Hände voller Blut

 
  • Deutscher Titel: Hände voller Blut
  • Original-Titel: Hands of the Ripper
  •  
  • Regie: Peter Sasdy
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1971
  • Darsteller:

    Eric Porter (Dr. Pritchard), Angharad Rees (Anna), Keith Bell (Michael Pritchard), Derek Godfrey (Dysart), Jane Merrow (Laura), Dora Bryan (Mrs. Golding), Marjorie Rhodes (Mrs. Bryant)


Vorwort

London, 1888. Eine aufgebrachte Meute hetzt Jack the Ripper, den monströsen Hurenmörder, durch die Stadt. Er flüchtet in sein Heim, zu seiner Frau und seiner Tochter. Als seine Angetraute das Blut an seinen Händen bemerkt, muss auch sie sterben. Und die kleine Anne sieht alles mit an.
15 Jahre später hat die zur jungen Frau gereifte Anna all dies verdrängt und lebt bei Mrs. Golding in deren Bordell. Da es mit den Herren der Schöpfung ihrerseits noch nicht so recht klappen will, missbraucht diese sie als Medium, um trauernde Menschen bei Seancen auszunehmen. Bei einer dieser Vorführungen sind auch der Parlamentarier Dysart mit dem Psychologen Dr. Pritchard und dessen Sohn Michael anwesend, sie begleiten ein trauerndes Ehepaar, das Verbindung zu ihrer toten Tochter sucht. Nach der Sitzung, während Dr. Pritchard draußen an der Kutsche über das Dargebotene argwöhnt, bleibt Dysart noch, um, sagen wir mal, Anna noch etwas näher in Augenschein zu nehmen (weil, wie Telly in „Kids“ sagen würde: Ich mag sie zu, nicht wie Du). Doch Anna ist immer noch unwillig und sinkt paralysiert zu Boden. Ihre Tante stürmt ins Zimmer, um zu schlichten, als Dysart seinen Unmut lautstark kund tut, denn er glaubt, abgerippt zu werden. Doch Tantchen zückt sein Geld, wirft es aber Richtung Kamin, der gekränkte Lustmolch schafft es gerade noch, rauszufischen, bevor es in Rauch aufgeht. Dann plötzlich erhebt sich der Schürhaken. Ein Schrei. Dysart eilt aus, Pritchard in das Haus (was schon einiges über beiderlei Charakter aussagt, gelle). Drinnen findet er die verstörte Anna. Und die Puffmutter, die mittels des Schürhakens an die Tür genagelt wurde.
Die Polizei lädt darauf die dem spiritistischen Treiben beiwohnende Gesellschaft zum Plauderstündchen (unter Gentleman verhört man nicht). Da Dysart der einzige war, der nicht mit den anderen das sündige Haus verließ, wird er vom Inspektor auf’s Korn genommen. Dr. Pritchart könnte ihm leicht durch sein Wort aus der Bredouille helfen, läßt ihn aber erst einmal schwitzen (die beiden scheinen nicht die besten Freunde zu sein; und sicherlich kann Pritchart sich auch denken, warum Dysart blieb). Als der Kollege immer weiter vom Ermittler in die Enge gedrängt und in Widersprüche verwickelt wird, hat er ein Erbarmen und erlöst ihn durch eine entlastende (aber schier gelogene) Aussage. Anna indes wurde mit den anderen Damen des leichten Gewerbes ins städtische Asyl (damals eine Mischung aus Irrenhaus und Gefängnis) überstellt. Die junge Frau, die sich nach dem Vorfall an nichts mehr erinnerte, hat das Interesse des Freudianers Pritchart geweckt, und so holt er sie sich als Studienobjekt nach Hause. Sie ist zuerst verwirrt und kann seine Freundlichkeit nicht richtig einordnen. Auch im Hause des Psychoanalytikers ist man erstaunt, nimmt aber die Ansage des Hausherren, dass Anna auf unbestimmte Zeit zu Gast sein wird, erst einmal so hin. Zwischenzeitlich hat Sohnemann Michael seine Verlobte Laura, ihnen immer an der Backe ist Mrs. Bryant, die als Anstandsdame immer ein Auge auf das noch unvermählte Paar hat (das da ja keine Sauereien vorfallen, nech). Als erstes schlägt sich Annas Anwesenheit auf die Zimmeraufteilung nieder, da sie das eigentlich für Laura vorgesehene Gästezimmer im ersten Stock erhält (was Anstandsdame Mrs. Bryant gar nicht gut findet, denn jetzt residieren die Verlobten doch tatsächlich im selben Stockwerk).
Dysart ist von Dr. Pritcharts Unterfangen wenig begeistert, aber da sein Name im Verbindung mit diesem Mord durchaus skandalträchtig ist, toleriert er die Pläne des Docs. Im Hause Pritchart wird Anna für ihr erstes gesellschaftliches Ereignis, einem Tanzabend, zurecht gemacht. Als ihr die Magd eine überaus hübsche Brosche anlegt, macht es wieder Klick bei ihr. Ein gewundener Dolch macht dem Leben der Bediensteten ein unschönes, blutiges Ende. Die Heilung des Traumas der Ripper-Tochter, so muss Pritchart nun feststellen, wird eine schwerere Aufgabe, als von ihm gedacht, denn ihre mörderischen Triebe scheinen derzeit unkontrollierbar. Doch der Seelenklempner denkt gar nicht daran, jetzt schon das Handtuch zu werfen, komme, was wolle…


