Hellraiser: Bloodline

 
  • Deutscher Titel: Hellraiser: Bloodline
  • Original-Titel: Hellraiser: Bloodline
  • Alternative Titel: Hellraiser IV: Bloodline |
  • Regie: Kevin Yagher (als Alan Smithee)
  • Land: USA
  • Jahr: 1996
  • Darsteller:

    Bruce Ramsay (Phillip L’Merchant, John Merchant, Dr. Paul Merchant), Valentina Vargas (Angelique, Peasant Girl), Doug Bradley (Pinhead), Charlotte Chatton (Genevieve L’Merchant), Adam Scott (Jacques), Kim Myers (Bobbi Merchant), Mickey Cottrell (Duc de L’Isle), Louis Turenne (Auguste), Courtland Mead (Jack Merchant), Christine Harnos (Rimmer)


Vorwort

Im 22. Jahrhundert – die wichtigste Raumstation hat sich mitsamt ihrem Erfinder Paul Merchant selbständig gemacht. Ein Enterkommando findet Merchant alleine auf der Station und scheinbar mental ziemlich ausgeklinkt, faselt er doch von einer Aufgabe, die er dringlich zu erfüllen habe und die man ihn gefälligst machen lassen soll. Immerhin – Verhörspezialistin Rimmer ist geneigt, sich seine Geschichte anzuhören.

Sie beginnt im 18. Jahrhundert mit der Entwicklung einer gewissen ominösen Puzzlebox durch seinen Ur-Ahnen Phillip. Das Kästchen hat er nach den Anweisungen des Duc de L’Isle, einem praktizierenden Schwarzmagier, entwickelt. Als er das Kästchen abliefert, hat der Duc mit seinem Assistenten gerade ein Bauernmädchen gehäutet und die Box kommt just-in-time, damit er einen Dämonen beschwören und in die Haut der Getöteten schlüpfen lassen kann. Phillip wird durch ein Fenster schockierter Augenzeuge des Rituals. In der Erkenntnis, einen Riesenfehler gemacht zu haben, versucht Phillip eine Maschine zu konstruieren, die die Fähigkeiten der Box – ein Tor zur Hölle zu schaffen – umkehrt. Doch dafür benötigt er die Puzzlebox selbst. Er bricht ins Schloß ein und entdeckt, dass der Duc bereits hinüber und Jacques der Dämonin Angelique hörig geworden ist (selbstverständlich aber glaubt, alles im Griff zu haben). Phillip beißt beim Versuch, sich die Box anzueignen, ins Gras und muss sich sterbend auch noch anhören, dass seine „Blutlinie“ bis in alle Ewigkeiten verflucht sei.

Zweihundert Jahre später leidet John Merchant tatsächlich unter allerlei bösen Alpträumen rund um die Puzzlebox. Als Architekt täglich bastelt er unter dem Einfluss der bösen Mächte eine Art gigantische Ausgabe der Box, in der Lage, einen permanente Durchgang zur Hölle herzustellen. Angelique, immer noch fröhlich am Rumdämonisieren, setzt – nachdem sie sich des lästigen Jacques endlich entledigt hat – ihre Reize ein, um John anzutreiben. Die kleine Original-Box, die in das Fundament des Gebäudes eingearbeitet ist, bringt Pinhead in unsere Welt, und der macht Angelique klar, dass er von ihren Methoden, die Sterblichen durch erotische Verführung gefügig zu machen, nix hält. Schmerz und Leid, so Pinheads Berufserfahrung, sind viel stärkere Motivatoren, und da hätte John z.B. Weib und Kind zu bieten. John versucht indes, aus den Plänen seines Urahns schlau zu werden und die Maschine zu konstruieren, die die Dämonen endgültig zurück zur Hölle schickt. Es gelingt ihm zwar, das Leben seines Sohnes zu retten (und damit die Blutlinie zu erhalten), aber das Endziel, den Verschluss des Tors zur Hölle, erreicht er nicht.

