Haus der Verdammnis

 
  • Deutscher Titel: Haus der Verdammnis
  • Original-Titel: Haus der Verdammnis
  •  
  • Regie: Lars Dreyer
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2006
  • Darsteller:

    Martin (Hendrik Röhrs)
    mysteriöse Frau (Patrizia Falco)
    alter Mann (Jürgen Kook)
    Fahrer (Martin Schneider)
    Totengräber (Mathias Prost, Gerd Beeck)
    Sargträger (Klaus Schüler, Peter Brennecke)


Vorwort

Der Doc lebt!

Auch reviewtechnisch… die Änderung der Lebensumstände des Docs hat’s bedingt, dass es mit einem neuen Review ein Weilchen gedauert hat, aber Qualität geht ja auch über Quantität, oder nicht?

Für’s Comeback hab ich mir einen, ta-daa, deutschen Amateurfilm ausgesucht (aufgrund schlichter zeitlicher Erwägungen… war der kürzeste Film, der mir gerade zur Verfügung stand und zum „Wiederreinkommen“ in die Reviewschreiberei schien es mir angebracht, etwas zu wählen, zu dem ich nicht 25 Seiten vollkritzeln muss [was natürlich nichts mit Faulheit oder so zu tun hat, gelle? Wir kennen dich ja… – der Lektor]). Haus der Verdammnis wurde mir von Lars Dreyer angedient, den ich ja schon an früherer Stelle dem „Transcendental-Dunstkreis“ zugerechnet habe und der mich zuletzt mit seinem famosen Kurzfilm „Et enfin… e’etait moi“ durchaus begeistert hat. Das bedeutet zum einen, dass ich prophylaktisch guter Dinge bin, zum anderen auch, dass die Messlatte für einen Abendfüller doch recht hoch ist. Aber zumindest kann ich auch sicher gehen, dass ich nicht mit infantilen Goresudeleien auf Walz-Niveau behelligt werde (das hatte mir Lars bereits in seiner e-Mail in die Hand versprochen :-)).

Dann schauen wir uns das Ding doch einfach mal an. Ich bin zuversichtlich, es wird nicht schmerzhaft werden…


Inhalt

Wir befinden uns in der winterlichen Pampa, ein Auto cruised über die Landstraße, am Steuer ein bärtiger Typ, auf dem Beifahrersitz ein eingemümmelter Mitfahrer, der plötzlich aus seinem Schönheitsschlaf hochschrickt, als hätte ihn jemand an empfindlicher Stelle gezwickt und sofortigen Auslass begehrt. Er, seines Zeichens Anhalter, wäre jetzt nämlich da, wo er hin wollte, auch, wenn sein Pilot zutreffenderweise bemerkt, dass sich „hier“ sprichwörtlich nichts befinde. „Um das herauszufinden, bin ich hier“, erläutert der Hitcher (der reviewfreundlicherweise keinen Namen hat… grr), wobei ich an seiner Stelle durchaus gewillt wäre, dem Augenscheinsbeweis zu trauen. Nun, er wird schon wissen, was er meint, der Fahrer jedenfalls tut ihm den Gefallen. Unser Anhalterfreund steigt aus, nimmt einen tiefen Zug frischer Landluft und stapft dann in die kühle Botanik.

Während unser Meister also durch den Wald stapft, latscht dieweil, ein paar Felder weiter, ein offenbar der landwirtschaftlichen Profession nachgehender Kerl mit geschulterter Sense (you may store that image mentally) herum und zieht einen grimmigen Flunsch.

