Hannibal

 
  • Deutscher Titel: Hannibal
  • Original-Titel: Annibale
  •  
  • Regie: Edgar G. Ulmer, Carlo Ludovico Bragaglia
  • Land: Italien/USA
  • Jahr: 1959
  • Darsteller:

    Victor Mature (Hannibal), Gabriele Ferzetti (Fabius Maximus), Rita Gam (Sylvia), Milly Vitale (Danile), Rik Battaglia (Hasdrubal), Franco Silva (Maharbal), Mario Girotti (Quintilius), Mirko Ellis (Mago), Andrea Aureli (Varro), Carlo Pedersoli


Vorwort

Nachdem er erfolgreich die iberische Halbinsel unter seine Fuchtel gebracht hat, holt der geniale kathargische Heerführer Hannibal zum großen Schlag aus – nicht weniger als Rom selbst will er erobern. Im dortigen Senat sieht man die Sache, den Warnungen des Senators Fabius zum Trotz, eher gelassen. Eine riesige Armee inklusive etlicher Elefanten über die Alpen zu bringen, das geht ja gar nicht. Hannibal belehrt die arroganten Römer eines Besseren (wenn auch durch Verrat eines römischen Vasallenvolks) und schlägt in der Po-Ebene sein Basislager auf. Vor offener Schlacht schreckt er allerdings zurück, will seine Gegner lieber durch psychologische Kriegsführung wie Vortäuschen nicht vorhandener Bündnispartner und Gerüchten über Gräueltaten zermürben. Als ihm mehr oder minder zufällig Fabius‘ Nichte Sylvia (samt des Senatoren Sohn Quintilius) in die Hände fällt, will er sie für seine Zwecke einspannen und zeigt ihr seine Kriegsmaschinerie, mit dem Hintergedanken, dass Sylvia in Rom die Mär von seiner Unbesiegbarkeit predigt. Nicht geplant ist allerdings, dass der karthagische General sich in seine Geisel verliebt – und das auch durchaus auf Gegenseitigkeit beruht. Nachdem nämlich Sylvia in Rom auch ihren Onkel eher erfolglos anfleht, sich nicht auf einen Krieg mit Hannibal einzulassen, kehrt sie zum Karthager zurück. Aber auch Fabius hat’s nicht leicht, in Rom mag auf ihn nämlich nach wie vor keiner hören und die eingesezten Konsuln sind sich uneins genug, um von Hannibals Streitmacht ein ums andere Mal übel aufs Haupt geschlagen zu bekommen. Andererseits hofft Hannibal immer noch auf eine mehr oder weniger diplomatische Lösung und marschiert, entgegen der Wünsche einiger seiner Offiziere, nicht gegen Rom direkt, auch nicht, als er in der Schlacht von Cannae den Römern eine vernichtende Niederlage beibringt. Nun tragen die Römer endlich Fabius das Amt des Prokonsuls an, aber auch Hannibals Moral wird empfindlich untergraben – aus Karthago trifft nämlich nicht die erhoffte dicke Verstärkung, sondern nur ein schmales Truppenkontingent, dafür aber auch seine Ex-Frau und sein Sohn ein. Das wiederum schmeckt Sylvia nicht wirklich…


Inhalt

Wenn man sich die historische Bedeutung Hannibals als quasi Erfinder der Militärstrategie und die Tatsache, dass er die römischen Legionen in deren eigener Heimat über zehn Jahre lang in schöner Regelmäßigkeit foppte, ehe er, mehr oder weniger „im Felde unbesiegt“ (die einzige echte Niederlage war erstens den historischen Aufzeichnungen nach knapp und kam hauptsächlich daher, dass der römische Feldherr Scipio erfolgreich Hannibals eigene Taktiken adaptierte), aber von Nachschubproblemen gepeinigt und von der Heimat aus nur unzureichend unterstützt, den Rückzug antreten musste, vor Augen hält, ist es eigentlich erstaunlich, dass der große Karthager im Film vergleichsweise selten gewürdigt wurde. Neben einem italienischen Stummfilm, einem aufwendigen Monumentalfilm gleicher Herkunft aus dem Jahr 1939 und einer Esther-Williams-Komödie (sic) verzeichnen wir noch einen TV-Film mit Alexander Siddig (ja, dem DSN-Doc) und eben diesen Schinken hier (für’s nächste Jahr steht aber ein Major-Film mit niemand geringerem als Vin Bleifrei, äh, Diesel als Hannibal an). Co-finanziert von den Warner Brothers und hauptamtlich inszeniert von Edgar G. Ulmer, dem deutschen Emigranten, der der Welt einerseits einen Horror-Meilenstein wie das famose Karloff/Lugosi-Vehikel [The Black Cat], aber im Spätherbst seiner Karriere Nackedeifilmchen und Low-Budget-Schrott wie „The Amazing Transparent Man“ fabrizierte, beleuchtet „Hannibal“ die Glanzzeit der Italien-Kampagne seines Titelhelden.

