Heartless – Orchideen für eine Leiche

 
  • Deutscher Titel: Heartless - Orchideen für eine Leiche
  • Original-Titel: Heartless
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  • Regie: Judith Vogelsang
  • Land: USA
  • Jahr: 1997
  • Darsteller:

    Mädchen Amick (Ann „Annie“ O’Keefe), David Packer (Deputy Johnny Drummond), Tom Schanley (Alexander Hawks), Louise Fletcher (Lydia McGuffy), Pamela Bellwood (Jennifer Chadway), Monique Parent (Suzanne Hawks), Rusty Schwimmer (Connie), Emily Kuroda (Dr. Alice Moriaski), Bo Svenson (Sheriff Sam)


Vorwort

Eine one night stand kann Folgen haben – und manchmal fatale… das muss auch Suzanne Hawks, fremdgehende Ehefrau des Elite-Winzers Alexander Hawks, schmerzlich erfahren, als sie in ihrer Hotelsuite nach feuriger Nacht per Kopfschuss hingerichtet wird. Wenigstens war Suzie Organspenderin und so kommt ihr Herz gewinnbringend bei der vor sich hinsiechenden Annie O’Keefe zum Einsatz. Die schüchterne Brillenschlange, in die seltsamerweise Deputy-Sheriff Johnny schwer verliebt ist, wird allerdings post-operativ von Alpträumen geplagt, und zwar nicht von irgendwelchen, sondern von solchen aus der Mordnacht. Das bringt ihr empfindliches Seelenleben soweit durcheinander, dass sie Johnny die bereits fest zugesagte Eheschließung aufkündigt und, nachdem sie wissenschaftlich ermittelt hat, wem genau sie ihre neue Pumpe verdankt, nach L.A. zieht und sich dort unter dem Vorwand, eine von Suzies Freundinnen zu sein, bei deren Schwester Jennifer dauerhaft einquartiert. Nach einem ersten Zusammentreffen unter eher unglücklichen Vorzeichen fliegen auf einer von Alexander Hawks organisierten Party die Funken – der Witwer verknallt sich in Annie, die mittlerweile die Brille längst ausrangiert hat, zu Suzies Ehren erblondet ist und sich auch aus dem bei ihrer Schwester gelagerten Klamottenfundus der Verblichenen bedient. Johnny und ihre Tante Lydia versuchen verzweifelt, ihr das Einschleichen in den Jet-Set auszureden, zumal sie Alex auch nicht gestehen will, wessen Herz in ihrer Brust schlägt. Jennifer überrascht mit unerwarteten Eifersuchtsanfällen, da sich sich nach Suzies Ableben selbst Hoffnungen auf die vakante Position an Alex‘ Seite ausgerechnet hat und für Johnny ist Alex ob einer 5-Millionen-Dollar-Lebensversicherung eh Top-Verdächtiger Numero Uno bezüglich des gewaltsamen Todes seiner Ehefrau. Nach einem betrunkenen Verzweiflungsanruft bei Annie wird Jennifer tot aufgefunden. Selbstmord aufgrund unerfüllter Liebe oder hat der Killer ein zweites Mal zugeschlagen?


Inhalt

Es musste ja eigentlich so kommen – nachdem der erste Film aus Laser Paradises „Don’t Trust Anyone“-Box (Teuflische Begegnung, für die Leute mit Kurzzeitgedächtnis) sich wider Erwarten als passabler Mittelklassethriller entpuppt hatte, musste Film Nummer 2 ja geradezu folgerichtig ein Schuss in den Ofen sein. Was aber zugegeben auch an mir liegen kann bzw. daran, dass ich mal wieder absolut nicht die angedachte Zielgruppe bin. „Heartless“ ist nämlich ein Vertreter des von mir durchaus beabsichtigt despektierlich „Hausfrauenthriller“ genannten Subgenres, und dann auch noch für’s Fernsehen entstanden. Kein Wunder, dass ich nach allerspätestens zehn Minuten ernsthaft überlegte, ob ich wirklich eine DVD eingelegt hatte oder doch nur versehentlich statt des AV-Knopfs auf der Fernbedienung Sat.1 und den „Großen TV-Roman der Woche“ eingeschaltet hatte.

