Hansel vs. Gretel

 
  • Deutscher Titel: Hänsel vs. Gretel
  • Original-Titel: Hansel vs. Gretel
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  • Regie: Ben Demeere
  • Land: USA
  • Jahr: 2015
  • Darsteller:

    Brent Lydic (Hansel), Lili Baross (Gretel), Aqueela Zoll (Willy), Jhey Castles (Cthonia), Riley Murphy (Jacob), Adinett Nsabimana (Morai), Nanrisa Lee (Kikimora), Barbara Scolaro (Lilith), Elisha Kriis (Circa)


Vorwort

Ein Jahr ist vergangen, seit die Zwillinge Hänsel und Gretel die kannibalische Hexe Lilith besiegt und verbrannt haben. Seitdem haben sich die Geschwister allerdings etwas auseinandergelebt – Hänsel hat nämlich die Karriere eines freischaffenden Hexenjägers eingeschlagen. Wo immer eine mysteriöse Verschwindensserie oder eine Reihe rätselhafter Todesfälle rapportiert wird, vermutet Hänsel – meist zutreffend – das dunkle Werk einer bösen Hexe. Gerade hat er den Fall der kinderfressenden Cheerleaderin terminal zu den Akten gelegt, als ihn beunruhigende Kunde aus seiner Heimatstadt erreicht. Bereits sechs Menschen sind dort spurlos verschwunden, und der letzten Unglückliche war Hänsels und Gretels gemeinsamer Freund Mason. Grund genug, einen kleinen Heimatbesuch einzuschieben.

Gretel freut sich über das Wiedersehen – sie hat zwischenzeitlich das Ladencafé von Lilith, das „Pfefferkuchenhaus“, übernommen und führt es erfolgreich, inklusive der Spezialität „meat pie“, natürlich, versichert Gretel, jetzt aus geringfügig anderen Zutaten wie unter Liliths Ägide. Hänsels Theorie über eine neue Hexe, die sich Liliths verwaistes Territorium unter den schwarzen Fingernagel reißen will, klingt plausibel genug, dass die Geschwister zwecks Spurensuche in Masons Appartment einbrechen. Dort finden sie allerdings nur Masons Kuschelhasen Frank – gehäutet und dafür aber ziemlich lebendig und aggressiv. Ein deutliches Indiz für übernatürlichen Schindluder, muss auch Gretel zugeben. Das Duo rekrutiert Masons Bruder Jacob und seine Freundin Willy, pikanterweise Hänsels Ex, die er für seine Hexenschlächterambitionen hat sitzen lassen.

Hänsel kann nicht ahnen, dass seine schlimmsten Befürchtungen stark untertrieben sind – nicht eine, sondern gleich vier Hexen sind hier aufgeschlagen, Liliths vormaliger Zirkel, jetzt angeführt von Cthonia, und die wollen Rache üben. Es gelingt dem bösen Coven, Gretel zu entführen, doch da erleben die Hexen ihr blaues Wunder, denn Cthonia erkennt eine verwandte Seele, wenn sie sie trifft. Gretel hat längst die Seiten gewechselt und Liliths Nachfolge angetreten. Verständlicherweise trauen Cthonia und Co. Gretel nicht spontan über den Weg, aber wenn Gretel den Kopf von Hänsel liefert, könnte man über gemeinsame Sache durchaus nachdenken. Gretel kidnappt Willy als Köder und spielt, als Jacob und Hänsel pünktlich wie die Maurer zur Rettung antreten, ebenfalls Geisel. Doch als sich die Möglichkeit bietet, Hänsel zu töten, zögert Gretel – und warnt ihn vor einer Hexe, die er umgehend köpft. Alles gut also im Geschwisterland? Wohl eher nicht, denn wenn Hänsel aufpassen würde, er täte bemerken, wie Gretel sich über das Blut der getöteten Hexe hermacht…