Vor einer verlassenen (?) Hütte klingelt eine Glocke, anscheinend ohne Fremdeinwirkung. Der Anhalter wirft aus sicherem Versteck hinter einem Baum ein paar prüfende Blicke in diese Richtung und prüft nervös mit der guten alten „angefeuchteter Zeigefinger“-Methode die Windrichtung, kommt wohl zu einem akzeptablen geographischen [meteorologischen? – der Lektor] Ergebnis und läuft weiter. Sein Weg führt ihn unheilvollerweise an einer improvisiert wirkenden Freiland-Grabstätte mit drei unmarkierten Holzkreuzen vorbei, ehe er schließlich vor einem scheinbar verlassenen und ordentlich creepy wirkenden Haus, in seiner Vergangenheit wohl einem Bauernhof zugehörig gewesen, ankommt. Unser Freund nimmt noch mal eine tiefe Nase frischer Landluft, was ihm anscheinend paranormalen Orientierungssinn und, praktischerweise, direktemang das Versteck des Haustürschlüssels (naja, nicht sonderlich kreativ im Gestrüpp neben der Tür) zukommen lässt. Also nix wie rein in die gute Stube, ein Hausfriedensbruch unter Freunden hat noch keinem geschadet. Drin ist’s zwar einigermaßen sauber und ordentlich, dafür jedoch strom- und lichtlos. Uns‘ Protagonist kann das nicht fuchsen, hat er doch vorausschauenderweise eine Taschenlampe mitgebracht und stöbert so artifiziell beleuchtet durch das traute Gemäuer. Seit Kaisers Zeiten (und ich meine jetzt nicht den von der Humbug-Mülleimer und schon garn icht die Drogerie) hat sich, wenigstens wenn man die Auswahl der Wanddekoration in Gemäldeform ins Kalkül zieht, niemand mehr gesteigert um die Inneneinrichtung gekümmert. Ein Fall für Tine Hitler – Einmarsch in vier Wänden… nun gut, aber manch einer steht aufs bäuerlich-rustikale, und zumindest wohl der weibliche Geist, der sich für eine Sekunde – vom Helden unbeobachtet – im Bildhintergrund manifestiert…

Wüsste er, dass es hier spukt, täte er vielleicht andere Pläne fassen, als nun eine ordentliche Brotzeit bei Kerzenschein (und ohne Apfelschorle, auf längst-veraltete-LIFT-Werbung-anspiel) einzulegen – oder aber auch nicht. Nach Speis und Trank (in beeindruckender Ausführlichkeit geschildert) geht’s ans Tagebuchschreiben und nun verrät uns unser Held zwar nicht seinen Namen (grr), aber wenigstens seine tieferen Beweggründe. Drei Tage ist er schon auf der Walz, und nun hat er es gefunden – diese Haus gleicht dem aus „meiner Erscheinung“. Erscheinung ist ein starkes Wort für einen ordinären Traum, zumindest wirkt nachfolgend zu unserer Information eingespielter Flashback nicht anders als ein solcher – der Held wälzt sich in seiner eigenen Bude (die offenbar studentisch-spärlich eingerichtet ist) unruhig auf der Matratze und träumt, surprise, von dieser welcher Hütte und sogar, wo er den Schlüssel finden kann. Als außerhalb des Bildausschnitts (und somit auch außerhalb des mentalen Zugriffs unseres Träumers) eine Frau kreischt, wacht er schweißgebadet auf. Und weil er ersichtlich ein leicht zu beeinflussender Zeitgenosse ist, hat er den ganzen Traumschmu für bare Münze genommen und sich aufgemacht, den Schuppen samt Scream Queen einer persönlichen Inaugenscheinnahme zu unterziehen. Er muss Student sein, die haben ja Zeit für solche Scherze, bei mir hätte der Scheff was dagegen [Er kann natürlich Urlaub oder Krankenschein genommen haben, aber nix gegen ein zünfiges Studentenbashen, newa? – der Lektor].

Bis auf ein kleines meteorologisches Phänomen (Schnee liegt nur unmittelbar ums Haus rum) ist unserem Ermittler des Übersinnlichen allerdings noch nichts speziell Ungewöhnliches aufgefallen. Na ja, vielleicht sollte er seine Tagebucheinträge erst verfassen, nachdem er sich das ganze Haus angekuckt hat, das (also das Ankucken) tut er nämlich erst jetzt. Wobei sich die Sach- und Rechtslage noch nicht grundsätzlich ändert, mal abgesehen vom eher bedenklichen Faktum, dass der Efeu bereits die Innenräume erobert hat und fröhlich an Wänden und Decken wuchert. Alas, ein Student (das hab ich jetzt amtlich beschlossen) muss da durch, da hat man schon in übleren Wohnheimen genächtigt (nehme ich als Unstudierter an) – also ab ins (erstaunlicherweise gemachte) Bett und gut geratzt. Bevor er sich aber in Morpheus‘ Arme begibt, ortet unser Hero eine Spieluhr in Karussellform, die er prompt aufzieht (das Lied, das sie spielt, kenn ich auch irgendwoher).

