Helter Skelter Murders

 
  • Deutscher Titel: Helter Skelter Murders
  • Original-Titel: The Helter Skelter Murders
  •  
  • Regie: Frank Howard
  • Land: USA
  • Jahr: 1970
  • Darsteller:

    Brian Klinknett (Killer), Erica Bigelow (Killer/Angeklagte), Paula Shannon (Killer/Angeklagte), Linda van Compernolle (Killer/Angeklagte), Debbie Duff (Opfer/Starlet), Phyllis Estes (Opfer), Gary Donovan (Opfer), Richard Kaplan (Opfer), Ray Pitts (Opfer), Leah Pringle (Zeugin/Mädchen beim Rockkonzert), Frank Burgess (Zeuge), Dottie Lane(Zeugin/Schauspielerin), John Amaral (Zeuge)


Vorwort

In der Nacht vom 8. auf den 9. August 1969 drangen Angehörige der „Manson-Familie“, einer kultartigen Kommune rund um deren Führer Charles Manson, in ein von Roman Polanski gemietete Anwesen in L.A. ein und ermordeten dort Polanskis hochschwangere Ehefrau Sharon Tate sowie vier dort anwesende Gäste (einen Starfriseur, eine Millionenerbin, die mit Tate befreundet war, einen polnischen Freund Polanskis sowie einen jungen Burschen, der nur den Gärtner besuchte). Mit dieser Tat (und der am nächsten Abend folgenden Ermordung des Ehepaars LoBianco) versuchte Manson, seine Vision vom „Helter Skelter“ in die Tat um zu setzen. Nach Mansons „Lehre“ (die sich u.a. auf das „White Album“ der Beatles bezog, in dem er kodierte Botschaften direkt an ihn und seine Jünger wittert) war ein Krieg der Rassen (schwarz gegen weiß) unausweichlich, aber da selbst das Attentat auf Martin Luther King die Schwarzen nicht ausreichend mobilisiert hatte, wollte Manson nachhelfen – er hoffte, die Tat militanten Schwarzen zuschanzen zu können, die seiner Meinung nach folgerichtigen, sich aufschaukelnden Vergeltungs- und Gegenvergeltungsaktionen sollten den gewünschten Krieg hervorbringen, bis die Überlebenden (nach Mansons Ansicht die Schwarzen) von der Manson-Familie regiert werden könnten.

Nun, es kam nicht ganz so, wie Charlie sich das vorstellte – weder kam es zu dem von ihm gewollten großflächigen Bürgerkriegsszenario noch blieb er selbst ungeschoren. Da eine der am Tate-Mord beteiligten Frauen sich im Knast (da saß sie gerade für einen Autodiebstahl ein) verplapperte, kam die Polizei auf die Spur der Manson-Bande. Manson und die vier Tate-/LoBianco-Killer wurden zum Tod verurteilt, 1972 wurde das Urteil in Folge der in Kalifornien zeitweise ausgesetzten Todesstrafe in lebenslange Haft umgewandelt.

Dennoch markiert die Bluttat für viele Historiker „das Ende der 60er“ mit den Idealen von Liebe & Frieden, zeigten sich doch die dreckigen Hippies endlich als genau die drogenverherrlichende brutalen Schweine, für die das Establishment sie sowieso hielt.


Inhalt

Angesichts Mansons Kontakte zur Musikszene von L.A. (das „Polanski-Haus“ war vorher von Musikproduzent Terry Melcher, Freund des Beach Boy Dennis Wilson, in dessen Haus die Manson-Familie zeitweilig lebte, bewohnt worden) und des prominenten Opfers überrascht es nicht, dass das Thema immer wieder medial ausgebeutet und eben auch als Vorlage für diverse Filme diente. Der erste Streifen, der sich mit den Tate-Morden befasste, stammt sogar schon aus dem Jahre 1970 (und wurde, zumindest dem hier vorliegenden Print nach, 1976 noch nachbearbeitet). Frank Howards „Helter Skelter Murders“, produziert von Entrepreneur/Filmsammler Wade Williams (dem wir auch die Restauration der bekanntesten Ed-Wood-Filme verdanken), versteht sich nicht als Spielfilm, sondern als dokumentarisches „re-enactment“ und behauptete von sich, teilweise an Originalschauplätzen gedreht worden zu sein (im Zuge meiner kurzen Recherche ließ sich diese Behauptung weder stützen noch dementieren).

Howard verzichtet dabei (mit Ausnahme einer Schluss-Titelkarte des Tenors „das können Drogen anrichten“) auf jegliche Wertung, jeden Kommentar, jede Interpretation und – leider – auch auf jegliche Charakterisierung (die Figuren erhalten nicht einmal Namen). Einerseits ist dies zwar dem semi-dokumentarischen Ansatz dienlich, andererseits wäre es halt für den unvorbelasteten Zuschauer schon nicht ganz unwichtig, über die handelnden Personen zumindest den ein oder anderen Brocken an Hintergrundinformation, an Kontext, zu erfahren. Selbst Mansons Philosophie bleibt vage (und, wie noch zu besprechen sein wird, das, was es an seiner großen Vision des Rassenkrieges tatsächlich in den Film schafft, ist schon fast unfreiwillig parodistisch).