Inhalt

Es ist schon erstaunlich, dass gerade die Thematik um Jack the Ripper von den Hammer Films Studios erst 1971, und dann auch nur indirekt, aufgegriffen wurde. Man sollte eigentlich meinen, Hammer und der Ripper, das müsste doch wie füreinander geschaffen sein, beide britisch wie Plumpudding. Keine Ahnung, vielleicht war die Figur des Hurenmörders zu greifbar, zu real. Und wo ist dann doch zum Zusammenschluss kommt, ist es nicht die historische Figur selbst, sondern nur die fiktive Geschichte von seiner traumatisierten Tochter. Wer jetzt befürchtet, dass die Plotte um den freudianischen Doktors, der dieses arme Mädel von ihrer dissoziativen Identitätsstörung befreien will, würde diesen Horrorfilm zu sehr in die Richtung eines Psycho-Dramas lenken, sei beruhig; trotz der durchaus vorhandenen Ansätze hierfür, ist der Film ganz klar ein Reißer. Die Morde sind sehr blutig, es wird, auch wenn immer nur kurz, schon richtig draufgehalten, für Hammer-Verhältnisse, mit Blut an sich wird ja nie gegeizt, ist das Gezeigte schon außerordentlich explizit, die neue Härte der aufkommenden Splatterfilme ist durchaus spürbar, auch wenn es sich hier nur um tödliche Hieb- und Stichverletzungen handelt. Seine Spannung erzielt der Film neben den Mordszenen und der Frage, wann es jemanden erwischt, der Pritchard nahe steht, daraus, wie der Doktor den nächsten Mord vertuschen will und ob er es überhaupt schafft zu Anna vorzudringen. Der psychoanalytische Aspekt wird allerdings nur am Rande behandelt, spätestens, wenn zu Beginn des letzten Drittel Dysart vom Doc fordert, ein Medium aufzusuchen, um das Trauma endlich freizulegen, dem Freudianer ist es bis dahin nämlich nicht einmal ansatzweise gelungen, dann weiß man, dass das Drehbuch gar kein Interesse an einer wirklichen psychologischen Auseinandersetzung hat, das ganze Psycho-Brimborium schlicht als Aufhänger für die Wechselwirkung zwischen Pritchard und Anna dient. Denn dessen Interesse geht, zwar unausgesprochen, doch über das berufliche hinaus. Zum einen deckt er Anna natürlich auch, weil ein Versagen seinerseits den eigenen Ruf zerstören könnte, auf der anderen Seite scheint er ihr auch ein Stück weit verfallen, zuletzt macht er kaum noch Anstalten, in seiner Funktion als Arzt auf sie einzuwirken. Und er erweist sich auch kaum als netterer Zeitgenosse als der Unsympath Dysart, denn solange Annas Opfer nur Menschen (oder eher gesagt Frauen) zweiter Klasse wie Dienstmädchen oder Hure sind, wird das als Kollateralschaden hingenommen, und erst, als Menschen auf Augenhöhe, besser gesagt, seiner eigenen Familie gefährdet sind, versucht er, die mörderische Ripper-Tochter aufzuhalten. Und so endet „Hands of the Ripper“ auch darin, das beide zueinander finden, optisch übrigens recht nett dargebracht. Neben den beiden gibt es auch eigentlich nur funktionelle Charaktere; Michael, der Sohn des Doktors, bringt seine Verlobte ein, welche in Gefahr gerät. Die Anstandsdame ist nicht nur für ein-zwei witzige Situationen gut, sondern ermöglicht erst das Finale. Und Dysart ist der Grund für Annas ersten Blackout und soll Pritchard einigermaßen sympathisch erscheinen lassen. Das macht ihn zum (mehr oder minder) stillen dritten in der klassischen Figurenkonstellation. Durch diese Fokussierung auf das Wesentliche bietet das Drehbuch nicht viel Platz für Zerstreuung, Abschweifungen oder gar Langeweile. Die Eskalation tritt tatsächlich schon recht früh (nach gut 10 Minuten) ein und erweist auch schnell als unstoppable.