So’ne Spieluhr hat ja irgendwo eine beruhigend-einschläfernde Wirkung und so pennt unser Held auch schnell den Schlaf der Ungerechten. Bis… ja, bis sich auf geheimnisvolle Weise die schwere Holztür knarzend öffnet, ohne dass ein schlafstörender Türöffner sich persönlich kenntlich machen würde. Der Held wirft einen schlaftrunkenen „waslos“-Blick gen Tür, die sich pflichtschuldigst knarrend wieder schließt. Also weiterratzen, oder? Nein, eher nicht, denn an die Seite seiner rechtswidrig in Beschlag genommenen Bettstatt hat sich ein weißgekleidetes blondes Frauenzimmer (mit interessantem Gesicht) gebeamt und starrt den Helden vorwurfsvoll an: „Warum bist du hier?“ Die Frage könnte man theoretisch auch umgekehrt stellen, aber Männer nehmen das unangemeldete Auftauchen attraktiver Frauen an der Bettkante im allgemeinen eher unkritisch, es sei denn, die eigene Lebensabschnittsgefährtin liegt grad auf der anderen Seite und hat Zugriff auf ein Nudelholz oder ’ne Bratpfanne, so dass die geheimnisvolle Lady die Konversation weiterhin solo bestreiten muss. Kurzer Rede kurzer Sinn – er sollte nicht hier sein, weil Haus verflucht und das seit Jahren. Könnte bislang auch noch ein beliebiger meiner Ex-Arbeitgeber sein. Daher tut Aufklärung in Form eines Flashbacks aus ihrer Sicht Not.

Eine unbestimmte Zeit früher also stapft die weiße Frau entschlossenen Schrittes und mit einem Dolche in der Hand aus dem bewussten Haus auf einen Friedhof. Vor einem großen Kreuz (und unter den aus sicherer Distanz zukuckenden Auges des Sensen-Manns) wird ein ordnungsgemäßes (aber, da außerhalb des sichtbaren Bildes stattfindendes, unblutiges) Harakiri vollzogen. Nur Pech für die suizidal veranlagte Jungdame, dass das nicht ganz klappt – jedenfalls war post-seppuko-Zu-sich-kommen im Fünfjahresplan nicht vorgesehen. Mit einem zutiefst frustrierten Kampfschrei endet die Rückblende und zurück in der Gegenwart vermittelt die Holde unserem Burschen, dass die ganze schöne Böse-Nacht-Geschichte kein verbaler Sondermüll war, sondern vielmehr den nackten Tatsachen entspricht. Und „nackt“ ist in diesem Sinne insofern wörtlich zu verstehen, als das Mädel die Bluse öffnet und stolz die Selbstmordnarbe vorzeigt. Ein Zeichen, wie sie treffend ausführt, für die Ewigkeit. Nachdem die Formalitäten also geklärt sind, kann das Mädchen also zur sanften Berührung seines Gesichts und zum Kusse schreiten (und ich vermerke, dass mir die Farbgestaltung des Films durchaus zusagt. Nur, falls ich das im Analysepart wieder mal vergessen sollte).

Zu denken geben sollte uns aufmerksamen Zuschauern allerdings, dass die Küsserin auf dem Rückweg vom Schlafzimmer von roten Flecken in Mundgegend geziert wird und ich sach mal so ins Blaue hinein, verwischter Lippenstift ist das nicht.. Tja, wer hätt’s gedenkt? Die Dame gehört der blutsaugenden Zunft an und verzieht sich nach getaner nächtlicher Arbeit in ihren (eher nach Heimwerken mit Tim Taylor denn Qualitätsprodukt aus dem Hause Ruhe Sanft & Söhne aussehenden) Sarg. Well, duh.