Das, erklärt Paul Merchant der verblüfften Rimmer, versucht er nun grad zu bewerkstelligen. Pinhead herbeizubeschwören, um ihn endgültig zu vernichten, hat er bereits geschafft. Das wiederum ist persönliches Pech für den Rest des Prisenkommandos…


Inhalt

„Hellraiser“ ist irgendwie ein komisches Franchise. Das ist, zugegeben, erst mal nur meine Meinung und sicherlich primär dem Umstand geschuldet, dass ich Clive Barker für maßlos überschätzt halte – wenn überhaupt, liegt seine literarische Stärke auf der Kurzstrecke und auch der Original-Hellraiser hatte, wenn man ehrlich ist, Ideen, die eigentlich nur für eine Kurzgeschichte reichen. Okay, er hat ein Händchen für eindrucksvolle, memorabel-groteske Imagery und schuf mit Pinhead einen ikonischen Charakter, der eigentlich unbeabsichtigt zum Centerpiece des Franchises mit seinen drölfzig Sequels wurde und Doug Bradley zum Horror-Star machte (auf das Gedöns um seinen „Rauswurf“ aus dem Franchise, den öffentlichen Aufschrei und die ausgesprochen feindselige Reaktion Barkers selbst auf diese Personalentscheidung will ich hier mal nicht eingehen – wir sind ja erst bei Teil IV).

„Bloodline“ sollte eigentlich nach dem Willen des produzierenden Studios Miramax, damals gerade in den Schoß des Disney-Imperiums einverleibt worden, der Abschluss der Saga werden. Der Film spielte aber bei einem 4-Mio-Dollar-Budget noch genug Knete ein, um weitere Sequels auf DTV-Basis rentabel erscheinen zu lassen. Pinhead mag gegenüber anderen modernen Horror-Ikonen wie Freddy, Michael oder Jason den Vorteil haben, kein 08/15-Slasher zu sein, sondern eine richtige Philosophie des Schmerzes zu vertreten, aber eins ist den anderen nie passiert – ihren Studios mochte der Erfolg manchmal peinlich sein, aber sie brachten ihre Filme immer noch ins Kino…

Nun, die Produktion von „Bloodline“ stand unter keinem guten Stern. FX-Mann Kevin Yagher auf dem Regiestuhl wollte die Sache extrem gory machen, gleichzeitig aber die Mythologie hinter der ganzen Cenobiten-Mär aufdröseln (kurioserweise fällt in der Endfassung die Vokabel „Cenobit“ genau nullmal – es ist immer nur von Dämonen die Rede). Miramax bestand aber auf Rewrites, weniger Gore und einen früheren Einstieg von Pinhead (nach Yaghers Willen sollte der erst um Halbzeit rum seine Nägel zeigen), bis es Yagher zu bunt wurde, er die Brocken hinwarf und seinen Namen zurückzog, weswegen „Bloodline“ zum stolzen Pantheon der Alan-Smithee-Filme gehört. Miramax verpflichtete Joe Chappelle, der parallel für das Studio an „Halloween: The Curse of Michael Myers“ werkelte, der aus dem SF-Zukunfts-Part eine Rahmenhandlung baute und ansonsten versuchte zu retten, was zu retten ist (ironischerweise wurde Chappelles ursprüngliche Vision von „Curse of Michael Myers“ vom gleichen Studio gegenteilig verunstaltet – dort wollte man MEHR Gore von ihm haben. Man muss Studiobosse nicht verstehen).

Das Resultat stellt dann natürlich keinen richtig zufrieden – dem Gorehound wird das Gesplattere nicht zahlreich und nicht eklig genug sein (obschon ich der festen Überzeugung anhänge, dass die Menge an Gore keinerlei Zusammenhang zur Qualität des Films aufweist) und anstelle einer Erklärung der Cenobiten-Mythologie gibt’s eine Origin-Story mit vagen Verweisen auf die dahinter stehende Philosophie. Doug Bradley darf als Pinhead zwar einige bedeutungsvolle Monologe über die Gravitas von Schmerz und Verlust als Antrieb zur „dunklen Seite“ halten, aber wie genau das nun mit den Cenobiten/Dämonen funktioniert, welche Rolle sie im kosmischen Gesamtzusammenhang spielen und nach welchen Regeln ihr Universum funktioniert, dahingehend sind wir nach „Bloodline“ genauso schlau wie vorher – und wer vielleicht das Pech hatte, ohne Hellraiser-Vorkenntnisse in den Film zu stolpern, der wird davor stehen wie der Ochs vorm Berg und vermutlich nach fünfzehn Minuten kapitulieren, weil er nichts verstehen wird.