Was Regisseurin Judith Vogelsang nach einem Script von Lesli J. Lehr hier nämlich vorlegt, ist mal wieder Kost für diejenigen, die von Mary-Higgins-Clark-Romanen Herzrasen bekommen und von „Falcon Crest“ oder ähnlichen weekly soaps intellektuell überfordert sind. Ergo – eine Mischung aus Telenovela-Mädchen-aus-einfachen-Verhältnissen-kommt-in-die-High-Society-und-verliebt-sich-in-den-reichen-Kerl-Märchen, ein paar halbseidenen Krimi-Elementen, an die sich der Film nur erinnert, wenn dem Love-Story-Plot die Puste noch heftiger ausgeht als eh schon, ein wenig Werbetrommelrühren für Organspende (inklusive Mitfühl-Taschentuch-Moment, wenn Annies dicke Krankenhausfreundin trotz frisch eingepflanztem Herzschrittmacher den Löffel reicht) und dem offenkundig aufgesetzten „übernatürlichen“ Mumpitz um die durch die Herztransplantation geerbten Nachtmahren und Visionen (ein Motiv, das spätestens seit „Orlacs Hände“ einen Bart hinter sich her schleift, aus dem man einen Teppich für ein Fußballstadion weben könnte) – jo, wir haben’s hier mit einem Film für Frau-, äh, Leute, die sonst nur „Frau im Spiegel“ und „die aktuelle“ lesen zu tun und mithin sogar mit einem solchen, gegen den sich langweilige Plombenzieher wie Almost Dead oder Dead on Sight wie nervenzerfetzende Superthriller spielen. Aber was will man von einer Drehbuchautorin erwarten, deren sonstige „Filmkarriere“ sich aus zwei lausigen „production coordinator“-Credits (für „Barfly“ und den Prince-Konzertfilm „Sign O‘ The Times“) zusammensetzt und ihre Miete sonst mit sicherlich hochgradig unterhaltsamen Ratgebern für junge Mütter (wie „Club Mom“ oder „Nesting: Lifestyle Inspirations for Your Growing Family“… jessas… was kommt als nächstes? Franz J. Wagner schreibt den neuen Tarantino?) verdient. Lehr (und konsequenterweise Regisseurin Vogelsang) zelebrieren jedes Klischee, das einem Unkreativbolzen auch nur ansatzweise passend erscheint, und das auf die denkbar hölzernste Machart und mit Dialogen, die oft genug jenseits der Schmerzgrenze aufschlagen und den gestressten Rezensenten wehmütig daran erinnern, dass er sich eigentlich auch gleich mit der Freundin „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“ ankucken hätte können, da wären die Dialoge sogar besser und der Spaß wäre nach ’ner halben Stunde vorbei und würde sich nicht über einhundert endlose Minuten quälen. Wo der Streifen nicht von besseren (ich benutze dieses Adjektiv sehr ungern) Filmen wie „Pretty Woman“ klaut (wenn Annie Alex‘ Reichtum „genießen“ darf und in der Stretchlimo aus dem offenen Schiebedach rauskuckt, während über die Boulevards flaniert wird, und andererseits dem reichen Schnösel die Freuden des Hot Dog-Essens näherbringen will), ergeht er sich in endlosen, uninspirierten Dialogsequenzen ohne Höhepunkte, und krankt insgesamt an einem Erzählrhythmus, gegen den ein trocknender Farbeimer einen richtig spannenden Eindruck hinterlässt. Bis Annie endlich mal Alex kennengelernt hat, ist eine dreiviertel Stunde vorbei und zur Thrillerhandlung kommen wir, nachdem wir den kläglichen Balzritualen des Edelweinbauern und der jungfräulichen Herzkranken beiwohnen „durften“, so gut 20 Minuten vor Toresschluss wieder zurück. Sollte also ein leichtfertiger Erwerber (oder Entleiher) der, ähm, „vielversprechenden“ Idee einer von der vormaligen Herzbesitzerin „besessenen“ Organempfängerin angelockt worden sein, kann er den Mittelpart geflissentlich überspringen – hier tut sich für das Verständnis der Story schlichtweg überhaupt nichts, es werden keine Hinweise versteckt, es ist einfach jämmerlich (und dass der Streifen sich einen selten dämlichen „Twist“ aus dem Hintern zieht, um wenigstens *etwas* Überraschendes bieten zu können, ist dann so überraschend auch nicht mehr. Ist ja nicht so, als hätten wir letztlich eine großartige Auswahl an Verdächtigen). Ernstliche Charakterentwicklung ist nicht zu vermelden – nach der Operation wird aus der schüchternen Hilfsbibliothekarin in nullkommanix eine unsympathische Nervkuh, die es sehr wunderlich erscheinen lässt, dass Johnny tatsächlich noch was von ihr wissen will (ich würde sie hurtig in den Wind schießen), Alex versucht das Script mit zwei-drei hingemurksten Klimmzügen eine Motivation für den Mord unterzuschieben, Johnny ist ein doofer Blödmann, den ich an Annies Stelle auch abservieren würde (hm, das ist ein Rekord, glaube ich – als keiner der beiden würde ich mit dem jeweils anderen was anfangen wollen), und über Tante Lydia und ihre „geht’s-dir-gut“-Sprüche verliere ich keine weiteren Worte (aber, hey, im Schlussakt legt die Olle eiskalt jemanden um…). Und für die Frechheit des deutschen Klappentexters, der nach Kräften so tut, als wäre „Heartless“ eine Art aufgepäppeltes „Vertigo“-Remake, sollte der fette Hitchcock noch mal aus seinem Grab klettern und dem Schreiberling kräftig ins Gesicht furzen. Für den Anfang.