Ihr Opfer rappelt sich indes mühevoll aus einer kuss- oder bissbedingten Bewusstlosigkeit auf und bricht unter sichtlichen Schmerzen (und mit heftigen Bissmalen am Gehälse… also Dracula arbeitet sauberer) auf dem Bett zusammen.

Und so kommt es, dass am nächsten hellen Morgen vier stämmige Mannsbilder eine Leiche aus dem Hause tragen, zur vorhin passierten Kreuzstelle tragen und ein viertes Loch buddeln. Der Knabe wird reingeworfen, das vierte Kreuz aufgestellt und zugeschaufelt. Nach kurzem Gedenken ziehen die Sargträger und Totengräber ihrer Wege. Zum Bimmeln der (nun unschwer als Totenglocke zu identifizierenden) Glocke erscheint der Sensen-Mann (langsam dürfte die Symbolik sich entschlüsseln lassen, oder?) und starrt finsteren Blickes auf das frische Grab. Lang muss er nicht warten, schon steht der Geist/die Seele/die sonstige Reinkarnation des Geplätteten neben ihm. Der Sensen-Mann schreitet voran, der Neu-(Un-?)-Tote folgt, weil ihm sichtlich momentan nix besseres einfällt und beide verschwinden in einem Überblendungseffekt…

Woraufhin unser Held im Bett aufwacht. Die Bissmale sind vorhanden und intakt, dito die Erinnerung an die fatale Begegnung der vampirischen Art (und wir dürfen per kurzem Flashback nun den Biss an sich in der „blutigen“ Version erleben). Eins kann man unserem Helden nicht nachsagen – möglicherweise hat er gestern Nacht zu seinem unerfreulichen Leidwesen nicht geschaltet, jetzt aber ist der Groschen laut vernehmlich gefallen. Er macht sich nämlich stantepete auf, um nach passendem Rohmaterial für einen amtlichen Pflock zu suchen. Auf einem Bauernhof liegt genügend Holz rum (manchmal auch Stroh, hähä. Unnötige Porno-Anspielung), da wird er rasch fündig. Kaum ist der passende Vampirkiller zurechtgeschnitzt, muss nur noch das dazu passende Schlagwerkzeug in Hammerform organisiert werden. In der unaufgeräumten Scheune des Hofs wird der entsprechende Volltreffer gelandet. Buffy würde sicher nicht neidisch, für den Hausgebrauch langt’s aber allemal. Nun müsste sich nur noch der Unterschlupf der Vampirbraut anfinden. Der Held spekuliert zutreffend auf einen tiefen Keller, begibt sich dorthin und bemerkt zunächst einmal eine Fledermaus, was zumindet ein Indiz auf vampirische Anwesenheit darstellen könnte. Wo Batmans Kumpel rumhängt, steht denn auch ein Sarg. Und drin liegt, wie sich durch Öffnen desselben schnell nachprüfen lässt, auch das bissige Luder. Er bringt den Pflock in Stellung, doch wie so manch döseliger Held in Vampirfilmen vor und vermutlich auch nach ihm – mei, es ist halt doch ein hübsches Mädel, das wäre ja doch irgendwie auch wieder Verschwendung und überhaupt… es plagen ihn die prophylaktischen Gewissensbisse. Die Vampirmaid muss denn schon wohl oder übel aufwachen und ihm zunächst sanft, dann aber, weil im leisen Tonfall erfolglos, recht energisch die dienstliche Anweisung geben, sie doch bitteschön an Ort und Stelle sauber zu pflocken. Als wohlerzogener Bengel kann unser Held eine Dame keinen Wunsch abschlagen und schlägt daher auch zu, auch wenn ihm sichtlich unwohl dabei ist.

Den Vampirkadaver schleppt er ins Freie, wo dieser, wie sich das gehört, einer spontanen Selbstentflammung zum endgültigen Opfer fällt. Dem Tagebuch vertraut unser Hero an, dass er immer noch nicht wisse, as ihn hierher gelockt habe, aber er hoffe, sie habe Erlösung gefunden. Womit er denn auch sein Bündel schnürt und vom Hofe trabt.

