
Wie ich schon öfter mal ausführte – ich mag Kurzfilme. Sie können eine knackige pointierte Geschichte erzählen, sie können experimentiell sein, sie können nur eine Fingerübung des Machers für zukünftige Großtaten sein… nur gibt es, da sind wir uns ja wohl einig, keinen Markt für Kurzfilme. Man kann den Festival-Circuit beackern, hoffen da und dort einen Filmpreis abzustauben oder bei einem Wettbewerb eines TV-Senders mitmischen und auf der dazugehörigen DVD landen – die dann wahrscheinlich wieder käufermäßig niemanden interessiert.
Es funktioniert noch am besten, wenn man die einen zusammenpassender Schwung Kurzfilme nebst einer Rahmenhandlung für einen Anthologiefilm zusammenpackt (wie Chillerama oder „Pawn Shop Chronicles“ es in letzter Zeit probierten), aber das Rezept, unabhängig voneinander entstandene Kurzfilme in ein abendfüllendes „Programm“ zu packen und das auf den Konsumenten loszulassen, das war noch selten eine Lizenz zum Gelddrucken. Dennoch versuchte das der US-Distributor America Video (einfallsreicher Firmenname, würde ich sagen, wäre nicht der deutsche Distributor „Great Movies“) und das Ergebnis dieses (hoffentlich legitimen) Lizenzjonglierens findet sich nun in DVD- und BluRay-Form auf den Grabbeltischen dieser Republik.
In „Heroes & Demons“ versammelt sich ein halbes Dutzend Shorts, die keinen großen thematischen Zusammenhang aufweisen (ich dachte über die halbe Strecke, „was mit Kindern“ wäre die thematische Klammer, aber das war auch ein Kurz-, äh, Trugschluss), aber dafür wenigstens professionell gearbeitet sind – das sind keine Amateurfilme, sondern ansehnliche Werke mit respektablen Akteuren bis hin zu echten „Filmstars“. Auf ein framing device wird, bis auf einen eingeblendeten Poesiealbumspruch, der vage mit der Handlung des folgenden Shorts zu tun haben könnte, verzichtet.
Inhalt
THE BANKER
GB 2004
Regie: Hattie Dalton
Darsteller: Michael Sheen (The Banker), Jane Robbins (Nurse)
Unser titelgebender Banker arbeitet nicht in einer Finanz-, sondern einer Samenbank und bringt täglich die tiefgefrorenen Spermien seiner Kundschaft rüber in die Fruchtbarkeitsklinik, wo seine heimliche Flamme als Empfangs-Schwester arbeitet. Seine schüchternen Annäherungsversuche sind zum Scheitern verurteilt, aber er hat ein nahezu unschlagbares System entwickelt, um ihr trotzdem nahe zu kommen…
„The Banker“ ist von den sechs Filmen derjenige, der am ehesten in die Kategorie „gespielter Witz“, d.h. auf eine explizite Pointe hin, geschrieben und inszeniert ist und deswegen kaum vernünftig analysiert werden kann, ohne dem zukünftigen Zuschauer den Spaß zu verderben. Die kleine, freche Geschichte um den Nerd aus der Samenbank, der versucht, bei seiner (höchst durchschnittlichen) Traumfrau zu landen, nimmt in ihren letzten Minuten einen Schwenk ins bedenklich Manisch-obsessive und zeigt, wie schnell eine an und für sich „unschuldige“ fixe Idee ins Gefährliche umschlagen kann. Hattie Dalton, die mittlerweile mit „Third Star“ ihren ersten Langfilm (immerhin mit Benedict Cumberbatch) realisiert hat, kommt dabei ohne große Dialoge aus.