Cthonia fehlt allerdings noch der Durchblick und glaubt, dass Gretel sich zumindest einigermaßen bemüht, ordentlich böse zu sein. Nachdem der ein oder andere weitere Anschlag auf Hänsels Leben scheitert – mit jeweils fatalen Folgen für die ausführende Hexe – greifen Cthonia und Gretel zum letzten Mittel. Jacob wird entführt und eine Spur aus Einzelteilen des bedauernswerten Opfers führt Hänsel und Willy in einer Schnitzeljagd zum Tierfriedhof, wo sowohl der Geschwister als auch Cthonia entsetzt erfahren, was Gretel vor hat: nichts weniger als die Wiedererweckung Liliths…


Inhalt

Zum Jahresende wollte ich Asylum dann doch noch mal eine Chance geben – das Irrenhaus hat mich ja 2017, über den Daumen gepeilt, eher enttäuscht als begeistert (in meiner Jahres-Flop-Ten-Liste werden wohl die Hälfte der Plätze von Asylum-Produktionen besetzt werden). „Hänsel vs. Gretel“ ist, Überraschung, die Fortsetzung von „Hänsel und Gretel“, Asylums Mockbuster zum Jeremy Renner-/Gemma Arterton-Blockbuster (den ich besser fand als seinen Ruf), und zudem Bestandteil einer kleinen losen, nicht weiter verbundenen Reihe von Asylum-Kloppern mit Märchenmotiven („Sleeping Beauty“, „Little Dead Riding Hood“, „Avengeres Grimm“, „Villain Squad“). Den ersten Teil fand ich überraschend okay – Dee Wallace als böse Hexe war schon ein kleiner Casting-Coup und unter der Regie von „Sharknado“-Macher Anthony J. Ferrante entspann sich ein ganz unterhaltsames modernes Re-Telling der Märchengeschichte.

Für das Sequel übernahm „Sharknado“-Kameramann Ben Demaree die Regie (für Asylum hatte er bereits „Apocalypse Pompeii“ inszeniert), das Drehbuch übernahm allerdings – Continuity! – erneut „Hänsel & Gretel“-Writer Jose Prendes („Countdown: Jerusalem“, „Haunting of Winchester House“, „Mega Shark vs. Mechatronik Shark“). Einziger zurückkehrender Darsteller ist der professionelle Mehmet-Scholl-Imitator Brent Lydic („Big Fat Important Movie“, „Headless Horseman“) als Hänsel. Funny thing: während der „Original“-Mockbuster das Märchen in die Gegenwart verlegte und der Original-Blockbuster sich als Sequel zum Märchen spielte, greift das Mockbuster-Sequel nun tatsächlich auf inhaltliche Motive des Blockbusters zurück. Hänsel ist also nunmehr Hexenschlächter vom Dienst, während Gretel (vorgeblich) versucht, ein einigermaßen normales Leben zu führen .Das Script ist überraschend gelungen, ohne große logische Probleme (und die neue „Besessenheit“ Gretels hatte tatsächlich schon die Schlusseinstellung des ersten Teils geforeshadowed) und in sich durchaus schlüssig. Klar, dass Charaktere aus dem Hut gezaubert werden (wie Willy, Hänsels Ex-Freundin), von denen wir noch nie was gehört haben, riecht natürlich ein bisschen nach lazy writing, das ist aber eine Krankheit, an der auch größere Filme leiden. Zudem kann man Prendes zugute halten, dass er nicht den einfachsten Weg ging, Hänsel und Gretel einfach gegen eine neue Hexe in Stellung zu bringen oder alternativ eben auf das direkte Duell der Geschwister zu setzen, sondern durch die Einführung von Cthonias Coven einen Zwei-Fronten-Krieg zu eröffnen, drei Parteien mit höchst inkompatiblen Interessen, und nur eine davon WEISS, dass sie sich in einem Zwei-Fronten-Krieg befindet und ihre Gegner auch gegeneinander ausspielen kann (SPOILER: Gretel benötigt für ihren Plan, Lilith zu erwecken, die Kräfte der anderen Hexen und lässt daher Hänsel die Drecksarbeit für sich erledigen). Nicht nur für Asylum-Verhältnisse, sondern generell für die von modernem no- bis low-budget-Horror ist das ein verblüffend cleveres Script, das sich in seinen Fangstricken auch nicht verheddert, sondern durchaus logisch auf die finale Konfrontation zusteuert (in der Prendes dann doch nicht ohne einen unvorhersehbaren deus ex machina auskommt, aber, hey, machmal bevorzuge ich unvorhersehbar-doof gegenüber vorhersehbar-doof). Erfreulich auch, dass Prendes‘ Script gänzlich ironiefrei daher kommt.