Der Sensen-Mann erwartet ihn aber am Waldrand, doch statt des üblichen grimmigen Blicks lässt sich jener zu einem Lächeln herab. „Wir treffen uns wieder“, behauptet der Sensenträger und macht ’nen Abgang. Womit denn auch unser Film sein Ende findet…

Huch, sind wir schon fertig mit der Inhaltsangabe? Und das auf Seite 4 oben? Holla. Dies, meine Tendenz, wirklich alles und jeden, was in einem Film vorkommt, ausführlichst zu würdigen, gepaart mit der festgestellten Laufzeit von knapp 70 Minuten, sollte Euch eine Warnung, zumindest aber ein Indiz sein – wer edge-of-the-seat-Vampir-Horroractionkino für Adrenalinjunkies erwartet, der sollte dann doch lieber zu Blade greifen. Lars Dreyers Streifen versteht sich, so auch die Vorabinfo des Directors himself, als in der Tradition der Jean-Rollin-Streifen aus den 70ern stehend…

Die waren, da sind wir uns auch relativ einig, denke ich, ebenfalls keine Ausbünde an durchdachten und gehaltvollen Plotten – Rollins Sexvampirklopfer leben von ihrer eigentümlich morbid-erotischen Atmosphäre (nicht umsonst weiß praktisch jeder Horrorfan Bescheid, wenn man von jungen Frauen spricht, die in luftige Nachtgewänder gehüllt Kandelaber durch finstere Schlosskorridore tragen). Diese Stimmung zu reproduzieren ist nicht einfach und, wenn ich ehrlich bin, die Plotausrede ist mir selbst für diese Art Horror-nee-Gruselfilm zu dünn. Die Folge ist, dass Nichtigkeiten ausgewalzt werden müssen (ich will nicht lügen, aber bis unser Protagonist mit seinem Traum-Flashback uns halbwegs erklärt, was angesagt ist, sind 20 Minuten rum und bis dahin ist streng genommen nichts passiert, außer das unser Held auf mystische Weise einen Schlüssel gefunden und sich ’ne Stulle geschmiert hat).

Mit der Enthüllung der Traum-Vision kommt die Geschichte dann in die Puschen, wobei auch danach ein traumwandlerisches Tempo angeschlagen wird. Einen schlüssigen Narrative bietet man uns auch in der Folgezeit nicht (auch das vergleichbar mit Rollin, dem Logik sicherlich nicht sonderlich am Herzen lag) – im Bemühen, die Story weitgehend dialogfrei zu gestalten (nur notwendigste Exposition wird in verbaler Form verabreicht), setzt Dreyer auf Symbolik (wie die Figur des „Sensenmanns“) und Bildsprache, lässt offen, was sich möglicherweise nur in der Traumwelt seines Protagonisten abspielt (die Sequenz des Waldbegräbnisses fällt mir da ein).

Filmisch-handwerklich bin ich bei einer Produktion, die aus dem von mir schon im letzten Dreyer-Review zitierten „Transcendental-Dunstkreis“ kommt (Hauptdarsteller Hendrik Röhrs hat sich Dreyer dann auch gleich von der befreundeten Filmcrew ausgeliehen, und auch René Rausch hat mitgeholfen) von Haus aus guter Dinge und tatsächlich gibt’s in dem Bereich auch wenig zu meckern. Dass die Bilder relativ statisch sind, liegt in diesem Fall in der Natur der Sache bzw. des Films, der sich eben müht, die unwirkliche (Alp-)Traumatmosphäre der Rollin-Schinken aufzugreifen. Es regieren lange, ruhige Einstellungen, die – bewusst oder nicht – vielleicht oft mal länger dauern als sie müssten, das Tempo sogar eher noch zusätzlich aus der Geschichte herausnehmen anstatt sie zu beschleunigen. Dies kann ein gewolltes Stilmittel sein, macht den Streifen für die Sehgewohnheiten des durchschnittlichen Gorebauern aber strapaziös (aber Gorebauern haben’s nicht besser verdient, hehe). Bonuspunkte verdient sich der Streifen durch die schöne Farbgestaltung, leichte Abzüge verteile ich für eine etwas wacklige Pseudo-Steadicam-„Fahrt“ in der Friedhofsszene und generell würde ich empfehlen (vielleicht kann man da ja noch was schrauben, ich hab ja hier eine Vorab-Promo-DVD) dem Endprodukt noch den ein oder anderen Filmfilter zu verpassen – ruhige, statische Einstellungen und steriler Videolook ergeben zusammen nämlich „klassische“ Amateurfilmoptik und über dieses (rein von der optisch-visuellen Seite gesehen jetzt mal) sollte Dreyer mittlerweile hinaus sein.