Regisseur Peter Sasdy inszenierte größtenteils Episoden verschiedener britischer TV-Serien (u.a. mehrere von „Orson Welles erzählt“). Für Hammer Films arbeitete er vor „Hände voller Blut“ schon auf dem Regie-Stuhl bei „Wie schmeckt das Blut von Dracula“ und „Komtesse des Grauens“ sowie er 1980 passenderweise noch 3 Folgen „Hammer House of Horror“ drehte, für Konkurrent Tigon 1972 den Sci-Fi-Horror „Doomwatch“.
Eine gute Vorstellung als fehlgeleiteter Psychiater gibt Eric Porter, der wie viele englische Schauspieler dieser Zeit seine Wurzeln im Theater hatte. Am ehesten bekannt ist er (dort drüben) durch seine Hauptrolle in der Mini-Serie „The Forsyte Saga“, ansonsten hatte er kleinere Rollen in „Der Untergang des römischen Reiches“, „Bestien lauern vor Caracas“ oder „Der Schakal“, später fand er sein Auskommen dann auch im Fernsehen.
Angharad Rees kommt als mörderische Anna größtenteils sehr gruselig rüber, neben ihr möchte man nicht sitzen, wenn irgendetwas spitzes in Reichweite ist. Ihre Karriere verlief recht unspektakulär, diverse TV-Produktionen zieren ihre Vita.
Dysart-Darsteller Derek Godfrey, obwohl mit einem markanten Zinken und dem bösen Blick gesegnet, verirrte sich nur mal in den Cast von „Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes“ und hatte eine kleine Rolle im 1970er „Julius Caesar“ (mit Charlton Heston). In der gehobenen Theater-Szene um die Royal Shakespeare Company soll er allerdings kein Unbekannter gewesen sein.
Die anderen Akteure, Jane Merrow als Laura (sie hatte mal was mit David Hemmings), Keith Bell als Michael sowie Majorie Rhodes als Mrs. Bryant, fallen nicht großartig positiv oder auch negativ auf.
Auffällig ist die Musik von Christopher Gunning („Agathe Christie’s Poirot“, „La vie en rose“), die gut ins Ohr geht und dramatische Spitzen mit oftmals zwischen schön und schaurig wechselt.

„Hände voller Blut“ ist einer der Hammer-Filme, die in den letzten Jahre hierzulande quasi wiederentdeckt wurden und der auch standesgemäß als Sammlerstück im Mediabook veröffentlicht worden ist. Die alte DVD aus der „British Horror Classics“-Reihe von Anolis bietet den Film in einer guten Bildqualität mit satten Farben und gutem Kontrast. Es gibt einiges an Verschmutzungen, aber nichts, worüber man nicht hinwegsehen könnte.

„Hands of the Ripper“ ist ein spannender Film aus einer Phase, in der Hammer am Scheideweg stand (und bekanntermaßen dann schleichend zugrunde ging), mit den deftigen Morden zollte man der neuen Härte im internationalen Kino Tribut, und obwohl er keine großen Namen zu bieten hat, ließ das Studio sich rein ausstattungsmäßig nicht lumpen, der Film sieht sehr gut aus, das London der Jahrhundertwende ist lebendig und authentisch. Als Fan von klassischem, britischem Horror-Kino kann man hier eigentlich nichts verkehrt machen.


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


mm
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