„Hannibal“ beginnt vielversprechend mit dem schön gefilmten Trek über die Alpen (wir sehen gnädig darüber hinweg, dass Hannibal als Nordafrikaner mit einem Rudel asiatischer Elefanten, und noch dazu nicht sonderlich stattlichen Exemplaren thereof, reist) – die Passage, in der Hannibal seine Strategie, nicht in offener Schlacht, sondern mit seinerzeit eher als unsportlichen Mitteln aufgefassten Tricks wie dem Vortäuschen von Bündnisgenossen und gezielter Propaganda, darlegt, lässt auf eine interessante Abweichung vom üblichen Historieneposbrimborium hoffen, aber spätestens mit der Einführung der (wohl obligatorischen) Liebesgeschichte verschwindet dieser Anspruch und ergibt sich weitestgehend einem 08/15-Gemenge aus Intrigen, Herzschmerz und Schlachtengetümmel. Wohl nicht im Sinne des Regisseurs, dem, so führte Ulmer zumindest in einem Interview aus, eigentlich an einem intimen Portrait des Karthagers gelegen war, vom Studio aber gedrängt wurde, einen konventionellen Historienschinken zu drehen.

So wirkt der Film etwas zerrissen – während in der ersten Hälfte die (durchaus stattfindenden) Schlachten filmisch außen vor bleiben (aber der anfallende „carnage“ wohl ins Bild gerückt wird), und sich tatsächlich bemüht wird, Hannibal zu einem dreidimensionalen Charakter werden zu lassen (Hannibal ist in der Tat der „Held“ des Films und so etwas wie der Prototyp des „zivilisierten Barbaren“), erfüllt die zweite Hälfte den gewohnten Standard des Genres, setzt verstärkt auf die mit beachtlichem personellen Aufwand gedrehten Schlachtenszenen und das übliche Gedöns um römische Innenpolitik und deren Äquivalent im Karthager-Lager, garniert mit schwülstigen Liebes- und blumigen Racheschwüren. Das alles erlaubt sich drehbuchgemäß keine groben Schwachmatigkeiten, versinkt aber in einer by-the-numbers-artigen Abarbeitung der als notwendig erachteten plot points und erlaubt sich den unsäglichen faux-pas einer totalen Anti-Klimax als Finale (SPOILER: der Film endet, nachdem Sylvia sich enttäuscht von Hannibal den Römern ausgeliefert und von ihrem Onkel zum Selbstmord gezwungen wird, mit einem angetackerten Epilog, in dem ein Erzähler kurz zusammenfasst, was Hannibal in der Folgezeit trieb und wie er schlussendlich von Scipio besiegt wurde).

Handwerklich ist der Streifen routiniert – nicht sonderlich spannend oder temporeich vorangetrieben, da die Abschweifungen in die Love Story und die politischen Spielereien den Flow des Films aufhalten, aber doch ein Anzeichen dafür, dass man in Italien 1959 durchaus noch verstand, professionell zu arbeiten. Dennoch schleichen sich einige Kuriositäten ein – die Elefanten, filmgemäß die furchteinflössendste Waffe der Karthager, wirken erstens mal nicht gerade eindrucksvoll und sind viel zu gut gelaunt und verspielt (wenn sie laut Drehbuch aus ihrem Gehege ausbrechen, um Rampage im Camp zu veranstalten, sieht das nicht nicht bedrohlich aus, sondern so, als würden die Elefanten halt einfach eine Runde Spielen gehen), das Schwertgefuchtel der Krieger bewegt sich auf einem jämmerlichen Niveau (herausragendes Beispiel eine Sequenz, in der Quintilius mit einigen Getreuen Sylvia beim Techtelmechtel mit Hannibal überrascht und ein Trupp Karthager ihrem Chef zur Hilfe eilt), die Schlachtenszenen sind zwar, wie gesagt, mit tausenden Statisten im ersten Augenschein extrem aufwendig, entpuppen sich aber manchmal als sehr konfus (da steht schon mal der ein oder andere Komparse quite puzzled in der Landschaft und fragt sich, was er eigentlich machen soll), reichlich mysteriös ist eine Sequenz NACH der eigentlich den Höhepunkt darstellenden Schlacht von Cannae, in der Hannibal zur Unterhaltung seiner Leute einen Ringer-Wettkampf veranstaltet. Aus heutiger Sicht fragwürdig sind natürlich auch einige Pferde-Stunts, bei der man für das Wohlergehen der beteiligten Zossen kaum aus der eigenen Patschhand ein Grillstück machen möchte. Ziemlich komisch im Sinne von seltsam ist übrigens auch, dass der Streifen trotz des beachtlichen Aufwands sich um aufwendige Sets/Bauten (Rom findet z.B. nur in Innenaufnahmen statt) größtenteils drückt. Erwähnenswert ist noch, dass der Streifen verhältnismässig „brutal“ ist – einem Karthager wird der Kopf von einem Elefanten zermatscht, Pfeile durchbohren Kehlen… natürlich aus heutiger Sicht immer noch sehr zahm, aber für ’59 recht drastisch.

