Hellraiser: Inferno

 
  • Deutscher Titel: Hellraiser: Inferno
  • Original-Titel: Hellraiser: Inferno
  • Alternative Titel: Hellraiser V: Inferno |
  • Regie: Scott Derrickson
  • Land: USA
  • Jahr: 2000
  • Darsteller:

    Craig Sheffer (Det. Joseph Thorne), Nicholas Turturro (Det. Tony Nenonen), James Remar (Dr. Paul Gregory), Doug Bradley (Pinhead), Nicholas Sadler (Bernie), Noelle Evans (Melanie Thorne), Lindsay Taylor (Chloe), Matt George (Leon Gaultier), Michael Shamus Wiles (Mr. Parmagi), Sasha Barrese (Daphne Sharp), Carmen Argenziano (Captain), Christopher Kriesa (Older Detective)


Vorwort

Joseph Thorne hält sich – nicht ganz zu Unrecht – für einen begnadeten Rätsellöser, weswegen er auch Cop geworden ist. Abgesehen davon ist er aber auch ein ordentliches Arschloch, das sich nur ab und zu bei Weib und Kind sehen lässt und lieber Nutten poppt. Mit seinem Kollegen Tony Nenonen wird er an den Tatort eines besonders garstigen Mordes gerufen – das Opfer erweckt den Eindruck, als wäre es mit Haken und Ketten auseinandergerissen worden. Während unsereins natürlich weiß, wohin der Hase läuft, tappen die Ordnungshüter erst mal in tiefster intellektueller Finsterinis. Drei Dinge fallen Thorne auf – erstens: das Opfer ist ein entfernter Bekannter seinerseits, zweitens wird am Tatort eine ominöse Puzzlebox entdeckt und drittens – als Zugabe hat der Killer den abgetrennten Finger eines Kindes entdeckt, und so wie’s aussieht, war das Kind noch am Leben, als der irre Mörder sein Hackebeilchen angesetzt hat.

Thorne weiß, dass er im Leben nicht immer alles richtig gemacht hat, aber eins steht für ihn fest – sollte das Kind noch leben, wird er es retten. Aber zunächst mal schiebt er eine kleine Nummer mit einer Dame des horizontalen Gewerbes. Postkoital schiebt er seinen Kadaver ins Badezimmer und stellt fest – auf Nuttchens Kosmetiktisch steht eine Puzzlebox wie die vom Tatort. Joseph spielt daran herum, sie öffnet sich, und unser tapferer Cop wird sofort von unerklärlichen Visionen heimgesucht, die ihn bis zurück in die eigene Kindheit führen.

Wenig später werden Thorne und Nenonen erneut an einen Tatort gerufen – dummerweise, für Thorne, das Apartment seiner letzten Bettgefährtin, und selbige hängt ziemlich übel zugerichtet tot in Ketten in der Badewanne. Und einen Kinderfinger hat der Mörder auch wieder zurückgelassen – hier ist also ein Serientäter am Werke und die Umstände sind nicht unbedingt super für Thorne. Sein Chef hält ihn sowieso für latent irre und drängt ihm eine Beratung beim Abteilungspsychologen Gregory auf.

Ein Informant bringt Thorne auf die Spur des mysteriösen „Engineers“, einer Art düsteren Legende unter Ganoven, der im Besitz der Puzzlebox gewesen sein soll. Fingerabdrücke auf der sichergestellten Box führen ihn zudem zu einem Tattoo- und Piercingkünstler, der ein bisschen über die Legende der Box, die ihm mal gehörte, aber geklaut wurde, weiß. Auch Gregory hat vom „Engineer“ gehört und hält ihn für eine real existierende Person. Dann wird Thorne ein Video zugespielt, das die brutale Ermordung seines Informanten durch einen gesichtslosen Killer zeigt. Als Thorne das Video seinen Kollegen zeigen will, ist das Band aber leer – ohne Anzeichen, das jemals was drauf war. Der Informant wird aber exakt so wie von Thorne beschrieben aufgefunden, und auch ein Kinderfinger findet sich wieder an.

Thorne muss sich mit einer Tatsache anfreunden, die Tony und sein Chef schon länger erwägen – die Verbindung zwischen den Morden ist er selbst und das bringt auch seine Familie in Gefahr…


Inhalt

Wie ihr der obigen Inhaltszusammenfassung schon entnommen habt, ist „Inferno“ nicht your by-the-numbers Hellraiser movie. Was daran liegt, dass Dimension Films, Disneys Label für Genre-Ware, in dessen Besitzstand das Franchise nach dem Erwerb von Miramax gerutscht war, für das erste DTV-Sequel die Mühe, ein eigenes, originäres Script zu kommissionieren, zu viel war und man statt dessen ein in der Schublade liegendes cenobiten-freies Drehbuch mit ein paar Federstrichen in das neueste Kapitel der Pinhead-Saga umarbeitete.

Sowas geht nicht immer gut, aber im Falle von „Inferno“ erwies sich das Vorgehen als durchaus gewinnbringend, denn es erlaubte Regisseur Scott Derrickson (der jüngst für Marvel „Doctor Strange“ schrob und inszenierte) sich der Thematik mal von einer strukturell anderen Seite anzunähern und das Problem, dass Pinhead, entgegen jeglicher ursprünglichen Konzeption von Clive Barker, mittlerweile so etwas wie ein Hardcore-Freddy Krueger geworden war, zu umgehen, und das brachte tatsächlich frischen Wind in ein Franchise, das sich in seinen ersten vier Kapiteln für meine Begriffe zu sehr auf seine groteske Schock- und Ekelimagery verlassen hatte. „Inferno“ erzählt zu allgemeiner Überraschung eine *Geschichte*.