Sujet und der humoristische Umgang damit (der Film beginnt mit einer Montage verschiedener, äh, Samenspendetechniken, nicht explizit, versteht sich) mögen nicht jedermanns Sache sein, aber Michael Sheen („Twilight“-Saga, „Tron: Legacy“, „Underworld: Aufstand der Lykaner“) als verschrobenes Geek-Männlein sorgt alleine schon für sehenswerte Momente. (3/5)
SOME PLACE SAFE
GB 2003
Regie: Ross Clarke
Darsteller: Mark Strong (Vater)
Die Ehe ist in die Brüche gegangen, die Frau will mit den beiden Kindern nach Kalifornien verziehen. Der verzweifelte Mann unternimmt mit den Kids noch einen letzten Ausflug an die See. Und wie die Blagen sich betragen, wird entscheidenden Einfluss darauf nehmen, ob und wer wieder nach Hause kommt…
Mit „Some Place Safe“ wird’s wesentlich ernster – Ross Clarkes düsteres Familiendrama, das vom ersten Augenblick an klar macht, dass die Sache höchstwahrscheinlich nicht gut ausgehen wird, ist mit relativ einfachen Mitteln gefilmt und erzielt dabei, durchaus in der Tradition des „neuen britischen Independent-Kinos“ gute Wirkung – Location-Filming an einem der offensichtlich zahllosen heruntergekommenen britischen Küsten-Ausflugskäffern hilft dem authentischen Flair. In der Hauptrolle brilliert Mark Strong („Kick-Ass“, „Sunshine“, „RocknRolla“) als ganz normaler Durchschnittstyp, den Frau und Kind einmal zu oft gedemütigt haben. Definitiv kein Feel-Good-Short, aber gutes Futter für Zuschauer, die das Raue und Ungeschliffene von London to Brighton u.ä. schätzen. (3/5)
OLLIE KLUBLERSTHORF VS. THE NAZIS
USA 2010
Regie: Skot Bright
Darsteller: Jack Axelrod (Poppy), Lainie Kazan (Sharon), Zach Mills (Ollie), Samm Levine (Dade), George Segal (Elliott), Rachel Nichols (Daniella), Chris Hemsworth (Chad), Norman Reedus (Barry)
Dade Klublersthorf stellt seiner Familie seine neue deutsche Freundin Daniella vor. Zur Dinnerparty gesellen sich überdies die Bibelverkäufer Chad und Barry. Nur Ollie, das kleine Genie der Familie, weiß Bescheid – Daniella, Chad und Barry sind Nazi-Spione des Vierten Reiches, die es auf seine Zeitmaschine in Form eines Atari-2600-Joysticks abgesehen haben…
Jetzt wird’s albern – „Ollie Klueblersthurf vs. the Nazis“ ist ein hysterischer Comedy-Sketch, den Damon Lindelof („Star Trek: Into Darkness“, „World War Z“, „Prometheus“) in einer der Phasen, in dem ihm für „Lost“ keine vernünftige Auflösung einfiel, runtergeschrieben haben muss und von Skot Bright, normalerweise im Musikvideo-Bizness zuhause, mit bemerkenswertem Star-Aufgebot inszeniert wurde. In der SF-Sitcom-Groteske, die aus einer einzigen Szene am Familien-Dinner-Table besteht, geben sich „Thor“ himself Chris Hemsworth, Altmeister George Segal, die aufstrebende Rachel Nichols (P2 – Schreie im Parkhaus, „Star Trek“, „G.I. Joe – Geheimakte Cobra“, „Conan“, „Raze“), Samm Levine (Inglourious Basterds, „Pulse“), Jack Axelrod („Meine Frau, unsere Kinder und ich“, „Super 8“, „Hancock“), Lainie Kazan („My Big Fat Greek Wedding“, „Bigfoot und die Hendersons“, „Delta Force“) und Kinderstar Zach Mills („Mr. Magoriums Wunderladen“, „Super 8“) die Ehre – wenn jemand einen prominenter besetzten Kurzfilm, der nicht zu einem großen Franchise gehört, kennt, möge er sich melden.