Als framing device dient Howard, der darauf Wert legt, ausschließlich öffentlich zugängliche Quellen benutzt zu haben, die Zeugenvernehmung der Gerichtsverhandlung. Er lässt vier Zeugen der Anklage auftreten, deren Aussagen in unterschiedlich langen Segmenten zur fatalen Mordnacht führen. Zunächst darf eine Hippie-Braut den „gesellschaftlichen“ Hintergrund der alternativen Lebensführung im Woodstock-Feeling darlegen, was mit (offenbar) einzig authentischen dokumentarischen Aufnahmen von einem „wilden“ Rockkonzert irgendwo in den Canyons um L.A. erledigt wird – in dieser Sequenz hören wir recht ansprechenden Psychedelic Rock (besorgt von „The Music Machine“-Mastermind Sean Balliwell), während sich für die „Handlung“ rein gar nichts relevantes abspielt. Wir sehen diversen Hippies beim Tanzen, Kiffen, Nacktbaden etc. zu, wobei sich unter die Crowd einige der hiesigen Schauspieler gemischt haben.

Segment Nr. 2 beschreibt das Leben auf der „Spahn Movie Ranch“, die Manson und seiner Kommune nach dem Rauswurf bei Dennis Wilson als Hauptquartier diente. Neben dem Faktum, dass die „Familienmitglieder“ die heruntergekommene Farm zur Freude ihres Besitzers (der sie deshalb gratis dort leben ließ) auf Vordermann brachten – was wir schon in einer Prolog-Sequenz sehen dürfen -, steht natürlich Drogenkonsum und Sex im Mittelpunkt (wobei der dazugehörende Zeuge die Grundzüge der Manson-Philosophie aufführt, wonach alle Frauen „ihm“ – ergo Manson – gehörten. Zwar dürfe sich auch jeder Andere bei diesen Frauen bedienen, doch Sex mit einer von Mansons Frauen bedeutet, dass man(n) dann *auch* Manson gehöre und so zum „Familienmitglied“ werde).

Im dritten Segment stellt uns eine (im Filmsinne) Schauspielerin das Opfer (wie gesagt verwendet Howard wohl aus rechtlichen Gründen keine Namen, die Credits bezeichnen Sharon Tate lediglich als „das Starlet“) und ihren Werdegang in Hollywood vor, wobei diese Sequenz des ansonsten in schwarz-weiß gedrehten Films für einige „Filmszenen“ Tates (wobei mir nicht ganz klar ist, auf welchen Film hier angespielt wird; die historische Ball-Szene, die man uns zeigt, passt auf keinen von Tates „echten“ Filmen – nein, auch nicht auf „Tanz der Vampire“) in schönstem Technicolor präsentiert wird.

Segment Quatro skizziert dann den „Helter Skelter“, also den Aufstand der Schwarzen, der sich in dieser Filmversion so äußert, dass ein paar Black-Panther-Kommandos einen Gemischtwarenladen aufbrechen und dort Snacks, Autoreifen und einen Rasenmäher (!) klauen, anschließend die Wohnstube eines weißen Mütterchens überfallen und dort Tische, Stühle und den Nymphensittich samt Käfig mitgehen lassen. Woah. A reign of terror. Ich weiß nicht, ob ich das als Statement – in welche Richtung auch immer – des Regisseurs werten soll, aber es regt die Lachmuskeln an.

Nachdem wir auch diese Sequenz hinter uns gebracht haben, wird’s ernst – es folgt die „Nachstellung“ der Mordnacht, und nach allem, was ich nachprüfen konnte, hält sich der Film in dieser Phase extrem genau an die tatsächlichen Ereignisse. Hier kommt dem Streifen zugute, dass er komplett mit völlig unbekannten Nasen besetzt wurde, denn jetzt stellt sich tatsächlich ein Gefühl der Authenzität ein, vergleichbar mit den psychologisch härtesten Momenten aus The Last House on the Left. Die Kamera wird zum reinen Beobachter (viele close-ups auf die Gesichter der unbeteiligt wirkenden Killer und der verunsicherten Opfer), die Gewalt wird dagegen überwiegend aus der Totale (oder außerhalb des sichtbaren Bildausschnitts) dargeboten. Diese Kombination schafft – sicherlich unbewusst, nichtsdestoweniger effektiv – eine Atmosphäre der kalten Distanz zwischen Täter und Tat; auch die Ausdruckslosigkeit der Killer-Gesichter, die vermutlich mehr mit dem schauspielerischen Vermögen (bzw. lack thereof) der Darsteller zu tun hat als mit bewusster Regieentscheidung, passt für den Eindruck, es hier mit quasi-gehirngewaschenen Kultisten, die die Tragweite ihrer Taten überhaupt nicht realisieren, zu tun zu haben.