„Inferno“ nähert sich dem Schrecken über das Format des Polizei-/Detektivermittlungsfilms an. Wüssten wir nicht, dass wir uns im fünften Hellraiser-Film befinden, wir könnten glauben, es mit einem „gewöhnlichen“ Serienkillerfilm zu tun zu haben, der durch das Puzzleboxmotiv einen okkulte(ren) Einschlag hat. Die Einführung eines mysteriösen Superschurken a la Keyser Soze mit dem „Engineer“ bringt das Mystery ordentlich in Schwung und die Visionen – die einzigen Auftritte von Cenobiten bis zum Finale -, unter denen Thorne leidet, machen klar, dass er mit dem Fall persönlich mehr zu tun hat als er glaubt. Das allein ist schon ein tragfähiges Konzept und erlaubt diverse bizarre set pieces (wie Thorns Ermittlungen in einem seltsamen Spiel-Salon, in dem alle Gambler als Cowboys rumlaufen) und auch kleinere, aber einprägsame FX-Sequenzen (wenn die Tattoos der „sexy“ Cenobiten-Ledergirls-Zwillinge, die der Tattoo-/Piercingkünstler auf dem Rücken trägt, für Thorne lebendig werden).

Je weiter Thorne in die Mysterien des Falles vordringt (ohne wirklich schlauer daraus zu werden), desto mehr verbiegt Derrickson die Regeln der Realität, bis „Inferno“ im Schlussakt unzweifelhaft und vollständig im puren „mindfuck“-Territorium angekommen ist, Zeit und Raum endgültig zum Spielball der bösen Mächte, denen Thorne ausgesetzt ist, werden – das ist dann auch die Phase des Films, in der Pinhead seinen (quantitativ trotzdem sehr limitierten) Einsatz feiern darf und hier auch vom Charakter her – und das ist der Schwachpunkt des Films, so weit er sich in den Gesamtkontext des Franchise einzupassen hat – gegenüber seinen vorigen Inkarnationen *anders* ist (SPOILER VORAN).

Pinhead nimmt in „Inferno“ die Position einer amoralischen Richtinstanz ein, die über das Schicksal von Thorns Seele (um die es letztlich geht) entscheidet – bzw. die Entscheidung umsetzt, die Thorne für sich selbst getroffen hat. Es ist eine interessante Umkonzeptionierung des Charakters, aber halt auch diametral entgegengesetzt zu Pinheads etabliertem Verhalten. Die ersten vier Filme hatten eindeutig klargestellt, dass es das Ziel der Cenobiten ist, durch Verführung durch Lust und/oder Schmerz die Seelen ihrer Opfer in ihr Reich, ihre „Hölle“ zu ziehen. Pinhead und seine Freunde SIND, so der bisherige Kanon der Reihe, das Böse und nicht Justitia, die die Waagschale hält. Hier macht sich dann doch bemerkbar, dass „Inferno“ ein standalone-Drehbuch zu Grunde liegt, dessen Antagonist hastig zu Pinhead gemacht wurde. Das ist aber sicher ein Punkt, der primär für ganz harte Pinhead-Jünger schwer zu schlucken ist, mir persönlich gefällt diese Interpretation ganz gut und Doug Bradley setzt sie auch absolut adäquat um (und angesichts des kolportierten Umstands, dass Derrickson sich als praktizierender Christ versteht, liegt diese Variation für den Regisseur verständlicherweise wohl recht nahe).

Von der Regieseite her beweist Derrickson, dass das Manipulieren von Realitäten schon immer eine seiner Stärke war – auch wenn „Inferno“ keinen großen Batzen Geld gekostet hat, visuell ist der Streifen erste Sahne und das Vexierspiel der Dimensionen und Realitäten hat Derrickson meisterhaft im Griff.

Sogar meiner alten Nemesis, Craig Sheffer, kann ich nicht wirklich böse sein, denn die Rolle des von sich selbst überzeugten, aber bestenfalls zweifelhaftem Cop liegt ihm – es ist eine der besten Vorstellungen, die ich von ihm gesehen habe (ob’s seine film-noir’sche voice-over-narration gebraucht hätte, ist eine Frage, auf die ich noch keine endgültige Antwort gefunden habe). Nick Turturro als Tony Nenonen hat nicht wirklich viel zu tun, ist aber sympathisch, James Remar ist in seinen drei Szene als Gregory durchaus überzeugend, aber primär ist das die Craig-Sheffer-Show.

In Sachen Gore ist „Inferno“ im Vergleich zu den Vorgängern deutlich zurückhaltender (da Thorn meist nur die bereits angerichtete schöne Bescherung entdeckt), dafür rückt der Film die Verbindung „Schmerz/Sex“ wieder etwas stärker in den Fokus und findet mit Kälte/Schnee eine im Serienkontext neue Metapher für das Eindringen des Bösen (und einen kleinen Verweis auf das Original erlaubt sich Derrickson auch. Matratze…).

Insgesamt ist „Inferno“ ein ansprechendes Sequel – beim fünften Teil eines Franchise erwartet man im Allgemeinen keine Innovationen, aber die vermeintliche Studio-Sparmaßnahme, ein existierendes Script zum Hellraiser-Sequel zu konvertieren, findet „Inferno“ tatsächlich einen neuen, originellen Zugang zum Universum der Cenobiten. Das ist aus den geschilderten Gründen sicher nicht völlig geglückt, ergibt aber einen sehr unterhaltsamen, spannenden Film.


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


mm
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Maddin
Maddin
23. Januar 2021 1:44

Die Cenobiten sind in den ersten beiden Filmen vieles, aber bestimmt nicht „das Böse“.
Sie sind NICHT die Antagonisten- diese Rolle fällt Frank bzw. auch Julia zu.