Große Grundidee (mit „Groundhog Day“-Anklängen), wirklich witzige Dialoge, großartige Reaktionen der blendend aufgelegten Schauspieler, da bleibt kein Auge trocken (spätestens, wenn Ollie den Atari-Joystick auspackt). Hätte auch auf dem FFF gerockt (hat vielleicht auch, ich seh das dortige Kurzfilmprogramm ja normalerweise nicht..). (4/5)
AIR
USA 2009
Regie: Luke Davies
Darsteller: Andrew Garfield (Tom), Felix Benton (Shane), S.A. Griffin (alter Mann)
Der englische Geologiestudent Tom hiked durch die texanische Prärie. Irgendwo im Nirgendwo trifft er den kleinen Shane, der allein, ohne Wasser oder sonstige Vorräte, durch die Wüste trekked. Der wortkarge und etwas seltsam wirkende Junge erklärt, dass seine Mutter krank sei und erkundigt sich, ob Tom einen fahrbaren Untersatz hat. Hat er nicht – Shane sprintet spontan ins Outback…
Die dazugehörige Geschichte, die Tom bei der nächsten Hütte von einem alten Knacker aufgetischt bekommt, ist schier unglaublich.
Und nun wird’s wieder ernst – in „Air“, dem bislang einzigen Regiewerk von Luke Davies, trifft „Amazing Spider-Man“ Andrew Garfield auf einen mysteriösen kleinen Jungen. Wer nicht grad erst gestern aufgestanden ist, dürfte die Schlusspointe relativ flott erahnen, aber hier geht’s ausnahmsweise mehr um die Form als den Inhalt – wunderschön on location in der texanischen Wüste gefilmt, mit einem exzellenten Soundtrack von Matthew Davis (plus einer Leihgabe von Skinny Puppy) und einer überzeugenden Vorstellung von Garfield, der den nicht hundertprozentig originellen Stoff mehr als adäquat rüberbringt. Schicker Film, der Davies eigentlich Türen öffnen sollte. (4/5)
THE SECOND BAKERY ATTACK
Mexiko/USA 2010
Regie: Carlos Cuaron
Darsteller: Kirsten Dunst (Nat), Brian Geraghty (Dan), Lucas Akoskin (Demitrio), Sherry Gordon (Cherry)
Das frischvermählte Ehepaar Nat und Dan packt mitten in der Nacht ein unerklärliches Hungergefühl. Blöderweise ist der Kühlschrank leer bis auf das letzte Sixpack Corona und das allein macht auch nicht satt. Dan erinnert sich, vor Jahren mit seinem besten Kumpel in ähnlicher Lage eine Bäckerei überfallen zu haben. Der dortige Bäcker spendierte das Brot dann aber lieber für lau nebst einem Fluch.
Nat, der nach drei Wochen Ehe schon massive Bedenken kommen, verfällt auf die Idee, dass ihr Eheskepsis an dem Fluch liegt und der nur durch einen neuerlichen Bäckereiüberfall gebrochen werden könne. Nur sind nachts keine überfallbaren Bäckereien geöffnet – es muss also ein Burgerschuppen herhalten…
„The Second Bakery Attack“ ist ein weiteres „Allstar“-Projekt – basierend auf einer Kurzgeschichte des japanischen Literaten Haruki Murakami, der praktisch jedes Jahr als Nobelpreiskandidat ausgerufen wird, produziert vom mexikanischen Meisterregiseur Alfonso Cuaron („Children of Men“, „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“), inszeniert von dessen Bruder Carlos und mit Kirsten Dunst in einer Hauptrolle.