Blutverluststechnisch gesehen ist Eduard Schmalhans der Küchenmeister vom Dienst, was ich prinzipiell immer begrüße. Schmoddrigkeiten bleiben außen vor, hier regiert der „sanfte Grusel“ (dem allerdings trotzdem ein paar Scares oder creepy shots mehr nicht geschadet hätten), hier werden keine Gedärme ausgerupft, sondern nur dezente make-up-FX aufgetragen. Die wenigen optischen Tricks sind schlichter, aber brauchbar-effektiver Natur.

Schauspielerisch handelt es sich weitgehend um ein Zwei-Personen-Stück, was für die beteiligten Akteure schon deshalb eine besondere Herausforderung ist, als sie, wie schon erwähnt, sich bzw. ihre Charaktere kaum über Dialoge definieren können. Hendrik Röhrs als visionsgeleiteter „Vampirjäger“ macht seine Sache für Indie-Verhältnisse gut, könnte aber für meine Begriffe etwas mehr aus sich herausgehen. Patrizia Falco stiehlt ihm in ihren Auftritten als geheimnisumwitterter Vampir jedenfalls die Show (aber so soll es in solchen Filmen auch sein. Wenn das „Böse“ nicht eindrucksvoller ist als der Protagonist, läuft etwas verkehrt). In seinen kurzen Auftritten angemessen grimmig guckend ist Jürgen Kook als „Sensenmann“ (die Credits nennen ihn etwas respektlos „alter Mann“).

Mir liegt, ich sagte es schon, zur Rezi eine Vorab-DVD vor. Die Bildqualität ist absolut zufriedenstellend (2.35-Widescreen, non-anamorph), speziell in den Tageslichtszenen sehr gut, der Ton sauber und immer gut verständlich, hier wurde technisch gut gearbeitet. Die Release-DVD wird mit einigen Gutzis wie Trailern, Audiokommentar, Outtakes und Making-of erscheinen.

Letztlich ist Haus der Verdammnis ein Film, der es sicher eher schwer haben wird, Freunde und Liebhaber zu finden; er widersetzt sich modernen Sehgewohnheiten zugunsten des sehr 70er-inspirierten Ansatzes, ruhige, langsame Bilder wirken zu lassen, verzichtet auf plakative Schock- und Schreckmomente, sondern versucht, über Stimmungen und Symbolik zu wirken. Das ist fraglos eine interessante und für den Filmemacher reizvolle Übung, aber eine solche, die selbst hartgesottenen Genrevielsehern eine ziemliche Nuss zu knacken vorsetzt. Die Mittel von Rollin ins 21. Jahrhundert zu „retten“ war vielleicht nicht nötig, weil die Horrorstreifen des Franzosen einem nicht reproduzierbaren Zeitgeist geschuldet sein dürften, aber es eröffnet dem deutschen Nachwuchsgenrefilm eine neue Schublade: Independent-Arthouse-Vampirhorror. Ich kenne zumindest einen User im Forum, der auf dieses Etikett anspringen sollte 🙂 Alle anderen seien mit diesem Wort zum Sonntag verabschiedet: Haus der Verdammnis entpuppt sich letztlich als von kompetenter Hand gewerkelte Stilübung, die aber ein gerüttelt Maß an Geduld vom Zuschauer verlangt. Rollin-Fans sollten reinschmecken.

(c) 2007 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 4


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