Geradezu verkommen ist allerdings, und da muss ich noch mal draufknüppeln, die Moral des Films, die schlicht und ergreifend darauf hinausläuft, dass man als „Mädchen aus einfachen Verhältnissen“ gar nicht erst auf die Idee kommen sollte, sich mit „den Reichen“ einzulassen, denn da kann nix gutes bei ‚rauskommen, oder, ganz vereinfacht gesagt, man heiratet gefälligst im gleichen Stand, die Kasten haben unter sich zu bleiben. Es mag für die üblichen Konsumenten von daily soaps, Telenovelas und „TV-Romanen“ durchaus ein heilsamer Schock sein, dass hier mal nicht das arme Aschenputtel am Ende in die Arme des reichen Prinzen fallen darf, dennoch ist das eine von Standesdünkel geprägte Botschaft, die speziell ob der amerikanischen Herkunft (und des „Tellerwäscher-Millionär“-Szenarios, das man ja immer wieder auf’s Papier bringt, wenn’s um die Aufstiegschancen geht) verwundert (der Film versucht, seine recht reaktionäre Botschaft dadurch zu relativieren, dass er „die Reichen“ durch die Bank als latent kriminelles Gesindel, das seinen Reichtum zur Vorteilsnahme bei Polizek und Politik verwendet. Macht die Sache auch nicht wirklich besser).

Filmisch serviert uns Frau Vogelsang, die in den 80ern einige Folgen von „Simon & Simon“ inszenierte und die Welt inzwischen mit ökologisch bewussten Kurz- und Dokumentarfilmen zu umweltfreundlichem Verhalten belehrt, ungefähr das, was man von einem ambitionslosen TV-Film, der sich an ein hauptsächlich weibliches und romantisch orientiertes Publikum richtet, erwarten darf – hübsche Menschen, nettes Ambiente, schicke Klamotten, bieder in Szene gesetzt und ohne jeglichen Sinn für Dramaturgie heruntergerasselt. Stevan Larner, ein Veteran hinter der Kamera, der immerhin Terrence Malicks „Badlands“ und den TV-Straßenfeger „Fackeln im Sturm“ fotografierte, gibt sich nicht die geringste Mühe, den Streifen visuell interessant zu gestalten, der gleichfalls routinierte Cutter Bob Wyman („Flucht ins 23. Jahrhundert“, „Rosemaries Baby“, „Police Academy 2“) liefert auch einen uninspirierten Auftragsjob ab. Nichts soll die Zuschauerin überfordern, maximal die nach der Stoppuhr über den Film verteilten „Alptraum“-Sequenzen, in denen – huchelchen und hachelchen – sogar nackte Haut gezeigt wird (so aufgesetzt, wie diese Szenen wirken, täte ich mich nicht mal wundern, wenn die in der ursprünglichen Fernsehausstrahlung gar nicht – oder nur „entschärft“ – drin gewesen wären) müffeln ein wenig danach, als läge den Machern ernsthaft daran, dem Publkum etwas Unterhaltsames und nicht nur Einschläferndes vorzusetzen. Bis zu den letzte 20 Minuten will sich so etwas ähnliches wie ein Spannungsbogen gar nicht einstellen, aber die bedenklich unglaubhafte Auflösung killt jeglichen eventuellen Thrill zielsicherer als der Mörder im Film seine Opfer.

Die FSK 16 geht letztlich aufgrund zweier Kopfschüsse (von denen einer auch mindestens fünfmal per Alptraum-Sequenz wiederholt wird), etwas Krankenhaus-Operations-Gore und der entblößten Oberweite von Monique Parent insgesamt in Ordnung.