Ebenso spielt die Entscheidung, nur sehr spärlich Dialoge einzusetzen, hier gewinnbringend in die verstörende Wirkung dieses Segments. Wenn gesprochen wird, ist es knapp, beinahe „geschäftsmäßig“ (überhaupt setzt der Film erst nach ca. 50 Minuten mit „richtigen“ Dialogen ein. Bis dahin gibt’s hauptsächlich Monologe/voice-over der Zeugen), wieder distanziert-kühl, ein Eindruck, der auch durch die schwarz-weiß-Fotografie verstärkt wird.

Die Kameraarbeit von Frank Howard selbst ist für die Umstände einer low-budget-Independent-Produktion beachtlich, der Wille zur realistischen, unspekulativen Darstellung der Bluttat (die auch ohne dramaturgische Übersteigerung abscheulich genug ist) bemerkenswert. Die schauspielerischen Leistungen sind kaum zu würdigen – es sind keine großen schauspielerischen Leuchten und quasi niemand, der in diesem Film auftrat, machte irgendeine auch nur achtelwegs bemerkenswerte Karriere, es ist jedoch, wie schon erwähnt, dem dokumentarischen Feeling des Films angemessen, dass die Damen und Herren matter-of-factly agieren (im Rahmen ihrer Möglichkeiten) und niemand versucht (oder auch nur versuchen kann), herauszustechen. Schade nur, dass ausgerechnet die Sharon-Tate-Darstellerin Debbie Duff, dem realen Vorbild nicht unähnlich, wohl die unbegabteste Aktrice des Ensembles ist.

Bildqualität: MiG bringt den Film im originalen 1.33:1-Vollbild. Die Bildqualität ist leicht schwankend – manche Passagen sehen aus wie aus dem Ei gepellt, in anderen gibt’s doch Laufstreifen und leichte Verschmutzungen, insgesamt verdient sich der Print, dessen Schärfe- und Kontrastwerte allemal in Ordnung gehen, ein dickes „Zufriedenstellend“.

Tonqualität: Deutscher und englischer Ton werden in Dolby 2.0 angeboten. Ich habe mich für den O-Ton entschieden, der größtenteils in Ordnung ist. Gerade die Charles-Manson-Zitate (ob sie authentisch sind, weiß ich nicht) sind ein wenig verrauscht, ansonsten ist das aber auch in Ordnung, gerade die Rock-Songs aus dem ersten Filmdrittel sind nicht schlecht abgemischt (die Tonqualität des eingestreuten Original-Charles-Manson-Songs „Mechanical Man“ ist eher bedenklich, aber besseres Audio dieser Aufnahme dürfte Howard nicht zur Verfügung gestanden haben).

Extras: Leider nichts. Ein wenig Begleitmaterial, dass den Hauptfilm in einen gewissen Kontext setzt, wäre schön gewesen. Ich respektiere durchaus Frank Howards ursprüngliches Anliegen, nur die bekannten Fakten darzustellen (mal mit Ausnahme der charmant verunglückten „Helter Skelter“-Sequenz), mit fast 40 Jahren „hindsight“ wäre es aber ein feiner Zug gewesen, zumindest mit ein paar erläuternden Texten „Leben und Werk“ von Manson, seine Anziehungskraft auf „formbare“ junge Leute, näher zu beleuchten. Muss man halt doch selber in der Wikipedia nachschlagen…

Fazit: Interessante Sache – speziell unter dem Gesichtspunkt, dass „The Helter Skelter Murders“ streng genommen ein ziemlicher Schnellschuss war, verblüfft der Film sowohl durch seine Faktenbasiertheit (soweit das heute überhaupt noch überprüfbar ist, denn die einzigen Aussagen zum Tathergang stammen nunmal von den Tätern selbst) als auch die durch die Umstände low budget/unbekannte Schauspieler/beschränkte technische Möglichkeiten unbewusst erzeugte Authenzität in der entscheidenden Sequenz. Ob der Verzicht auf Wertung, Kontextsetzung, Interpretation der Ereignisse positiv oder negativ gesehen wird, ist Geschmacksfrage. Der Film an sich wirkt auch in dieser „nackten“ Version recht eindringlich (speziell eben die letzte halbe Stunde), aber man sollte zumindest rudimentäre Kenntnisse über Manson und seinen Kult haben, sonst steht man als Zuschauer ziemlich auf dem Schlauch. Dennoch: ein mit Ausnahme der „Helter Skelter“-Passage bemerkenswerter früher Vertreter des true-crime-Films, der für Genre-Fans mehr als nur einen Blick wert ist.

3,5/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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