Was der große Postmodernist da zu Papier brachte, ist zweifellos moralisch höchst bedenklich – „um ’ne Ehe zu retten, muss man schon mal gemeinsam ein kleines Verbrechen durchziehen…“ -, aber sehr unterhaltsam und professionell umgesetzt. Neben Dunst agieren mit Brian Gergety („The Hurt Locker“, „Jarhead“) und Lucas Akoskin auch kompetente Co-Stars. Die ganze Nummer macht nicht wirklich *Sinn* und leidet ein wenig darunter, dass sie nicht wirklich ein pointiertes Ende draufsetzen kann, ein paar Lacher sind jedoch allemal drin. (3/5)
PERFECT
GB 2009
Regie: Chris Obi
Darsteller: George Fisher (Adam), Poppy Delevingne (Liberty), Victoria WInge (Tora), Gemma Arterton (Poppy), Julian Glover (Lucien), Charlie Cox (Paul), Tom Hardy (Arzt)
Der Zufall lässt sie ihre Wege kreuzen – Adam, der mit einigen anderen zweifelhaften Elementen in einer Art Kommune der Unerwünschten lebt, und Supermodel Liberty, kurz vor dem absoluten Durchbruch, sowohl was die Karriere, als auch der Hochzeit mit Paul stehend. Man begegnet sich in der Notaufnahme, wo Liberty nach einem Kollaps landet und Adam gerade seine Mitbewohnerin/Geliebte/Freundin Tora nach einem Ohnmachtsanfall einliefert. Adam ist fasziniert genug, um „zufällig“ aufzutauchen, als Liberty nach einem Termin beim berühmten Maler Lucien auf dem besten Weg zu einem Nervenzusammenbruch ist, und spendet Trost. Liberty revanchiert sich mit einem verhältnismäßig teuren Geschenk und löst eine fatale Reaktion aus…
Den Abschluss bildet mit „Perfect“ von Chris Obi (hauptamtlich Schauspieler und als solcher u.a. in „Snow White and the Huntsman“ und „Burke & Hare“ zu sehen) der vielleicht mysteriöseste Film des Packages. Das ebenfalls formidabel besetzte Mystery-Thriller-Drama – in kleinen Auftritten geben sich bekannte Leute wie „Bane“ und Bronson Tom Hardy, Gemma Arterton („Hänsel & Gretel: Hexenjäger“, „James Bond 007 – Ein Quantum Trost“, [[Disappearance of Alice Creed, The|The Disappearance of Alice Creed]), Charlie Cox (Stardust, „Boardwalk Empire“) und der in Ehren ergraute Julian Glover („Das Imperium schlägt zurück“, „James Bond 007 – In tödlicher Mission“, „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“) die Ehre, während die eigentlichen Hauptrollen mit Poppy Delevigne (schauspielerisch unbeleckt, aber wenigstens im echten Leben erfolgreiches Model) und George Fisher an unbekannte Leute gehen – verknüpft gesellschaftskritische (die Unmöglichkeit der Vermischung unterschiedlicher sozialer Schichten – und zwar aus Sicht beider Seiten) mit dezent übersinnlichen Elementen (Adam hat offensichtlich tatsächlich eine „Gabe“, Menschen zu helfen, mit ihrem „Schmerz“ umzugehen – nennt ihn Sybok). Slick gefilm, gut gespielt, mit pessimistischer Message. Nicht gerade der „go-home-happy“-Rausschmeißer, aber kompetent gearbeitet. (3/5)
Blu-ray
Bildqualität: Schwankend, dem jeweiligen Ausgangsmaterial geschuldet – vom ungeschliffenen Indie-Look von „Some Place Safe“ bis Edel-Hochglanzoptik in „Air“ wird die ganze Bandbreite geboten. Überwiegend wird in 1.85:1-Widescreen gearbeitet. Bitte den Verzicht auf Screenshots zu entschuldigen, ich hab hier immer noch nicht die technischen Möglichkeiten für BR-Screenshots, für die einzelnen Kurzfilme Pics aus dem weiten Netz zusammenzuklauben, war mir ausnahmsweise mal etwas zu aufwendig 🙂
Tonqualität: Deutscher oder englischer Ton in Dolby 5.1. Die deutschen Synchronfassungen sind passabel ausgefallen – lediglich die Kinderdarsteller in „Some Place Safe“ und „Air“ könnten professioneller eingesprochen sein.
Extras: –
Fazit: Auch wenn die sechs vertretenen Filme nicht wirklich einen gemeinsamen Nenner, ein verbindendes Thema oder Motiv haben und von reiner Comedy über Satire bis hin zum düsteren Drama praktisch die komplette dramatische Bandbreite durchackern und die Compilation deswegen nicht wirklich rund wirkt, so bringt sie doch viel gute Unterhaltung zum schmalen Preis. Nicht jeder hat ein Herz für Kurzfilme, aber wer eins hat und dazu noch Bock, eine Vielzahl namhafter und fähiger Schauspieler in schrägen und interessanten Vignetten zu erleben, der kann hier zuschlagen. Nicht irritieren lassen sollte man sich aber vom Titel und der Covergestaltung, die offenkundig versucht, Fans des phantastischen Genres zu ködern; auch wenn einige der Filme mit Genre-Elementen spielen, handelt es sich nicht um „echte“ Fantasy, SF oder Horror.
3/5