Zu den Darstellern – ich gehöre ja in Sachen „Twin Peaks“-Mädels eindeutig zur Mädchen-Amick-Fraktion und muss mich deshalb mit dem Wortvogel (der hat’s ja mit Sherilyn Fenn) nicht prügeln und ja, Amick sieht ganz reizend aus, sowohl in ihrer fragilen Prä-OP-Krankheitsphase, ihrer „mittleren“ Rekonvaleszenz als auch als steiler blonder Feger, aber eine schauspielerische Glanzleistung leiert sie sich nicht aus den Rippen (speziell im Showdown, wo hysterische Panik durch verlaufenes Mascara und aufgerissene Augen ausreichend symbolisiert wird). Tom Schanley (ein paar Folgen „Melrose Place“, ein paar Folgen „Denver-Clan“ und der geradezu elefantös wichtige TV-Film „The Return of the Six-Million-Dollar Man and the Bionic Woman“) holzt sich relativ charismafrei durch die Rolle des angeblich so begehrenswerten reichen Schönlings, während David Packer („V“, und der Unglückselige, der Augenzeuge wurde, als „Poltergeist“-Star Dominique Dunn von ihrem eifersüchtigen Boyfriend ermordet wurde), sich irgendwie nicht ganz darüber klar zu sein scheint, dass er nicht in einer Komödie spielt. Oscar-Preisträgerin Louise Fletcher („Einer flog über das Kuckucksnest“, „Projekt Brainstorm“) gibt eine gelangweilt-routinierte Altersvorstellung als Tante Lydia, dieweil Pamela Bellwood (Stammbesetzung des „Denver-Clans“ als Claudia Blaisdel) sich in einem Umfeld wie diesem sichtlich wie zuhause fühlt und ziemlich motiviert agiert. Softsex-Starlet Monique Parent („Masseuse“, „Mirror, Mirror III“), die sich neuerdings gelegentlich auch „Scarlet Johansing“ (UFF!) nennt, tut in der Prolog- und in den Flashback-Sequenzen das, was sie meistens tut, nämlich sich spärlich bis gar nicht bekleidet mit einem Kerl im Bett zu wälzen (und sich erschießen zu lassen). In einer undankbaren Wegwerfrolle gibt sich B-Film-Legende Bo Svenson („Walking Tall II + III“ + TV-Serie, Wizards of the Lost Kingdom, „Delta Force“, „Kill Bill Vol. 2“) die Ehre.

Bildqualität: Wir haben’s mit einem soliden, aber nicht spektakulären non-anamorphen 1.85:1-Letterbox-Transfer zu tun, der ohne Defekte und mit nur wenigen Verschmutzungen auskommt, in den Disziplinen Schärfe und Kontrast gut durchschnittliche Werte abliefert und mit unauffälliger Kompression versehen ist. Für die Budget-Preisklasse in Ordnung, wobei man sicherlich mittlerweile auch in dieser Handelsklasse anamorphe Codierung erwarten darf – andererseits ist die Scheibe SO alt, dass sie noch mit der Laser-Paradise-Laserdisc-Trailershow ausgeliefert wird…

Tonqualität: Deutscher Ton wird in Dolby 5.1 und 2.0 geboten, englischer O-Ton in Dolby 2.0. Die deutsche Tonspur leidet unter einer etwas lieblosen Sychronisation, technisch-qualitativ ist das allerdings okay, absolut rauschfrei, angenehm abgemischt.

Extras: Ein paar Filmographien für wesentliche Beteiligte und eine ausführliche Trailershow.

Fazit: Ich habe eigentlich nichts dagegen, wenn Thriller für ein primär weibliches Publikum gedreht werden; nur, wenn Produzenten meinen, dass Frauen die Auffassungsgabe eines toten Känguruhs haben und mental überfordert sind, wenn sich ein Film nicht in die offensichtlichste Richtung entwickelt (nicht, dass es nicht bei manch einer richtig sein kann, aber das sieht bei Männern bestimmt nicht besser aus); wenn in einem nominellen Spannungsfilm die Liebesgeschichte 70 Prozent der Substanz ausmacht, dann bin ich persönlich beleidigt, und zwar hauptsächlich wegen der Vorstellungen, die diese Produzenten von ihrem Publikum haben. Andererseits – es gibt genügend Menschen (ich bleibe mal geschlechtsneutral), die sich „Sturm der Liebe“, „Anna und die Liebe“ oder „Verliebt in Berlin“ ansehen und anscheinend vollkommen zufrieden damit sind, mit welch billigen Plotten sie abgespeist werden – aber diese Soaps und Telenovelas tun wenigstens nicht so, als wären sie Thriller. „Heartless“ jedenfalls ist eine Nulllösung – eine Melange der schlechten Eingeschaften von Telenovelas und schnulzigen TV-Dramen, in dem das, was nach Covertext eigentlich der zentrale Bestandteil des Streifens ist (nämlich eben die Thrillerhandlung) aufgesetzt und deplaziert wirkt. Ich mag ja nicht die Zielgruppe sein, aber selbst *die* Zielgruppe hat inspiriertere Unterhaltung verdient. Ganz großer Käse für Arztromanleserinnen…

2/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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