Demaree inszeniert die Nummer sehr flüssig, mit einem durchaus erkennbaren Gespür für Atmosphäre und, als gelernter Kameramann wohl selbstverständlich, gutem Auge für die ein oder andere einfallsreiche Kameraeinstellung. Klar, das ist immer noch alles sehr low-budget und kann sich keine großen Sets leisten, aber der Film hat einen guten Rhythmus, gutes Pacing – grad bei Asylum, das wissen wir ja, ist es nicht selbstverständlich, wenn ein Film ohne große Längen zwischen den „money shots“ für den hoffentlich viralen Trailer auskommt -, und einer Handvoll rustikaler, überwiegend handgemachter FX, die den Streifen zu einem der blutigeren, splatterigeren Vertreter im jüngeren Asylum-Kanon machen. Die Visual FX im Finale sind nicht voll überzeugend, aber sie erfüllen ihren Zweck (die Schwebetricks könnte man sicher etwas besser gestalten). Der Score von Chris Ridenhour und Chris Cano haut diesmal nicht so omnipräsent auf die Kacke wie bei vielen anderen Asylum-Filmen und fiedelt immer wieder auch härtere, metallische Töne ein, was zum ruppigen Ton des Films gut passt.

Abstriche machen muss man natürlich bei der Schauspielerei, speziell wenn Asylum keinen Scheck in einen sorta-kinda-name-actor investiert. Hat man wie ich erst mal die Vermutung überwunden, ob der Ähnlichkeit Brent Lydics mit Mehmet Scholl in einer Dacia-Werbung gelandet zu sein, stellt man fest, dass Lydic die Sache recht gut macht, er bringt durchaus die Präsenz mit, um einen kleinen Horrorfilm tragen zu können. Die neue Gretel Lili Baross wirkt zu Beginn etwas farblos, steigert sich aber mit zunehmender Boshaftigkeit in eine ordentliche B-Minus-Performance. Aquella Zoll („Wrong Turn 6“, „Flight World War II“) ist nicht sonderlich eindrucksvoll als Willy, aber immerhin noch tauglich, Riley Murphy recht hölzern als Jacob. Der ethnisch ausgesprochen diverse Hexen-Coven besteht aus der sehr ankuckbaren Jhey Castles („Apocalypse Pompeii“, „The Visitation“, „San Andreas Quake“), Adinett Nsabimana („The Forgiven“), Nanrisa Lee („The Aliens“) und der direkt aus Bollywood importierten und sehr sehr leckeren Elisha Kriis („Ra.One“, „Zanjeer“). Die offenbar in Mexiko durchaus populäre TV-Aktrice Barbara Scolaro übernimmt den Lilith-Part von Dee Wallace (entweder „unscharf gestellt“ oder unter schwerem Zombie-make-up).

Die britische DVD von High Fliers Films, die mir vorliegt, bietet ordentlichen Bild und Ton, Gag Reel und Trailershow.

Nach einigen Graupen, die mir beinahe schon das Asylum-„Fan“-Tum verleidet haben, wurde es Zeit, mal wieder einen ordentlichen Film aus dem Hause zu sichten, und „Hänsel vs. Gretel“, von dem ich eigentlich nicht so arg viel erwartet hatte (weil auch „Villain Squad“ als sorta-sequel des brauchbaren „Avengers Grimm“ schon furchtbar war), entpuppt sich als wirklich netter kleiner Low-Budget-Horror-Snack mit einem überraschend guten Script und einer ordentlichen Schipp blutiger FX. Manchmal braucht’s nicht mehr zum Glücklichsein – eindeutig einer aus der Oberliga des Asylum-Outputs, der auch Asylum-Verächtern durchaus einen Blick wert sein sollte, so man ein Herz für günstig und handgemachten Horror hat. Yeah, thumbs up!

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 7


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