Die Hauptrolle übernimmt Victor Mature, ein handsome leading man der 40er und 50er, der sich im Verlauf seiner Karriere zum Spezialisten für Historienfilme entwickelt hatte („Samson and Delilah“, „The Robe“, „The Egyptian“) und wie so mancher bewährte Hollywood-Recke, der Ende der 50er in den USA nicht mehr gefragt war, mal kurz auf den Stiefel wechselte und dort ein paar gute Lira verdiente. Mature war kein GROSSER Schauspieler (in der Tat kann man ihn, nicht nur in seiner Rollenwahl, als eine Art Vorgänger von Charlton Heston sehen), und obwohl Mature insgesamt eine durchaus akzeptable Performance bietet, wäre ein Akteur mit größerer mimischer Bandbreite vielleicht geeigneter für die Rolle gewesen – Mature wirkt mir ein wenig zu steif für die emotionaleren Facetten der Rolle. Gutes Schauspiel liefert sein Gegenspieler Gabriele Ferzetti als Fabius. Der italienische Veteran, der in allen Genres zu Hause war (vom Biopic über Drama bis hin zu Western, Giallo und James Bond) zieht als unverstandener und auch persönlich in den Konflikt hineingezogener Senator alle Register seines Könnens. Rita Gam („King of Kings“, „Klute“ und persönliche Freundin von Grace Kelly) als Sylvia ist hauptsächlich optisches Beiwerk, lässt aber gelegentlich auch darstellerische Klasse aufblitzen (auch wenn der romantische Subplot natürlich ein wenig stört). Weswegen „Hannibal“ heutzutage von Carol Media als Bestandteil einer Spencer/Hill-Kollektion vertrieben wird, erläutert sich durch die Mitwirkung von Mario Girotti und Carlo Pedersoli (Hill und Spencer respektive, klar). Während Girotti als Quintilius zumindest noch eine recht wichtige Rolle spielt (aber nicht mal eine eigene Sterbeszene bekommt) und immerhin an siebter Stelle kreditiert wird, ist Pedersoli (zwölft-gebillt) wohl irgendein karthagischer Scherge. Da Pedersoli noch nicht die charakteristische Bud-Spencer-Leibesfülle aufweist, ist er aber für den Laien nicht zu erkennen (aber er spielt wirklich mit. Ein rotbärtiger Karthager, nach der Expertise der entsprechenden Freaks von budspencer.de) Gemeinsame Szenen haben die beiden nicht, nach Aussage der Aktiven haben sie sich am Set nicht mal gesehen.

Bildqualität: Carol Media klatscht den Film in einem 3-auf-1-DVD-Package in gecropptem Widescreen-Format (ca 1.85:1, aber der Film ist mit Sicherheit in einem 2.35:1-o.ä. Format gedreht) auf die Silberscheibe. Die Qualität ist relativ grützig – grobkörnig, hakelig, mit Bilddefekten und Laufstreifen geziert. Die Farben gehen in Ordnung, die Kompression ist mäßig geraten. Prädikat: noch ansehbar, aber nur bei niedrigen Ansprüchen (andererseits kostet die Scheibe im Einzelhandel so drei bis vier Euro).

Tonqualität: Geboten wird ausschließlich verknarzter, aber gleichfalls noch erträglicher deutscher Dolby-2.0-Ton. Reicht mit Müh und Not für die Fischkiste, aber die Dolby-Anlage würde ich jetzt nicht damit ausreizen wollen.

Extras: Eine Bildergalerie. Wow.

Fazit: „Hannibal“ ist summa summarum ein ziemlich durchschnittlicher und insgesamt belangloser Historienschmu, der seine interessante Prämisse weitgehend verschenkt. Anstatt Hannibals unbestrittene historische Fähigkeiten und Leistungen zu würdigen (immerhin zitiert Hannibal die angewandte Taktik der Schlacht von Cannae korrekt, aber die filmische Darstellung ist dann eher zweifelhaft), wird dem armen Feldherrn eine Lovestory aufoktroyiert (die dann konsequent seinen „downfall“ bewirkt), das Script wird zur Nummernrevue der Genrekonventionen, und dann sind noch die für diese Genrekonventionen eben essentiellen großen Schlachtenszenen eher uninspiriert, chaotisch und visuell nur durch die zahlenmäßig starke Komparserie beeindruckend. Einige darstellerische Leistungen helfen (Ferzatti, Gam und Girotti), aber mehr als nur ein Time-Waster für einen verregneten Sonntagnachmittag (also genau die Zeit, an der Filme wie dieser gemeinhin im Free-TV zu laufen pflegen) ist’s letztlich nicht. Aber angesichts Edgar G. Ulmers sonstiger Erzeugnisse zu dieser Zeit ist das ja schon höchstes Lob & Preis.

2,5/5
(c) 2012 Dr. Acula


mm
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