Inhaltlich ist die ganze Chose also für’n Eimer, obwohl die Ambition ursprünglich sicherlich da war, aber wie meistens, wenn Studios ihre Kreativköppe aus vermeintlich wirtschaftlichen Gründen überstimmen, leidet am Ende der Film.

Visuell… geht’s so. Die CGI-Weltraumeffekte sind natürlich aus heutiger Sicht eher peinlich (zumal es um die Zeit eh eine Punchline war, dass Horrorfranchises in den Weltraum gehen, um zu sterben. Critters, Friday, Leprechaun… aber zumindest der irische Kobold zog dann noch für zwei Folgen ins schwarze Ghetto). Richtig gute CGI war um 1996 eben noch richtig teuer, und bei einem 4-Mio-Budget kann man sich vorstellen, wie das Resultat aussieht – wahlweise wie Demo-Footage für „Babylon 5“ oder ein etwas besseres Videospiel aus der Ära (lustigerweise ist einer der CGI-Animatoren, Scott Coulter, heute gern mal bei Asylum beschäftigt). Die Splattereffekte sind rüde, bieten dem geneigten Franchise-Fan aber auch wenig wirklich neues – es wird halt wieder mit Ketten und Haken amtiert. Pinheads Kuschel-Schoßtierchen „Beast“ und die aus zwei arglosen Security-Guards gedrechselten Cenobiten-Zwillinge sind immerhin halbwegs memorable Neuzugänge.

Am stimmungsvollsten ist die 18.-Jahrhundert-Episode, die 1996-Episode ist wirr und stellenweise nicht mehr nachvollziehbar, und bei der Weltraumepisode konstatieren wir – egal, ob’s nun außerirdische Monster oder Dämonen aus dem letzten Winkel der Hölle sind – wenn irgendwelche Kreaturen Astronauten durch dunkle Raumschiff-Korridore verfolgen, erinnert uns unser Brägen an „Alien“ und daran, dass das Thema dort eigentlich umfassend abgearbeitet war und alles andere nur Abklatsch ist.

Auf Darstellerseite leidet der Film unter einer arg blassen Performance von Bruce Ramsey, der alle drei Merchant-Inkarnationen spielt (und in seiner Paul-Merchant-Variante Billy Zane zu channeln scheint. Gibt bessere Vorbilder). Doug Bradley ist gewohnt gut und präsent, Valentina Vargas als sexy Dämonin Angelique auch adäquat, obschon der Film die starke SM-Prägung der ersten drei Teile deutlich abmildert (da wollte man the House of the Mouse dann wohl doch etwas entgegenkomen). Kim Myers als Ehefrau Bobbi Merchant und ganz besonders Courtland Mead als Sohnemann Jack (wie Kollege Unshaved Mouse so schön sagt: a fine young gentleman doing his best) sind ziemliche Ausfälle.

Immerhin hat „Bloodline“ trotz gewisser Konfusion und des nicht immer getroffenen richtigen Härtegrads noch genügend Energie, um recht flott über seine 85 Minuten Laufzeit zu kommen. Das macht den Streifen nicht zu einem guten Film, aber zumindest zu einem, der einigermaßen unbeschwert zu konsumieren ist. Er beantwortet nicht, wie er es einmal versprach, die Fragen, die wir zum Mythos haben und trägt letztlich auch nichts wirklich neues bei, aber immerhin ist es noch ein Original-„Hellraiser“ und nicht ein x-beliebiges Horrorscript, in das man zur Erbauung des Publikums und zur Füllung des Produzentengeldsäckels ein paar Pinhead-Minuten reingeschrieben hat, wie es dem Franchise in der Folge öfter passieren sollte. Dennoch: eher einer für die Fans.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 5


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